Peter H. Duesberg (* 2. Dezember 1936 in Münster) ist Professor für Molekular- und Zellbiologie an der University of California, Berkeley, USA. Bekannt und geehrt wurde er durch seine Forschungen zu Retroviren und den molekularen Bedingungen der Entstehung von Krebs (Karzinogenese). 1970 isolierte Duesberg das erste Onkogen. Hinsichtlich der Verursachung der Immunschwächekrankheit AIDS durch das HI-Virus nimmt Duesberg eine dem Stand der Forschung entgegengesetzte Position ein. Als einer der prominentesten AIDS-Leugner wurde er von dem südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki in dessen sogenannten „Presidential AIDS Advisory Panel“ einberufen.
Leben
Duesberg, Sohn des Internisten und Medizinprofessors Richard Duesberg (1903–1968), studierte Chemie in Würzburg, Basel und München und promovierte 1963 an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Er arbeitete am Max-Planck-Institut für Virusforschung in Tübingen und ist seit 1973 ordentlicher Professor am Department of Molecular & Cell Biology der University of California, Berkeley. 1986 bis 1987 wurde er als Forschungsgast ans National Institute of Health, Bethesda, MD, USA berufen. Von 1997 bis 1998 war er regelmäßiger Gastprofessor an der Medizinischen Hochschule in Mannheim der Universität Heidelberg (III. Medizinische Klinik, Prof. R. Hehlmann).
Von 2000–2003 wurde er zum „Mildred Scheel Gastprofessor“ der Deutschen Krebshilfe an der Medizinischen Hochschule in Mannheim der Universität Heidelberg berufen, um seine Krebstheorie weiterentwickeln zu können.
Ehrungen
Duesberg ist Träger zahlreicher Forschungspreise und Auszeichnungen, u. a.:
- 1969 Merck Award
- 1971 California Scientist of the Year
- 1986 wurde er zum ordentlichen Mitglied der National Academy of Sciences gewählt und erhielt von 1985 bis 1992 einen „Outstanding Investigator Grant“ vom National Institute of Health verliehen.
- 1988 Wissenschaftspreis Hannover
- 2006 wurde Duesberg in die World Innovation Foundation (WIF) aufgenommen[1]
- 2008 Semmelweis Award (Clean Hands Award)Semmelweis Society
AIDS-Leugnung
Duesberg vertritt die Ansicht, dass Retroviren vom Typus HIV nicht die Immunschwächekrankheit AIDS verursachen. Duesberg geht zwar von der Existenz von HIV aus, behauptet jedoch entgegen dem Stand der Wissenschaft, dass AIDS nicht durch eine HIV-Infektion hervorgerufen werde. Stattdessen seien Drogenmissbrauch und die Einnahme hochtoxischer AIDS-Medikamente, vor allem Zidovudin (AZT), verantwortlich für AIDS. Seine Thesen wurden in zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen widerlegt. Duesbergs jüngster Beitrag „HIV-AIDS Hypothese nicht im Einklang mit AIDS in Südafrika - Eine neue Perspektive“[2] wurde noch vor Erscheinen in der Zeitschrift "Medical Hypotheses" zurückgezogen. Unabhängigen Schätzungen zufolge führte die Ablehnung von antiretroviralen Medikamenten durch die südafrikanische Regierung unter Mbeki zum Tod von 330.000 bis 343.000 Menschen an AIDS und etwa 171.000 vermeidbaren neuen Infektionen mit HIV.[3][4]
Aneuploidie-Krebs-Hypothese
Seit 1992 beschäftigt sich Duesberg mit der Erforschung einer modifizierten „Aneuploidie-Krebs-Hypothese“, die ursprünglich von Theodor Boveri im Jahre 1914 formuliert wurde.
Die „klassische“ Hypothese zur Krebsentstehung geht davon aus, dass karzinogene Umweltfaktoren zur Mutation weniger spezieller, krebsassoziierter Gene führt. Hierdurch kommt es zur Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen und Überaktivierung von Onkogenen, wodurch ein verstärktes Wachstum mutierter Zellen ermöglicht wird. Eine Modifikation geht davon aus, dass durch die Mutationen zusätzlich DNA-Synthese und Reparaturgene inaktiviert werden und es so zur Akkumulation genomischer Defekte kommt. Durch diese Mechanismen entstehen solide Tumore.
Im Gegensatz dazu geht Duesberg davon aus, dass es durch Umwelttoxine zur fehlerhaften Zellteilung kommt, wodurch aneuploide Zellen, d. h. Zellen mit abnormalen Chromosomensätzen entstehen (eine normale Zelle verfügt über einen diploiden Chromosomensatz). Kommt es nun beispielsweise zu einer Vermehrung bestimmter Chromosomenabschnitte, dann steht nun ein Vielfaches bestimmter Gene bereit, die zum Beispiel durch Überexpression bestimmter Proteine zu einer Entgleisung von Enzymsystemen führen können, welche die Synthese und Reparatur der DNA regulieren. Experimentell konnte nachgewiesen werden, dass die genetische Instabilität von Krebszellen proportional zum Grad der Aneuploidie ist.
Die Mai 2007-Ausgabe des Scientific American enthält einen Aufsatz von Duesberg zu seinen alternativen Theorien der Krebsentstehung.[5] Aufgrund der Umstrittenheit der Person Duesberg beginnt das Heft mit einem Editorial, welches sich intensiv mit Duesberg und seiner bisherigen Arbeit zur AIDS- und Krebsentstehung auseinandersetzt. Es endet mit dem Fazit: "We respect the opinions of any readers who may criticize our choice to publish Duesberg in this case but hope they will nonetheless evaluate his ideas about cancer on their own merits." ("Wir respektieren die Meinung aller der Leser, die vielleicht unsere Entscheidung kritisieren, Duesbergs Artikel in dieser Sache zu veröffentlichen, hoffen aber, dass sie trotzdem seine Ideen über Krebs unvoreingenommen um ihrer selbst willen bewerten."')
Literatur
Aneuploidie:
- Boveri T. Zur Frage der Entstehung maligner Tumoren. Jena: Gustav Fischer Verlag, 1914.
- Duesberg P.H. Activated proto-oncgenes: sufficient or necessary for cancer? Science 157, 24-28, 1985.
- Duesberg P.H. Genetic instability of cancer cells is proportional to their degree of aneuploidy. Proceedings of the National Academy of Sciences 95, 13692-13697, 1998.
- Duesberg P., Li R. Multistep carcinogenesis, a chain reaction of aneuploidizations. Cell Cycle 2, 202-210, 2003.
- Fabarius A., Hehlmann R., Duesberg P. Instability of chromosome structure increases exponentially with degrees of aneuploidy. Cancer Genet. Cytogenet. 143, 59-72, 2003.
Aids:
- Duesberg P., Koehnlein C., Rasnick, D. The chemical bases of the various AIDS epidemics: recreational drugs, anti-viral chemotherapy and malnutrition. J Biosci. 28, 383-412, 2003.
- Duesberg P., Rasnick D. The AIDS dilemma: drug diseases blamed on a passenger virus. Genetica. 104, 85-132, 1998.
- Duesberg P. Inventing the AIDS Virus. Regnery Publishing, 1997.
- Harvey Bialy: Oncogenes, Aneuploidy and AIDS. A Scientific Life & Times of Peter H. Duesberg. North Atlantic Books, 2004, ISBN 1-55643-531-2
- Jon Cohen: The Duesberg Phenomenon. In: Science, 266 (1994), S. 1642–1649
Retroviren:
- Duesberg P.H. Retroviral transforming genes in normal cells? Nature 304, 219-225, 1983.
- Duesberg P.H. Retroviruses as carcinogens and pathogens: Expectations and reality. Cancer Res. 47, 1199-1220, 1987.
Einzelnachweise
- ↑ Siehe Webseite der World Innovation Foundation.
- ↑ HIV-AIDS hypothesis out of touch with South African AIDS - A new perspective. Duesberg PH, Nicholson JM, Rasnick D, Fiala C, Bauer HH. Med Hypotheses. 2009 Jul 19. [1]
- ↑ P. Chigwedere, G. Seage, S. Gruskin et al.: Estimating the Lost Benefits of Antiretroviral Drug Use in South Africa. In: J Acquir Immune Defic Syndr. 2008 Oct 16. PMID 18931626
- ↑ Nicoli Nattrass: AIDS and the Scientific Governance of Medicine in Post-Apartheid South Africa. In: African Affairs 2008 107(427):157–176. doi:10.1093/afraf/adm087
- ↑ Siehe den Artikel "Chromosomal Chaos and Cancer" bei Scientific American online.
Weblinks
- Literatur von und über Peter Duesberg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Peter Duesbergs Website
- Abschlussbericht der südafrikanischen AIDS-Expertenkommission 2001 ("Presidential Aids Advisory Report") (PDF-Datei)
- Stellungnahme des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) zu den Thesen von Peter Duesberg und anderen AIDS-Kritikern (englisch)
Personendaten | |
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NAME | Duesberg, Peter |
ALTERNATIVNAMEN | Duesberg, Peter H. |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Virologe |
GEBURTSDATUM | 2. Dezember 1936 |
GEBURTSORT | Münster |