Aggregat 4

erste ballistische Boden-Boden-Rakete
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Aggregat 4 (A4) war die Typenbezeichnung der ersten voll funktionsfähigen Großrakete. Bekannt wurde diese Boden-Boden-Rakete unter dem ihr von Joseph Goebbels im Oktober 1944 gegebenen Propagandanamen Vergeltungswaffe 2, kurz „V2“; die Starteinheiten von Wehrmacht und SS nannten sie schlicht „Das Gerät". Die A4-Rakete wurde während der nationalsozialistischen Diktatur als ballistische Artillerie-Rakete großer Reichweite konzipiert und gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in großer Zahl eingesetzt. Sie war außerdem das erste von Menschen konstruierte Objekt, das die Grenze zum Weltraum (nach Definition der FAI mehr als 100 km) durchstieß.

Prüfstand VII in Peenemünde:
A4 beim Start (1943)

Entwicklung

 
Start einer A4 von Prüfstand VII, Sommer 1943
 
Peenemünde, Raketenabsturz

Die Raketenentwicklung in Peenemünde war von Anfang an von militärischen Anforderungen geprägt: Seit März 1936 bestand ein Anforderungsprofil für eine Rakete, die eine Tonne Sprengstoff über 250 Kilometer befördern sollte.[1]

Entwickelt wurde das Aggregat 4 von einer Gruppe von Wissenschaftlern und Ingenieuren um Wernher von Braun, dem Technischen Direktor der Heeresversuchsanstalt Peenemünde, der auch Klaus Riedel, und Arthur Rudolph angehörten. Verantwortlicher Leiter und Kommandeur der HVA war in diesem Zeitraum Walter Dornberger.

Die Vorgängermodelle der A4 waren nur teilweise erfolgreich: A1 (beim Brennversuch in Kummersdorf-West explodiert), A2 (1934 zwei erfolgreiche Starts auf Borkum), und A3 (vier Fehlstarts im Dezember 1937), erst als A5 1938 erfolgreich. Die A4-Rakete wurde seit 1939 entwickelt und erstmals im März 1942 getestet. Am 3. Oktober gelang ein erfolgreicher Start. Bei diesem Testflug erreichte sie mit einer Spitzengeschwindigkeit von fast Mach 5 (4824 km/h) eine Gipfelhöhe von 84,5 km.

Am 20. Mai 1944 wurden Teile einer abgestürzten A4 von der Polnischen Heimatarmee sichergestellt. Die wichtigsten Teile wurden zusammen mit den in Polen vorgenommenen Auswertungen in der Nacht vom 25. Juli zum 26. Juli 1944 von einer Dakota der RAF, die in der Nähe von Żabno gelandet war, nach Brindisi ausgeflogen (Operation Most III). Von dort aus kamen die Teile nach London.

Nach dem ersten Luftangriff auf Peenemünde am 17. August 1943 (siehe auch: Operation Hydra) wurden viele Versuchsstarts der A4, insbesondere zur Ausbildung der Raketeneinheiten, in Blizna und auf der Tucheler Heide durchgeführt. Daneben ging auch in Peenemünde (einschließlich der Greifswalder Oie) der Start von Versuchsraketen bis zum 21. Februar 1945 weiter.

Aufbau

 
1. Gefechtskopf
2. Kreiselsteuerung
3. Steuerung und Funkkontrolle
4. Treibstoff-Tank (Alkohol)
5. Raketenkörper
6. Sauerstoff-Tank
7. Wasserstoffperoxid-Tank
8. Kühlmittel-Tank (Stickstoff)
9. Wasserstoffperoxid-Motor
10. Turbopumpe
11. Alkohol/Sauerstoff-Brenner
12. Triebwerkskörper
13. Hauptbrennkammer
14. Stabilisierungflosse
15. Alkohol-Einspritzung
16. Gasruder
17. Luftruder

Die A4-Rakete war 14 Meter hoch und hatte eine Masse von 13,5 Tonnen. Der Rumpf (5) bestand aus Spanten und Stringern, die mit dünnem Stahlblech beplankt waren. Die Technik bestand aus vier Baugruppen:

  • Spitze mit Geschosskopf (1)
  • Geräteteil mit Steuerung (2), (3)
  • Mittelteil mit Alkoholtank (4) und Sauerstofftank (6)
  • Heckteil mit Schubgerüst, Raketenmotor, Schubdüse, Strahlruder (16) und Luftrudern (17)

Sprengstoff

Die 1000 kg Sprengstoff einer Amatol-Mischung waren in der Raketenspitze untergebracht. Da sich diese während des Flugs durch die Reibung aufheizte, konnten nur Sprengstoffmischungen verwendet werden, deren Zündtemperatur über 200 °C lag.[2]

Steuerung

Für die Stabilisierung und Steuerung sorgte das Leitwerk mit den Luftrudern, welche aber erst bei höherer Geschwindigkeit wirkten. Kurz nach dem Start waren die direkt im Gasstrom liegenden vier Strahlruder aus Graphit für die Stabilisierung zuständig. Alle Ruder wurden von Servomotoren bewegt, welche ihre Steuerinformationen von den Kreiselinstrumenten (Gyroskopen) im Geräteteil erhielten. Je ein Kreisel war für die Quer- und Seitenachse vorgesehen. Wenn die Rakete vom eingestellten Kurs abwich, wurde das von den Gyroskopen registriert und die Servomotoren der Strahl- und Luftruder zur Korrektur des Kurses angesteuert.

Die beim Start eingestellte Zeitschaltuhr sorgte dafür, dass der Neigungswinkel der Kreiselplattform nach drei Sekunden Brennzeit so verändert wurde, dass die Rakete aus der Senkrechten in eine geneigte Flugbahn überging. Der Neigungswinkel war so eingestellt, dass sich je nach zu erzielender Entfernung eine entsprechende Flugbahn ergab. Vor dem Start musste die Rakete auf ihrem Starttisch exakt senkrecht gestellt und so gedreht werden, dass eine besonders markierte Flosse in Zielrichtung zeigte.

Zum Erreichen einer besseren Zielgenauigkeit wurde in Versuchsraketen auch eine Funksteuerung erprobt, die aber wegen der höheren Störanfälligkeit im späteren Einsatz nicht verwendet wurde.

Antrieb

Das Aggregat 4 war eine Flüssigkeitsrakete und wurde mit einem Gemisch aus 75-prozentigem Ethylalkohol und Sauerstoff angetrieben. Unter der Leitung des Ingenieurs Walter Thiel wurde das beste Mischungsverhältnis der Treibstoffe, die Einspritzdüsenanordnung sowie die Formgebung des Raketenofens gefunden. Eine Pumpenbaugruppe war nötig, welche die großen Mengen an Alkohol und flüssigem Sauerstoff in die Brennkammer fördern konnte, um die erforderliche Schubkraft des Triebwerks zu erzeugen. Zum Antrieb dieser Doppelpumpe diente eine integrierte Dampfturbine von 500 PS Leistung. Der Dampf wurde durch die katalytische Zersetzung von Wasserstoffperoxid mittels Calciumpermanganat erzeugt. Zur Förderung des flüssigen Wasserstoffperoxids war komprimierter Stickstoff nötig, der in mehreren Druckbehältern mit an Bord war. Die Kreiselsteuerung und das präzise und daher sehr aufwändig zu fertigende Pumpenaggregat waren die beiden teuersten Bauteile des A4.

Die Rakete erreichte nach einer Brenndauer von etwa 60 Sekunden ihre Höchstgeschwindigkeit von etwa 5500 km/h (etwa Mach 5). Da der gesamte Flug bei einer Reichweite von 250 bis 300 km nur 5 Minuten dauerte, gab es damals keine Abwehrmöglichkeit gegen diese Waffe.

Fertigung

 
Triebwerksteil einer A4 im Stollen des Lagers Dora-Mittelbau

Die A4-Rakete wurde ab 1944 im unterirdischen Montagekomplex der Mittelwerk GmbH im Kohnstein nahe Nordhausen durch Häftlinge des KZ Mittelbau-Dora zusammengebaut. Insgesamt wurden während des Zweiten Weltkrieges 5975 Raketen von Zwangsarbeitern und deutschen Zivilbeschäftigten aus tausenden Einzelteilen zusammengebaut. Für das hochtechnologische Projekt wurden spezialisierte, inhaftierte Facharbeiter und Ingenieure aus dem gesamten Reichsgebiet und den besetzten Staaten gezielt ausgewählt. Obwohl viele von ihnen einer handwerklichen Prüfung unterzogen und erst danach in den Kohnstein verschleppt wurden, bot man ihnen dort keine besseren Arbeits- und Haftbedingungen als in anderen Konzentrationslagern.

Vielmehr konnten sie sicher sein, dass man sie wegen ihrer Einblicke in dieses Staatsgeheimnis nicht mehr freilassen würde. Wie unmenschlich die Behandlung auch durch zivile Ingenieure zeitweise war, zeigt etwa eine schriftliche Anweisung, die Häftlinge bei Verfehlungen nicht mehr mit spitzen Gegenständen zu stechen. Dennoch kam es immer wieder zu Sabotageakten, die allerdings die Fertigung der Rakete nie ernstlich behinderten. Bei der Endabnahme erwies sich jede zweite Rakete als nicht voll funktionstüchtig und musste nachgebessert werden. Dies lag jedoch in erster Linie daran, dass die Ingenieure fast täglich aus Peenemünde bauliche Änderungen vorgaben, die den laufenden Produktionsprozess erheblich beeinträchtigten.

Im Zusammenhang mit dem Ausbau des Kohnsteins und der anschließenden Fertigung der A4-Rakete sowie der Flugbombe V1 und von Teilen eines Düsenjägers kamen nach offizieller Zählung in den SS-Akten etwa 12.000 Zwangsarbeiter ums Leben. Hinzu kommen etwa 8.000 Menschen, die durch den Einsatz der Waffe ihr Leben verloren. Laut Dr. Jens-Christian Wagner, Leiter der Gedenkstätte KZ Mittelbau-Dora, sind „mehr Häftlinge bei der Produktion der Waffe ums Leben gekommen als [andere Opfer] bei ihrem Einsatz. Das ist ein Unikum, ich glaube, es hat keine andere Waffe gegeben, die schon in der Produktion so viele Menschenleben gefordert hat.“[3]

Die Fertigungsstätten für Teile der A4 waren über ganz Deutschland und Österreich verstreut: Im Lager Rebstock bei Dernau an der Ahr wurden in ehemaligen Eisenbahntunneln Bodenanlagen und Fahrzeuge für die Rakete produziert. Weitere Beispiele sind die Firmen Gustav Schmale in Lüdenscheid, wo Teile der Brennkammer gefertigt wurden[4] und die Accumulatoren Fabrik AG (AFA) in Hagen-Wehringhausen,[5] wo die speziellen Akkumulatoren gefertigt wurden. Anfang 1944 wurde im KZ-Nebenlager Redl-Zipf der Betrieb eines Triebwerksprüfstands aufgenommen.

Startliste der Versuchsstarts in Peenemünde

 
Startvorbereitungen einer A4 in Peenemünde
 
A4-Nachbildung in Peenemünde
Versuchsstarts in Peenemünde[T 1]
Nr. Datum Brennzeit (s) Reichweite (km) Bemerkungen
1
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Explosion bei Zündung
2
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36 1,3 Stieg ca. 4900 m, bis eine Treibstoffpumpe brach, rollte zudem im Flug, stürzte ab
3
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45 8,7 Durchbrach Schallgrenze, aber dann Spitze abgebrochen, Flugzeit 194 s
4
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58 190 Erster erfolgreicher Flug, stürzte nach 296 s Flug ins Meer
5
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84 147 Probleme mit dem Dampfgenerator, Flugzeit 256 s
6
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54 14 Vertikaler Aufstieg bis auf 67 km
7
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37 8,6 Taumelte, verlor Flossen
9
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4 0,1 Explosion
10
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0 Explosion bei Zündung
11
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64,5 105 Zu steil, rollte im Flug
12
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61 196 Aufstieg zu flach
13
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18 4,8 Feuer im Heck
16
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33 1,0 Vertikaler Aufstieg, Heckexplosion
18
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60 133 Zu steil, Rotation im Flug
19
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28 1,2 Taumelte, explodierte
20
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66 287 Absturz in Pommern
21
Vorlage:dts ist VERALTET – siehe dort.
59 252 Absturz in Pommern
22
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62 250 Abschaltung versagt
26
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66,5 265 Erfolg, Flugzeit 349 s
25
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40 27 Brennschluss nach 40 s
24
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55 138
23
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62 235 Vorzeitiger Brennschluss
29
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63,5 238 Erfolgreicher Start
31
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60,5 221 Vorzeitiger Brennschluss
28
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62,5 75 Nach 70 s explodiert
30
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65,1 287 Erster Start vom Prüfstand X, Abschaltung versagt
36
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64,9 235 Erfolgreicher Start
38
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15 3 Absturz auf Flugplatz
40
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63,6 236 Einschlag nicht beobachtet
33
Vorlage:dts ist VERALTET – siehe dort.
Brennschluss nach Abheben, Explosion
41
Vorlage:dts ist VERALTET – siehe dort.
4 0,1 Absturz auf Pumpenhaus des Prüfstands VII
34
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Brennschluss nach Abheben, Explosion
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64 ? Erfolgreicher Start
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68 ? Erfolgreicher Start mit 272 s Dauer. Erster Start nach dem Luftangriff am 17. August 1943
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63 ? Erfolgreicher Start, Flugzeit 286 s
Vorlage:dts ist VERALTET – siehe dort.
63 ? Erfolgreicher Start, Flugzeit 286 s
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69 ? Erfolgreicher Start, Flugzeit 247 s
Vorlage:dts ist VERALTET – siehe dort.
33 ? Nur Teilerfolg, vorzeitiger Ausfall des Triebwerks, Flugzeit 104s
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43 ? Explodierte 43 s nach dem Start
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? ? Erster Testflug einer im Mittelwerk gefertigten Rakete. Fehlschlag
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? ? Explodierte
Vorlage:dts ist VERALTET – siehe dort.
59 ? Erfolgreicher Start, Flugzeit 282 s

Anmerkungen

  1. Sofern nicht anders angegeben, erfolgte der Start vom Prüfstand VII.

Für den Zeitraum zwischen Juli 1943 und Februar 1945 liegen keine kompletten Startlisten vor. Bei einem Versuchsstart am 13. Juni 1944 zur Erprobung von Komponenten der Flugabwehrrakete Wasserfall stürzte eine von Peenemünde aus gestartete A4-Rakete in Südschweden ab.

Siehe auch: Liste der Versuchsstarts der A4-Rakete

Einsatz

Mit Sprengköpfen bestückt, wurden mit ihr ab 6. September 1944 englische und belgische Städte bombardiert, vor allem London und Antwerpen von mobilen Startrampen aus: London nach offizieller Verlautbarung als Vergeltung für britische Bombenangriffe, Antwerpen wegen seines Hafens, der den Alliierten als Hauptanlandepunkt diente. Zwar war die Treffergenauigkeit gering, aber die plötzlichen Einschläge ohne Vorwarnung hatten vor allem psychologische Wirkung auf die Zivilbevölkerung, wenn wohl auch weniger als die der V1. Während es bei Angriffen der V1 noch Fliegeralarm gab und jeder wusste, dass der Flugkörper sehr schwer abzufangen war, gab es bei der A4 wegen ihrer Überschallgeschwindigkeit nur die plötzliche Explosion und danach erst den Überschallknall. Insgesamt kamen etwa 3200 Raketen zum Einsatz, die sich wie folgt verteilten:

 
Gefallener US-Soldat nach einem V2-Angriff auf Antwerpen am 27. November 1944

Von Den Haag aus wurden 1039 Raketen gestartet, vor allem auf London gerichtet. Bei einem alliierten Luftangriff auf die Startrampen am 3. März 1945 kamen 510 Menschen ums Leben.

In Frankreich waren mehrere große Bunker zum Abschuss der A4 geplant oder im Bau, welche aber durch Bombardierungen oder wegen des Vormarschs der Alliierten nach der Invasion nicht mehr fertiggestellt wurden und nicht zum Einsatz kamen. Die bekanntesten sind das Blockhaus von Éperlecques, der Kuppelbau von Helfaut-Wizernes und die Anlagen im Raum Cherbourg.

Die letzte Rakete im Kampfeinsatz wurde am 27. März 1945 von den Deutschen gegen Antwerpen gestartet. Augenzeugen berichten jedoch, dass die Ausbildungsbatterie 444 noch am 5. April 1945 in der Gegend von Verden mehrere A4-Raketen Richtung Nordsee gestartet habe.

Der Einsatz als Terrorinstrument heizte die Spirale der Gewalt im Krieg weiter an und führte in London zu Diskussionen, mit Kampfgas zu vergelten. Insgesamt forderte der Einsatz der A4-Raketen mehr als 8000 Menschenleben, hauptsächlich Zivilisten. Die größte Zahl an Opfern war am 16. Dezember 1944 in Antwerpen zu beklagen, als eine A4 das vollbesetzte „Rex"-Kino traf und 567 Menschen tötete.

Weiterentwicklung

 
Wernher von Braun in Peenemünde, Frühjahr 1941
 
Größenvergleich
 
Start einer modifizierten A4 am 24. Juli 1950 von Cape Canaveral
 
A4 (National Air & Space Museum, Washington)
 
A4 auf einem Meillerwagen bei Cuxhaven

Wernher von Braun hatte von den Militärs den Auftrag erhalten, eine Waffe mit der Reichweite von 300 km und einer Sprengkraft von circa einer Tonne zu bauen. Nur dafür bekam er Geld und Personal vom Militär und später von der SS.

Am 24. Januar 1945 wurde in Peenemünde eine geflügelte Version der A4-Rakete, die A4b, erstmals erfolgreich gestartet. Sie sollte die doppelte Reichweite der A4 erreichen, stürzte allerdings wegen eines Flügelbruchs vorzeitig ab. Zu weiteren Starts dieses Flugkörpers kam es (aufgrund der Kriegslage) nicht mehr.

Von 1943 bis zum Kriegsende 1945 entwickelte man zudem eine Interkontinentalrakete. Diese war als zweistufige Fernrakete ausgeprägt und trug die Bezeichnung A 9/10. Sie übertraf die A4 in Umfang und Höhe um das Doppelte. Die A 9/10 bestand aus zwei unabhängigen Raketen, der A10 und der A9, die bis zur Abtrennung der ausgebrannten A10, der Startrakete, unter einer gemeinsamen Hülle miteinander verbunden blieben. Nach dem Ausbrennen der A10 sollte der Weiterflug von der A9 übernommen werden, die in etwa den Plänen der späteren A4b entsprach. Die projektierte Reichweite dieser Rakete betrug 5500 km, Ziel war es, New York anzugreifen. Über das Planungsstadium ist dieses Projekt allerdings nicht hinausgekommen.

Nach dem Krieg

Den Amerikanern waren am 29. März 1945 auf einem Militärzug am Bahnhof Bromskirchen in Hessen zehn komplette A4-Raketen des Artillerieregimentes Z.V. 901 (mot) mit den mobilen Startrampen, Treibstoff und Bedienungsanleitung in die Hände gefallen. Der Zug sollte die Raketen vom Westerwald kommend am 22. März über die Aar-Salzböde-Bahn in neue Stellungen im Raum Schelderwald bzw. in die Nähe von Marburg bringen. Diese zehn A4 wurden drei Tage später von den Amerikanern vom Hafen Antwerpen aus in die USA verschifft.[6] Sie bildeten die Grundausstattung der neuen amerikanischen Raketentechnik.

Am 2. Mai 1945 stellte sich von Braun der US-Armee und wurde zusammen mit anderen Wissenschaftlern aus seinem Mitarbeiterstab in die USA geschickt (Operation Paperclip).

Die Briten ließen im Oktober 1945 mehrere A4-Raketen durch Kriegsgefangene aus ehemaligen deutschen Starteinheiten in der Nähe von Cuxhaven starten, um Vertretern der alliierten Besatzungsmächte die „Wunderwaffe V2“ beim Start zu demonstrieren (Operation Backfire). Hierbei entstand auch ein zunächst geheimer Dokumentarfilm, der heute im Museum Peenemünde gezeigt wird.

Etwa 100 erbeutete A4 und Teile davon wurden im Mittelwerk Nordhausen noch vor dem Einmarsch der Roten Armee von US-Truppen verladen und in die USA verfrachtet. Sie bildeten den Grundstock der Raumfahrtentwicklungen der USA. Eines dieser Exemplare kann im National Air and Space Museum in Washington (D.C.) begutachtet werden, ein weiteres kam anlässlich von Filmarbeiten Ende der 1950er Jahre wieder nach Deutschland zurück und befindet sich heute im Deutschen Museum in München. Die Übersiedlung der führenden Raketentechniker ab Sommer 1945 in die USA lief im Rahmen der geheimen Operation Overcast.

Teststarts mit erbeuteten A4-Raketen in den USA erfolgten beispielsweise im März 1948 von der White Sands Missile Range in New Mexico. Die Modifizierung der A4 mit einer Corporal-Rakete als zweite Stufe nannte man Bumper. Die ersten Raketenstarts von Cape Canaveral in Florida wurden 1950 mit Bumper-Raketen durchgeführt. Auf US-Seite wurden unter anderem Fruchtfliegen im Juli 1946 mit einer A4 transportiert und als erste Organismen im All bezeichnet.

In Huntsville (Alabama) wurde mit dem Redstone Arsenal ein erstes Zentrum für die Raketenentwicklung gegründet, wo zusammen mit den deutschen Wissenschaftlern insgesamt 67 A4-Raketen gestartet wurden. Sie bildeten den Grundstock für die späteren Redstone-Raketen und für diverse Weiterentwicklungen ähnlicher Kriegswaffen, letztlich aber auch für die Saturn-V-Raketen.

Ebenso wurde von der UdSSR zunächst eine große Anzahl von deutschen Wissenschaftlern in der Sowjetischen Besatzungszone schon im Sommer 1945 verhaftet und dann mit Resten der Raketentechnik und der Fertigungsanlagen 1946 und ihren Familien in die Sowjetunion deportiert, um dort ebenfalls den Grundstock für spätere Entwicklungen zu bilden. Die sowjetische R-1-Rakete war der direkte Nachbau der A4. Sie wurde erstmals 1947 vom Testgelände Kapustin Jar gestartet. Die A4 war somit eine der Grundlagen der sowjetischen Raumfahrttechnologie und Raketenwaffen.

Die gegenseitige Bedrohung mit Raketen stellte ein wesentliches Moment des Kalten Krieges dar.

Die Firma Canadian Arrow baute im Rahmen des Ansari X-Prize eine (um zwei Meter verlängerte) A4-Rakete nach, die Touristen ins All bringen sollte.

Museale Rezeption

 
Originalgetreue Bemalung "Frau im Mond" der V2-Nachbildung im HIT Peenemünde

Im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien befindet sich in der Dauerausstellung „Republik und Diktatur“ (Saal VII) ein Triebwerk einer V2-Rakete, welches kurz nach Kriegsende aus dem Toplitzsee, wo zwischen 1943 und 1945 zahlreiche waffentechnische Versuche durchgeführt wurden, geborgen wurde.[7] Im Deutschen Museum Flugwerft Schleißheim und im Deutschen Technikmuseum Berlin ist ein A4-Triebwerk ausgestellt.

Siehe auch

Literatur

  • Volkhard Bode und Gerhard Kaiser: Raketenspuren. Peenemünde 1936–2000. 2. Aufl. Ch. Links, Berlin 2001, ISBN 3-86153-239-5
  • Walter Dornberger: Peenemünde. Die Geschichte der V-Waffen. 12. Aufl. Ullstein, Frankfurt/Main 2001, ISBN 3-548-33119-X
  • T. D. Dungan: V-2: A Combat History of the First Ballistic Missile (Weapons in History). Westholme Publishing, 2005, ISBN 1-59416-012-0 (westholmepublishing.com (abgerufen 28. Juni 2010)).
  • Rainer Eisfeld: Mondsüchtig. Wernher von Braun und die Geburt der Raumfahrt aus dem Geist der Barbarei. rororo, 2000
  • Joachim Engelmann: Geheime Waffenschmiede Peenemünde. V2 – „Wasserfall“ – „Schmetterling“. Podzun-Pallas-Verlag, Friedberg, ISBN 3-7909-0118-0
  • Karsten Porezag: Geheime Kommandosache, Geschichte der „V-Waffen“ und geheime Militäraktionen des zweiten Weltkrieges an Lahn, Dill und Westerwald, Dokumentation., 2. überarbeitete Auflage, Wetzlardruck, 2003. ISBN 3-926617-20-9
  • Uli Jungbluth: Hitlers Geheimwaffen im Westerwald. Zum Einsatz der V-Waffen gegen Ende des Zweiten Weltkrieges. Verein für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung, 7. Zweigverein, Geschichts- und Kulturwerkstatt Westerwald, Montabaur, 1996 (= Werkstatt-Beiträge zum Westerwald, Nr. 2)
  • Heinz Dieter Hölsken: Die V-Waffen: Entstehung – Propaganda – Kriegseinsatz. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1984, ISBN 3-421-06197-1
  • Dieter Hölsken: V-Waffen. Entwicklung und Einsatz im II. Weltkrieg. Motorbuch, Stuttgart 2001, ISBN 3-613-02145-5
  • Michael J. Neufeld: Die Rakete und das Reich. Wernher von Braun, Peenemünde und der Beginn des Raketenzeitalters. Henschel, Berlin 1999, ISBN 3-89487-325-6
  • Dr. Olaf Przybilski: Das Geheimnis der deutschen Raketen und raketengetriebenen Fluggeräte. In: Spurensuche Band 10. Podzun-Pallas-Verlag, 2002, ISBN 3-7909-0763-4
  • Gerhard Reisig: Raketenforschung in Deutschland. Wie die Menschen das All eroberten. Agentur Klaus Lenser, Münster 1997, ISBN 3-89019-500-8
  • Georg Metzler: Geheime Kommandosache: Raketenrüstung in Oberschwaben – Das Außenlager Saulgau und die V2 (1943–1945). Wilfried Eppe, Bergatreute 1996, ISBN 3-89089-053-9
  • Johannes Weyer: Wernher von Braun. rororo, Hamburg 1999, ISBN 3-499-50552-5
  • Stefan Brauburger: Wernher von Braun – Ein deutsches Genie zwischen Untergangswahn und Raketenträumen. Pendo, München 2009, ISBN 978-3-86612-228-4
  • Niklas Reinke: Geschichte der deutschen Raumfahrtpolitik. Konzepte, Einflussfaktoren und Interdependenzen: 1923-2002, Oldenbourg, München 2004, ISBN 978-3-486-56842-4
  • Kurt Magnus: Raketensklaven. Deutsche Forscher hinter rotem Stacheldraht, Elbe-Dnjepr-Verlag; 1. Auflage 2002, ISBN 978-3933395672
Commons: V2 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: White Sand Missile Range Museum – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Johannes Weyer: Wernher von Braun. rororo, Hamburg 1999, S. 32ff.
  2. Roger Ford: Die deutschen Geheimwaffen des Zweiten Weltkriegs
  3. Am Anfang war die V2. Vom Beginn der Weltraumschifffahrt in Deutschland. In: Utz Thimm (Hrsg.): Warum ist es nachts dunkel? Was wir vom Weltall wirklich wissen. Kosmos, 2006, S. 158, ISBN 3-440-10719-1
  4. Lüdenscheider Nachrichten; 25. März 2006
  5. Accumulatoren Fabrik AG
  6. Karsten Porezag: Geheime Kommandosache, Geschichte der „V-Waffen“ und geheime Militäraktionen des zweiten Weltkrieges an Lahn, Dill und Westerwald, Dokumentation., 2. überarbeitete Auflage,Wetzlardruck, 2003. ISBN 3-926617-20-9, Seiten 326–344
  7. Manfried Rauchensteiner, Manfred Litscher (Hrsg.): Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Graz / Wien 2000, S. 82.

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