Katharinenkirche (Frankfurt am Main)

Kirchengebäude in Frankfurt am Main
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Die St. Katharinenkirche ist die größte evangelische Kirche in Frankfurt am Main, mitten im heutigen Stadtzentrum an der Hauptwache gelegen.

St. Katharinenkirche, Frankfurt am Main, An der Hauptwache

Geschichte

Mittelalter

 
Die Heiligkreuz und Katharinenkapelle auf dem Merian-Stich von 1628

1343 erhielt der Frankfurter Patrizier und Kantor des St. Bartholomäus-Stiftes Wicker Frosch ein Grundstück zugewiesen, um darauf ein Spital für Sieche und arme Leute zu errichten. Das Grundstück lag vor dem Bockenheimer Tor an der Staufenmauer, die damals noch die Altstadt von der wenige Jahre zuvor (1333) angelegten Neustadt trennte. 1346 beurkundete Wicker Frosch eine Stiftung, die dem Spital umfangreichen Besitz und Einkünfte sicherte. Neben dem Spital entstand 1354 ein Kloster für adelige Jungfrauen zu Ehren der Heiligen Katharina. Kloster und Spital besaßen zwei kleine, nebeneinanderliegende Kapellen, von denen die Spitalskapelle dem Heiligen Kreuz und die Klosterkapelle den Heiligen Katharina und Barbara geweiht war.

Reformationszeit

Am 9. März 1522 hielt der Luther-Schüler Hartmann Ibach auf Einladung des Ratsherrn Hamman von Holzhausen in der Klosterkirche St. Katharinen die erste evangelische Predigt in Frankfurt, und auch in den Folgejahren predigten immer wieder evangelische Prädikanten in der Stadt. Die neue Lehre verbreitete sich rasch unter den Bürgern. 1526 verließen die letzten Nonnen das Kloster. Nach 1533, als die Stadt lutherisch geworden war, wurde die Kirche von der evangelischen Gemeinde genutzt. 1542 wandelt der Rat die Klöster St. Katharinen und Weißfrauen in weltliche Einrichtungen für versorgungsbedürftige Frauen lutherischen Bekenntnisses um. Noch heute existiert das daraus hervorgegangene St. Katharinen- und Weißfrauenstift.

1590 ließ der Rat die beiden kleinen Kapellen umbauen und zu einer Kirche zusammenlegen. Trotzdem wurden sie für die wachsende Gemeinde bald zu klein, zumal der regelmäßige Gottesdienstbesuch in dieser Zeit zu den bürgerlichen Pflichten gehörte. Außerdem wurde die kleine Kirche allmählich baufällig. Am 21. Januar 1678 fand der letzte Gottesdienst in der alten Kirche statt. Danach wurde sie abgebrochen und ein repräsentativer Neubau durch Stadtbaumeister Melchior Heßler errichtet. Die Baukosten betrugen etwa 31500 Gulden. Bereits am 20. Februar 1681 konnte der Neubau durch Pfarrer Johann Konrad Sondershausen eingeweiht werden. Seit der Reformation war dies der erste Kirchenneubau in Frankfurt. Bald entwickelte sie sich zur zweiten evangelischen Hauptkirche von Frankfurt, neben der Barfüßerkirche.

Neuzeit

1778 wurde das Innere der Katharinenkirche umfassend renoviert. Die alte Katharinenpforte und die Staufenmauer wurden Ende des 18. Jahrhunderts abgebrochen, so daß die Westfassade nun erstmals frei zu sehen war.

 
Die Katharinenkirche von Norden, um 1900

1869 begann eine weitere, großangelegte Renovierung, die vor allem das Äußere der Kirche veränderte. Die barocke Turmbalustrade und das darunterliegende weitauskragende Gesims wurden entfernt und durch einen historisierenden Bogenfries mit einer neogotischen Brüstung ersetzt. Diese Maßnahme wurde teilweise heftig kritisiert, insbesondere weil ihr auch die zuvor an den vier Turmecken befindlichen schmiedeeisernen Wasserspeier zum Oper fielen. Während der Gründerzeit entstanden eine Reihe von Monumentalbauten in der Umgebung, z.B. die Hauptpost auf der Zeil.

Am 22. März 1944 brannte sie nach einem verheerenden Bombenangriff vollständig aus. Die barocke Innenausstattung ging dabei verloren, bis auf den rechtzeitig ausgelagerten Bilderzyklus und einige eingemauerte Epitaphien, darunter das von Wicker Frosch. Um 21 Uhr 20 blieben die Zeiger der Turmuhr stehen, dem Zeitpunkt des Bombenangriffes, der die mittelalterliche Altstadt Frankfurts zerstörte. 10 Jahre verharrten die Zeiger in dieser Stellung.

Der Wiederaufbau erfolgte 1950 bis 1954. Am 24. Oktober 1954 wurde die Kirche wieder eingeweiht. Während des U-Bahn-Baus in den sechziger Jahren war die Kirche zeitweise kaum zugänglich. 1978 wurde die Kirche von außen renoviert und verputzt. Die 2001 begonnene Innenrenovierung wird 2005 abgeschlossen.

Architektur

Außen

 
Grundriß, vor 1900

Die Katharinenkirche ist eine einschiffige Hallenkirche aus verputztem Bruchstein. Verschiedene Architekturglieder sind in dem für Frankfurt typischen roten Mainsandstein ausgeführt. Aufgrund der Lage an der im 17. Jahrhundert immer noch existierenden mittelalterlichen Staufenmauer, östlich des Kornmarktes und der Katharinenpforte, konnte die Kirche keine repräsentative Westfassade erhalten, wie es üblich gewesen wäre. Heßler entschied sich deshalb, die nördliche Langseite zur Hauptfront zu machen.

Die Formen zeigen ein erstaunliches Nebeneinander zweier Stilepochen: Während die Portale und die welsche Haube des Turmes eindeutig barock sind, wirken im dreibahnigen Maßwerk der Fenster und in den stufenlosen Strebepfeilern die Traditionen der Gotik nach.

Das Kirchenschiff mit dem Polygonchor ist 49 Meter lang und bis zum Traufgesims 10m hoch, der First des Doppelwalmdaches liegt in 20m Höhe. Nördlich des Kirchenschiffes zur Hauptwache hin erhebt sich auf quadratischem Grundriß von 9 auf 9m der 54m hohe Turm. Bis zum Bau des Rathausturmes Anfang des 20. Jahrhunderts war er das zweithöchste Bauwerk in Frankfurt, nach dem Turm des St. Bartholomäus-Domes.

Innenraum bis zur Zerstörung 1944

 
Innenraum Kanzelseite, um 1900

Im Gegensatz zu der eher schlichten Außenwirkung stand die prächtige barocke Innenausstattung. Die West-, Nord- und Ostseite des Innenraumes umlief eine doppelgeschossige Empore, welche die Fenster weitgehend verdeckte. Deshalb wurde der Eindruck des Raumes weitgehend durch einen geschlossenen Zyklus von Bildern bestimmt, die in die Emporenbrüstungen eingelassen waren. Die 41 Bilder der unteren Empore zeigten Szenen aus der Bibel, je eine für jedes kanonische Buch des Alten und für einige des Neuen Testamentes. Die obere Empore erhielt 42 Bilder mit biblischen oder allegorischen Motiven, die zu den jeweiligen Darstellungen der unteren Empore paßten.

Während der Altar wie üblich im Osten des Schiffes stand, mit der darüber gelegenen Orgelempore, fand die Kanzel ihren Platz an der Südwand der Kirche.

Die hölzerne Deckenkonstruktion erinnerte an ein spätgotisches Rippengewölbe. Anfangs trug sie ein Deckengemälde mit biblischen Szenen, das allerdings schon bei der Renovierung 1778 hinter weiß gekalkten Matten verschwand.

Wirkung

Die Katharinenkirche war Vorbild für mindestens zwei Nachfolgerbauten: die 1701 bis 1717 entstandene Dreifaltigkeitskirche in Speyer und die Katharinenkirche in Worms (1709 bis 1725 errichtet). Während letztere im zweiten Weltkrieg zerstört wurde, läßt sich die frühere Wirkung der Frankfurter Katharinenkirche heute noch in der - allerdings wesentlich kleineren - Dreifaltigkeitskirche in Speyer erfahren.

Wiederaufbau und heutiger Zustand

Der Wiederaufbau begann Pfingsten 1950 und war im Oktober 1954 abgeschlossen. Äußerlich erstand die Kirche nahezu wieder in ihrer alten Form. Lediglich das Bruchsteinmauerwerk blieb bis zur Renovierung von 1978 unverputzt.

Über die Konzeption des Innenraums wurde dagegen lange gestritten. Die hölzerne Deckenkonstruktion wurde wiederhergestellt (anders als z.B. beim gleichzeitigen Wiederaufbau der Liebfrauenkirche, die auf ihr gotisches Gewölbe verzichten mußte). Auf die barocken Emporen wurde dagegen verzichtet. Stattdessen erhielt die Kirche eine schlichte, einstöckige Empore im Westen, auf die auch die Orgel verlegt wurde. Unter der Empore wurden ein Sitzungssaal und ein Trausaal eingerichtet. Das Westportal wurde zum Haupteingang der Kirche, das Nordportal ist heute nur noch ein Nebeneingang.

Die Wände wurden weiß verputzt und die übrige Ausstattung (Altar, Kirchenbänke, Beleuchtung) betont schlicht gehalten. Dies ist nicht nur eine Folge der geringen zur Verfügung stehenden Mittel. Die schlichte, fast karge Ästhetik des Innenraumes entspricht dem Lebensgefühl der Fünfziger Jahre. Sie manifestierte sich auch bei anderen Wiederaufbauprojekten in Frankfurt. Der hauptsächliche Schmuck der Kirche sind nunmehr die 17 Glasfenster, die von dem Künstler Charles Crodel geschaffen wurden.

Mehrfach wurde erwogen, die erhaltenen und inzwischen restaurierten Bilder des Emporenzyklusses wieder in der Kirche anzubringen. 1990 wurden acht Bilder in der Balustrade der Westempore aufgehängt.

Ausstattung

Orgeln

 
Der Prospekt der Stumm-Orgel von 1778 wurde auch von den späteren Orgeln bis zur Zerstörung 1944 genutzt

1626 erbaute Lorenz Ettlin aus Eßlingen eine Orgel für die damalige St. Katharinenkirche. Sie war das größte bis dahin in Frankfurt gebaute Instrument und wurde beim Abriß der alten Kirche in den Neubau überführt. 1778 wurde diese Orgel nach Sulzbach verkauft und an ihrer Stelle ein Werk der berühmten Orgelbaumeister Johann Phillip und Johann Heinrich Stumm eingebaut. Diese Orgel hatte 41 Register, die sich auf drei Werke verteilten.

1856 wurde die Stumm-Orgel durch einen Neubau der Orgelbaufirma Walcker aus Ludwigsburg ersetzt, weil sich das Klangideal inzwischen vollkommen gewandelt hatte. Die neue Orgel wurde hinter den alten Prospekt der Stumm-Orgel gesetzt und umfaßte (nach einer Erweiterung 1887) 63 Register.

Schon 1909 erhielt die Katharinenkirche wieder eine neue Orgel, diesmal von der Firma Steinmayer aus Öttingen. Wieder blieb der alte Prospekt der Stumm-Orgel erhalten. Die Steinmayer-Orgel besaß eine pneumatische Traktur und wurde 1944 mit der Kirche zerstört.

Beim Wiederaufbau 1954 wurde eine neue Orgel durch den Orgelbauer Walcker geliefert. Man baute eine viermanualige Orgel mit 55 Registern, die allerdings schon wenige Jahrzehnte später nicht mehr den ästhetischen Anforderungen genügte. Seit 1990 befindet sich in der Katharinenkirche ein Orgelwerk der Firma Rieger aus Schwarzach (Vorarlberg). Ihre 54 Register haben folgende Disposition:

Hauptwerk Rückpositiv Schwellwerk Pedal
Prinzipal 16’ Prinzipal 8’ Bourdon 16’ Bourdon 32’
Oktave 8’ Gedackt 8’ Geigenprinzipal 8’ Prinzipal 16’
Flûte harmonique 8’ Salicional 8’ Bourdon 8’ Subbaß 16’
Rohrflöte 8’ Oktave 4’ Gambe 8’ Oktave 8’
Oktave 4’ Rohrflöte 4’ Voix célèste 8’ Flöte 8’
Flöte 4’ Nazard 2 2/3’ Oktave 4’ Oktave 4’
Quinte 2 2/3’ Quarte de Nazard 2’ Traversflöte 4’ Gemshorn 4’
Oktave 2’ Tièrce 1 3/5’ Nazard 2 2/3’ Nachthorn 2’
Terz 1 3/5’ Larigot 1 1/3’ Octavin 2’ Mixtur 4fach
Cornett 5f. Mixtur 4fach Tiérce 1 3/5’ Posaune 16’
Mixtur 5fach Cromorne 8’ Progression 3-5fach Trompete 8’
Zimbel 2fach Tremulant Bombarde 16’ Clarine 4’
Trompete 16’ Trompete 8’
Trompete 8’ Oboe 8’
Trompete 4’ Voix humaine 8’
Clairon 4’
Tremulant
Umfang Manuale: C - g3
Umfang Pedal: C - f1
Mechanische Spieltraktur,
mechanische Registratur
Koppeln:
Schwellwerk/Pedal Hauptwerk/Pedal Rückpositiv/Pedal
Schwellwerk/Hauptwerk Rückpositiv/Hauptwerk Schwellwerk/Rückpositiv

Glocken

Anstelle der im zweiten Weltkrieg verloren gegangenen Glocken erhielt die Katharinenkirche 1954 ein neues Geläut aus vier Glocken, die von der Gießerei Rincker in Sinn gegossen wurden:

  1. Wahrheitsglocke h0, 2885 kg schwer, mit der Aufschrift aus Joh. 18, 57: „Wer aus der Wahrheit ist, der hoeret meine Stimme“
  2. Katharinenglocke d', 2220 kg schwer, mit der Inschrift „Der Name des Herrn ist ein festes Schloss; der Gerechte laeuft dahin und wird beschirmt“ (Sprüche 18,10)
  3. Kreuzesglocke e', 1560 kg schwer, mit der Inschrift „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Joh. 11, 25)
  4. Pelikanglocke fis', 1100 kg schwer, mit der Inschrift „Ex vulnere salus et vita“

Die Glocken der Katharinenkirche sind auf das neunstimmige Geläute des Domes abgestimmt und ein wesentlicher Bestandteil des Großen Frankfurter Stadtgeläutes.

Gemeindeleben

 
Turm der Katharinenkirche bei Nacht

Die Kirche wird von der evangelisch-lutherischen St. Katharinengemeinde genutzt und ist Sitz einer Pfarrstelle für Stadtkirchenarbeit. Gottesdienste sind sonntags um 10 Uhr. Montags bis freitags um 17.30 wird eine Kurzandacht gehalten. An jedem Ersten Advent eröffnet der Kirchenpräsident der Evangelische Kirche in Hessen und Nassau in St. Katharinen das Kirchenjahr.

Die Kirche ist ein Zentrum der Kirchenmusik in Frankfurt, unter anderem mit dem jährlichen Konzertzyklus „Musik in St. Katharinen“, den „30 Minuten Orgelmusik“ (jeden Montag und Donnerstag um 16.30) und den „Bachvespern“ (zehnmal jährlich jeweils Samstags um 17.30).

Im Rahmen der Stadtkirchenarbeit finden zahlreiche Ausstellungen, Vorträge und andere Veranstaltungen statt. Aufgrund ihrer Lage im Stadtzentrum bildet die Hilfe für Obdachlose und arme Menschen einen besonderen Schwerpunkt der Gemeindearbeit. Die Kirche ist außerhalb der Gottesdienste von Montag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

Erwähnenswertes

Georg Philipp Telemann war von 1712 bis 1721 städtischer Musikdirektor in Frankfurt am Main. Während dieser Zeit wirkte er auch an St. Katharinen.

Philipp Jacob Spener war 1666 bis 1686 Senior des evangelischen Predigerministeriums. Er bestimmte wesentlich die Konzeption für den Kirchenneubau und das theologische Programm des Bilderzyklusses.

Die Familie Goethe besaß zwei Kirchenstühle in der Katharinenkirche.

Literatur

  • J. Proescholdt (Hrg.), St. Katharinen zu Frankfurt am Main. Frankfurt am Main 1981. Verlag Waldemar Kramer, ISBN 3-7829-0240-8
  • F. Bothe, Geschichte der Stadt Frankfurt am Main. Frankfurt 1977. Verlag Wolfgang Weidlich, ISBN 3-8035-8920-7
  • Frankfurter Historische Kommission (Hrg.), Frankfurt am Main - Die Geschichte der Stadt in neun Beiträgen. Sigmaringen 1991. Jan Thorbecke Verlag, ISBN 3-7995-4158-6
  • B. Müller, Bilderatlas zur Geschichte der Stadt Frankfurt am Main. Frankfurt 1916. Verlag Moritz Diesterweg
  • K. Bund (Hrg.), Frankfurter Glockenbuch. Frankfurt 1986. Verlag Waldemar Kramer, ISBN 3-7829-0211-0


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