Universitätssternwarte Wien

Sternwarte in Österreich
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Die Universitätssternwarte Wien ist eine vom Institut für Astronomie der Universität Wien betriebene Sternwarte. Mit einer Länge von 101 m und einer Breite von 73 m ist sie bis heute das größte baulich geschlossene Sternwartengebäude der Welt. Sie befindet sich in der Türkenschanzstraße 17, im 18. Wiener Bezirk. Ihre geografische Lage beträgt 16° 20' 22" östlicher Länge und 48° 13' 55" nördlicher Breite, 250 m über Normalnull.

Geschichte

Die Geschichte der Astronomie der Stadt Wien reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. 1365 wurde die Universität Wien gegründet. Von 1391 bis 1882 wurden hier ständig Vorlesungen "Über Himmel und Erde" gehalten. Im 15. Jahrhundert lehrten und forschten Johannes von Gmunden, sein Schüler Georg von Peuerbach und Regiomontanus in Wien. Anfang des 18. Jahrhunderts richtete sich der Hofmathematiker J. Marinoni auf dem Dach seines Wiener Hauses einen astronomischen Turm ein, in dem er hauptsächlich mit selbst angefertigten Instrumenten beobachtete. Hierdurch angeregt erbauten die Jesuiten 1733 auf dem Dach ihres Kollegiumsgebäudes eine eigene Sternwarte.

Erste Universitätssternwarte

Auf Anregung von Johann Joseph Trautson ließ Kaiserin Maria Theresia eine Sternwarte an der Universität errichten. Auf dem Dach des neuen Universitätsgebäudes (heute Sitz der Österreichischen Akademie der Wissenschaften am Dr. Ignaz-Seipel-Platz) entstand in den Jahren 1753 bis 1754 eine Sternwarte, die 1756 ihren Betrieb aufnahm. Das Gebäude war ein vierstöckiger schmaler Holzbau. Erster Direktor wurde der 35jährige Jesuitenpater Maximilian Hell. Unter seiner Leitung erlangte die Universitätssternwarte internationale Anerkennung. Hell verfasste ein Werk in 37 Bänden, die "Ehemerides Astronomicae", in denen die Ephemeriden für die Jahre 1757 bis 1792 veröffentlicht wurden. Weitere Aktivitäten der Sternwarte bestanden in der geografischen Längenbestimmungen,, der Positionsbeobachtung von Sternen, Planeten und Jupitermondn, der Wetterbeobachtung und der genauen Zeitbestimmung. Dem Turmwärter des Stephansdomes wurde die genaue Mittagszeit übermittelt, von 1822 an übernahm die Sternwarte die Regulierung der Wiener Turmuhren durch Übersendung von Zeitzeichen.

Der Standort inmitten der Wiener Innenstadt erwies sich allerdings zunehmend als ungünstig. Durch Erschütterungen, Luftunruhe und –verschmutzung (verursacht durch heiße aufsteigende Luft und Ruß) wurden die astronomischen Beobachtungen und insbesondere präzise Positionsbestimmungen stark einschränkt. Hells Nachfolger, Joseph Johann von Littrow regte daher um 1800 den Bau eines neuen Gebäudes an.

Da das Vorhaben nicht genehmigt wurde, erfolgte 1825 ein Umbau, bei dem die Sternwarte wurde völlig umgestaltet wurde. Dabei wurden ältere Teleskope ersetzt, der vorhandene Aufbau durch einen Neubau ersetzt. Ein großer Beobachtungssaal für bewegliche Instrumente, ein Raum für fest montierte Geräte wurden eingerichtet und zwei Türme mit beweglichen Kuppeldächern errichtet. Auf einer Dachterrasse entstanden Beobachtungsräume für Meridianfernrohre. 1883 wurde ein weiterer Beobachtungsturm gebaut.

Instrumente der ersten Sternwarte

Die erste Universitätssternwarte wurde zunächst mit den Geräten von Marinoni ausgestattet. Im Laufe der Zeit wurden neue Instrumente angeschafft.
Das Hauptinstrument war ein Refraktor mit 15 cm Öffnung aus der Fertigung von Joseph von Fraunhofer. Daneben nutzte man zwei weitere Fernrohre von Fraunhofer, ein „Mittagsrohr“ zur Sonnenbeobachtung, einen kurzbrennweitigen Refraktor (Kometensucher) und ein Teleskop von Reichenbach. Zur Positionsbestimmung wurden ein Höhenkreis mit 24‘‘ Durchmesser, ein tragbares Äquatorial, ein Höhen- und Azimutalkreis sowie ein 10“ Spiegelsextant von Troughton eingesetzt. Ferner verfügte man über ein Katersches Reversionspendel, eine Zentriermaschine zur Ausrichtung der Fernrohre und zwei Dynamometer von Ramsden und Carry zur Bestimmung der Vergrößerung der Fernrohre. Zur Zeitmessung verwendete man fünf astronomische Pendeluhren von Molyneux, Graham, Auch und Geist sowie einen in Gold gefassten Chronometer von Arnold.
Die Instrumente der ersten Sternwarte werden heute teilweise im Museum der neuen Universitätssternwarte ausgestellt.

Die neue Universitätssternwarte

1842 übernahm Littrows Sohn Karl Ludwig von Littrow den Posten des Direktors und versuchte erneut, einen Neubau durchzusetzen. 1846 legte er den zuständigen Behörden entsprechende Pläne vor, die wiederum abgelehnt wurden. Mit Unterstützung einflussreicher Persönlichkeiten erhielt Littrow 1850 die Gelegenheit, ein detailliertes Konzept für einen Neubau vorzustellen. Darin forderte er einen erschütterungsfreien, von Vegetation umgebenen, staubfreien Standort auf einer Anhöhe. Geeignet war ein Hügelrücken am Wiener Linienwall. Als 1858 die Aufhebung des bestehenden Bauverbots am Linienwall erfolgte, erhielt Littrow im gleichen Jahr die Genehmigung für einen Neubau.

Als 1867 der Neubau des Hauptgebäudes der Universität geplant war, bestanden Überlegungen zur Errichtung einer Sternwarte auf dem Dach des Gebäudes. Da das Vorhaben jedoch nicht realisiert wurde, übertrug man Littrow die Aufgabe, eine Sternwarte zu gründen, die eine führende Rolle in der damaligen Donaumonarchie übernehmen sollte. Nach Studienreisen zu Sternwarten in Deutschland, England und den USA nahm man schließlich die Sternwarte der Universität Berlin zum Vorbild.

Als Standort wählte man ein 5,5 Hektar großes Gelände an der Wiener „Türkenschanze“. Von 1874 bis 1879 erfolgten die Bauarbeiten. Die Fertigstellung konnte Littrow nicht mehr erleben, da er 1877 verstarb. Der vollständige Umzug des Instituts für Astronomie war erst 1882 abgeschlossen. Die feierliche Eröffnung fand am 5. Juni 1883 in Anwesenheit von Kaiser Franz Joseph I. statt.

Erster Direktor wurde Edmund Weiß , seit 1869 Professor für Astronomie und maßgeblich mitbeteiligt an der Planung der Sternwarte. Weiß konnte Johann Palisa als Mitarbeiter gewinnen, dem seinerzeit erfolgreichsten Entdecker von Asteroiden.

Der an der Sternwarte aufgestellte große Refraktor mit 68 cm Öffnung war bei seiner Inbetriebnahme das größte Teleskop der Welt. In den folgenden Jahren konnten durch die Spende des Barons von Rothschild zwei weitere große Geräte angeschafft werden, ein Coudè-Fernrohr und ein Astrograph.

Nach Weiß übernahm Joseph von Hepperger 1909 die Leitung der Sternwarte. Infolge des Ersten Weltkrieges und der schlechten wirtschaftlichen Situation der Nachkriegsjahre standen Hepperger nur sehr begrenzte finanzielle Mittel zur Verfügung. Sein Nachfolger, Kasimir Graff aus Hamburg, konnte einige Verbesserungen der Sternwartenausstattung durchsetzen, wie den Einbau einer Hebebühne, die die Beobachtung am großen Refraktor erleichterte. Während der Zeit des Dritten Reiches wurde Graff von 1938 bis 1945 aus politischen Gründen zwangspensioniert. Während dieser Zeit übernahm Bruno Thüring von 1941 bis 1945 den Posten. Nach einer zweiten Amtszeit Graffs, folgten ihm Josef Hopmann und Joseph Meurers nach.

Im Jahr 1969 wurde das Leopold Figl-Observatorium als Außenstation der Universitätssternwarte im Wienderwald errichtet.

Seit 1990 wird ein Sternwartemuseum unterhalten, in dem die Wiener Astronomiegeschichte mittels historischer Instrumente, Bücher und anderer Exponate dokumentiert wird.

Die Arbeitsgruppen des Wiener Astronomieinstitutes forschen heute auf zahlreichen experimentellen und theoretischen Gebieten der Astronomie. Schwerpunkte sind u.a. stellare Astrophysik (Untersuchung von Veränderlichen Sternen, Stadien der Sternentwicklung), Astrodynamik (Stabilität und Chaos im Sonnensystem), extragalaktische Forschung (Erforschung der Galaxien), Infrarotastronomie, Satellitenprojekte sowie die klassische Astronomie (Geschichte der Astronomie, Zeit- und Kalenderkunde).

Die Universitätssternwarte führt regelmäßig öffentliche Führungen durch.

Instrumente der neuen Sternwarte

In der 14 m großen Hauptkuppel befindet sich der große Refraktor mit 68 cm Öffnung und 10,5 m Brennweite. Er wurde von der irischen Firma Grubb in Dublin hergestellt. Zum Zeitpunkt seiner Errichting war dieses Instrument das größte Teleskop der Welt, doch bereits 1887, nur vier Jahre nach der Eröffnung der Universitätssternwarte, wurde am Observatorium in Nizza ein noch größerer Refraktor (76 cm Öffnung, 17.9 m Brennweite) in Dienst gestellt. Jedoch zählt das Teleskop noch heute zu den zehn größten, jemals gebauten Refraktor-Teleskopen.

In der Nordkuppel war ursprünglich ein kurzbrennweitiger Refraktor (Kometensucher) der Firma Merz mit 16,2 cm Öffnung und 1,5 m Brennweite im Einsatz. Das Gerät wurde später durch ein 40 cm Spiegelteleskop von Bernhard Schmidt ersetzt. Derzeit befindet sich dort ein Cassegrain-Teleskop mit 80 cm Öffnung und 6,64 m Brennweite.

In der Westkuppel ist ein Refraktor mit 30 cm Öffnung und 5,2 m Brennweite der Firma Clark aus Boston aufgestellt. Das Teleskop war bei der Inbetriebnahme der Sternwarte das zweite Hauptinstrument.

In der Ostkuppel wurde zunächst der 15 cm Fraunhofer-Refraktor der alten Sternwarte aufgestellt. Derzeit befindet sich dort ein 20 cm Refraktor von Starke und Kammerer.

Im Westteil des Sternwartegeländes steht ein Gebäude, in dem seinerzeit ein Coudé-Fernrohr mit 38 cm Öffnung und 25 m Brennweite aufgestellt war. Das Gerät war 1885 vom Baron Rothschild gestiftet worden. Derzeit befindet sich im Gebäude ein Radioteleskop mit 3 m Durchmesser.

Ebenfalls im Außenbereich befindet sich ein historischer Astrograph für die Astrofotografie. Es handelt sich um einen Doppelrefraktor der Fa. Steinheil mit 34 cm Öffnung und 3,4 m Brennweite und einem Leitrohr mit 26 cm Öffnung. Das Gerät war ebenfalls von Baron Rothschild gespendet worden.

Webseite der Universitätssternwarte