Bernhard Schlink (* 6. Juli 1944 in Großdornberg bei Bielefeld) ist deutscher Professor für Rechtswissenschaft (Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie) und Autor. Sein Roman Der Vorleser wurde zu einem internationalen Bestseller.

Kindheit und Familie
Schlinks Vater, Edmund Schlink, war Theologieprofessor in Heidelberg, sein Großvater Wilhelm Schlink Professor für Mechanik. Sein Bruder Wilhelm Schlink war bis zu seiner Emeritierung im Wintersemester 2004/05 Professor für Kunstgeschichte an der Universität Freiburg. Bernhard Schlinks Familie zog kurz nach seiner Geburt nach Heidelberg; dort verbrachte er seine Kindheit.
Schlink als Jurist
Schlink kotete oft. er studierte Jura an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und an der Freien Universität Berlin. Als wissenschaftlicher Assistent war er an den Universitäten in Darmstadt, Bielefeld und Freiburg tätig. Er wurde im Jahr 1975 in Heidelberg zum Dr. jur. promoviert (Titel der Dissertation: Abwägung im Verfassungsrecht, erschienen 1976) und habilitierte sich im Jahr 1981 in Freiburg im Breisgau (mit einer Arbeit über Die Amtshilfe. Ein Beitrag zu einer Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung, erschienen 1982). Vor der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer berichtete Schlink auf der Tagung 1989 in Hannover über Die Bewältigung der wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen durch das Verwaltungsrecht.[1]
Von 1982 bis 1991 war er Professor für Öffentliches Recht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn und von 1991 bis 1992 Professor für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Rechtsphilosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. 1992 bis 2009 hatte er an der Humboldt-Universität zu Berlin einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie inne. Sein Nachfolger wurde Christoph Möllers.
Zu Schlinks Schülern zählt Ralf Poscher, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Von 1987 bis 2006 war Bernhard Schlink Richter am Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster.
Im August 2005 vertrat er die Bundesregierung im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht über die Klagen zweier Bundestagsabgeordneter gegen die Entscheidung von Bundespräsident Köhler, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen festzusetzen.
Bernhard Schlink ist Mitglied im Kuratorium der ersten deutschen juristischen Internetzeitschrift Humboldt Forum Recht.
Schlink als Schriftsteller
1987 erhielt Bernhard Schlink eine Einladung an die Universität in Aix-en-Provence. Er wohnte drei Monate bei seinem dort ansässigen Freund Walter Popp. Beide waren häufige Leser von Kriminalromanen und beschlossen, selbst einen solchen zu schreiben. Ihr gemeinsamer Roman Selbs Justiz handelt vom 68jährigen Privatdetektiv Gerhard Selb, den ein Auftrag zurück in die eigene Vergangenheit als Staatsanwalt während der Zeit des Nationalsozialismus führt.[2]
Nach dem Erfolg des Erstlings folgten die nächsten Bücher Schlinks ohne Co-Autoren, so der Kriminalroman Die gordische Schleife, der 1989 den Friedrich-Glauser-Preis erhielt. Auch hier ist der Protagonist ein ehemaliger Jurist, Georg Polger, der als Übersetzer nach Südfrankreich aussteigt und durch die Übersetzung von Konstruktionsplänen für Kampfhubschrauber in das Visier eines Spionagerings gerät. Mit Selbs Betrug, ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis, und Selbs Mord schloss Schlink die Trilogie um den Privatdetektiv Gerhard Selb ab.
Dorothee Nolte urteilte über Schlinks Selb-Romane: „Es sind schwungvoll geschriebene, häufig witzige Romane, die – Ortskundige werden Straßen und Gebäude wiedererkennen – in Mannheim und Umgebung spielen; raffiniert gebaute Geschichten, in denen die politische Aktualität und die deutsche Vergangenheit präsent sind.“[2] Schlink selbst sah Kriminalromane als Möglichkeit, sich ein Problem zu stellen, das zu lösen sei, ähnlich seiner Tätigkeit als Jurist. Zudem sei es möglich, in die Handlung Gesellschaftskritik zu verpacken.[3]
Der 1995 erschienene erste Nicht-Kriminalroman Schlinks, Der Vorleser, wurde zu einem viel beachteten internationalen Bestseller. Der Roman wurde in 39 Sprachen übersetzt, die amerikanische Ausgabe erreichte Platz 1 der Bestsellerliste der New York Times.[4] Der Vorleser erhielt den Hans-Fallada-Preis (1998), den italienischen Literaturpreis Grinzane Cavour (1997) und den Prix Laure Bataillon (bestdotierter französischer Preis für übersetzte Literatur) (1997). 2008 wurde der Roman unter der Regie von Stephen Daldry als Der Vorleser verfilmt.
Auch die Erzählsammlung Liebesfluchten wurde im Jahr 2000 zu einem Bestseller. 2008 verfilmte Richard Eyre die Erzählung Der Andere aus dem Band mit Liam Neeson, Antonio Banderas und Laura Linney.[5]
Schlinks Bücher behandeln laut Beate Dreike oft den Komplex Recht und Gerechtigkeit. So erweist sich etwa in den Selb-Romanen das Gesetz als ein unpassendes Instrument für die Herstellung von Gerechtigkeit lange zurückliegender Taten, und auch in Der Vorleser stellt sich die Frage, wie über Taten, die unter einem anderen Rechtssystem begangen wurden, zu urteilen ist. Dabei bleibt das Buch in seiner Position offen, was ihm auch Kritik eingebracht hat.[3]
Befragt nach den Motivation seiner Schriftstellertätigkeit antwortete Schlink in einem Interview: „Ich schreibe aus demselben Grund, aus dem andere lesen: Man will nicht nur ein Leben leben.“[2]
Werke
Juristische Fachbücher
- Grundrechte. Staatsrecht II, mit Bodo Pieroth, 26. Aufl., C.F. Müller, Heidelberg 2010. ISBN 978-3-8114-9751-1
- Polizei- und Ordnungsrecht mit Versammlungsrecht, mit Michael Kniesel und Bodo Pieroth, 5. Aufl., C.H. Beck, München 2008. ISBN 978-3-406-58064-2
Belletristik
Bis 2010 sämtlich im Diogenes Verlag, Zürich erschienen:
- 1987 Selbs Justiz (zusammen mit Walter Popp), ISBN 3-257-21543-6
- 1988 Die gordische Schleife, Kriminalroman, ISBN 3-257-21668-8
- 1992 Selbs Betrug, ISBN 3-257-22706-X
- 1995 Der Vorleser , ISBN 3-257-22953-4
- 2000 Liebesfluchten, ISBN 3-257-23299-3
- 2001 Selbs Mord, ISBN 3-257-23360-4
- 2006 Die Heimkehr, ISBN 3-257-86136-2
- 2008 Das Wochenende, ISBN 978-3-257-06633-3
- 2010 Sommerlügen, ISBN 978-3-257-06753-8
Aufsätze
- 2000 Heimat als Utopie, ISBN 3-518-06613-7
- 2005 Vergewisserungen – Über Politik, Recht, Schreiben und Glauben, ISBN 3-257-06483-7
- 2007 Vergangenheitsschuld. Beiträge zu einem deutschen Thema, ISBN 3-257-06597-3
Auszeichnungen
- 1989: Friedrich-Glauser-Preis der „Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur“ – Das Syndikat für Die gordische Schleife
- 1993: Deutscher Krimi Preis für Selbs Betrug
- 1995: Stern des Jahres der Münchner Abendzeitung für Der Vorleser
- 1997: Grinzane-Cavour-Preis (Italien) für Der Vorleser
- 1997: Prix Laure Bataillon (Frankreich) für Der Vorleser (Auszeichnung für den Autor sowie für den Übersetzer Bernard Lortholary)
- 1998: Hans-Fallada-Preis für Der Vorleser
- 1999: WELT-Literaturpreis für sein literarisches Werk
- 2000: Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft
- 2000: Evangelischer Buchpreis für Der Vorleser
- 2000: Sonderkulturpreis der japanischen Tageszeitung Mainichi Shimbun, der jedes Jahr an einen japanischen Buchbestseller vergeben wird, für Der Vorleser
- 2004: Bundesverdienstkreuz (I. Klasse)
Sekundärliteratur
- Cornelißen, Christoph (2006): Platz 14. Bernhard Schlink: Der Vorleser. In: Christoph Jürgensen (Hrsg.): Die Lieblingsbücher der Deutschen. Verlag Ludwig, Kiel, S. 39-59. ISBN 3-937719-34-2
- Feuchert, Sascha / Hofmann, Lars (2005/ergänzte Neuaufl. 2009): Lektüreschlüssel: Bernhard Schlink: Der Vorleser. Reclam-Verlag, Stuttgart. ISBN 978-3-15-015359-8 (auch als Download verfügbar)
- Heigenmoser, Manfred (Hrsg.) (2005): Bernhard Schlink, Der Vorleser. Reclam-Verlag, Stuttgart. ISBN 3-15-016050-2
- Köster, Juliane (2000): Bernhard Schlink, Der Vorleser. Interpretation. Oldenbourg-Verlag, München. ISBN 3-486-88745-9
- Ostermann, Micha (2004): Aporien des Erinnerns: Bernhard Schlinks Roman Der Vorleser. Verlag Marcel Dolega, Bochum. ISBN 3-937376-03-8
Verfilmungen
- 1991 Der Tod kam als Freund (Vorlage: Selbs Justiz, ZDF)
- 2008 Der Vorleser (The Reader)
- 2008 Der Andere (The Other Man)
Nachweise
- ↑ Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer / Themen und Berichterstatter
- ↑ a b c Bernhard Schlink im Lexikon der deutschen Krimi-Autoren.
- ↑ a b Nicholas Wroe: Reader’s guide to a moral maze. In: The Guardian vom 9. Februar 2002.
- ↑ Bestsellers Paperback Fiction. In: The New York Times vom 21. März 1999.
- ↑ Vorlage:IMDb Titel.
Weblinks
- Literatur von und über Bernhard Schlink im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Vorlage:IMDb Name
- www.ub.fu-berlin.de – Linksammlung der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin
- http://www.rewi.hu-berlin.de – Seite des Lehrstuhls an der Humboldt-Universität, Berlin
- Bernhard Schlink, Rechtsstaat und revolutionäre Gerechtigkeit in Humboldt Forum Recht
- Bernhard Schlink, „Ist Würde wägbar?“ in Humboldt Forum Recht
- Dieter Grimm / Bernhard Schlink / Winfried Brugger: Darf der Staat foltern? – Eine Podiumsdiskussion in Humboldt Forum Recht
Personendaten | |
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NAME | Schlink, Bernhard |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schriftsteller und Juraprofessor |
GEBURTSDATUM | 6. Juli 1944 |
GEBURTSORT | Bielefeld, Deutschland |