Wolfgang Fränkel

deutscher Jurist
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Der erst am 23. März 1962 zum Generalbundesanwalt ernannte Wolfgang Fränkel wurde bereits am 24. Juli 1962 in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Schon die Ernennung Fränkels zum Bundesanwalt auf Vorschlag des Bundesjustizministers Thomas Dehler ließ die Probleme deutlich werden, die schließlich zu der Versetzung Fränkels in den einstweiligen Ruhestand führen sollten.

Der Rechtsausschuß des Bundesrats hielt Fränkel den an das Amt eines Bundesanwaltes zu stellenden Anforderungen für nicht gewachsen. Diese Einschätzung lag nicht an mangelnder juristischer Qualifikation Fränkels. Er konnte zwei Staatsexamina mit der Note „gut“ vorweisen und war über die Generalstaatsanwaltschaft in Kiel und eine Tätigkeit in Kassel 1936 als Hilfsarbeiter zur Reichsanwaltschaft nach Leipzig berufen worden. Nach dem Krieg war Fränkel als Amtsgerichtsrat tätig. Die Ernennung zum Bundesanwalt wäre daher nur folgerichtig erschienen. Der Ernennungsvorschlag des Justizministers führte im Bundesrat, der nach § 149 GVG zustimmen mußte, zu einer Diskussion darüber, ob ehemalige Mitglieder des Reichsgerichts oder – wie im Fall Fränkels – Mitarbeiter der Reichsanwaltschaft überhaupt als Bundesanwälte tragbar seien. Diese Frage trat gerade im Bereich der personellen Besetzung der Bundesanwaltschaft auf, da diese wegen ihrer Verfolgungszuständigkeit für die Staatsschutzdelikte in besonderer Weise den Schutz der Verfassung zu garantieren hatte. Daher sollte das Personal der Bundesanwaltschaft zumindest ein Gefühl für das Unrecht der Hitler-Diktatur haben. Trotz dieser Diskussion stimmte der Bundesrat am 26. und 27. Juli 1951 bei drei Enthaltungen der Ernennung Fränkels zum Bundesanwalt zu.

Die hervorragende Bewertung in dienstlichen Beurteilungen und seine Position als dienstältester Bundesanwalt machten ihn im März 1962 zum Kandidaten für das Amt des Generalbundesanwalts. Zudem hatte sich sein Vorgänger Max Güde, der am 26. Oktober 1961 sein Amt aufgegeben hatte, für ihn ausgesprochen. Wolfgang Fränkel wurde am 30.3.1962 als dritter Leiter der Bundesanwaltschaft eingeführt und beendete damit die lange Vakanz nach dem Ausscheiden Güdes. Die Problematik der Tätigkeit Fränkels bei der Reichsanwaltschaft im Dritten Reich spielte bei dieser Beförderung keine Rolle. So erfolgte die Berufung durch den Bundespräsidenten Heinrich Lübke in das Amt des Generalbundesanwalts mit einmütiger Zustimmung von Bundesrat und Bundesregierung.

Noch im gleichen Monat war die Vergangenheit Fränkels zum ersten Mal Gegenstand der Kritik der Medien der DDR. Seine anstehende Ernennung wurde als „ein typisches Beispiel für die Wiederverwendung von Nazis im westdeutschen Justizapparat“ angesehen. Im April nahmen die Vorwürfe zu. Erstmals wurden Einzelheiten der Tätigkeit Fränkels bei der Reichsanwaltschaft verbreitet. Ihm wurde vorgeworfen, mit dem Mittel des Rechtsbehelfs der Nichtigkeitsbeschwerde für eine Verschärfung der Urteile gesorgt zu haben. Diese noch wenig differenzierende Vorwürfe tat die westdeutsche Öffentlichkeit als Propaganda der DDR ab, da schon in früheren Fällen von Seiten der DDR versucht worden war, führende Persönlichkeiten insbesondere im Bereich der Bundeswehr durch unwahre Vorwürfe und gefälschte Dokumente zu diskreditieren.

Das Bundesjustizministerium bat Fränkel daraufhin, über seine damalige Tätigkeit ausführlich zu berichten, um über geeignete Informationen zu verfügen, den Angriffen begegnen zu können. In seiner Antwort bestritt Fränkel jede Beteiligung an Todesurteilen, die aufgrund politischer oder rassistischer Motive verhängt wurden. Er habe nur an rechtsstaatlichen Verfahren mitgewirkt. Nach seiner Erinnerung sei er im Verfahren des außerordentlichen Einspruchs an zwei Fällen beteiligt gewesen, in denen ein Todesurteil verhängt worden sei. Im Wege der Nichtigkeitsbeschwerde sei in keinem Fall die Todesstrafe durch ein Gericht ausgesprochen worden. Zudem verwies Fränkel darauf, daß er sich bei der Anzahl von 500 bis 600 Strafsachen jährlich nicht mit absoluter Sicherheit an jeden einzelnen Fall erinnern könne.

Im Juni 1962 gelangten anläßlich eines Artikels im "Neuen Deutschland“ Beweise an die Öffentlichkeit, die eine Beteiligung Fränkels an fragwürdigen Todesurteilen während seiner Zeit bei der Reichsanwaltschaft nahelegten. Diese Vorwürfe führten zu ersten Reaktionen. Während die einen den Kampagnencharakter der Vorwürfe kritisierten und Teile als eindeutig falsch widerlegten, nahmen die anderen die wahren Vorwürfe auf. So berichtete „Der Spiegel“ über ein Treffen zwischen Fränkel und dem Justizminister, in dem Stammberger Fränkel mit den Vorwürfen konfrontiert und dieser die Authentizität der Beweise eingeräumt habe. Daraufhin wurde Fränkel am 2.7.1962 beurlaubt. Vor weiteren Schritten sollten zunächst die Ergebnisse einer Untersuchung der Bundestagsabgeordneten Hans Wilhelmi (CDU), Gerhard Jahn (SPD) und Thomas Dehler (FDP) abgewartet werden. Diese kamen am 9.7.1962 zu dem Schluß, daß Fränkel während seiner Zeit bei der Reichsanwaltschaft keine Amts- oder Dienstpflichten verletzt habe. Allerdings nehme diese Tätigkeit Fränkel aus allgemein-politischen und justizpolitischen Gründen die Eignung, das Amt des Generalbundesanwalts zu bekleiden. Am 24.7.1962 wurde Wolfgang Fränkel nach § 36 I BBG in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Die Vorwürfe gegen Fränkel waren im Einzelnen umstritten. Es entsprach der Taktik der DDR, authentische Dokumente mit gefälschten zu verbinden. Vordergründig unrichtig war die Aussage, er sei Reichsanwalt gewesen und habe eng mit Roland Freisler zusammengearbeitet. Den Vorwurf, sich ideologisch mit dem Nationalsozialismus zu identifizieren, versuchte Fränkel trotz seiner Mitgliedschaft in der NSDAP durch die Vorlage seiner Tagebucheinträge zu widerlegen. Im privaten Bereich hatte er sich danach eine Distanz zum System des Dritten Reichs bewahrt. Seine Beteiligung an Todesurteilen für geringe Delikte im Wege der Nichtigkeitsbeschwerde entspricht allerdings den Tatsachen. Seine schriftsätzlichen Ausführungen zeugten auch keineswegs von Zurückhaltung oder gar Distanz zum Unrechtsregime.

  • Als Beispiel (Nachweis unten): Das Landgericht Mährig-Schönberg hatte den 18jährigen tschechischen Landarbeiter Vl. wegen Notzucht zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt. Es hatte berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft, teilweise geständig und erst 18 Jahre alt war. In der Begründung der Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher Wolfgang Fränkel eine Strafverschärfung anstrebte, schrieb er: "Das Landgericht hat offensichtlich nicht die ungeheuerliche Unverfrorenheit berücksichtigt, die darin liegt, dass ein Tscheche ein deutsches Mädchen genotzüchtigt hat. Das ist ein Rechtsfehler."

Die bekanntgewordenen Einzelfälle der Mitwirkung Fränkels bei Verfahren, in denen die Todesstrafe verhängt wurde, führten zu einem Ermittlungsverfahren. Fränkel wurde in der Hauptverhandlung vor dem OLG Karlsruhe mit der Begründung freigesprochen, daß es ihm nicht nachzuweisen sei, daß er „während des Krieges die Gültigkeit der genannten Bestimmungen auch nur bezweifelt, geschweige denn ihre Ungültigkeit erkannt“ habe. Eine derartige Argumentation entsprach der damals herrschenden Auffassung zum Delik der Rechtsbeugung. Auch der Bundesgerichtshof hat in dem berühmtem Fall Hans-Joachim Frehse) ähnlich argumentiert. Heute wird dies - auch vom BGH unter dem Gesichtspunkt der Aufarbeitung des Unrechts der DDR-Justiz - allgemein nicht mehr gebilligt.

Literatur:

  • Justiz und Nationalsozialismus, Katalog zur Ausstellung des Bundesministers der Justiz 1989, S.373-381