Megalithkultur

archäologische Kultur
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Als Megalithkultur (Vorlage:ELSalt2 mega „groß“ und Vorlage:ELSalt2 lithos „Stein“) wird unzutreffend eine Reihe nicht miteinander verwandter, europäischer bzw. zirkummediterraner Kulturen der Jungsteinzeit und der Bronzezeit bezeichnet. Der Begriff „Megalithkultur“ beinhaltet mit Ausnahme der Verwendung von „großen Steinen“ keine weiteren Gemeinsamkeiten, allerdings gibt es übergeordnete geistig-religiöse und soziologische Deutungsversuche. Auch kommen megalithische Kulturformen als Phänomen weltweit vor.

Die betreffenden Bauwerke (Megalithanlagen) bestehen aus bearbeiteten oder unbearbeiteten Steinblöcken. Daneben finden sich aufgerichtete erratische Blöcke oder Steine, die ein Gewicht bis zu 350 t (Grand Menhir Brisé), in der Regel aber 15–20 t haben (Steinsetzungen). Häufig enthalten sie Gräber oder stehen über ihnen.

Die Bauten beziehungsweise Steinsetzungen werden in Deutschland je nach Ausführung und vermutetem Verwendungszweck als Hünengräber, Dolmen, Ganggräber, Menhire, Steinkisten, Steinkreise oder Steinreihen bezeichnet. Steinkreise heißen auch Cromlech, die Henges in Großbritannien und Irland können ebenfalls Steinkreise enthalten. Steinsetzungen in Palästina werden als Mazzeben bezeichnet.

Verbreitung von megalithischen Bauten in Europa, Nordafrika und Vorderasien

Zeitabschnitte

Megalithen, also aufrecht stehende Einzelsteine (Menhire), Grabanlagen oder Steinkreise wurden in Europa und im Mittelmeerraum in folgenden Zeitabschnitten errichtet:

  • Kleinasien (PPNA und PPNB)
  • Palästina (sog. PPNC), sog. Mazzeben
  • Frankreich (4700–2000 v. Chr) und eisenzeitliche kannelierte Menhire
  • Iberische Halbinsel (4000–2000 v. Chr)
  • Malta (3800–2500 v. Chr)
  • Irland und England (3500–1500 v. Chr)
  • Niederlande, Deutschland, Polen, Skandinavien (3500–2000 v. Chr)
  • Korsika (3000–1000 v. Chr)
  • Sardinien (3000–600 v. Chr)

Typologie und Begriffe

Folgende hauptsächliche, nach funktionellen Gruppen eingeteilte Gruppen von Megalithanlagen gibt es in Europa und Vorderasien:[1]

Primäre Bestattungsfunktion

  • Dolmen (kelt./breton. „Tisch“, „Stein“ also „Tisch aus Stein“): Quadratische, runde oder längliche Kammergräber mit senkrechten Tragsteinen und einem oder mehreren horizontalen Decksteinen. Verwendet wurden meist Findlinge. Südlich der alten eiszeitlichen Gletschergrenze, wo es keine Findlinge gab, wurden hingegen Grabhügel mit Mauernkammergräbern oder Hozgräbern errichtet. Die meisten dieser Megalithgräber waren von einem Erdmantel umgeben, so dass runde oder längliche Grabhügel entstanden. Volkstümliche werden sie auch als Hünengräber bezeichnet. Sie imponieren auch als Lang- oder Rundhügel. Sie zeigen gegenüber früheren Gräbern ein anderes Totenverständnis, denn die Gräber konnten betreten werden und waren reichlich mit Grabbeigaben ausgestattet. Die meisten klassischen Dolmen finden sich im nördlichen Mitteleuropa ab 3800 v. Chr., aber auch an der französischen Atlantikküste und in England und Schottland sowie ab der Bronzezeit auf Malta, nicht hingegen auf der iberischen Halbinsel.[2] Man unterscheidet mehrere Grundtypen mit zahlreichen Varianten:[3]
  1. Urdolmen: Einfache rechtwinklige Kammergräber mit 2 senkrechten Tragstein und einem horizontalen Deckstein. Diese Konstruktion bezeichnet man als „Joch“. Weite max. 2,5 x 1 m. Entweder kein Zugang oder ein Einstieg an einer der beiden Schmalseiten. Der Boden wurde mit faustgroßen Steinen gepflastert, die Lücken wurden mit kleinen Steinen aufgefüllt, über die man Sand streute. Häufig mit runden oder länglichen Erdhügel abgedeckt. Meist wurde 1 Toter beigesetzt. Folgende Hauptvarianten
  2. Hünenbett: Damit werden generell mit Erde bedeckte Urdolmen bezeichnet oder ovale oder rechteckige, manchmal riesige Umwallungen der viel kleineren Grabkammern oder auch nur statt eienr Grabkammer einer Steinumfassung. Fast immer mit Erdmantel.
  3. Erweiterte Dolmen: Meist 2 Tragsteine mit 2 Decksteinen, also 2 Joche mit 2,5 m und 1,5 m Breite. Bedeckung durch einen mächtigen Deckstein. Der Grundriss konnte aber auch rund, rechteckig oder trapezförmig sein. Eine Sonderform sind die Portaldolmen (vor allem Irland) mit stark nach vorne und hinten überkragenden Deckplatten.
  4. Großdolmen: Sie, waren mindesten 8m lang, 2,5 m breit und 1,5 m hoch, hatten mindestens 3 Joche und wurden mit Hügeln bedeckt.
  • Ganggräber: Sie haben im Gegensatz zu Dolmen einen Gang, der eigene bauliche Details wie Schwellen etc. besitzt und von der Mitte der ebenerdigen Kammer ausgeht. Grabkammern mit axialem Gang gehören zu den Dolmen.
  • Galeriegräber: Auch Steinkammergräber. Großanlagen nach dem Dolmenprinzip. Die kleinsten Kammern hatten 3 Joche, die größten bis zu 18. Sie bestehen aus einem langen Gang, der mit der Garabkammer einen Einheit bildet und sind oft eingetieft oder ins Gestein eingehauen. Bestes Beispiel ist das Galeriegrab von Essé (Dep. Olle-et-Vilaine). Sie wurden nicht mit Erde abgedeckt, sondern standen frei. Über die Funktion dieser Großsteingräber besteht Unklarheit, jedoch waren sie langgestreckte Gänge ohne Kammern, in denen fortlaufend bestattet wurde.. Möglicherweise waren sie über Generationen in Benutzung oder aber reine Beinhäuser. Sie dienten möglicherweise auch als tempelartige Anlagen für den Ahnenkult oder als Wohnung der darin Bestatteten. Eine Sonderform sind die Kreuzgräber mit sich kreuzenden Gängen.
  • Steinkistengräber: Sie sind die jüngste Form der Megalithkultur, die mit ihnen endet. Es gab sie neben anderen Grabformen in verschiedenen Kulturen Europas bis zum Ende der Kupferzeit bzw. der Dolchzeit Nordeuropas. Sie präsentieren sich als im Boden eingetiefte Gräber aus flachen Steinplatten mit seitlichen Trag- und waagerechten Decksteinen oder mit Holzbalkendecke. An einer der beiden Schmalseiten gab es oft eine runde Öffnung. Sie dienten Kollektivbestattungen oder als Einzelgrab. Formen:
  1. Einfacher Typ: Langestreckte Kammer mit Eingang auch an der Seite.
  2. Zweikammriger Typ mit 2 unterschiedlich großen Kammern, deren Zwischenwand durch einen oder mehrere quergestellte Tragsteine oder eine Steinplatte mit rundem Seelenloch gebildet wird.
  3. Quadratischer Typ: Mit 4 Wandplatten und einer Deckplatte. Sie haben eine Seitenlänge von 1 m.
  • Cairn (schott.-gäl. „Steinmal“): Auf den britischen Inseln und in Frankreich vorkommende Sonderform von Steingräbern. Es handelt sich dabei um große Grab- und evtl. Kultanlagen, die aus Feldsteinen aufgeschichtet wurden. Das Innere wird entweder durch Feldsteine versiegelt oder wie ein klassischer Dolmen aus großen Seiten- und Decksteinen gebildet, die zum Teil mit Symbolen verziert sind.

Steinsetzungen ohne primäre Bestattungsfunktion

  • Menhire (kelt. men: Stein, hir: lang): Eine keltische Bezeichnung für Steine von oft großer Höhe (bis 23 m, und bis 350 t) mit kultischer Bedeutung, die einzeln oder in Gruppen bzw. Reihen zum Teil neben oder auf Gräbern errichtet wurden. In Norddeutschland heißen sie Hinkelsteine. Häufig mit bearbeiteter Oberfläche, gelegentlich sogar mit bildnerischer Gestaltung. Weisen sie schematische Gesichtszüge oder andere Merkmale auf, nennt man sie „Menhir-Statuen“. Die meisten Menhire stammen aus dem späten Neolithikum. Von normalen Findlingen sind sie dadurch abgegrenzt, dass sie vertikal in die Erde gesteckt sind und ihre Höhe allgemein größer ist als ihre Grundfläche. Außerdem finden sie sich an Stellen, wo Findlinge nicht vorkommen, etwa in der Mitte einer Wiese oder eines Feldes. Auch unter Findlingen sind keine Menhire aufgestellt. Eien Sonderform sind die Mazzeben Palästinas.
  • Cromlechs (bret.: crom: krumm; lech: Stein) und Henges (zu altengl. hengues/h-enges. = hängen): So heißen Arrangements aus Menhiren in Kreis- oder Hufeisenform, z. B. Stonehenge oder der Ring von Brodgar, die aber auch elliptisch viereckig, rechteckig oder anders geformt sein können, in Skandinavien zum Beispiel schiffsförmig. In Großbritannien werden auch kreisförmige frühgeschichtliche Anlagen aus Erdwällen, Holz und Stein Henges genannt. Gewöhnlich umgeben sie einen im Zentrum stehenden Menhir. Bei Stonehenge wurden allerdings auch in der näheren Umgebung Gräber gefunden. Der größte Cromlech liegt bei Avebury, Südengland, und bedeckt 1 Hektar.
  • Steinreihen bzw. Alignements: So werden mehrere parallel, mitunter Allee-artig in regelmäßigen Abständen gesetzte Reihen von Menhiren genannt. Sie variieren sowohl in Anzahl als auch in Höhe und Länge beträchtlich. Das bekannteste Beispiel sind die Steinreihen im südbretonischen Carnac mit etwa 3000 Monolithen von einem halben bis 4 Metern Höhe. Sie sind in drei aufeinanderfolgenden Reihen angeordnet, die insgesamt fast 4 km lang sind. Ihre Bedeutung ist unklar, möglicherweise kultisch.

Architektonische Kultanlagen mit und ohne Bestattungsfunktion

  • Hypogäen: Große Grabkammern mit oft kultischer Funktion, die in den Untergrund geschlagen wurden. Am bekanntesten ist das Hypogäum von Hal Saflieni auf Malta.[4]
  • Megalithtempel: Solche Tampel standen von Anfang an ohne Erdummantelung frei im Gelände (oder wurden wie in Göbekli Tepe erst sekundär und offenbar nach Aufgabe des Ortes mit Erde abgedeckt[5]). Sie beinhalten keine Grabanlagen und weisen ausschließlich Kulträume auf. Beispiele finden sich auf Malta und als bisher ältestes am Göbekli Tepe (Südwestanatolien).

Sonderformen

  • Nuraghen:[6] Dies sind runde, kegelförmige Turmabauten mit megalithischem Charakter der ausgehenden Jungsteinzeit und der Bronzezeit auf Sardinien, Korsika und in Süditalien, wo sie Trulli heißen. Vorkragende Steine bilden ein unechtes Gewölbe, Nischen und Treppen, das Dach war ein schilfgedecktes Balkengerüst mit Mittelstütze. Ihre Bedeutung ist unklar; sie werden als Wehr- und Wachtürme, Kult- und Fluchtstätten, teilweise auch als Gräber gedeutet und sind auf Sardinien zwischen 1500 und spätestens 238 v. Chr. entstanden.
  • Talayots (arab. Wachposten): Auf den Balearen (Mallorca, Menorca, Ibiza). Runde oder viereckige Türme ähnlich den Nuraghen. Ihr Sockel bestand aus oft tonnenschweren, mörtellos zusammengefügten Steinen, die 8 m oder höher waren. Der Durchmesser betrug an den Basis teilweise über 15 m und verjüngte sich nach oben konisch. Sie dienten als Wachtürme der umgebenden Dörfer oder eventuell als Wohntürme der Führer und besaßen teilweise wohl auch einen sakralen Chrakter.

Mittel- und Nordeuropa

Seit etwa 4200 v. Chr. in der Norddeutschen Tiefebene zwischen den Niederlanden und der Weichsel sowie im südlichen Skandinavien nachgewiesen, erbauten die Träger der Trichterbecherkultur ebenso wie der primär in Westfalen und Hessen verbreiteten Wartberg-Kultur ab 3500 v. Chr. die zu dieser Zeit völlig neuartigen Anlagen. Vorwiegend mittels großer Findlinge wurden große, teilweise begehbare Kammern errichtet, in denen ausgewählte Tote und Beigaben deponiert wurden. Die unter dem volkstümlichen Namen „Hünengräber“ (Hüne = Riese) bekannten Anlagen dienten einer Siedlungskammer oder einer Region als Grablege. Sie wurden über einige Generationen genutzt und dann verschlossen und mit einem Erdhügel bedeckt. Daneben sind auch Mauerkammergräber, Monolithgräber und hölzerne Totenhäuser bekannt.

Die Megalithanlagen wurden durch die Angehörigen der Schnurkeramik, der Kugelamphoren-Kultur und der Glockenbecherkultur teilweise ausgeräumt und nachgenutzt.

Im Mai 2009 wurde in Niedersachsen die Autoferienstraße „Straße der Megalithkultur“ eingeweiht. Sie verläuft von Osnabrück über Bramsche, Fürstenau, Meppen und Wildeshausen bis nach Oldenburg. Die Ferienstraße ist ausgeschildert.

Bretagne, Normandie, Irland und Großbritannien

 
Megalithreihen bei Carnac (Frankreich, Bretagne)
 
Steinkreis der Merry Maidens in Cornwall

In der Bretagne ab etwa 4500 v. Chr. wurden wie auch später auf den Britischen Inseln megalithische Bauten oder Steinsetzungen errichtet, die auch die Shetlandinseln und die Orkney (Maes Howe, Ring of Brodgar) erreichten. Sie werden in verschiedene Typen eingeteilt; siehe Nordische Megalitharchitektur und Britische Megalithik. Die bretonischen Anlagen galten lange als die ältesten in Europa. Forschungen 2006 erbrachten in Rots und Ernes, bei Caen und Colombiers bei Alençon, alle in der Normandie, noch ältere Daten.[7]

Besonders in der Bretagne, Irland und Großbritannien wurden neben diesen großen Megalithanlagen etwa ab 3200 v. Chr. Steinkreise und Steinreihen errichtet, deren bekannteste Beispiele Stonehenge (Salisbury, England), Callanish (Isle of Lewis, Schottland) und Carnac (Bretagne) sind. Ihre genaue Aufgabe ist unbekannt. Neben der Verwendung zur Anzeige astronomischer Daten wie der Sonnenwende werden auch kultische Funktionen angenommen. Die Interpretation mancher der Darstellungen als Dolmengöttin geht auf Abbé Breuil zurück und stützt sich zum Teil auf eine fehlerhafte Umzeichnung.[8]

Iberische Halbinsel

Auf der iberischen Halbinsel beginnt die Errichtung von Großsteingräbern mit dem Epi-Cardial und setzt sich bis in die kupferzeitliche Almeriakultur fort. Besonders häufig sind Großsteingräber in Portugal und den Randregionen Spaniens, Galicien und Asturien mit Ausnahme der Ostküste.

Eine eigene, spätere Version entstand auf den Balearen mit den Cuevas, Navetas, Talayots Hypostyloi und den Taulen.

Westeuropa und westliches Mittelmeer

Die Westschweiz, Belgien, Südfrankreich, Aquitanien, Süditalien, Nordafrika und die westmediterranen Inseln Balearen Korsika, Sardinien, Sizilien und Malta besitzen ebenfalls bedeutende megalithische Bauten. Im mittleren Westen Frankreichs findet man eine bedeutende Gruppe von Tumuli, die neolithische Nekropole von Bougon, deren ältesten Teile auf 4700 v. Chr. datiert werden.

Auf Malta wurden Tempel aus großen bearbeiteten Steinblöcken errichtet, was an dem guten Ausgangsmaterial (weicher Globigerinenkalkstein) lag. Sie besitzen bautechnisch keinerlei Parallelen im Neolithikum Europas. Auch Dolmen (Ta Cenc) wurden später auf dem Archipel errichtet.

Die in den Fels gehöhlten Anlagen (z. B. das Hypogäum von Ħal-Saflieni, die Felsengräber der Balearen (Cuevas) und Sardiniens Domus de Janas) werden zwar nicht als gleichartige Phänomene verstanden, sie sind aber entweder die Vorbilder (Mallorca, Malta und Sardinien) oder Begleiter der westmediterranen Megalitharchitektur. Dolmen treten dagegen auf den Inseln erst in der Bronzezeit auf. Ähnliche Formen finden sich in Apulien, auf Sizilien und in Nordafrika (Tunesien, Algerien). Dort wurden Dolmen von den Numidern bis in die römische Zeit für Bestattungen erbaut (Madracen, Tipasa, Tin Hinan).

Osteuropa

In Thrakien, im Grenzgebiet zwischen Bulgarien, Griechenland und der Türkei sowie in Abchasien (Georgien) sind Dolmen und Menhire aus ganz unterschiedlichen, teilweise geschichtlichen Epochen bekannt.

Weltweit

Megalithstrukturen finden sich auch außerhalb Europas, beispielsweise in der Türkei, in Georgien, Syrien und Palästina, aber auch auf der Osterinsel oder in den Hochkulturen Mesoamerikas, in Indien, Indonesien und Korea. In Südamerika entstand eine vorkolumbianische Großsteinarchitektur (Tiahuanaco). In Afrika finden sich megalithische Bauten in Marokko, Tunesien, Algerien und der Zentralafrikanischen Republik[9]sowie die senegambischen Steinkreise in Gambia und in Senegal.

Theorien zur Verbreitung

Ältere Theorien (Vere Gordon Childe) gingen davon aus, dass sich die Megalithidee durch missionierende Seefahrer entlang der Atlantikküste ausbreitete.[10] Die Theorien über die alleinige Verbreitung der Megalithidee durch Wanderung (Hyperdiffusionismus) werden heute jedoch mehrheitlich abgelehnt. Selbst in Europa liegen entweder zu große Zeiträume oder zu große Entfernungen zwischen dem Auftreten der regionalen Megalithbauformen. So spricht einiges für eine unabhängige homologe Entwicklung, die bei verschiedenen Kulturen zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftrat. Regional ist eine Verbreitung astronomischer Kenntnisse und die Errichtung observatorischer Anlagen gegeben, nicht bei allen Megalithanlagen ist jedoch ein astronomischer Bezug belegt.

Christianisierung von Megalithen

Deutungen

Geistig-religiöse Interpretationen

Für Andrew Sherratt[11] gelten Megalithbauten als Hauptmerkmal der Bauernkulturen z.B. der Trichterbecher-Kultur Nordmitteleuropas und repräsentiert ihren Wertvorstellungen und Glaubenswelt. Megalithanlagen waren mit einer Heiligkeit ausgestattet, die von den nachfolgenden Kulturen übernommen wurden und repräsentierten eine Bedeutung, die der Platz für die Bauern hatte, waren Schauplatz regelmäßiger Rituale und Zeremonien und wurden errichtet in der Hoffnung[12], dass sie immerfort über die jährlichen Zyklen des Lebens hinweg bis in die Unendlichkeit Bestand hätten, quasi als Orte mit der Funktion eines kollektiven Gedächtnisses und einer sakralen Landschaftsgestaltung, die sich mitunter zu Zentralheiligtümern mit starker Bindewirkung für die Gemeinschaft entwickelten.[13] Erst die zunächst weit mobileren Schnurbandkeramiker lösten diese Tradition ab und gingen zu kleinen, individuellen Gräbern über. Die kreisförmigen Anlagen der Britischen Inseln, die sog. Henge-Monumente wiederum hätten astronomische Bezüge.[14]

Nach der Encyclopedia Britannica kann der Brauch möglicherweise auf einem Kult der Toten und Ahnen beruhen, denen solche Steine eine gewisse Dauerhaftigkeit und monumentale Form verlieh. Teilweise habe man wohl auch geglaubt, dass die Ahnen in ihnen wohnten. Einzelne Steine wie die Menhire seien aber schwieriger zu erklären. Wo sie jedoch in menschliche Form gebracht wurden, könnten sie Symbole des Sitzes der Ahnen gewesen sein. Eine einheitliche Deutung aller megalithischen Monumente sei jedoch nicht möglich, und es sei sicher auch falsch, von eine regelrechten megalithischen Religion zu sprechen, vielmehr solle man bei megalithischen Monumenten besser von einer großartigen Manifestation von Ideen sprechen, die durchaus recht unterschiedlich gewesen sein könnten, unter denen jedoch der Totenkult eine wichtige Rolle gespielt habe.[15] Eine ähnliche Meinung vertritt auch Hermann Müller-Karpe, insbesondere nach Auswertung von Begleitfunden, Idolen, anthropomorphen Stelen, Ritualobjekten und ikonographischen Objekten wie Stierhörnern usw., die seines Erachtens für die iberischen Megalithe eine totenkultische Bedeutung erkennen lassen, zusammen mit einer religiösen Heilshoffnung, die „in neuer Weise die Ewigkeitshoffnung in Form einer expliziten Jenseitsexistenz einbezog“.[16] Außerdem waren sie offenbar Orte, in denen sich die Transformation der Toten zu Ahnen vollzog, wo aber auch die Welt der Toten von der der Lebenden abgegrenzt wurde, wobei oft auffällt, dass es bei der Anlage von Gräbern keine Sichtverbindung zu den Wohnorten und Arealen der Lebenden gibt.[17]

Klaus Schmidt urteilt über die megalithischen Anlagen mit ihren Großskulpturen in dem frühneolithischen Göbekli Tepe in Anatolien: „Bei der Suche nach Vergleichen für die anthropomorphen Pfeiler der Steinzeit stößt man schnell auf die europäischen Menhire und ihr nahöstliches Pendant, die Mazzeben (bzw. Masbot) des semitischen Kulturkreises. Ohne dass eine wie auch immer geartete inhaltliche Übereinstimmung der steinzeitlichen Pfeiler mit den genannten jüngeren Phänomenen erweisbar wäre, soll angemerkt sein, dass Menhire und Mazzeben am ehesten als Behausung eines Numens – einer verehrten Gottheit oder eines Totengeistes – gedeutet werden können.“ Daraus zieht er den Schluss, dass Göbekli Tepe als „Monument des Totenkultes zu sehen sei“.[18]

Entsprechend urteilt Victor Maag für die weit jüngeren chalkolitischen Megalithe Palästinas (um 4000 v. Chr.), die Megalithe seien Sakralorte gewesen, die von späteren Völkern Palästinas wie den Kanaanäern und Israeliten übernommen und ihren eigenen Anschauungen angepasst worden seien. Von den Schöpfern der Mazzeben, dem von ihnen so genannten „Volk der Totengeister“, hätten sie auch den Brauch übernommen, dort zu schlafen, um Wahrträume zu bekommen, wie dies etwa in der hebräischen Bibel und der ephraimitischen Kultlegende für den Erzvater Jakob beschrieben ist, dem am Stein von Bethel Gott El erschien (Traum von der Himmelsleiter, Gen. 28, 10–22), wonach der Stein zum Kultzentrum wurde. Allerdings sei wohl nur hervorragenden Toten ein solcher Menhir errichtet worden. „Ihnen baute man Dolmen als steineren Häuser, stellte ihnen einen einzelnen großen Felszahn oder eine Felsplatte auf, worin sie sich niederließen, oder man umgab ihr Grab, weil an ihm die einstige ‚Macht‘ der Verstorbenen spürbar wurde, mit einem Cromlech als Abschrankung. In diesem magischen Kreis wurde – jedenfalls durch ein entsprechendes Ritual – der Tote gebannt, damit er nicht herumflanierte. In einzelnen Cromlechs mögen auch ganze Sippen ihre Toten bestattet haben. Solche Cromlechs – die Semiten, die sie in Palästina antrafen, nannten sie Gilgal („Kreis“) – schließen oft eine oder mehrere Mazzeben ein, wodurch seine Erklärung seiner Ansicht nach an Wahrscheinlichkeit gewinnt.“[19]

Soziologische Interpretationen

Studien und Experimente haben gezeigt, wie hoch das technische Wissen der Erbauer von Dolmen gewesen sei mag. In einem Experiment von 1979 waren 200 Menschen notwendig, um einen 200 Tonnen schweren Steinblock zu ziehen und aufzurichten, der immer noch viel leichter war als die 100 Tonnen mancher Monumente[20]. Es ist jedoch nicht gesichert, dass dies den prähistorischen Methoden entspricht. Auch der Transport solcher Blöcke über oft viele Kilometer vom Steinbruch zum Ort des Baues (bei Stonehenge bis zu 380 km) erforderte eine ausgeklügelte Logistik, die nur einer gut organisierten größeren Gemeinschaft zur Verfügung stand.[21] Die soziale Bedeutung dieser kollektiven Arbeiten muss daher erheblich gewesen sein. Großbauten, die nur größere und gut organisierte Menschengruppen haben errichten können, sind als Gemeinschaftsleistung zu verstehen. In jedem Fall müssen Ort und Geschehen für die Gemeinschaft so bedeutend gewesen sein, das das Individuum jenen enormen Arbeitseinsatz im Kollektiv zeigte, ohne den einige Anlagen nicht denkbar wären und in diesem Sinne gelten sie auch als Monumente der Sesshaftwerdung mit teilweise überregionaler Bedeutung, da sie benachbarte Gemeinschaften mitunter auch rituell miteinander verbanden oder das Land gar netzartig überzogen, wobei sie jeweils Sichtverbindung zueinander hatten, wie etwa die schwedischen und norddeutschen Megalithgräber des 4. vorchirstlichen Jahrtausends zeigen. Sie dienten somit als rituelle Zentren einer durch die bäuerliche Lenbensweise bedingten neuen Religion, mit deren Hilfe sich die Megalithbauern des Ackerlandes bemächtigt hatten, das sie nun ernähren musste. Und sie dienten als Markierungen des Territoriums, das gegen andere Gruppen behauptet werden musste.[22]

Dass in einigen der Grabbauten relativ wenige Bestattungen gefunden wurden, kann zudem darauf hindeuten, dass in einigen Regionen eine gesellschaftliche und wahrscheinlich auch religiöse Hierarchie existierte; an bestimmten Orten (Bougon in Frankreich und Knowth in Irland) wird diese besonders deutlich. Aber auch geregelte Ausräumprozesse sind denkbar, zudem ist in sauren Böden, wie in großen Teilen Irlands und in der nordeuropäischen Tiefebene ohnehin nicht mit Knochenerhaltung zu rechnen. Klaus Schmidt sieht die Bauten von Göbekli Tepe als die Anfänge einer arbeitsteiligen Gesellschaft, eine der Vorbedingungen bäuerlicher Ökonomie.[23] In Wessex lässt sich nach Chris Scarre im Endneolithikum ein Konzentrationsprozeß beobachten, der mit Stonehenge kulminierte, für dessen Errichtung Millionen von Arbeitsstunden nötig gewesen sind.[24]
Nach neueren Untersuchungen könnten zudem auch andere Faktoren bei der Nutzung eine Rolle gespielt haben. So wird etwa für Stonehenge die Rolle als medizinisches Zentrum vermutet, zu dem die Kranken pilgerten, um dort Heilung zu suchen, da sich hier das medizinisches Wissen der Zeit auch personell konzentrierte.[25]

Literatur

Allgemein
Iberische Halbinsel und Mittelmeerraum
  • Francisco J. Fernández Conde: La Iglesia de Asturias en la Alta Edad Media.
  • Antonio C. Floriano: Restauración del culto cristiano en Asturias en la iniciación de la Reconquista.
  • Philine Kalb: Megalithik auf der iberischen Halbinsel und in Nordafrika. In: Karl W. Beinhauer (Hrsg.), u. a.: Studien zur Megalithik. Forschungsstand und ethnoarchäologische Perspektiven. In: Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas. Langenweißbach 21.1999, 115–122.
  • Georg Leisner, Vera Leisner: Die Megalithgräber der iberischen Halbinsel. Der Westen. Madrider Forschungen. Bd 1–2. W. de Gruyter, Berlin 1956–1959.
  • Georg Leisner, Vera Leisner: Die Megalithgräber der Iberischen Halbinsel. 1. Teil, Der Süden. Römisch-Germanische Forschungen. Bd. 17. De Gruyter, Berlin 1943.
  • Sigrid Neubert: Die Tempel von Malta. Das Mysterium der Megalithbauten, 2. Aufl. Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1994. ISBN 3-7857-0758-4.
  • Klaus Schmidt: Sie bauten die ersten Tempel. Das rätselhafte Heiligtum der Steinzeitjäger. Verlag C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-53500-3.
Westeuropa
  • G. Camps: Les dolmens marocains. In: Libyca. Algier 13.1965, 235–247. ISSN 0459-3030
  • G. Horn, C. B. Rüger (Hrsg.): Die Numidier, Reiter und Könige nördlich der Sahara. Rheinisches Landesmuseum, Bonn 1979.
  • Helmut Tributsch: „Die gläsernen Türme von Atlantis“ – Erinnerungen an Megalith-Europa. Sachbuch bei Ullstein Nr.34334, Frankfurt am Main / Berlin Juni 1986, ISBN 3-548-34334-1.
  • Bernward Wember Große Steine auf Rügen: Steinmythos und Megalithkultur. Eine Schatzkammer der Steinzeit. Reprint-Verlag Rügen 2007, ISBN 978-3-939915-00-3.

Einzelnachweise

  1. Korn, S. 18 f.; Hoffmann, S. 252 ff, 255–257.
  2. Korn, S. 67, 70.
  3. Korn, S. 72–75.
  4. Neubert, S. 57–67.
  5. Schmidt, S. 255.
  6. Hoffmann, S. 284 f.
  7. Current Archaeology. London H. 133. ISSN 0011-3212
  8. Twohig 1996
  9. Creighton Gabel: Africa South: The Last 30,000 Centuries: Recent Investigations of Man's Past in the Sub-Saharan Tropics. In: Journal of Field Archaeology 2/4, 1975, p.384
  10. von Reden: Die Megalith-Kulturen, Köln, ISBN 3-7701-1055-2.
  11. Andrew Sherratt, Das Jungneolithikum und die Kupferzeit. In: Barry Cunliffe (Hrsg.), Illustrierte Vor- und Frühgeschichte Europas. Frankfurt 1996, S. 204 f., 206 f., 217, 219
  12. Ian Hodder „GeneralisierendeAussagen erlauben uns, die Interpretation megalithischer Gräber in Systemen von Produktion und Reproduktion einzubetten, um so den damit assoziierten Symbolbereich mit dem des sozialen Lebens zu verbinden. Aber Archäologen haben besonders die sozialen und ideologischen Funktionen mit den Bedeutungen von Gräbern verkettet und dabei vergessen, dass diese nicht zu allererst verbergen und legitimieren, sondern Wege bezeichnen, wie man mit dem Tod umgehen kann, wobei dieses Umgehen auf lokalen Traditionen und auf sich immer wieder ändernden Lösungsversuchen beruht. Wir dürfen daher keine starren Bedeutungen der Gräber als konstant in Raum und Zeit erwarten. So e zählen zB. viele Grab-Sequenzen von sich verändernden Bedeutungsstrukturen. Megalithische Gräber wurden zu oft von einem lokalen Bedeutungssystem abgetrennt, durch das für den Tod ein Sinn gestiftet wurde“
  13. Korn, S. 152 ff.
  14. Andrew Sherratt, Das Jungneolithikum und die Kupferzeit. In: Barry Cunliffe (Hrsg.), Illustrierte Vor- und Frühgeschichte Europas, 221ff.
  15. Britannica, Bd. 26, S. 66, 2a.
  16. Müller-Karpe, S. 223-228.
  17. Korn, S. 154, zit. nach Ina Mahlstedt.
  18. Schmidt, S. 117, 127.
  19. Victor Maag, Syrien – Palästina. In: Hartmut Schmökel (Hrsg.), Kulturgeschichte des alten Orient. Mesopotamien, Hethiterreich, Syrien – Palästina, Urartu. Weltbild Verlag, Augsburg 1995, S. 566–570. ISBN 3-89350-747-7.
  20. Korn, S. 46; Mohen/Guilaine, S. 46.
  21. Jean Pierre Mohen, Jean Guilaine: Megalithen. In: Der große Bildatlas der Archäologie, S. 46.f. Orbis Verlag, München 1991, ISBN 3-572-01022-5, OA Encyclopaedia Universalis, Paris 1985. S. 46 f.
  22. Korn, S. 65, 154.
  23. Klaus Schmidt: Sie bauten die ersten Tempel. Das rätselhafte Heiligtum der Steinzeitjäger. Verlag C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-53500-3. S. 246 ff.
  24. Chris Scarre (Hrsg.): Weltatlas der Archäologie. Südwest Verlag, München 1990, ISBN 3-517-01178-9. OA 1988, Times Books S. 106 f.
  25. [1]


Siehe auch