Das Hinterhaus oder auch Quergebäude ist die parallel zum Vorderhaus stehende rückseitige, oft durch einen Seitenflügel an das Vorderhaus angeschlossene Hofbebauung der Mietskasernen der Gründerzeit in Großstädten wie Hamburg und Berlin. Auch Bebauungen mit einer Abfolge von drei oder vier Hinterhäusern waren keine Seltenheit. Maßgebliche Bedeutung für dieses Baugeschehen hatte speziell in Berlin der Generalbebauungsplan von 1862 zusammen mit der Baupolizeiordnung von 1853, der Bestimmungen über die Nutzung der der Straße abgelegenen Teile des Grundstücks und der Stockwerke fehlten.[1]

Mietpreise
Die gegenüber der bis dahin üblichen reinen Vorderhausbebauung zusätzlich errichteten, eng angeordneten Gebäudeteile sollten zusammen mit den hohen Mieten – bei einem Durchschnittsverdienst eines Arbeiters von 720 Mark kostete 1891 die Hälfte aller Berliner Wohnungen 300 Mark – die Rendite deutlich steigern.
Um die Mietkosten aufzubringen, wurden die zusätzlichen Räume der beengten Wohnungen häufig wieder untervermietet oder Betten an Schlafgänger, von denen es 1890 in Berlin an die 100.000 gab, vermietet.
Wohnverhältnisse
Gegenüber den Vorderhäusern waren die räumlichen Verhältnisse in den Hinterhäusern wesentlich beengter und die Geschosse meist niedriger. Die Wohnungen bestanden lediglich aus einer Küche und einem Schlafzimmer; manchmal gab es noch eine fensterlose Kammer. Beheizbar war oft nur die Wohnküche, in der sich das Familienleben größtenteils abspielte.
Anfänglich war nur ein geringer Teil der Wohnungen an das sanitäre System angeschlossen. Die meisten Mietskasernen hatten nur ein Plumpsklo auf dem Lichthof. Erst in den 1920er-Jahren wurden Sanitäreinrichtungen nachgerüstet, darunter die Toiletten "auf der halben Treppe", die sich mehrere Mietparteien teilten. Die oft mangelhaften hygienischen Zustände, Kälte, Feuchtigkeit und Dunkelheit verursachten ein gesundheitsschädliches Wohnklima, das sich in den Wohnungen im Tiefparterre und Dachgeschoss noch verschärfte.
Gewerbliche Nutzung
In den Hinterhäusern siedelten sich häufig kleinere Gewerbebetriebe an, darunter Gastwirtschaften bzw. Tanzsäle und in neuerer Zeit auch Filmtheater. Aber auch die gewerbliche Nutzung ganzer Blöcke war nicht unüblich. In den Berliner Arbeiterbezirken gab und gibt es in den Hinterhäusern große Produktionsstätten der unterschiedlichsten Branchen wie zum Beispiel Konfektion, Metallbau, Büromaschinen- und Maschinenbau (Hinterhofindustrie).
Das Hinterhaus in Geschichte, Kunst und Literatur
- Das bekannteste Hinterhaus der jüngeren Deutschen Geschichte ist wahrscheinlich das Anne-Frank-Haus in Amsterdam. Es war auf allen vier Seiten durch andere Häuser vor Blicken geschützt, wodurch es während der Zeit der deutschen Besetzung und Judenverfolgung zu einem geeigneten Versteck für die Franks und ihre Freunde wurde.
- Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckte Heinrich Zille mit den Szenen aus der proletarischen Unterschicht in den Hinterhöfen, Seitengassen und Kaschemmen der Arbeiterviertel sein „Milljöh“ für sich als Sujet.
- „Krach im Hinterhaus“ ist der Titel eines volkstümlichen Lustspiels und Romans von Maximilian Böttcher. In der Verfilmung verdächtigt ein Hausverwalter eine Frau aus dem Haus, Bricketts zu stehlen und präpariert einige davon mit Schießpulver, um den Täter ausfindig zu machen.
- Man verwendet das Zitat als Kommentar zu Nachbarschaftsstreitigkeiten.
- Von dem deutschen Schriftsteller Hans Kasper stammt der Sinnspruch: „Lieber ein bißchen länger im Hinterhaus wohnen, als zu früh ins Vorderhaus ziehen und später auf dem Hof singen müssen.“
Literatur
- Berlin - ein großer Bauplatz.. In: Ruth Glatzer (Hrsg.): Berlin wird Kaiserstadt. Panorama einer Metropole 1871–1890. Siedler Verlag, Berlin, 1993, ISBN 3-88680-474-7, S. 275.
Einzelnachweise
- ↑ Bodo Harenberg (Hrsg.): Die Chronik Berlins. Chronik-Verlag, Dortmund 1986, ISBN 3-88379-082-6, S. 214.