Said Nursi wurde 1876 im Dorf Nurs in der Provinz Bitlis geboren und verstarb am 23. März 1960 in Urfa. Er war ein islamischer Denker kurdischer Herkunft.
Kindheit und Jugend
Aus einfachen bäuerlichen Verhältnissen stammend, legten seine Eltern, deren viertes Kind er war, wert auf Bildung und eine religiöse Erziehung. Saids erster Lehrer nach seiner Mutter, war sein älterer Bruder Abullah. Mit neun Jahren zog Said aus, die Medresen bekannter Gelehrte in Doğubeyazit in der Provinz Agri, in Siirt und Mardin zu absolvieren. Da er die Werke in den klassischen islamischen Fächerkanon in kürzester Zeit auswendig lernte, sie in ihrer Tragweite erfasste und auf höchstem Niveau diskutieren konnte, wurde ihm der Titel Bediüzzaman („der Außergewöhnliche der Zeit, der Mann der Epoche“) von zeitgenössischen Islamgelehrten verliehen.
Der „alte Said“ in der Zeit gesellschaftlicher Umwälzungen
Der Ruf, den Said Nursi in Südostanatolien genoss, bewegte den Gouverneur der Provinz Van, ihn in seiner Residenz zu beherbergen. In der Privatbibliothek des Gouverneurs fand er Zugang zu sämtlichen Standartwerken der modernen Wissenschaften, die im Rahmen der traditionellen Ausbildung eines Alim nicht vermittelt wurden.
Ausgehend von seinem Reformansatz Wissenschaft für die Theologen (wider die Ignoranz und den Fanatismus)- Religion für die Naturwissenschaftler (wider den Materialismus ohne Ethik) verfolgte er insbesondere das Projekt der Gründung einer Universität in den östlichen Provinzen des Osmanischen Reiches, in der parallel islamisch-theologische Wissenzweige und Naturwissenschaften gelehrt werden sollten. 1907 brach er nach Istanbul auf um am Hof des Sultans Abdülhamid II. Unterstützung für sein Projekt einzuwerben. Er hatte jedoch keinen Erfolg.
1908 unterstützte er die Einführung des Parlamentarischen Systems öffentlich, da er dies und die Freiheitsbestrebungen im Land konform mit dem Islam sah. Er wurde jedoch der Teilnahme an der Erhebung konservativer Kreise am 31. März 1909 bezichtigt. Das Gerichtsverfahren endete mit einem Freispruch.
1910 veröffentlichte er sein erstes Buch und verließ Istanbul wieder in Richtung Osten. Im Frühjahr 1911 hielt er in der Omajjaden-Moschee von Damaskus eine viel beachtete Rede. Im Sommer jenes Jahres begleitete er als Vertreter östlicher Provinzen Sultan Resad Mehmed V. auf einer Balkanreise. Dabei wurd ihm Unterstützung für seine geplante Hochschule in Van zughesagt.
Als der I. Weltkrieg ausbrach, führte er ein Freiwilligenregiment im Kampf gegen russische Truppen an der Kaukasus-Front. 1916 wurde er gefangen und in Kostroma nordöstlich von Moskau interniert.
In den Wirren nach der Oktoberrevolution konnte er im Frühjahr 1918 fliehen und kehrte über Berlin, Ungarn und Bulgarien nach Istanbul zurück. Dort wurde er Mitglied der 'Dār ül-Hikmet-i islāmiye', und publizierte mehrere Bücher. Nach der Besetzung der Stadt durch britische Truppen, gehörte er zu den Religionsgelehrten, die zum Widerstand aufriefen.
Der „späte Said“ in der Zeit des nationalen Zentralismus
Said Nursi wurde 1922 wegen seines hohen Ansehens als Gelehrter und aufgrund seiner Verdienste nach Ankara geladen, um bei der Neugründung und Gestaltung der Türkei mitzuwirken. Er hielt eine Rede vor der provisorischen Nationalversammlung, die mit Zustimmung aufgenommen wurde.
Mit Kemal Paşa (Atatürk) überwarf er sich jedoch, weil Said Nursis Vorstellungen nicht mit dessen Vision einer nach damaligem westlichen Vorbild modernisierten Türkei und der totalen Loslösung von Religion vereinbar waren. 1923 zog sich Said Nursi nach Van zurück, um sich religiösen Studien zu widmen.
1925 wurde er in Folge der kurdischen Aufstände wie andere Persönlichkeiten und Stammesführer in die Verbannung geschickt. Er wurde nach Burdur, verbracht. 1927 wurde er schließlich dazu gezwungen, sich in dem Dorf Barla in der Provinz Isparta niederzulassen. Er lebte dort in einem Holzhaus und zog sich oft tagelang in die Berge zurück um zu reflektieren. Es entstanden seine Schriften zum Koran, die er zum Teil einer Reihe von Schülern diktierte. Die Mitschriften wurden in dem Dorf Sava von Hand in arabischer Schrift vervielfältigt und überall in Anatolien verteilt.
1935 wurde er in Eskişehir vor Gericht gestellt und zu elf Monaten Haft verurteilt, wegen Förderung der Religion und angeblicher Vergehen. Nach der Entlassung wurde er nach Kastamonu verbannt. In dieser Provinzhauptstadt stießen seine Lehren über die Vereinbarkeit von Religion und Wissenschaft bei Oberschülern auf Interesse.
1943 wurde ein weiterer Prozess in Denizli anberaumt, der jedoch mit einem Freispruch endet, da Gutachter in seinen Schriften keinen Aufruf zum Aufruhr erkennen konnten. Said Nursi muss sich danach in Emirdağ in der Provinz Afyon niederlassen.
1948 wird zum letzten Mal ein Prozess gegen Said Nursi angestrengt. Vor dem Gericht in Afyon wird er wegen der Gründung einer politischen Vereinigung, der Verbreitung regimefeindlicher Gedanken und der Verfolgung politischer Absichten angeklagt. Mit ihm stand eine Anzahl seiner Anhänger vor dem Richter. Das Verfahren wird jedoch ausgesetzt und endet 1956 unter veränderten politischen Rahmenbedingungen mit einem Freispruch.
Das Ende der Verbannung und der „dritte Said“
Said Nursi unterstütze in der Entwicklung ab 1946 den Übergang zum Mehrparteiensystem. Er rief seine Anhänger zur Unterstützung der Demokratischen Partei von Adnan Menderes auf. Von ihm erhoffte er sich die demokratisch-freiheitliche Entwicklung des Landes und ein Ende der Verfolgungen. Sie gewann 1950 mit absoluter Mehrheit. 1951 wurde seine Verbannung aufgehoben. Said Nursi konnte sich nun frei im Land bewegen und ließ sich in Isparta nieder. Die Politik von Menderes befürwortete er außerdem, weil er die Türkei in das westliche Bündnissystem integrierte (NATO, Bagdad-Pakt, Teilnahme am Koreakrieg). Nach seiner Auffassung erforderte die kommunistische Bedrohung die Zusammenarbeit von Muslimen und Christen. Er korrespondierte daher mit dem Papst und dem griechisch-orthodoxen Patriarchen. Er erhheilt die Erlaubnis seine Werke in lateinischer Schrift [Buchdruck|drucken]] zu lassen. 1956 wurde ihm die Publikation seiner Werke erlaubt. Auf einer Reise nach Urfa verstarb Said Nursi. Er wurde auf dem Areal bestattet, wo nach islamischer Auffassung der Prophet Abraham (Ibrahim) begraben liegt. Nachdem im folgenden Mai das Militär Menderes gestürzt hatte, öffnete im Juli ein Trupp Soldaten unter Leitung von Alpaslan Türkeş Said Nursis Grab. Sein Leichnam wurde an einem unbekannten Ort in der Provinz Isparta beigesetzt.
Zu den Entwicklungen nach Said Nursis Tod siehe Nurculuk.
Said Nursis Lehren
Said Nursis Lehren sind in über 20 Schriften, die in ihrer Gesamtheit Risale-i Nur („Abhandlung über das Licht“) genannt werden, niedergelegt.
Literatur
- Ali Demir & Cäcilia Schmitt: Islam und Aufklärung : ein Islamdenker für unsere Zeit: Bediuzzaman Said Nursi, Istanbul 2004 ISBN 975-6401-86-9
- Necmeddin Şahiner: Bilinmeyen taraflarıyla Bediüzzaman Said Nursi, İstanbul 2004
- Şükran Vahide: Bediuzzaman Said Nursi: The Author of the Risale-i Nur, İstanbul 2004
Weblinks
- Religion und Fortschritt Zusammenschau der Nachhaltigkeit Said Nursis
- Zum Gesamtwerk in deutscher Übertragung Auszug: Das Heil in der Krankheit (25. Lem'a, Risale-i Nur)
- Deutsche Übersetzung seiner Werke
- Risale-i Nur Gesamtwerk von Said Nursi
- Der Mann der Epoche
- Said Nursi - Ein Islamdenker für unsere Zeit- Deutschsprachige Darstellung von Leben und Werk
Personendaten | |
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NAME | Nursi, Said |
ALTERNATIVNAMEN | Bediüzzaman |
KURZBESCHREIBUNG | islamischer Theologe und Aufklärer türkisch-kurdischer Herkunft |
GEBURTSDATUM | 1876 |
GEBURTSORT | Nurs |
STERBEDATUM | 23. März 1960 |
STERBEORT | Urfa |