Roswell-Zwischenfall
Als Roswell-Zwischenfall wird ein Ereignis bezeichnet, über das 1947 in der amerikanischen Presse berichtet wurde. Dabei soll es um Verlautbarungen des Luftwaffenstützpunktes Roswell (New Mexico) gegangen sein, nach denen die amerikanische Luftwaffe ein „unbekanntes Flugobjekt“ in ihrem Besitz habe, das am 14. Juni 1947 abgestürzt sein soll. Kurze Zeit später wurde dies dementiert. Der Begriff geht zurück auf das gleichnamige 1980 erschienene Buch des amerikanischen Schriftstellers Charles Berlitz, der sich vorher mit Werken über Atlantis und das Bermudadreieck einen Namen gemacht hatte.
UFO-Ereignis: Roswell-Zwischenfall | |
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Land: | Vereinigte Staaten |
Ort: | Roswell, New Mexico |
Datum: | 14. Juni 1947 |
Objekt: | unbekannt |
Inhalt
Der wichtigste Zeuge des von Berlitz geschilderten Geschehens war laut einer Meldung der Zeitung „Roswell Daily Record“ der Farmer Mac Brazel, der am 14. Juni 1947 auf einer von ihm verwalteten Farm ungewöhnliche Trümmerteile gefunden haben soll. Der Zeitungsmeldung nach unterrichtete er die örtliche Wetterstation von seinem Fund, weil er nach Aussage seines ältesten Sohnes Bill vermutete, dass er Teile eines Wetterballons gefunden hatte. Mac Brazel soll seinen Fund am 7. Juli 1947 dem Sheriff Wilcox in der Stadt Roswell gemeldet haben. Am gleichen Tag sei er mit einem Nachrichtendienstoffizier der Luftwaffe namens Sheridan Cavitt sowie mit Major Jesse Marcel und dem Stabsfeldwebel Lewis S. Rickett zu der Fundstelle auf der Farm gefahren. Die Wrackteile wurden angeblich später von Militärpersonal eingesammelt und zunächst zum Armeeflugplatz Roswell gebracht. Von dort sollen sie zum Wright Field in Dayton, Ohio geflogen worden sein. Am 8. Juli 1947 habe Walter Haut, der Pressesprecher des Roswell-Militärstützpunktes, telefonisch Rundfunkstationen und Zeitungen über den Fund unterrichtet. Dabei soll er davon gesprochen haben, dass die „... vielen Gerüchte über die fliegenden Scheiben ... gestern Wirklichkeit [wurden]“. Einige Stunden später sei die Aussage widerrufen worden.
Gefundenes Material
Berlitz schreibt in seinem Buch, die Aussagen der Zeugen würden sich ähneln in ihren Angaben darüber, was gefunden wurde. Es wurden beispielsweise nur kleine Teile und ein dünnes, aluminiumfolienartiges, mattsilbriges Material gefunden und Stöcke, die wie Balsaholz aussahen, sowie Klebebänder mit Markierungen darauf und Ballon- und Gummiteile.
Mac Brazel selbst soll über die Trümmer nach Aussage seiner Tochter Bessie Brazel Schreiber gesagt haben: „Oh, es ist nur ein Haufen Abfall“. Der Reporter J. Bond Johnson, der damals bei der Zeitung Fort Worth Star-Telegram beschäftigt war, wird mit den Worten zitiert: „Es war kein beeindruckendes Zeugs. Es war einfach nur ein Haufen Müll.“ .
Cavitt, der an den Untersuchungen beteiligt war, sagte aus, er habe damals keinen Geigerzähler besessen. Da er eidesstattlich bestätigte, dass an der Absturzstelle keine Radioaktivität gemessen wurde und auch in den Berichten und Aussagen von 1947 nie die Rede davon ist, kann davon ausgegangen werden, dass weder Messungen stattfanden noch eine erhöhte Radioaktivität festgestellt wurde.
Herkunft der Trümmer
Die an der Absturzstelle gefundenen Trümmerteile entsprechen den Bestandteilen von Ballonzügen, die damals aus jeweils drei bis sieben Neoprenballons mit drei bis fünf daran befestigten Radarreflektoren vom Typ MC-307 bestanden. Jeder von ihnen hatte eine Seitenlänge von ca. einem Meter. Mit Hilfe der Reflektoren sollten in der Tropo- und der Stratosphäre die Schockwellen von Raketen gemessen werden, die die Schallmauer durchbrachen. Mit diesen Geräten hätte man auch eine Atombombenexplosion feststellen können und somit die erste Zündung einer russischen Atombombe sofort erkannt. Der Codename dieses Projektes war MOGUL und unterlag der höchsten Geheimhaltungsstufe. Dieser Geheimhaltungsstufe der Priorität Top Secret A-1 war damals nur noch das Manhattan-Projekt zugeteilt.
Das Team des Projekts MOGUL hatte erst Ende Mai 1947 in New Mexiko seine Tätigkeiten aufgenommen. Dies ist neben der hohen Geheimhaltungsstufe der Grund, warum keiner der Beteiligten zu diesem Zeitpunkt von der Existenz dieser Wetterballons gehört hatte oder vorher ähnliche Trümmerteile gefunden worden waren. Charles B. Moore, ein Wissenschaftler, der am Projekt MOGUL mitarbeitete, konnte die exakte Flugrichtung des damals in Roswell abgestürzten MOGUL Fluges Nr. 4 – der am 4. Juni 1947 gestartet war – rekonstruieren: Bis zum Ort Arabela, der nur 17 Meilen von der Foster-Ranch entfernt liegt, konnte der Ballonzug verfolgt werden, als der Kontakt abbrach. Der MOGUL Flug Nr. 4 bewegte sich auf einer Flugrichtungsachse Südwest/Nordost, und auch die beiden Hauptzeugen Mac Brazel und der Major Jesse Marcel hatten diese Flugrichtung für sehr wahrscheinlich gehalten.
Mögliche Vertuschung durch das Militär
Möglicherweise gab es eine Vertuschungsaktion seitens des Militärs, da von der Existenz des hoch geheimen Projekts MOGUL während des Kalten Kriegs weder die amerikanische Öffentlichkeit noch die Sowjetunion etwas erfahren durften. Daher präsentierte General Roger Ramey ebenfalls am 8. Juli 1947 die Reste des MOGUL-Ballons und erklärte, es handle sich um Teile eines ganz normalen Raywin-Wetterballons. Am 10. Juli erschien in der Zeitung Alamogordo News ein Bericht mit der Überschrift
„Die Phantastereien über ‚Fliegende Scheiben‘ werden hier aufgeklärt: Zeitungsreporter beobachtet, wie eine Armee-Radar-Einheit eine ‚Scheibe‘ startet.“
Charles B. Moore deutete das als ein Ablenkungsmanöver, das für die Presse veranstaltet wurde. Danach war es lange Zeit still um Roswell und die Vorgänge dort.
Spätere Spekulationen um ein außerirdisches Raumschiff und seine Insassen
Im Februar des Jahres 1978 wurde Major Jesse Marcel von dem UFO-Forscher Stanton T. Friedman interviewt. Friedman war erstaunt, dass Marcel sich keine Aufzeichnungen über Vorgänge in Roswell gemacht hatte und das damit begründete, dass es damals Wichtigeres für ihn gab und er daher die Ereignisse aus seinem Gedächtnis verdrängt habe. In einem Interview mit Bob Pratt im Jahre 1979 sagte Marcel zwar, dass „was auch immer da gefunden wurde, nicht von der Erde stammte“, doch inzwischen – und das erwähnte er auch in dem Gespräch mit Pratt – glaubte er an die reale Existenz von UFOs im Sinne von außerirdischen Raumschiffen.
1980 wurde der Fall erstmals einer breiten Öffentlichkeit bekannt, als Charles Berlitz und William L. Moore ihr Buch „Der Roswell-Zwischenfall“ veröffentlichten. Erst seit dieser Zeit wird behauptet, dass es sich bei dem Objekt, das an jenem Tag abstürzte, um ein Alien-Raumschiff gehandelt habe und an der Absturzstelle ein Alien-Körper gefunden wurde, der vom Militär zur berühmten Area 51 in Nevada gebracht worden sei. Allerdings wusste keiner der Augenzeugen des Jahres 1947 etwas über tote Aliens zu berichten. Der ehemalige Leichenbestatter Glenn Dennis brachte als Zeugin die Krankenschwester Naomi Maria Selff ins Spiel, die angeblich im Sommer 1947 Leichen von Außerirdischen im Krankenhaus des Armee-Flugplatzes von Roswell sah. Es konnte aber bewiesen werden, dass sie nie existiert hat. Zwei weitere angebliche Zeugen, die von Alien-Leichen berichten – Kaufmann (alias Osborne/MacKenzie/Mr. X) und Ragsdale – können keine Beweise für ihre Behauptungen vorlegen.
Roswell als Inspiration für Bücher und Filme
Der Vorfall war eine große Inspiration für fiktionale Geschichten rund um UFOs, und der UFO-Tourismus ist heute eine bedeutende Einnahmequelle für die Einwohner von Roswell. Der Ort wird außerdem in vielen Büchern, Comics, Filmen und Fernsehserien erwähnt. Im Star-Trek-Universum war das Flugobjekt beispielsweise ein Ferengi-Schiff aus der Zukunft. Eine ähnliche Erklärung bietet die Folge Roswell gut – alles gut der Zeichentrickserie Futurama.[1] Futurama-Produzent Bill Morrison widmete dem Thema sogar eine eigene Comicreihe mit dem Titel Roswell – Ein Grünling auf Erden. Große Bekanntheit erreichte auch die Fernsehserie Roswell.
Am 5. Mai 1995 wurde der sogenannte Santilli-Film bekannt. Er stammte vorgeblich aus den 1940er Jahren und zeigt Bilder einer Autopsie eines Außerirdischen. Der Santilli-Film entfachte die Debatte um den Roswellvorfall erneut. Der Produzent Ray Santilli hatte den Film angeblich von einem ehemaligen amerikanischen Militärkameramann erworben. 2006 gab der britische Special-Effects-Spezialist und Erfinder von Max Headroom, John Humphreys, zu, dass das Modell des Aliens von ihm geschaffen worden war. Der Film wurde erst 1995 gedreht. Männer in Ärztekitteln operieren an Innereien herum, mit denen eine Latexpuppe ausgestattet worden war.[2]
Werner Herzog verwendet in dem Science-Fiction-Film The Wild Blue Yonder von 2005 den Zwischenfall als fiktiven Bestandteil der Geschichte eines Siedlungsprojekts von Außerirdischen.
Im November 2008 wurde der Roswell-Zwischenfall in der Fernsehshow Uri Geller Live: UFOs und Aliens – Das unglaubliche TV-Experiment von Gästen der Sendung diskutiert und veranschaulicht. Darunter Erich von Däniken, Nina Hagen und Vincent Raven.
Tourismus
Der Ort Roswell zieht seit den 1980er-Jahren Alien-Crash-Touristen in größeren Mengen an. Es gibt dort mehrere angebliche Absturzstellen mit Eintrittsgeld sowie Alien-Museen, Festivals und Kongresse.
Literatur
Veröffentlichungen der US Air Force
- USAF: Richard L. Weaver, James McAndrew: The Roswell Report – Fact versus Fiction in the New Mexico Desert. Headquarters of the United States Air Force - US Government Printing Office, Washington DC 1995, ISBN 0-16-048023-X (PDF 39,6 MB).
- USAF: James McAndrew: The Roswell Report – Case Closed. Headquarters of the United States Air Force, US Government Printing Office, Washington DC 1997, ISBN 0-16-049018-9 (PDF 12,8 MB).
Deutschsprachige Literatur
- Charles Berlitz, William L. Moore: Der Roswell-Zwischenfall. Die Ufos und die CIA. Droemer Knaur, München 1998, ISBN 3-426-72207-0, (Knaur-Taschenbücher 72207).
- Stanton T. Friedman, Don Berliner: Der UFO-Absturz bei Corona. Die Bergung eines UFOs durch das U.S. Militär. Kopp Verlag, Rottenburg 1997, ISBN 3-930219-03-4.
- Philip J. Corso, William J. Birnes: Der Tag nach Roswell. Der Beweis. Die UFOs kamen wirklich. Goldmann, München 1998, ISBN 3-442-12798-X, (Goldmann 12798).
- Michael Hesemann: Jenseits von Roswell. UFOs. Der Schweigevorhang lüftet sich …. Silberschnur, Güllesheim 1996, ISBN 3-923652-15-1.
- Uli Thieme: Neue UFO-Desinformation. In: CENAP-REPORT Nr. 238, Band 1, Mannheim 1997, ZDB-ID 2113388-8.
- Uli Thieme: 50 Jahre Roswell. 1947 – 1997. Ein UFO-Mythos stürzt ab. Eine Dokumentation der CENAP, Centrales Erforschungsnetz Außergewöhnlicher Himmelsphänomene. 3. Auflage. Eigenverlag, Schwäbisch Hall 1997.
- Uli Thieme: 10 Fragen und Antworten zum sogenannten Roswell-Zwischenfall von 1947. In: Der UFO-Student Nr. 2, Band 2/2000.
Englischsprachige Literatur
- Philip J. Klass: The Real Roswell Crashed Saucer Coverup. Buffalo, New York NY 1997, ISBN 1-57392-164-5.
- Karl K. Korff: The Roswell UFO Crash. What They Don´t want You to Know. Buffalo, New York NY 1997, ISBN 1-57392-127-0.
- Charles B. Moore, Benson Saler, Charles A. Ziegler: UFO Crash at Roswell. The Genesis of a Modern Myth. Smithsonian Institution, Washington DC 1997, ISBN 1-58834-063-5.
- Karl T. Pflock: Roswell In Perspective. Fund of UFO Research Inc., Mount Rainier MD, 1994.
- Kevin D. Randle, Donald R. Schmitt: UFO Crash at Roswell. Avon Books, New York NY 1991, ISBN 0-380-76196-3.
Einzelnachweise
- ↑ Roswell gut – alles gut. Beschreibung der Futurama-Folge Roswell gut – alles gut mit Standbildern, graphischer Episodenübersicht und Transkript.
- ↑ Augsburger Allgemeine vom 5. Mai 2007
Weblinks
Aufgrund des amerikanischen Freedom of Information Act sind die Akten über die damaligen Vorfälle inzwischen veröffentlicht, soweit vorhanden.
- Freedom of Information Act: UFO-Akten des FBI englisch
- Abschlussbericht der Air Force zum Roswell-Vorfall
- An answer to the Case Closed statement Die Antwort des Center for UFO studies aus Chicago auf den obigen Bericht
- Eidesstattliche Versicherung des ehemaligen Presseoffiziers Walter G. Haut
- FBI-Memo vom 10. Juli 1947 englisch