Lösungsorientierter Ansatz in der Sozialpädagogik

Arbeitsansatz in sozialpädagogischen Einrichtungen
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Der Lösungsorientierte Ansatz basiert auf den Ideen der Lösungsorientierten Kurztherapie von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg. Es handelt sich dabei um die Anwendung der Erkenntnisse, der Haltung und Methoden der Lösungsorientierten Kurzzeittherapie auf die Arbeit in sozialpädagogischen Einrichtungen. Entsprungen ist die Idee dazu Kaspar und Marianne Bäschlin, die viele Jahre in der Schweiz eine Werkschule für männliche Jugendliche geführt haben.

Nachdem sie Steve und Insoo kennengelernt hatten, machten sie sich daran, zusammen den Versuch zu wagen, die Ideen, Prinzipien und Techniken der Lösungsorientierung - oder Lösungsfokussierung, wie sie auch genannt wird - für die Arbeit im sozialpädagogischen Bereich 'passend' zu machen. Was mit dem Versuch in dieser einen Werkschule begann, führte schliesslich über die Jahre und durch den unermüdlichen Einsatz von Kaspar und Marianne Bäschlin dazu, dass der Lösungsorientierte Ansatz in der Schweiz einige Bekanntheit in Fachkreisen erlangte und inzwischen einige sozialpädagogische Einrichtungen nach diesem Ansatz arbeiten und sich auch andere Fachkreise wie Lehrer, Heilpädagogen und Psychiatriepfleger dafür interessieren und ihn auch anwenden.

Annahmen

  1. Probleme sind Herausforderungen, die jeder Mensch auf seine ganz persönliche Art zu bewältigen sucht.
  2. Alle Menschen haben Ressourcen, um ihr Leben zu gestalten. In eigener Sache ist der Einzelne kundig und kompetent. Der Klient ist der Experte für das eigene Leben.
  3. Menschen können nicht "nicht kooperieren". Jede Reaktion ist eine Form von Kooperation (auch das, was wir als Widerstand wahrnehmen.)
  4. Nichts ist immer gleich. Ausnahmen deuten auf Lösungen hin.
  5. Menschen beeinflussen sich gegenseitig. Sie kooperiernd eher und ändern sich leichter in einem Umfeld, das ihre Stärken und Fähigkeiten unterstützt.
  6. Es ist nützlich dem Klienten genau zuzuhören und ernst zu nehmen, was er sagt. Wir sind versucht zwischen den Zeilen zu lesen, aber dort hat es nichts.
  7. Es ist hilfreich, sich am Gelingen in der Gegenwart zu orientieren und davon kleine Schritte für die Zukunft abzuleiten.
  8. Mit etwas aufzuhören, etwas zu stoppen ist die schwierigste Form der Veränderung. Etwas Neues zu beginnen ist viel leichter und macht mehr Spass.
  9. Man muss das Problem nicht kennen und analysieren, um eine Lösung zu finden.
  10. Was wir bekämpfen, verstärken wir.
  11. Hinter jedem Vorwurf und jeder Klage steckt ein Wunsch, den es sich lohnt aufzuspüren.

Die lösungsorientierte Haltung

  • Positives Menschenbild
  • Wertschätzung
  • Nicht-Wissen
  • Fragen statt sagen
  • Die Klienten geben die Ziele vor
  • Ressourcen und Fähigkeiten erkennen, auf das Gelingen fokussieren
  • Mit dem Klienten sprechen, statt über ihn
  • Hoffnung kreieren

Das lösungsorientierte Gespräch

Einstiegsfrage

Um heraus zu finden, was das Anliegen des Klienten ist.

"Was muss in diesem Gespräch geschehen, dass Sie am Ende sagen können, es hat sich gelohnt?" Steve de Shazer: "Ich werde mein Bestes tun und ich hoffe, dass es nützlich für Sie sein wird."


Beschreibung des Anliegens, allenfalls des Problems

Um mehr über die persönliche Wertung des Klienten zu erfahren.


Zusammenfassen (immer mal wieder)

Um dem Klienten zu zeigen, dass er verstanden wurde.


Die Wunderfrage (wenn sinnvoll)

Um aus einer Problemtrance heraus zu kommen und auf Wünschenswertes zu fokussieren.

"Stell Dir vor, du gehst heute abend zu Bett und während du schläfst geschieht ein Wunder. Das Problem, dass dich hierher gebracht hat, ist gelöst. Weil du aber geschlafen hast, weisst du nicht, dass ein Wunder passiert ist. Wenn du wach bist, was ist die erste kleine Veränderung, die du bemerkst?"


Skalierungsfrage

Um den Entwicklungsprozess und die gewünschte Veränderung sichtbar zu machen.

Skala definieren: "Stell dir eine Skala von 0 bis 10 vor. Die 10 bedeutet das Beste, was du dir bezüglich deines Anliegens vorstellen kannst (oder der Tag nach dem Wunder) und 0 ist das Gegenteil davon."

IST-Zustand erfassen: "Wo auf dieser Skala befindest du dich jetzt?"

Ressourcen sichtbar machen: "Wie ist es dir gelungen, dass du hier auf der Skala bist? Und was hat dir dabei geholfen?"

Zufriedenheitspunkt festlegen: "Wo bist du auf der Skala, wenn sich die Situation so verändert, dass du zufrieden bist? Wenn du einen Skalaschritt weiter als jetzt bist, was wir dann anders sein, was machst du dann anders?"


Fragen nach den Ausnahmen mit den W-Fragen (wie, woran, was, wann)

Um positive Anteile und verborgene Ressourcen heraus zu arbeiten, ganz genau nachfragen.

Gab es Zeiten, Situationen in denen du dich ein ganz klein wenig wie nach dem Wunder gefühlt hast? War es auch schon so, wie wenn du auf der Skala bei 7 wärst? Was war dann anders? Woran erkennst du den Unterschied? Was hast du genau getan? Wie hast du das gemacht?"


Anerkennung

Um Geleistetes hervor zu heben und sein Gefühl von Kompetenz und Wissen zu stärken.

Hinweisen auf bereits Geleistetes, würdigen von Stärken. Je konkreter desto besser. "Ich habe beobachtet, oder du hast mir erzählt, dass du das gemacht hast. Wie hast du das geschafft?"


Beziehungsfragen

Um Bewusstsein zu schaffen, wie das Verhalten des Klienten auf andere wirkt.

"Wie würde deine Mutter reagieren, wenn das Wunder geschehen ist? Was würde dein bester Freund, deine beste Freundin beobachten, wenn du auf der 7 bist? Was würde dein Vater sagen, wie du von 2 auf 3 kommen könntest?"


Den nächsten Schritt auf der Handlungsebene erarbeiten

Um eine realistische Entwicklung zu unterstützen und bewusst zu machen, dass Veränderung langsam geschieht und harte Arbeit bedeutet.

Kleine, ganz konkrete bewältigbare Schritte auf der Handlungsebene vereinbaren. Hilfe anbieten. "Was könntest du tun, um dein Anliegen zu verwirklichen, um dich wohler zu fühlen? Anstatt 'Ich will nicht mehr zuschlagen' oder 'Ich mache keinen Blödsinn mehr' was machst du stattdessen?"


Kurze Pause, dann Rückmeldung geben

Um sich darauf zu besinnen, was beeindruckend war und was schon funktioniert, dann den Klienten in diesem Tun bestärken und ihm, wenn sinnvoll, einen anregenden Tipp geben oder ein Experiment empfehlen.

Nichts mehr kommentieren. Sich verabschieden.

Gesprächsformen

Oasengespräch

Um Ansichten, Ressourcen, Wünsche und Wertigkeiten der Klienten kennen zu lernen

Beim Oasengespräch bestimmt der Klient oder die Klientin, was und in welchem Rahmen gesprochen wird. Also ist es auch möglich spazieren zu gehen, etwas zu essen oder zusammen eine Arbeit zu erledigen, während wir sprechen. Die zuhörende Person gibt nur an, wie lange sie im Maximum Zeit hat.

  • Ich möchte mehr von der Welt des Klienten erfahren
  • Ich höre aktiv zu
  • Ich werte nicht

Fördergespräch

Um Fortschritte sichtbar zu machen, zu würdigen und Ziele festzulegen

  • Einstieg
  • Wertschätzung ("Was machst Du gut?")
  • Yes - Set (Der Klient fühlt sich angesprochen)
  • Ziel (ev. auf Flip-Chart schreiben oder schreiben lassen)
  • Nachfragen
  • Der Klient ist der Experte ("Ich weiss nicht mehr weiter, kannst du mir helfen?", "Was wäre jetzt eine gute Frage?")
  • Dass der Klient etwas bestimmen kann
  • Rahmen klar machen (Es gibt Sachen, die nicht verhandelbar sind z.B. Hausaufgaben machen: "Wann ist es dir gelungen etwas zu tun, dass du nicht machen wolltest?")

Klärungsgespräch

Um wieder Kooperationsbereitschaft herzustellen

Standortgespräch

Reflecting Team

Umdeuten - Refraiming

Schritte beim Umdeuten:

1. Auf welche Weise interpretieren wir augenblicklich das unerwünschte Verhalten der Klientin?

2. Suche eine Reihe alternativer Interpretationen dafür.

3. Wähle die Interpretation/Umdeutung, welche Dir am glaubwürdigsten erscheint und am Besten zum Denk- und Verhaltensstil der Klientin passt.

4. Lege Dir in Gedanken eine Formulierung zurecht, die eine neue positive Umdeutung/Interpretation darstellt.

5. Biete diese Formulierung der Klientin an.

6. An der Reaktion der Klientin können wir erkennen, ob sie unsere Umdeutung annimmt oder nicht. Eine stimmige Umdeutung bringt eine sichtbare Veränderung bei der Klientin hervor. Es gibt unterschiedliche Reaktionen: Viele sind überrascht, schockiert oder amüsiert, fangen an zu lachen oder haben ein „Aha-Erlebnis“. Solche Reaktionen zeigen an, dass wir es gut getroffen haben.


Beispiele für Umdeutungen:

Faul -> unbesorgt sein, entspannen können, sich zurücklehnen, leicht nehmen Aufdringlich -> selbstsicher, geschäftig, handlungsorientiert Ungeduldig -> handlungsorientiert, hohe Erwartungen Nachlässig -> distanziert, anderen Raum lassen Depressiv -> überfordert, still, nachdenklich Aggressiv -> kraftvoll, die eigene Stärke unterschätzen Nörgeln -> betroffen sein, da Beste zum Vorschein bringen wollen Zurückgezogen -> nachdenklicher Mensch, scheu, still


Anmerkung:

Viele gut gemeinte Bemühungen von Eltern kommen beim Jugendlichen falsch an. Eigentlich sorgen sich die Eltern um ihre Kinder und lieben sie sehr, aber in ihren Handlungen gegenüber dem Kind lässt sich dies nicht erkennen z.B. wenn die Mutter die Tochter anschreit. Es ist davon auszugehen, dass Eltern das Beste für ihre Kinder wollen und oft wollen, dass sie es später besser haben als sie selber oder dass sie eine bessere Mutter/Vater für ihre Kinder sein wollen, als sie es selbst erlebt haben.

Umgang mit Widerstand

Das Wort, der Gedanke "Widerstand" ist nicht hilfreich. Der Klient kann und will so im Moment nicht.

  • "Und was müsste anders sein?"
  • "Was würde dir helfen?"
  • "Was kannst du tun, damit sich etwas ändert?"

Umgang mit unrealistischen Zielen, Wünschen

Ziel nicht wegnehmen!


Skala: Erster, kleiner Schritt

"Was wäre dann anders? Was würdest du machen, wenn...? Wie wäre das, wenn...? Beschreib mir das mal."


Aussenperspektive reinholen: "Wer denkt noch, dass du das schaffst? Was muss man als ... alles können? Was gefällt dir daran am Besten?"

Literaturliste

  • Dr. Kaspar und Marianne Bäschlin: Einfach, aber nicht leicht, Schriftenreihe «Einfach, aber nicht leicht», Band 1, Winterthur, 2000
  • Dr. Kaspar und Marianne Bäschlin: Fördern und Fordern, Schriftenreihe «Einfach, aber nicht leicht», Band 2, Winterthur, 2004
  • Dr. Kaspar und Marianne Bäschlin: Lösungsorientierter Umgang mit sich selbst, Schriftenreihe «Einfach, aber nicht leicht», Band 5, Winterthur, 2007
  • Insoo Kim Berg: Familien - Zusammenhalt(en). Ein kurztherapeutisches und lösungsorientiertes Arbeitsbuch. 6. Aufl., Verlag modernes Lernen, Dortmund 1999.
  • Insoo Kim Berg u. Peter de Jong: Lösungen (er-)finden. Das Werkstattbuch der lösungsorientierten Kurztherapie. 5. Aufl., Verlag modernes Lernen, Dortmund 2003.
  • Insoo Kim Berg u. Therese Steiner: Handbuch lösungsorientiertes Arbeiten mit Kindern. 3. Aufl., Auer, Heidelberg 2008.
  • Steve de Shazer: Der Dreh. Überraschende Wendungen und Lösungen in der Kurzzeittherapie. 7. Aufl., Auer, Heidelberg 2002.