Gothic (Kultur)

Subkultur, die aus dem Punk- und New-Wave-Umfeld hervorging und sich aus mehreren Spittergruppen besteht. Basisthemen sind Tod, Vergänglichkeit, Musik, Mode, Literatur und Film, sowie die damit verbundene Selbstinszenierung
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Die Gothic-Szene ist eine Subkultur, die Anfang der 1980er Jahre aus dem Punk- und New Wave-Umfeld hervorging. Sie ist Hauptbestandteil der sogenannten Schwarzen Szene und untrennbar mit der Gothic-Musik verbunden.

Die Anhänger der Gothic-Kultur werden meist als Goths, Gothics oder auch Grufties bezeichnet. Hin und wieder wird der ursprünglich negativ konnotierte Begriff Gruftie heute als Selbstbezeichnung verwendet, konträr dazu wurde er jedoch größtenteils aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verdrängt.

Werte

Die Gothic-Szene gilt als sehr ästhetische, introvertierte und ausgesprochen friedliche Kultur mit meist sensiblen, wenn auch mitunter etwas wirklichkeitsfremden Protagonisten, die wohl vornehmlich in der Mittelschicht verankert sind.

Die Durchschnittsbevölkerung wird zum Teil negativ wahrgenommen, etwa als konservativ, konsumorientiert, intolerant, egoistisch und vom Gesetz der sozialen Bewährtheit geleitet. Aus der Ablehnung dieser Werte resultiert eine demonstrative Distanzierung. Aus dem Versuch der Bewältigung der Zwänge, der emotionalen Kälte und der Vereinheitlichung des Individuums in der Leistungsgesellschaft erwachsen wiederum die zelebrierte Melancholie und die Ideale des Individualismus und der Toleranz. Die in Kontrast zum gesellschaftlichen „Jugendwahn“ stehende Akzeptanz des Todes als natürlichen Bestandteil des Lebens wird häufig nach außen getragen und ist u. a. ursächlich für die scheinbare „Todessehnsucht“ der Szene-Anhänger. Dunkelheit wird gelegentlich als ein schützender Mantel oder Zufluchtsort empfunden.

Der Drang zum Individualismus innerhalb der Gothic-Szene erschwert eine eindeutige Definition dieser, sowie die Zuordnung ihrer Mitglieder. Religiöse und politische Fragen werden unter Gothics durchaus thematisiert, allerdings nicht einheitlich beantwortet. Eine gewisse Sehnsucht nach dem Mittelalter und seiner Mythen und Sagen ist bei einigen Mitgliedern der Szene anzutreffen. Dabei handelt es sich jedoch häufig um ein romantisiertes Bild des Mittelalters, das viele Gothics vor Augen haben und das eine Flucht vor der realen Welt ermöglichen soll.

Als geistiger Vorläufer Urgestein für die Gothic-Szene und seinen verschiedenen Fazetten gilt die Fanzine Perkunas. Hier wurde zumindest die philosophische Ausrichtung sehr stark geprägt.

Religion

Die Zugehörigkeit einer Person zur Gothic-Kultur ist unabhängig vom Glauben und Religionszugehörigkeit. Gothics beschäftigen sich intensiv mit dem Thema Religion und ziehen individuelle Schlüsse, weshalb eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist. Einige Teile der Szene lehnen die Institution Kirche, z.B. aufgrund ihrer Kritik an deren Verfehlungen im Laufe der Geschichte, allerdings völlig ab.

Es lässt sich ein überdurchschnittliches Interesse an okkulten oder neuheidnischen Inhalten feststellen. Damit einher geht eine Tendenz zum Synkretismus (auch "Patchworkreligion").

Obwohl sich etliche Anhänger der Gothic-Bewegung ganz klar vom Satanismus distanzieren und ein völlig anderes Lebensgefühl auszudrücken versuchen, werden sie auf Grund ihrer äußeren Erscheinung oft mit diesem in Verbindung gebracht und von Außenstehenden belächelt oder gar als potentiell gefährlich eingestuft. Häufig wird mit okkulten Symbolen, z. B. dem vorchristlichen Pentagramm oder dem Petruskreuz, zum Zwecke der Provokation gespielt. Manchmal ist es auch nur die in der Szene verbreitete Faszination an Mystik, die Gothics zum Tragen okkulter Symbole bewegt. Die gesellschaftlichen Vorurteile treffen allerdings die an sich stark heterogene Szene in ihrer Gesamtheit. Sie mögen gerade bei jüngeren Personen, die in diese Subkultur hineinwachsen, den Glauben verstärken, eine Ablehnung des christlichen Glaubens oder gar eine Hinwendung zum Satanismus sei essentielle Voraussetzung, um als Szeneangehöriger anerkannt zu werden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Szene honoriert eher Individualismus, als Zugehörigkeit zu einer bestimmten, dogmatisch geprägten Glaubensgemeinschaft. Insofern gehört die Gothic-Kultur zu den aufgeschlossenen und toleranten Subkulturen unserer Gesellschaft.

Ein geringer Teil ist als offensichtlich christlich wahrnehmbar, Beispiele hierfür liefert das jährlich am Vorabend des Wave-Gotik-Treffen stattfindende „spirituelle Warm-up“, die „Innenseiten“, ein christliches Internetportal für schwarze Kunst, sowie die Yahoo-Group „Dunkelchristen“.

Politik

Eine eindeutige politische Ausrichtung der Gothic-Szene ist nicht feststellbar. Allerdings sind konservative oder rechtslastige Ideologien eher selten anzutreffen. Auf Grund ihrer Wurzeln im Punk interessieren sich einige Gothics für linksalternative Politikansätze, andere wiederum vertreten gänzlich unpolitische Ansichten. Dies machte sich u.a. in den frühen 90er Jahren bemerkbar. Zeitschriften wie das Bonner Szene-Magazin „Gothic Press“ wiesen 1992 auf die Gefahr von Rechts hin und sprachen sich klar gegen rechte Gewalt aus. Gleichzeitig distanzierte sich ein Großteil der Szene von jeglichen politischen Ideologien und sah Aktionen gegen Rechtsradikalismus und Rassenhass als selbstverständlich an. Man könnte die Gothickultur insofern als politisch bezeichnen, dass sie sehr stark auf Grundsätze des Humanismus baut.

Geschichtliche Entwicklung

Vorläufer und vergleichbare Bewegungen

Im angelsächsischen Sprachraum wird der Begriff Gothic erstmals in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts verwendet. Vor allem die sogenannten Gothic Novels mit schaurigen Handlungsplätzen wie Friedhöfen, Spukschlössern, Ruinen und anderen Orten erfreuten sich großer Beliebtheit. Der große Erfolg dieser Gothic Novels und die gleichzeitig aufkommende Romantik-Bewegung im 18. und 19. Jahrhundert war auch eine Gegenreaktion auf die rationale, entmystifizierende Sicht der Aufklärung. Ähnliche Motivationen liegen den verschiedenen Reformbewegungen (wie z.B. Wandervogel, FKK-Bewegung) Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts zugrunde, die sich gegen die Technisierung und Industrialisierung der Lebensumwelt wandten. Im Rückzug in eine idealisierte naturgemäße bzw. menschlichere Lebensweise findet sich sowohl bei den Romantikern und Lebensreformern als auch bei Anhängern der Jugenkultur Gothic eine Tendenz zur Weltflucht.

Die Anfänge in den 1980ern

Die Gothic-Szene wie wir sie heute kennen entstand Anfang der 80er aus den Trümmern der Punk- und New Romantic-Bewegung in Großbritannien. Gothic, anfangs nur für die düstere Spielweise des Punk verwendet, wurde ab 1982/1983 auf die Anhänger dieser Kultur übertragen.

In der Subkultur trat in der Folge eine Vermischung mit den Anhängern der New Wave Musik auf. Die dort gebildete Wave-Subkultur veränderte sich. Gothic wurde ein Stil innerhalb der sich nun bildenden schwarzen Szene. Zugleich vermischten einiges Bands Gothic Rock mit New Wave (Gothic Wave). Auch war Gothic Rock eine beliebte Musikrichtung bei vielen Wavern. Dark Wave und Gothic wurden bis in die frühen 90er beinahe synonyme Begriffe, weil sich einerseits der Begriff Wave vom New Wave ablöste, andererseits auch der Begriff Gothic wieder ursprünglicher verstanden wurde und man sich wieder auf das Mittelalter oder die Romantik mit ihren Folgeströmungen verstand.

Die 1990er

Mit nachkommenden Generationen erfolgte ab Mitte der 1990er eine Ära, die durch eine zunehmende Abkehr von den ursprünglichen Wurzeln und eine Öffnung hin zu anderen Szenen (vor allem Metal, Electro, Mittelalter) gekennzeichnet ist. Fremde Musikstile wurden dabei einverleibt und fusionierten mit Einflüssen der bestehenden Gothic-Musik zu neuen Subgenres. Beispielsweise entstanden so Gothic Metal oder Electro-Goth.

Durch diese neue Vielfalt der Szene entstanden neue "Subkulturen innerhalb der Subkultur". Obwohl sie sich der selben Szene zugehörig fühlen unterscheiden sich nun z.B. Gothics die zum Punk neigen von solchen die sich vom Mittelalter angezogen fühlen sehr stark, sowohl was ihre Optik, ihr Musikgeschmack als auch teilweise ihre Lebensansichten angeht.

Gothic heute

Seit Ende der 1990er ist eine zunehmende Kommerzialisierung der Szene zu beobachten. Ein Phänomen, das nicht zuletzt auf die relative Langlebigkeit und hohe Kontinuität der Szene zurückzuführen sein dürfte. Viele Gothics behalten ihren Lebensstil oder die damit verbundenen Vorlieben bis weit ins Erwachsenenalter bei. Im Unterschied zu klassischen Jugendkulturen entsteht so ein altersübergreifender Dialog. Dieser wiederum führt - bedingt durch die vielfältigeren Kontakte berufstätiger Gothics - dazu, dass sich Gothic im allgemein Bewusstsein zunehmend von der Subkultur zu einem Breitenphänomen wandelt und damit auch als Konsumentenzielgruppe zunehmend erfassbar und kommerziell interessant wird.

Erscheinungsbilder

Datei:Goths.jpg
Goths in Biberach/Riß

In der Gothic-Kultur zeichnen sich keine einheitlichen Merkmale bezüglich Kleidung und Aussehen ab. Goths, die ihre Lebenseinstellung auch durch ihr äußeres Erscheinungsbild auszudrücken versuchen, bevorzugen im Allgemeinen die Farbe Schwarz. In Anlehnung an die Wurzeln des Punk werden Strumpfhosen oder Netzhemden absichtlich mit Rissen oder Löchern versehen. Ebenso erinnern manche Frisuren an die Punk-Kultur. Jedoch legen Gothics sehr großen Wert auf ein sauberes, gepflegtes und stilvolles Äußeres. Mittelalterliche Kleidungsstile sind ebenso präsent wie ein an das viktorianische Zeitalter erinnerndes Outfit. Hierbei handelt es sich vorrangig um ein Relikt der New Romantic-Szene. Zudem gibt es vereinzelt Stile, die sich stark am amerikanischen Cyberpunk orientieren. Lackkleidung sowie (augenscheinlich) eine mit reflektierenden Formen beschlagene Kleidung werden hierbei favorisiert. Die Haare werden oftmals mit Clips verlängert und auffällig gefärbtes Fremd-/Kunsthaar wird eingearbeitet.

Markante Merkmale können sein:

  • Blasse, meist geschminkte Gesichtsfarbe (Viktorianische Ästhetik), häufig hervorgehoben durch dunkle Schminke an Augen und Mund
  • ungewöhnliche Frisuren: Irokesenschnitt (seitlich ausrasierte Haare), Undercut (zusätzlich Hinterkopf), teilweise sehr hoch toupiert, meist schwarz oder auffällig gefärbt. Bei Frauen teilweise eine Seite des Schädels kahl rasiert oder zu "Barock"-Frisuren frisiert.
  • Piercings und Tätowierungen
  • Nieten und Sicherheitsnadeln
  • religiöse, okkulte oder esoterische Symbole als Schmuck, meist aus Silber
  • androgyn gekleidete Männer
  • Lederhosen und Netzhemden, teils zerissene Kleidung (ursprünglicher Gothic Punk- bzw. Death Rock-Look)
  • Lange Kleider und Röcke (oft aus Samt) sowie Rüschenhemden, Bundfaltenhosen und Pikes
  • Korsetts und Corsagen bei Frauen
  • Herrenröcke
  • Lederhosen und -mäntel bei Männern (End-80er Gothic Rock-Stil)
  • Lack- und Latexkleidung (seit Mitte der 90er Jahre durch Einflüsse aus der Fetisch- und SM-Szene)
  • Schnür- & Kampfstiefel (Rangers), Pickers (ähnlich Stiefeletten für Motorradfahrer), Stiefel mit sehr hohen Absätzen („Transformerboots“)

Diese Liste bietet allerdings nur eine kurze Übersicht der Vielfalt der Stile, die in der Gothic-Szene verbreitet sind.

Literatur

Veranstaltungen


Siehe auch: Gothic Lolita, Mittelalter-Szene

Verwandte Szenen & Begriffe: Punk, Vampirismus


Vorlage:Gothic (Kultur)


Es fehlen Informationen zur Philosophie, Geschichte sowie zu kleineren Splittergruppen innerhalb der Gothic-Szene, u.a. zur Batcave/Death Rock-Kultur.