Sizzla

jamaikanischer Ragga- und Dancehall-Sänger
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Sizzla Kalonji (eigentlich Miguel Orlando Collins; * 17. April 1976 in Saint Mary im Nordosten Jamaikas)[1] ist Reggae- und Dancehall-Interpret.

Sizzla, 2005

Leben

Privat

Miguel Orlando Collins wurde 1976 im Kingstoner Stadtviertel August Town geboren. Aufgewachsen ist er in den Ghettos von Saint Mary Parish im Nordosten Jamaikas auf und kam dort in Berührung mit der Reggae- und Dancehall-Kultur. Collins zeigte schon früh Interesse an Technik und Elektronik und arbeitete bei verschiedenen Soundsystems als Techniker. Er begann eine Ausbildung als Mechatroniker die er jedoch nicht beendete.[2][3]. Miguel Collins ist das zweitgeborene von sechs Kindern. Seine Eltern waren streng-gläubige Rastafari. Collins selber nahm die Religion seiner Eltern ebenfalls an. Mitte der Neunziger trat er dann der Bobo-Ashanti-Bewegung bei, eine Gruppe der Rastafari-Religion, die sich auf den Rasta-Heiligen Prince Emmanuel Charles Edwards stützt. Edwards wird von dieser Bewegung als Priester des Höchsten Gottes betrachtet. Andere Bobo-Ashanti-Reggae-Interpreten sind etwa Anthony B. oder Capleton. Seine Musik und Texte bekamen immer mehr Einflüsse dieser Splitterkultur.[1]] bei. Anfang 2000 studierte Sizzla Architektur an der University of Technology von Saint Andrew.

Karriere

Seine musikalische Karriere begann er als Solokünstler mit einer Reihe nie veröffentlichter Singles. Beeinflusst wurde er hauptsächlich durch die Musik von Buju Banton, der mit seinem Album „Til Shiloh“ (1995) eine erste musikalische Verschärfung der Reggae-Musik eingeleitet hatte, und von Shabba Ranks. Für diese beiden Künstler trat er auch im Vorprogramm auf. Er ging in der Folgezeit mit dem Reggae-Künstler Luciano auf Tour und wurde schließlich vom Saxophonisten Dean Fraser entdeckt. Er arbeitete mit dem Caveman Hi-Fi Soundsystem zusammen, als er mit Bobby Dixon, genannt Bobby Digital, zusammentraf. Mitte der 1990er unterschrieb er einen Plattenvertrag beim Label Xterminator Records, wechselte dann aber zu Digital B.

Sein erstes Album erschien 1995 unter dem Namen „Burning Up“, blieb aber noch recht erfolglos. 1995 veröffentlichte er den Titel „No White God“, der ihn schließlich schlagartig bekannt machte. Den internationalen Durchbruch schaffte er mit dem Nummer-1-Album „Black Woman & Child“ (1997) mit Bobby Digital. Seit dieser Zeit veröffentlicht er jährlich mehrere Alben, verteilt über verschiedene Plattenfirmen. Ende der 1990er veröffentlicht er so genannte „slack tunes“, pornographische Lieder, die explizit den geschlechtlichen Aspekt thematisieren, und erregt so den Unmut der Reggae-Kultur.[4]

Während seiner Studienzeit ab 2000 wird er von höheren Bobo Ashanti wegen seiner sogenannten Slack-Liriks (Gewaltverherlichende und inhaltlich sexuelle Texte) ermahnt. Danach nahm er sich textlich zurück, um die verunsicherten Fans nicht zu enttäuschen. Er änderte die Ausrichtung seiner Musik. Der sexuelle Aspekt wurde fallen gelassen, dafür schrieb er nun sozialkritische und „positive Texte“, die jedoch an einigen Stellen auch weiterhin zur Gewalt aufriefen und den Schusswaffengebrauch verherrlichten, jedoch in einem anderen Zusammenhang.[5]

Im März 2005 wurde seine Wohnung im Rahmen der „Operation King Fish“ von britischen und jamaikanischen Spezialeinheiten der Polizei durchsucht. In seiner Wohnung wurden automatische Waffen gefunden; Sizzla und 30 seiner Gefolgsleute wurden verhaftet, er selbst als Drahtzieher einer kriminellen Organisation namens „Judgement Yard“ angeklagt, Vorwürfe, die allerdings später fallengelassen wurden.[6] „Judgement Yard“ wird von ihm als „Familie“ beschrieben, die sich lediglich gegen andere Gangs verteidigen müsse und aus loyalen Freunden bestehe.[7]

Kontroverse über homophobe Liedtexte und Äußerungen

Sizzla besitzt in seinen Song-Repertoire eine beachtliche Anzahl von sogenannten Battyman-Tunes. In diesen Songs ruft er zum Teil offen zur Gewalt gegen Homosexuelle auf, in dem er fordert diese zu töten und zu foltern[8][9][10][11]. In "Pump up her Pum Pum" heißt es unter anderem: Shot Battybwoy My Big Gun Boom!!! Deutsch: Erschieße den Arschjungen [Schwuler], [du] mein Gewehr, Boom!!!

In einer Pressekonferenz nach dem Summerjam Festival 2007 in Köln erklärte er: „Gehst du zu anderen Männern, ziehst du [das Ansehen deiner Mutter] in den Schmutz. Ein Mann muss sich entscheiden, ob er ein Stück Dreck sein will oder ein stolzer Mann. [...]“[12]

In einem Interview in der Riddim 01/08 erklärt Sizzla: „Selbst wenn wir singen, kill Battyman, dann ziehen wir nicht los und bringen Menschen um. Das ist kein Aufruf zur Gewalt. [...] Wir können es [aber] nicht hinnehmen, dass kleine Jungs vergewaltigt werden, genauso wenig dass minderjährige Mädchen missbraucht werden.[13]

Im Rahmen der Stop the Murder Music Kampagne wurde versucht, Auftritte von Sizzla zu verhindern.[14]

Er unterschrieb jedoch 2007 den Reggae Compassionate Act (kurz: RCA), in welchem er sich auf "Respekt gegenüber Andersdenkenden als Grundlage für seine Arbeit" festlegt. Sizzla hatte allerdings, nach Informationen des LSVD auch nach der Unterzeichnung auf seiner Europatournee 2007 und in Jamaika, noch die kritisierten Texte im Programm, wobei er teilweise das Publikum die inkriminierten Textteile singen ließ.[12] Später bestritt er sogar wiederholt die Unterzeichnung.[15][16] [17]. Die Agentur „contour-music“, die in der Vergangenheit Konzerte von Sizzla in Deutschland organisiert hatte, hat 2010 angekündigt den Sänger nicht mehr zu vertreten.[18]

Aufgrund von Sizzlas Äußerungen, sowie Meldungen der deutschen Botschaft in Jamaika, erwirkte das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium, dass der Künstler im Schengener Informationssystem zur Zurückweisung bzw. zur Nichteinreise für den Schengenraum ausgeschrieben wurde. Deshalb durfte er einige Zeit in der Europäischen Union nicht mehr auftreten.[19] Allerdings wurde das Einreiseverbot nach 2008 nicht verlängert. Trotz der noch bestehenden, "Zurückweisung" gelang es Sizzla nach Österreich einzureisen und dort am 12. Mai 2008 im „Planet Music“ ein Konzert zu geben.[20] Bei einem in Spanien geplanten Auftritt wurde Sizzla sofort am Flughafen Madrid verhaftet und zurückgeschickt.[21]

2009 wurden die beiden Alben Rastafari und Kings of Dancehall von der BPjM indiziert. Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck erklärte:

„Soweit auf den CDs auch Songs mit Aufrufen zu Gewalt und Morden an Homosexuellen enthalten sind, ist das Verbreiten dieser Tonträger eine strafbare Handlung [...] Wer Hass verbreitet, soll damit in Deutschland kein Geld verdienen".[22]

2009 und 2010 wurden einige Konzerte in Deutschland, unter anderem das Chiemsee Reggae Summer 2010,[23] aufgrund des öffentlichen Drucks, sowie Vertretern der politischen Parteien abgesagt. Andere Konzerte fanden trotz massiver Proteste statt.[24] [25][26][27][28][29][30]

Einreise- und Konzertverbote und ihre Grenzen

Mit dem Versuch der Durchsetzung eines Einreiseverbots gegen Sizzla scheiterte zuletzt Volker Beck im Herbst 2009. Auf die Frage Becks, warum die Bundesregierung die Einreise Sizzlas nicht verhindert habe, antwortete Ole Schröder, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, dass „das Bundesministerium des Innern die Innenressorts der betreffenden Länder nochmals gebeten“ habe, „notfalls durch ordnungsbehördliche Maßnahmen sicherzustellen, dass kein strafbewehrtes Liedgut vorgetragen“ werde. Dadurch würden die Belange der öffentlichen Sicherheit auch weiterhin angemessen gewahrt. „Auch ist zu berücksichtigen, dass (...) bei zurückliegenden Konzerten in Europa keine Liedtexte mit strafrechtlich relevantem Inhalt bekannt geworden sind.“ Zur Frage, ob die Bundesregierung bereit sei, eine erneute Eintragung Sizzlas ins Schengen-Informationssystem zu prüfen, betonte der Parlamentarische Staatssekretär, dass „wir in einem Rechtsstaat leben, der für alle gilt. Die Einstellung in das Schengener Informationssystem ist ein sehr weitreichender Schritt und nicht mit dem rechtsstaatlichen Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu vereinbaren.“[31]

Diskografie

Jahr Albumtitel Label Anmerkungen
1995 Burning Up Ras
1997 Praise Ye Jah X Terminator; Jet Star
1998 Black Woman & Child Brickwall / Greensleeves
1998 Freedom Cry VP Records
1998 Reggae Max Sizzla Jet Star
1998 Good Ways Brickwall Record Distribution
1998 Hotter Than Fire Genesis Records
1999 Liberate Yourself Kariang / VP Records
1999 Kalonji X Terminator
1999 Royal Son of Ethiopia Greensleeves
1999 Be I Strong VP Records
2000 Words of Truth VP Records
2000 Bobo Ashanti Greensleeves
2001 Taking Over VP Records
2001 Black History Charm
2001 Rastafari Teach I Everything Greensleeves
2002 Blaze Up the Chalwa Jet Star
2002 Blaze Fire Blaze Whodat Records
2002 The Story Unfolds VP Records
2002 Hosanna Reggae Central
2002 Ghetto Revolution Greensleeves
2002 Da Real Thing VP Records
2002 Up in Fire 2B1
2003 Light of My World Jet Star
2003 Voice of Jamaica Tha Jam
2003 Rise to the Occasion Greensleeves
2003 Ever So Nice
2003 Red Alert Jetstar
2003 African Children Fire Ball
2004 Good Morning
2004 Judgement Yard
2004 Speak of Jah Bogalusa
2004 Jah Knows Best Trojan Records
2004 Stay Focus VP Records
2004 Life Greensleeves
2004 Leave Yu Machine
2004 Kings of Dancehall Vol. 1 Jet Star Music Kompilation, indiziert
2005 Burning Fire Penitentia
2005 Brighter Day Bogalusa
2005 Soul Deep Greensleeves
2005 Da Real Live Thing VP Records
2006 Jah Protect Penitentiary Records
2006 Ain't Gonna See Us Fall VP Records
2006 Waterhouse Redemption VP Records
2006 The Overstanding Damon Dash Music Group
2007 Children of Jah Penitentiary
2007 I Space Greensleeves
2007 Jah Bless Me With Life A-Town Records
2008 Rastafari Penitentia indiziert
2008 Addicted LGN Entertainment
2008 The Journey Greensleeves
2009 Ghetto Youth-ology Greensleeves
2009 Stand Tall Penitentiary
2010 Crucial Times Greensleeves

Einzelnachweise

  1. a b nach Biographie auf laut.de, siehe unter Weblinks (abgerufen am 24. Juli 2008)
  2. Biografie auf Answers.com
  3. The Early Years. Offizielle Biografie auf der Website von Sizzla
  4. The „New“ Kalonji. Offizielle Biografie auf der Website von Sizzla
  5. Biografy auf Allmusic
  6. Operation King Fish. Offizielle Biografie auf der Website von Sizzla
  7. Judgement Yard. Offizielle Biografie auf der Website von Sizzla
  8. Sizzla Lyrics – Nah Apologise
  9. Sizzla Lyrics – Run Out Pon Dem
  10. Sizzla Lyrics – Get To The Point
  11. Sizzla Lyrics – Pump Up Her Pum Pum
  12. a b LSVD: LSVD fact sheet: Sizzla muss draußen bleiben, 2. Mai 2008, (PDF 8KB)
  13. Riddim 01/08, Text von Ellen Köhlings & Pete Lilly: Black Nation Building. Abgerufen am 3. März 2010.
  14. Coalition seeks ejection of reggae stars over anti-gay lyrics, CBCNews 25. September 2007
  15. Reggae Compassionate Act / Petertatchell.net
  16. Beenie Man, Sizzla and Capleton renounce homophobia. Artikel der Tageszeitung The Guardian vom 14. Juni 2007
  17. Sunday Mail Zimbabwe: King Sizzla on mission. Abgerufen am 3. März 2010.
  18. queer.de: Sizzla will weiter Hass verbreiten. Abgerufen am 3. März 2010.
  19. LSVD: Sizzla muss draußen bleiben 2. Mai 2008
  20. HOSI Wien: [1], 16. Mai 2008.
  21. Spanien verweigert Sizzla die Einreise, queer.de, 2. Juni 2008
  22. Volker Beck: Amazon.de verkauft Hassmusik – Einreiseverbot für Musiker Bounty Killer, 27. März 2008
  23. Nach Protesten: Sizzla-Auftritt abgesagt. süddeutsche.de, 26. August 2010, abgerufen am 26. August 2010.
  24. Johannes Radke: Homophober Hassmusiker in der Kulturbrauerei, Der Tagesspiegel vom 25. November 2009.
  25. Robert Maus: Massiver Protest im U-Club. In: Westdeutsche Zeitung vom 24. November 2009.
  26. Darf Sizzla in München Hass verbreiten?, 3. November 2009
  27. Nach Protesten: Sizzla-Auftritt abgesagt. süddeutsche.de, 26. August 2010, abgerufen am 26. August 2010.
  28. Berliner Morgenpost: Sizzla-Konzert gleich doppelt geplatzt. Abgerufen am 29. November 2009.
  29. U-Club: Demonstration gegen Sänger und für mehr Toleranz, von Robert Maus, Westdeutsche Zeitung online vom 25. November 2009 (Abgerufen am 25. November 2009)
  30. Umstrittenes Konzert: Säure-Anschlag auf den U-Club, von Robert Maus, Westdeutsche Zeitung online vom 29. November 2009 (Abgerufen am 1. Dezember 2009)
  31. dip21.bundestag.de/dip21/btp/17/17006.pdf