Mamonowo

Stadt in Russland
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Stadt
Mamonowo/Heiligenbeil
Мамоново
Wappen
Wappen
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Lokalisation von Mamonovo

Mamonowo (russisch Мамоново, deutsch Heiligenbeil („Beil“ von prußisch bila: Sprache und nicht wie das Wappen vermuten lässt von bile, byle: Beil), polnisch Świętomiejsce oder Święta Siekierka, litauisch Šventapilė (zu litauisch pile: eine heilige Burg ist nicht nachgewiesen) ist eine Stadt in der Oblast Kaliningrad, Russland, ehemals Ostpreußen). Sie hat 7500 Einwohner (2006).

Geographische Lage

Die Stadt liegt im äußersten Südwesten des Kaliningrader Gebiets am Fluss Jarft (ru.: Wituschka) an der Grenze zu Polen. Auf der gegenüberliegenden Seite der Grenze liegt die polnische Stadt Braniewo (Braunsberg). Mamonowo bildet ein militärisches Sonderverwaltungsgebiet, umgeben vom Gebiet des Rajon Bagrationowsk, vom Frischen Haff und von Polen. Durch den Ort führt die Fernstraße von Kaliningrad nach Elbing in Polen (ehemalige Reichsstraße 1 Königsberg (Preußen)BerlinAachen), der Grenzübergang befindet sich vier Kilometer südlich der Stadt. Kaliningrad ist 48 Kilometer entfernt, es führt auch eine Bahnlinie dorthin.

Geschichte

Von 1819 bis 1945 war Heiligenbeil Kreisstadt und hatte 1939 12.100 Einwohner. Die Innenstadt wurde im Krieg vollständig zerstört.

Bis 1272 befand sich hier eine Ansiedlung der Prussen namens Swento mest (prußisch swentas, swints: heilig/ mestan: Stadt), deren Name als „heilige Stadt“ und heidnische Verkündigungsstätte (prußisch bila: Sprache) gedeutet werden kann. Nach 1272 unterstand die Gegend dem Deutschen Orden.

Die Stadt wurde 1301 unter dem Namen Heiligenstadt vom Deutschen Ritterorden mit kulmischem Recht in der Nähe der prußischen Kultstätte Swentomest gegründet. 1344 wurde der Name in Heiligenbil umgewandelt und 1349 eine Kirche eingeweiht. Die Endung „Beil“ stammt vom altpreußischen Begriff „bila“: Sprache, Predigt.

 
Historische Ansicht von Heiligenbeil

Die Gründung der späteren Nachbarstadt Zinten (heute Kornewo) erfolgte durch den Orden im Jahr 1313. Die ersten Ordensritter waren per Schiff über das Frische Haff bereits 1238 am Ufer bei Balga gelandet. Hier wurde in den folgenden Jahren die Ordensburg Balga erbaut, in späteren Jahrhunderten eines der großen Wahrzeichen Ostpreußens. Heiligenbeil selbst lag nicht am Frischen Haff, doch entwickelte sich hier unterhalb der Stadt der Hafenplatz Rosenberg.

Bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 erreichte die NSDAP und die mit ihr verbundene DNVP im Landkreis Heiligenbeil einen Anteil von 70 % (Reichsdurchschnitt 52 %).[1] Im Februar und März 1945 wurde das Kreisgebiet Kriegsschauplatz. Die nationalsozialistische Gauleitung unter Gauleiter Erich Koch unterließ die rechtzeitige Evakuierung der Bevölkerung und stellte selbständige Fluchtbewegungen unter schwere Strafe.[2] Ähnlich wie Soldaten „bis zum letzten Mann“ in sinnlosen Stellungs- und Kesselschlachten verheizt wurden, anstatt sich geordnet zurückziehen zu dürfen, machten sich die Machthaber somit direkt mitschuldig am Tod von unzähligen deutschen Zivilisten, die hätten gerettet werden können. In den Winterwochen zuvor flüchteten Hunderttausende von Ostpreußen völlig ungeordnet und behindert durch die deutsche Wehrmacht aus allen Teilen der Provinz, darunter auch der größte Teil der Bevölkerung des Kreises Heiligenbeil, über das Eis des Haffs auf die Frische Nehrung und von dort auf die rettenden Schiffe in Pillau oder auf dem Landweg der Nehrung nach Danzig.[3] Bei den Kriegshandlungen bildete sich der Heiligenbeiler Kessel. Nach wochenlangen Abwehrkämpfen der 4. deutschen Armee gegen mehrere sowjetische Armeen fiel Heiligenbeil. Am 29. März 1945 schifften sich die letzten deutschen Soldaten vom Haffufer unterhalb der Burgruine Balga in Richtung Pillau ein.

 
Altes Stadtwappen

Von den rund 53.000 Bewohnern des Kreises Heiligenbeil verloren ca. 20 Prozent ihr Leben durch Krieg, Flucht, Vertreibung, Deportation, Vergewaltigungen, Hunger, Krankheiten oder unmenschliche Behandlungen in sowjetischen Zwangslagern. Nach der Besetzung durch sowjetische Truppen und dem Kriegsende wurde Ostpreußen formell am 17. Oktober 1945 aufgeteilt. Die Demarkationslinie, wie man die Grenze zwischen der Sowjetunion und Polen nannte, verlief auch durch den Kreis. Der kleinere Teil, südlich einer horizontalen Linie von Leisuhnen, Heiligenbeil, Deutsch Thierau, Hermsdorf-Pellen, Zinten, Schwengels und Robitten, wurde Polen zugeteilt. Alles, was nördlich davon lag, kam unter sowjetische Verwaltung. Die Besiedlung durch Russen beziehungsweise Polen begann langsam, aber stetig. Die letzten noch im sowjetischen Teil verbliebenen Deutschen wurden 1948 ausgewiesen. Zahlreiche Dörfer wurden gänzlich aufgelöst, Häuser und Straßen sind verschwunden.

Die Stadt Heiligenbeil mit ihrer fast symmetrisch angelegten Altstadt wurde wie auch viele Nachbarorte 1945 fast vollständig zerstört. Nur Heiligenbeil selbst, das nun nach einem sowjetischen General Mamonowo heißt, hat wieder eine gewisse Größe erreicht und wird heute von ca. 9000 Menschen bewohnt. Die neue Stadt liegt nordwestlich der alten im Bereich der allerdings nicht erhaltenen früheren katholischen Kirche, während die Altstadt Brachgelände ist. Fundamente und Straßenzüge sind noch zu erkennen, Teile der evangelischen Kirche ragen neben einem Spielplatz hoch, ein paar 60er-/70er-Jahre Wohnblocks wurden auf dem Gelände der Altstadt gebaut. Andere Kommunen in der Nachbarschaft von Mamonowo sind völlig unbedeutend geworden. Wegen seiner strategischen Bedeutung wird der Ort ebenso wie Laduschkin vom Flottenstützpunkt Baltijsk aus verwaltet.

Im Süden des alten Stadtgebiets befindet sich ein deutscher Soldatenfriedhof, der vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge wieder hergestellt und 2002 eingeweiht worden ist. Auf ihm liegen 4700 Gefallene (Stand 2002) v. a. der Kämpfe um den Kessel von Heiligenbeil.

Einwohnerentwicklung

Jahr Einwohnerzahl Bemerkung
1875 3.354 *
1890 3.760 *
1910 4.821 *
1933 6.356 *
1939 10.631 * (davon 9135 evangelisch, 1113 katholisch)
1959 5.500 **
1979 8.000 **
1989 7.816 *
2002 7.393 *
2006 7.500  

Anmerkung: * Volkszählung ** Volkszählung (gerundet)

Kirche

Kirchengebäude

Die Kirche in Heiligenbeil wurde im Zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstört.

Kirchspiel Heiligenbeil

Bereits in vorreformatorischer Zeit war Heiligenbeil Pfarrsitz eines Kirchspiels. Bei überwiegend evangelischer Einwohnerschaft war das Kirchspiel Heiligenbeil vor 1945 eines von 15 Kirchspielen im Kirchenkreis Heiligenbeil. In dem mehr als 7000 Gemeindeglieder zählenden Kirchspiel waren zwei Pfarrer tätig.

Die katholischen Kirchenglieder gehörten zum Bistum Ermland.

Heute in Heiligenbeil lebende evangelische Kirchenglieder, meist Russlanddeutsche, bilden in Mamonowo wieder eine Gemeinde und sind der Auferstehungskirche in Kaliningrad (Königsberg (Preußen)) zugeordnet. Sie gehört zur Propstei Kaliningrad innerhalb der Evangelisch-Lutherischen Kirche Europäisches Russland (ELKER).

Kirchspielorte

Zum Kirchspiel Heiligenbeil gehörten vor 1945 die Orte (* = Schulort):

Pfarrer 1538–1945

Von der Reformation bis zur Vertreibung amtierten in Heiligenbeil als evangelische Geistliche:

  • Peter Hoffmann, 1538–1546
  • Georg Ottingshausen, ab 1550
  • Burchard Mülner, 1552
  • Johann Enckhausen, 1554
  • Christoph Langeus, 1560–1584
  • Friedrich Hoffmann, bis 1561
  • Peter Meisner, 1568–1570
  • David Eberhardus, 1571/1579
  • Johann Cocus, 1584–1612
  • Nicolaus Richart, 1599–1602
  • Christian Reimann, 1606
  • Balthasar Heusselerus, 1610
  • Andreas Threnius, 1612–1629
  • Joachim Artopäus, 1614/1651
  • Georg Martini, 1629–1663
  • Christoph Schultz, 1651–1673
  • Matthäus Preucke, ab 1663
  • Johann von Sander, 1673–1706
  • Christoph Siegfried, 1678–1702
  • Heinrich Porsch, 1702–1730
  • Johann Ludolph Lock, 1706–1735
  • Gottlob Phil. J. Troschel, 1730–1744
  • Johann Schwartz, 1735–1753
  • Georg Gottlieb Fuhrmann, 1744–1765
  • Johann Jacob Rumpe, 1753–1764
  • Johann Emanuel Volmer, 1764–1774
  • Anton Daniel Weber, 1765–1786
  • August Ernst Friesen, 1774–1812
  • Christoph Gottlieb Pottien, 1786–1805
  • Johann Wilhelm Broscheit, 1806–1823
  • Christoph G.W. Brasche, ab 1809
  • Johann Gottfried Schröder, 1823–1834
  • Albert Leopold Julius Ohlert, 1835–1839
  • Johann F.L. Adalbert Wisselinck, 1839–1872
  • Julius Eduard Schröder, 1840–1868
  • Wilhelm August Otto Berger, 1868–1894
  • Johann Friedrich Richter, 1872–1874
  • Hugo August Gottfried Eysenblätter, 1873–1893
  • Carl Friedrich Gustav Zimmermann, 1893–1906
  • Eduard Michel Paul Schalnas, 1894–1904
  • Hans Boretius, 1904–1913
  • Friedrich Grünhagen, 1906–1923
  • Otto Meyhöfer, 1913–1916
  • Adolf Guddas, 1917–1920
  • Paul Just, 1920–1921
  • Walter von Knebel, 1922–1927
  • Bruno Julius Robert Lenz, 1923–1935
  • Walter Vonthein, 1927–1934
  • Paul Bernecker, 1935–1945
  • Hans Krumm, 1935–1945

Kirchenkreis Heiligenbeil

Die Stadt an der Jarft war bis 1945 auch Sitz des Kirchenkreises Heiligenbeil, an dessen Spitze ein Superintendent stand. Der Kirchenkreis Heiligenbeil gehörte zur Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union.

Kirchenkreis-Kirchspielorte

Zum Kirchenkreis Heiligenbeil gehörten 15 Kirchspiele, die heute durch die russisch (RUS)-polnische (PL) Grenze voneinander getrennt sind:

Wirtschaft und Infrastruktur

Fernverkehr

Schienen

Mamonowo ist Grenzbahnhof der Bahnstrecke Malbork (Marienburg)Braniewo (Braunsberg)Kaliningrad (Königsberg (Preußen)), der ehemaligen Preußischen Ostbahn. Von Berlin aus ist Mamonowo b.a.w. wieder täglich per Direktverbindung im Schlafwagen zu erreichen (weiter nach Kaliningrad).

In Heiligenbeil zweigte vor 1945 eine Nebenbahn nach Osten über Rehfeld (heute polnisch: Grzechotki) und Deutsch Thierau (heute russisch: Iwanzowo) nach Zinten (Kornewo) ab, wo sie an die Bahnstrecke Königsberg (Preußen) (Kaliningrad) – Allenstein (Olsztyn) anschloss und auch eine Verbindung nach Preußisch Eylau (Bagrationowsk) hatte. Die Strecke jedoch führte nach 1945 durch das russisch-polnische Grenzgebiet und wurde nicht aktiviert.

Straßen

Durch die Stadt Mamonowo verläuft die russische Fernstraße A 194 (ehemalige deutsche Reichsstraße 1, heute auch Europastraße 28) mit Anschluss an die polnische Landesstraße 54 (Grenzübergang Mamonowo I/Gronowo (Grunau)).

Die früher als „Berlinka“ geplante Reichsautobahn von Elbing nach Königsberg führt als russische Fernstraße P 516 (auf polnischer Seite Schnellstraße 22, Grenzübergang Mamonowo II/Grzechotki (Rehfeld)) in einer Entfernung von zehn Kilometern an der Stadt vorbei, es besteht auch eine eigene Ausfahrt.

Söhne und Töchter der Stadt

Sonstige Persönlichkeiten

Besonderes

Durch die fast vollständige Zerstörung 1945 blieben nur die Fundamente des Stadtgrundrisses erhalten. Selbst von der alten Kirche steht nur noch ein Mauerfragment. Bis 1945 war die regelmäßig angelegte Stadt recht gut erhalten. Als Hafenplatz diente der Vorort Rosenberg, das bis 1935 ein selbständiges Fischerdorf war.

Eine Spezialität war die Heiligenbeiler Spielzeugbüchse, ein kleines Holzfass, das mit gedrechselten Puppenhausmöbeln gefüllt war. Das Drechslerhandwerk spielte noch bis ins 20. Jahrhundert eine besondere Rolle in der Stadt.

Das Archiv der 4. Armee, die 1945 Heiligenbeil verteidigte, wurde 2004 in einem Wald in der Nähe der Stadt aufgefunden.[4]

Ortsgliederung

Amt (Совет) Mamonowo (bis 2009)

In das Amt Mamonowo sind 15 umliegende Ortschaften eingegliedert:

Russischer Name (nach 1945) Deutscher Name (bis 1945) Russischer Name (nach 1945) Deutscher Name (bis 1945)
Балтийское (Baltijskoje) Deutsch Bahnau Липовка (Lipowka) Rosocken
Богдановка (Bogdanowka) Gnadenthal Покровское (Pokrowskoje) Steindorf, Kreis Heiligenbeil
Богдановка (Bogdanowka) Jürkendorf Потёмкино (Potjomkino) Schirten
Краснодонское (Krasnodonskoje) Auerswalde Пригоркино (Prigorkino) Karben
Краснодонское (Krasnodonskoje) Keimkallen Щукино (Schtschukino) Leisuhnen
Краснофлотское (Krasnoflotskoje) Rosenberg, Kreis Heiligenbeil Вавилово (Wawilowo) Bregden
Липовка (Lipowka) Grünwalde, Kreis Heiligenbeil Зеленодольское (Selenodolskoje) Preußisch Bahnau
Липовка (Lipowka) Gallingen, Kreis Heiligenbeil Щукино (Schtschukino) Schettnienen
(nicht mehr existent)

Mamonowski gorodskoi okrug (ab 2009)

Im Zusammenhang einer neuen Strukturierung der Oblast Kaliningrad wurde für die Stadt Mamonowo eine neue Gliederung vorgenommen[5]: der Stadtkreis (gorodskoi okrug), bestehend aus der eigentlichen Stadt (gorod) Mamonowo und vier Siedlungen.

Name Name bis 1946
Stadt:
Мамоново (Mamonowo) Heiligenbeil
Siedlungen:
Богдановка (Bogdanowka) Gnadenthal, Jürkendorf
Вавилово (Wawilowo) Bregden
Зеленодольское (Selenodolskoje) Preußisch Bahnau
Липовка (Lipowka) Gallingen, Grünwalde, Rosocken

Siehe auch

Quellen

Literatur

  • Emil Johannes Guttzeit: Heiligenbeil und sein Bürgerbuch von 1770 bis 1918. Königsberg 1939
  • Emil Johannes Guttzeit: 100 Jahre Kreissparkasse Heiligenbeil. Geschichtlicher Rückblick auf Gründung und Entwicklung der Sparkasse des Kreises Heiligenbeil. Heiligenbeil 1942
  • Emil Johannes Guttzeit: Das Bürgerbuch der Stadt Heiligenbeil von 1770 bis 1918. Hamburg 1969
  • Friedwald Moeller, Altpreußisches evangelisches Pfarrerbuch von der Reformation bis zur Vertreibung im Jahre 1945, Hamburg 1968
  • Wulf D. Wagner, Die Güter im Kreis Heiligenbeil in Ostpreußen, 2005
Commons: Mamonowo – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelverweise

  1. http://www.verwaltungsgeschichte.de/heiligenbeil.html Wahlergebnis der Reichstagswahl 1933
  2. Ostpreussen
  3. http://images.zeit.de/text/2005/03/A-Flucht_45 "Schickt Schiffe" ZEIT-Online 3/2005
  4. Koenigsberger Express Das Niemandsland gibt ein Geheimnis preis. Koenigsberger Express, Ausg. 7, 2004
  5. Gesetz Nr. 395 vom 15. Mai 2004 über die Zusammensetzung und Territorien der munizipalen Gebilde der Oblast Kaliningrad, präzisiert durch Gesetz Nr. 370 vom 1. Juli 2009