Die Proteste in Ägypten 2011 (arabisch انتفاضة الغضب, DMG Intifāḍat al-ġaḍab) sind ein durch die Revolution in Tunesien 2010/2011 inspiriertes Aufbegehren weiter Teile der Bevölkerung Ägyptens. Die Massenproteste richten sich vor allem gegen das seit Oktober 1981 bestehende Regime des Präsidenten Muhammad Husni Mubarak und fordern Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Sie begannen am 25. Januar 2011, dem „Tag des Zorns“ (arabisch يوم الغضب Yaum al-Ghadab, DMG yaum al-ġaḍab), und sind Teil einer Welle von Protesten in der arabischen Welt, die bis heute andauern.

Hintergrund
Mubarak erließ 1982 bis heute andauernde Notstandsgesetze, die ihn zum autoritären Herrscher machten. Grund war das Attentat fundamentalistischer Angehöriger der ägyptischen Streitkräfte auf seinen Vorgänger Anwar as-Sadat. 2005 versprach Mubarak eine politische Öffnung des Landes und die Zulassung von unabhängigen Kandidaten zu den Präsidentschaftswahlen. Nachdem die islamistische Muslimbruderschaft bei den Wahlen an Einfluss gewann, wurde der Liberalisierungskurs wieder gestoppt.
Ende 2010 fanden die von Wahlbetrug geprägten letzten Parlamentswahlen statt. Dabei bekam die Nationaldemokratische Partei von Husni Mubarak 420 der 508 Sitze.[1][2] Die Oppositionsparteien erreichten nur drei Prozent der Mandate im Parlament. Einzig die Muslimbruderschaft verfügt über eine gut organisierte Mitgliederbasis; sie hielt sich bei den Protesten bisher im Hintergrund.[3]
Zu den Initiatoren gehört die „Jugendbewegung des 6. April“. Sie besteht vor allem aus jungen, gut ausgebildeten Ägyptern, von denen viele bislang nichts mit Politik zu tun hatten. Die Bewegung ist ihrer Eigendarstellung zufolge „unabhängig von politischen Richtungen oder politischen Trends“. Ihre Mitglieder eine nur „die Liebe zu unserem Land und das Verlangen, es zu reformieren“. Sie rief gemeinsam mit der Gruppe „We are all Khaled Said“ zum „Tag des Zorns“ aus und organisierte die ersten Proteste hauptsächlich im Internet mittels Facebook und Kommunikation per E-Mail und SMS.[4]
Ursachen für die erhöhte Protestbereitschaft sind, wie in vielen anderen arabischen Staaten, der Unmut über das autoritäre Regime mit einem ausgeprägten Sicherheitsapparat, fehlende Mitsprachemöglichkeiten der Bürger, Korruption in Staat, Wirtschaft und Verwaltung, eine hohe Arbeitslosigkeit insbesondere der jüngeren Bevölkerung und eine wachsende Armut unter anderem durch ein starkes Bevölkerungswachstum bzw. Überbevölkerung. Hinzu kommen eine Nahrungsmittelpreiskrise, die auch in anderen arabischen Ländern akut ist, und steigende Energiepreise, welche zunehmend die wirtschaftlichen Möglichkeiten von nennenswerten Teilen der Bevölkerung überschreiten.[5][6][7][8][9][10] Die OECD mahnte im November 2010 gegen die Korruption vorzugehen, die Inflationsrate lag zuletzt bei elf Prozent. Zwar habe Mubarak Wirtschaftsreformen angestoßen, doch profitiere nur die wirtschaftliche Elite, die vermehrt Einfluss gewann und die Präsidentenfamilie stützte. Muriel Asseburg (Leiterin der Forschungsgruppe Naher/Mittlerer Osten und Afrika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin) erklärte, der Regierung sei es nicht gelungen, „ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten für die schnell wachsende Bevölkerung zu schaffen“. Der Aufstand der zunächst meist jungen Demonstranten ist geprägt von Forderungen nach politischen Reformen, Pluralität und Meinungsfreiheit, außerdem werden garantierte Grundrechte und demokratische Wahlen eingefordert. Im Laufe der Proteste beteiligen sich zunehmend weitere gesellschaftliche Schichten.[11][3]
Der Professor für Ökonomie Tarik Yousef, Mitbegründer des arabisch-amerikanischen Forschungsprojektes Middle East Youth Initiative und Herausgeber des Buches A Generation in Waiting – The Unfulfilled Promise of Young People in the Middle East sagte in einem Gespräch mit Zenith – Zeitschrift für den Orient zu den Aufständen in Tunesien und Ägypten:
„Die arabischen Führer haben auf Zeit gespielt, sie haben geglaubt, dass sie die Jugend lange genug durch Repressionen im Zaum halten können würden und sich während ihrer Amtszeit nicht mehr mit dem Problem auseinandersetzen müssten, [...] Der Jugendüberschuss hätte, richtig genutzt, gar nicht zum Problem werden müssen, sondern hätte den arabischen Volkswirtschaften fantastische Vorteile verschaffen können. Millionen von jungen, leistungsfähigen Menschen, deren Arbeits- und Kaufkraft alleine schon durch ihre schiere Masse das Wirtschaftswachstum in ihren Heimatländer enorm hätte ankurbeln können. Die Regierungen haben es schlichtweg versäumt, die entsprechenden Bedingungen zu schaffen und damit ihr größtes Kapital verschwendet.“
Jahrzehntelang hätten die arabischen Machthaber die Augen vor der demografischen Wirklichkeit verschlossen, die die Sozialwissenschaft als „muslim youth bulge“ (muslimischer Jugendüberschuss) bezeichnet. Vom Washingtoner Pew Research Center veröffentlichte aktuelle Zahlen würden zeigen, dass etwa sechzig Prozent der Bevölkerung in der arabischen Welt unter 30 Jahre alt sind. Die Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens haben damit den weltweit höchsten Anteil junger Leute an der Gesamtbevölkerung. Gepaart mit extrem hoher Arbeitslosigkeit in den arabischen Ländern ergebe der „youth bulge“ eine gefährliche Mischung. Eine ganze Generation fühle sich – so Yousef – gedemütigt, da durch Arbeitslosigkeit ihnen der Zugang zu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens versperrt würde: „Wer kein Geld verdient, kann sich keine eigene Wohnung leisten, kann nicht heiraten oder eine Familie gründen, sondern bleibt von seinen Eltern abhängig.“[12]
Chronologie
Dienstag, 25. Januar
Die Massenproteste begannen in der Hauptstadt Kairo in der Nähe des Obersten Gerichts und setzten sich am Parlament fort. Die Polizei- und Sicherheitskräfte mit bis zu 30.000 Mann setzten Wasserwerfer und Tränengas ein, um die Demonstranten zu vertreiben.[13] Es gab etwa 500 Festnahmen in Kairo und etwa 350 weitere Festnahmen im übrigen Land.[14] Auch in den Städten Alexandria, Mansura und Ismailiyya sowie in Assuan, Asyut und al-Mahdiyya gab es Demonstrationen.
Nach Angaben aus Kreisen des Innenministeriums soll es 500 Festnahmen gegeben haben. Aus Sicherheitskreisen verlautete, innerhalb von zwei Tagen seien landesweit sogar 860 Demonstranten festgenommen worden.
Bei Massenprotesten in der ägyptischen Hafenstadt Sues eröffnete die Polizei das Feuer auf Demonstranten. Dabei wurden zwei Demonstranten getötet. Ein weiterer 45-jähriger Demonstrant wurde mit Gummigeschossen am Bauch getroffen und starb an inneren Blutungen in einer Klinik. Ein Polizist erlag seinen Verletzungen.[15]
Mittwoch, 26. Januar
Nachdem sich tausende junger Demonstranten offenbar über das soziale Netzwerk Facebook und das Mikroblogging-Netzwerk Twitter verabredet hatten, wurden beide Dienste in Ägypten gesperrt.[16] Bei Massenprotesten in der Hafenstadt Suez wurden 55 Demonstranten und 15 Polizisten durch Steinwürfe verletzt. Die wütende Menge zündete auch eine Polizeistation und weitere staatliche Gebäude an.[17][18] Auch ein Gebäude der Regierungspartei Nationaldemokratische Partei (NDP) in Suez wurde angezündet.[18] Später wurde vermutet, dass es sich dabei um Aufträge seitens der Regierung gehandelt habe.[19]
In einem in der Newsweek erschienen Artikel machte der ehemalige Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) und Träger des Friedensnobelpreises Mohammed el-Baradei US-Außenministerin Hillary Clinton schwere Vorwürfe wegen deren zu zurückhaltender Kritik am Verlauf der ägyptischen Parlamentswahlen Ende 2010.[20]
Donnerstag, 27. Januar
Nachdem die Aktienkurse an der Ägyptischen Börse innerhalb von 15 Minuten um 6,25 Prozent gefallen waren, wurde der Handel ausgesetzt.[17] Der Börsenindex fiel mit 5.916,74 Punkten auf ein 6-Monats-Tief. Seit Jahresanfang hatte er über 17 Prozent verloren.[21]
Die Regierung ließ über die staatliche Rundfunkgesellschaft Egyptian Radio and Television Union (ERTU) verbreiten, dass sich die Ägyptische Volksversammlung am Sonntag mit der Armutsbekämpfung, dem Gesundheitssystem und einer Anhebung des staatlichen Mindestlohns beschäftigen wolle.[21]
Das Auswärtige Amt gab einen Reisehinweis heraus, nach der Reisende Menschenansammlungen und Demonstrationen weiträumig meiden [...] und die örtliche Medienberichterstattung aufmerksam verfolgen sollten.[22]
Am Abend traf Mohammed el-Baradei in Kairo ein, dessen Kandidatur für das Amt des ägyptischen Präsidenten durch die von Mubarak geänderte Verfassung faktisch aussichtslos geworden war. El-Baradei bot sich als Anführer eines friedlichen Wechsels an.[23]
Eine halbe Stunde vor Mitternacht wurde auf Anweisung der Regierung Ägypten nahezu komplett vom Internet getrennt. Das geschah durch Löschung der Routen-Einträge des Border Gateway Protocols bei fast sämtlichen ägyptischen Internet Service Providern. Ausgenommen von der Abschaltung des Internets war lediglich Noor Data Networks, ein relativ kleiner ISP, zu dessen Kunden unter anderem die ägyptische Börse zählt. Die SMS- und BlackBerry-Kommunikation wurde unterbunden. Im Laufe des Freitags wurden außerdem in bestimmten Regionen die Mobilfunknetze abgeschaltet.[24] Funkamateure nutzen daraufhin u.a. Morsecode um Nachrichten aus dem Land zu senden.[25] Außerdem wurden über Twitter Nummern ausgetauscht, um sich über veraltete Modemverbindungen mit dem noch bestehenden Telefonnetz ins Internet einzuwählen.[26]
Freitag, 28. Januar
Am 28. Januar 2011 fanden die heftigsten Proteste seit dem Beginn des Aufstands am 25. Januar 2011 statt.
Die ägyptische Regierung hat an diversen Stellen die Freitagsgebete verboten, um so die Organisation weiterer Proteste zu erschweren.[27] Es gab Berichte, wonach der Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei unter Hausarrest gestellt worden sei.[28] Nach gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten verhängte die ägyptische Regierung eine nächtliche Ausgangssperre, die aber von den Protestierenden weitgehend ignoriert wurde. Am frühen Abend wurde die Parteizentrale der Nationaldemokratischen Partei (NDP) in Kairo in Brand gesetzt.[29] Abends rückten Armeeeinheiten in gepanzerten Fahrzeugen in Kairo ein und sicherten laut dem Staatsfernsehen unter anderem das der brennenden Parteizentrale unmittelbar gegenüber liegende Ägyptische Museum. Bereits zuvor hatten Demonstranten das Museum vor dem Feuer und vor Plünderungen geschützt.[30]
Der Parteichef der Wafd-Partei, Sayyid al-Badawi, forderte eine Übergangsregierung und sprach sich für Neuwahlen und eine Verfassungsänderung aus.[31]
In einer Fernsehansprache am späten Abend rechtfertigte Präsident Mubarak das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte. Er kündigte für den nächsten Tag eine Regierungsumbildung an und sagte demokratische und wirtschaftliche Reformen zu. Seinen eigenen Rücktritt schloss er jedoch aus. Nach der Rede gingen in der Nacht die Proteste weiter; und die Demonstranten forderten erneut den Rücktritt des Staatschefs. Insgesamt kamen nach offiziellen Angaben an diesem Freitag und der darauf folgenden Nacht zum Samstag bei den bisher schwersten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften 35 Menschen ums Leben. Nach Medienangaben gab es fast hundert Tote und tausende Verletzte.[32]
Samstag, 29. Januar
Während des gesamten Samstags gingen die Menschen unvermindert zum Protestieren auf die Straße. Polizei und die besonders brutalen State Security und Central Security sind seitdem auf den Straßen nicht mehr zu sehen.
In einem mit al-Jazeera geführten Interview sagte Mohammed el-Baradei, er wisse nichts von einem Hausarrest. Die Proteste würden so lange andauern, bis der Präsident zurückgetreten sei. Das politische System müsse sich ändern, bevor Ägypten voran kommen könne. Mubaraks Fernsehansprache am Tag zuvor bezeichnete er als enttäuschend.[33]
Das Kabinett Nazif trat, wie Mubarak in seiner Ansprache angekündigt hatte, zurück.[34] Ahmed Ezz, Gründer des Stahlunternehmens Al Ezz Industries hat sich aus der Nationaldemokratischen Partei zurückgezogen. Ezz gilt als enger Vertrauter von Gamal Mubarak.
Husni Mubarak hat erstmals während seiner Amtszeit einen Vizepräsidenten ernannt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Mena soll dieses Amt der bisherige Chef des Nachrichtendienstes Dschihaz al-Muchabarat al-Amma, Generalleutnant Omar Suleiman, übernehmen. Das Amt des neuen Ministerpräsidenten nimmt demnach der frühere Luftfahrtminister Ahmad Schafiq ein.[35] Unterdessen forderten die Demonstranten weiterhin den Sturz Mubaraks.
Zunehmend nutzten - wie schon in geringerem Umfang in den Tagen zuvor - Plünderer die chaotischen Zustände für Beutezüge. Sogar humanitäre Einrichtungen wie z.B. Krankenhäuser wurden nicht verschont. Es entstand zum Teil erheblicher Sachschaden. Im Ägyptischen Museum wurden Mumien und andere Relikte altägyptischer Geschichte zerstört. Unter anderem wurden Exponate des Pharaos Tutanchamun vernichtet. Wafaa el-Saddik, die bis Ende 2010 leitende Direktorin des Ägyptischen Museums in Kairo war, machte das Wachpersonal und Polizisten für die Plünderungen in der Kunstsammlung verantwortlich. „Das waren die Wächter des Museums, unsere eigenen Leute“, so el-Saddik. Ein weiteres Museum in Memphis wurde Samstag früh komplett ausgeraubt.[36]
Zum Schutz vor marodierenden Banden schlossen sich Einwohner in mehreren Städten zu bewaffneten Bürgerwehren zusammen. Viele Demonstranten vermuten, dass das Chaos von der Regierung gewollt sei, um den Widerstand zu diskreditieren. Auf Anordnung ließ die Polizei mindestens 4000 Verbrecher frei. Die Armee versuchte das Problem in den Griff zu bekommen, wirkte jedoch zeitweise überfordert. Sie versuchte, an einigen strategischen Punkten in Kairo Straßen und Zufahrten abzuriegeln. Am Samstag wandte sich einer ihrer Sprecher in einer TV-Ansprache an die Ägypter und warnte davor „zu stehlen, zu plündern, zu rauben oder Angst zu verbreiten“.[37][38][39][40]
In der mittelägyptischen Stadt Beni Suef versuchten Personen, an zwei verschiedenen Stellen der Stadt Polizeiwachen zu stürmen. Daraufhin eröffneten dort die Sicherheitskräfte mit scharfer Munition das Feuer. Bei den Vorfällen starben siebzehn Menschen.[41]
In einer von al-Jazeera ausgestrahlten Fernsehansprache rief Yusuf al-Qaradawi, einer der Führer der Muslimbruderschaft, Mubarak auf, das Land zu verlassen.[42]
Sonntag, 30. Januar
Am Morgen begannen die Proteste auf dem Tahrir-Platz in Kairo von Neuem. Die meisten Ausländer, die sich bisher noch im Lande aufgehalten hatten, ließen sich nun ausfliegen, unter ihnen der US-Botschafter. Am Sonntag rückten Armeeeinheiten in das von den Unruhen bisher nicht direkt betroffene Urlauberziel Sharm El-Sheikh und in die Stadt Al-Arisch ein.[43]
Der Fernsehsender Al Jazeera, der bisher eine Hauptinformationsquelle der Proteste darstellte, war nun zunehmenden Repressalien von Seiten des Staates ausgesetzt, was in Verbot und Entziehung seiner Lizenz, Schließung des Kairoer Büros im Laufe des Tages und Abschaltung der Sendefrequenz resultierte, die aber weiterhin von vielen Ägyptern umgangen werden konnte. Proteste vonseiten des Senders und Vorwürfe der Zensur hatten aber keine Auswirkungen auf die Repressalien. China verschärfte seinerseits die innerstaatliche Internetzensur, um ein mögliches Übergreifen der Proteste zu verhindern.[44]
Das ägyptische Militär setzte am Tahrir-Platz unterdessen Militärtransporthubschrauber vom Typ Mil Mi-8 ein, die die Proteste aus der Luft überwachen sollen. Zwei Kampfflugzeuge vom Typ F-16 flogen mehrmals im Tiefflug in der Innenstadt über die Demonstranten.[45] Mit rund 40 bis 50 Kampfpanzern vom Typ M1 Abrams wurde die militärische Präsenz vor der Innenstadt erhöht.[46] Später am Abend wurden Teile des veralteten FidoNets, eines Vorgängers des Internets über Mailboxen („BBS“), reaktiviert um die Internetsperren zu umgehen.
Beobachter berichteten über ausgebrannte Polizeiwachen und gestürmte Gerichtsgebäude; Krankenhäuser könnten lediglich eine Notversorgung aufrechterhalten. Reiche Ägypter verließen nach diesen Mitteilungen das Land über die Flughäfen.[47]
Derweil kam es erneut zu Plünderungen. Es bestätigten sich Berichte über die Schändung des Ägyptischen Museums in Kairo. Die nahegelegene und ausgebrannte Ruine der Zentrale der Regierungspartei droht inzwischen einzustürzen und auf das Museumsgebäude zu fallen. Das Oberhaupt der Koptisch-Orthodoxen Kirche, Papst Shenouda III., rief dazu auf, an den Protesten gegen die Regierung Mubarak nicht teilzunehmen.[48]
Montag, 31. Januar
Korrespondenten berichteten, dass der Tahrir-Platz mit Stacheldraht umzogen und für die Öffentlichkeit gesperrt worden sei. Polizeikräfte seien wieder im regulären Einsatz, beispielsweise zur Verkehrsregelung.
Mubarak ernannte derweil Mahmoud Wagdy, den bisherigen Oberinspektor aller nationalen Justizvollzugsanstalten, zum neuen Innenminister.[49]
Gegen Nachmittag bezeichnete ein Sprecher der ägyptischen Armee im Staatsfernsehen die Forderungen der Demonstranten als „legitim“ und kündigte an, „keine Gewalt gegen das ägyptische Volk einzusetzen“. „Die Meinungsfreiheit in friedlicher Form ist für alle garantiert“, zitiert die amtliche Nachrichtenagentur Mena.[50]
In Alexandria gab es ebenfalls eine größere Demonstration und der bedeutende Handelshafen blieb weiterhin geschlossen. Die Armee wird verstärkt gegen die zahlreichen Plünderer eingesetzt. Rund 450 Personen wurden danach verhaftet und sollen vor ein Militärgericht gestellt werden.[51]
Dienstag, 1. Februar
Allein in der Hauptstadt Kairo demonstrierten an diesem proklamierten „Tag der Millionen“ nach Informationen des Fernsehsenders Al Jazeera bis zu zwei Millionen Menschen. Proteste dieses Umfangs gab es seit dem Amtsantritt von Mubarak nicht.[52]
An den Zugängen zum Tahrir-Platz fanden Personenkontrollen statt, bei denen Inhabern eines Personalausweises des Innenministeriums der Zutritt verweigert wurde. Einige Personen wurden vom Militär festgenommen, da sie versucht hatten, Waffen auf den Platz zu bringen. Durch diese Kontrollen konnte sichergestellt werden, dass die Demonstrationen friedlich verliefen und Volksfestcharakter hatten. Die Armee sicherte den Palast des Staatspräsidenten mit Stacheldraht, um Eindringlinge abzuhalten. Die Armee hat versprochen, keine Gewalt gegen die Demonstranten anzuwenden.[53]
Am Abend verkündete Mubarak in einer Fernsehansprache, er wolle nicht für eine weitere Amtszeit kandidieren und er werde das Gespräch mit politischen Gruppen suchen.[54] Von den Teilnehmern des Volksaufstands gegen Mubarak wird dies für Heuchelei aus taktischen Gründen gehalten. Besonderen Ärger löste Mubarak mit diesem Satz aus: „Dieses Land ist auch meine Heimat, und in diesem werde ich sterben“.[55] Die Menschenmenge reagierte mit wütenden Rufen. „Hau ab, Hau ab!“. Oder: „Das ist nicht genug, das ist nicht genug!“ Aus den Reihen der Opposition zeigte sich unter anderem Mohammed El-Baradei nach der Rede enttäuscht.[56][57]
An einer großen Kreuzung nahe den Pyramiden (Midan el-Rimaya), die wie jeden Tag zur Zeit der Ausgangssperre vom Militär besetzt war, kam es weit nach Mitternacht erstmals zu einer Demonstration von etwa 200 Menschen, die „Hosni, Hosni“ riefen und regierungsfreundliche Plakate und Transparente hoch hielten. An einer Panzersperre machten sie kehrt und verliefen sich Richtung Kafr el-Nassar bzw. Faisalstraße.
Mittwoch, 2. Februar
Am Tag nach der Rücktrittsankündigung von Husni Mubarak drängte die Armee erstmals auf ein Ende der Proteste.[58] Die Botschaft der Menschen sei angekommen, ihre Forderungen seien bekannt, erklärte ein Armeesprecher.[58] Staatliche Medien berichteten über eine Suspendierung des ägyptischen Parlaments bis zur Überprüfung des Ergebnisses der Wahl vom Dezember des Vorjahres. Hintergrund sind die Betrugsvorwürfe der Opposition bei dieser Wahl.[59]
Seit den Mittagsstunden wurde der Internetzugang wieder geöffnet, wobei viele soziale Netzwerke vorerst weiterhin blockiert blieben. [60] Die Ausgangssperre – an die sich ohnehin nur wenige hielten – wurde, nachdem sie nun schon um 14 Uhr begann, wieder auf 17 Uhr verschoben.
Am Nachmittag kam es auf dem Tahrir-Platz zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und Unterstützern des Präsidenten. Männer in Zivilkleidung, teilweise auf Pferden und Kamelen aus Nazla el-Saman, griffen auf Seiten der Unterstützer ein.[61]
Im Gegensatz zum Vortag gab es keine Personenkontrollen des Militärs an den Zugängen zum Tahrir-Platz, so dass es tausenden, teilweise bezahlten[62] Anhängern des Präsidenten und der Regierungspartei gelang, oppositionelle Demonstranten mit Messern, Knüppeln und Steinen anzugreifen. Dachziegel und Steine wurden von Dächern umliegender Gebäude auf die Demonstranten geworfen. Dabei soll es laut Al-Jazeera zu über 1500 Verletzten und dreizehn Toten gekommen sein.[63] Die Armee gab Warnschüsse in die Luft ab und versuchte Präsidenten-Anhänger und Oppositionelle zu trennen. [64] Nach Berichten des Fernsehsenders Al-Jazeera International allerdings griff die Armee nicht ein, um die Kontrahenten zu trennen, sondern verhielt sich völlig passiv. Mohammed el-Baradei rief die Armee auf, die blutigen Auseinandersetzungen auf dem Tahrir-Platz zu beenden. [65]
Donnerstag, 3. Februar
Wie zuvor versammelten sich auch seit Beginn der auf 17 Uhr festgelegten Ausgangssperre zunehmend Aktivisten der Demokratiebewegung auf dem Tahrir-Platz. Im Laufe des Tages wurden Barrikaden errichtet, die einen Überfall durch Mubarak-Anhänger verhindern sollen. Trotzdem wurden erneut Brandbomben geworfen. Auch fielen seit Beginn der Ausgangssperre wiederholt Schüsse am und um den Platz herum. Laut Augenzeugen schossen Scharfschützen auf die Demonstranten. Laut Nachrichtenmeldungen sei ein Ausländer von Mubarak-Anhängern zu Tode geprügelt worden. Außerdem seien Banden in Hotels eingedrungen und hätten Journalisten angegriffen.[66]
Der neue Vize-Präsident Omar Suleiman gab im Staatsfernsehen bekannt, dass er mit Vertretern der Opposition Gespräche halten werde. Bedingung sei aber, dass die Proteste aufhörten. Vertreter der Demokratiebewegung dementierten jegliche Kontakte und beharren darauf, dass zunächst Mubarak zurücktreten müsse, bevor es zu Gesprächen kommen könne.[67] Der neue Premierminister Ahmad Schafiq entschuldigte sich im Staatsfernsehen für die Toten der letzten Nacht und versprach, dass es zu keinen weiteren Gewalttätigkeiten auf Kairos Straßen kommen werde. Außerdem werde er die Gewalttätigkeiten untersuchen lassen und die Schuldigen zur Verantwortung ziehen. Die Forderung nach einem sofortigen Rücktritt des Präsidenten sei aber inakzeptabel und wäre eine Beleidigung für die Nation.[68]
Die Journalistin Shahira Amin vom ägyptischen Fernsehsender Nile TV (Tochterunternehmen der staatlichen Egyptian Radio and Television Union (ERTU)) quittierte aus Protest gegen Behinderungen ihrer journalistischen Arbeit und aufgrund von Drohungen seitens der Sicherheitskräfte ihren Job.[69]
Nach Angaben von dpa mussten auf Anordnung der ägyptischen Behörden über das Mobilfunknetz Kurzmitteilungen (SMS) mit staatlicher Propaganda für Präsident Mubarak verbreitet werden. Das Unternehmen Vodafone soll gegen diese Anordnung, die sich auf die Notstandsbefugnisse des ägyptischen Telekommunikationsgesetzes beruft, protestiert haben. Auch die Mobilfunkanbieter Mobinil (Tochtergesellschaft von France Télécom) und Etisalat sollen nach Angaben von Vodafone gleichlautende Anweisungen bekommen haben.[70]
Freitag, 4. Februar
Der elfte Protesttag in Folge stand unter dem Motto „Tag des Abschieds“ und verlief weitgehend friedlich. Die Organisatoren der Großdemonstration mit Zehntausenden Teilnehmern riefen zu einem Sternmarsch auf. Die Armee umstellte den Platz mit Panzern, gepanzerten Fahrzeugen und errichtete Barrieren aus Stacheldraht.[71] Christen und Muslime beteten erstmals gemeinsam; der Imam Chaled el Marakbi sagte: „Dies ist eine ägyptische Bewegung, alle sind zu Muslimen und Christen geworden, sie sind gekommen, ihre geraubten Rechte einzufordern“. Der Verteidigungsminister Mohammed Hussein Tantawi besuchte den Tahrir-Platz und sprach zu Armeeangehörigen. Die Demonstranten riefen „Die Armee und das Volk sind vereint“.[72]
Der in Ägypten als beliebt geltende Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Musa, gab bekannt, dass er erwäge, als Nachfolger für das Amt des Präsidenten anzutreten oder eine Rolle in einer möglichen Übergangsregierung zu übernehmen.[73] Die Generalstaatsanwaltschaft hat gegen den bis Januar 2011 amtierenden Handels- und Industrieminister Raschid Mohamed Raschid ein Ausreiseverbot verhängt und seine Bankkonten eingefroren, da gegen ihn Ermittlungen laufen, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Mena.[74]
Samstag, 5. Februar
General Hassan Al-Rawini, Chef des Zentralkommandos für Kairo, besuchte den Platz und forderte erfolglos, die Demonstration aufzulösen und die Barrikaden abzubauen. Diese Demonstranten skandierten, dass sie den Tahrir-Platz weiter besetzen und demonstrieren werden, bis Mubarak zurückgetreten sei. Der Sprecher des Innenministeriums Ismail Othman sagte nach Angaben des Senders CNN: „Die Armee bleibt neutral und schlägt sich nicht auf eine der Seiten, denn wenn wir eine Seite beschützen, werden wir als voreingenommen gelten. Unsere Aufgabe ist es, Zusammenstöße und Chaos zu verhindern, indem wir die beiden gegnerischen Gruppen trennen.“[75]
Nach Angaben von Al-Arabija trat das gesamte Exekutivkomitee der regierenden Nationaldemokratischen Partei (NDP) zurück.[76] Danach wurde laut des ägyptischen Staatsfernsehens der als liberal geltende Hussam Badrawi zum neuen Generalsekretär der Partei ernannt, der auch den Posten Gamal Mubaraks als Vorsitzenden des politischen Komitees übernimmt.[77]
Omar Suleiman hat sich nach Angaben des Ägyptischen Staatsfernsehens mit nicht näher genannten unabhängigen und oppositionellen Personen getroffen, um darüber zu sprechen, wie freie und faire Präsidentschaftswahlen, gemäß der Verfassung, zu erreichen sind.[78]
Sonntag, 6. Februar
Zu weiteren Gesprächen am 6. Februar über die kommenden Präsidentschaftswahlen werden nun als Teilnehmer Vertreter der säkularen Oppositionsparteien, unabhängige Rechtsexperten, der koptische Unternehmer Naguib Sawiris, ein Vertreter von Mohamed El Baradei und Abgesandte der Muslimbrüder genannt. Ebenfalls anwesend war der neue Generalsekretär der Regierungspartei NDP Hossam Badrawi.[79] Das Ergebnis der Gespräche soll laut Staatsfernsehen sein, dass ein Komitee eingerichtet wird, das notwendige Verfassungsreformen diskutiert.[80]
Montag, 7. Februar
Spiegel Online berichtet, dass die Behinderung der Presse wieder einsetzt. Ägyptische und ausländische Berichterstatter werden eingeschüchtert, einige ägyptische Reporter und ägyptische Mitarbeiter westlicher Medien wurden verhaftet oder verhört. Büros von Reportern wurden durchsucht und Kameras mitgenommen. Auch der Zugang zum Tahrir-Platz wird für die Presse erschwert.[81] Laut Reporter ohne Grenzen sind seit dem 2. Februar in Kairo mindestens 70 Reporter festgenommen worden und mehr als 70 Reporter wurden bisher angegriffen. Am 4. Februar wurde ein Fotograf von einem Heckenschützen getötet.[82]
Die ägyptische Regierung erhöht Gehälter und Pensionen der staatlichen Angestellten um 15 Prozent. [83]
Seit Sonntag sind die Banken stundenweise geöffnet, einige internationale Schulen planen die Wiederaufnahme des Unterrichts, so die Deutsche Evangelische Oberschule ab Mittwoch, den 9. Februar [84]. Die dem flüchtigen Stahlmagnaten und Ex-Minister Ahmed Ezz gehörende British International School soll ab Sonntag, den 13. Februar, wieder regulären Unterricht anbieten.[85] Das Cairo American College beginnt am Dienstag, den 8. Februar, mit dem normalen Unterricht.[86] Die Börse soll nächsten Sonntag wieder öffnen.[87][88]
Die Demonstranten, die sich in den Gesprächen der Regierung mit Oppositionellen nicht vertreten sehen, wollen den Platz weiterhin besetzt halten, versuchen zu verhindern, dass das Militär die Barrikaden weiter nach innen verschiebt, organisieren die Infrastruktur (Ernährung, Toiletten und warme Duschen). Außerdem rufen sie eine „Woche der Standhaftigkeit“ aus. [89] Größere Ansammlungen werden wieder für Dienstag und den kommenden Freitag erwartet. Inzwischen tauchen immer öfter Video-Veröffentlichungen über Al-Jazeera auf, in denen seitens Polizei- oder Militärkräften oder auch unbekannter Scharfschützen verübte Gewalt wie Erschießungen gezeigt werden.[90]
Dienstag, 8. Februar
Präsident Husni Mubarak hat ein Komitee aus elf Richtern gebildet, das in den kommenden Wochen die ägyptische Verfassung überarbeiten soll. Damit erfüllt er eine zentrale Forderung der Demonstranten. Den Vorsitz soll Sirri Mahmud Siam übernehmen, der Vorsitzender des Kassationsgerichts und Vorsitzender des hohen Richterrates ist. Zu den geplanten Änderungen gehört eine Lockerung der Bedingungen für eine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl sowie eine begrenzte Amtszeit des Präsidenten. Die Opposition will indes eine bessere Kontrolle der Wahlen durch die Justiz in der Verfassung festschreiben lassen und internationale Wahlbeobachter einladen, um Manipulationen zu verhindern.[91]
Über hundertausend Menschen protestieren auf dem Tahrir-Platz und erstmals gibt es auch eine Demonstration von etwa 1000 Menschen bei der Ägyptischen Volksversammlung.[92]
Mittwoch, 9. Februar
Amr Musa sprach sich gegenüber dem ägyptischen Fernsehsender MENA (Middle East News Agency) dafür aus, dass Hosni Mubarak bis zum Ablauf seiner Präsidentschaft im Herbst im Amt bleiben solle. Dieser Standpunkt fände zunehmende Unterstützung, weil er verfassungskonform sei.[93] Auch Omar Suleiman erklärte, dass ein vorzeitiger Rücktritt Mubaraks ausgeschlossen sei. Wer sich nicht dazu bereit fände, die Forderungen der Demonstranten nach demokratischen Reformen im Rahmen des angebotenen Dialoges zu erfüllen, dem bleibe als Ausweg nur ein Putsch, was hektische Entscheidungen und viel Unvernunft bedeuten würde.[94]
Nach Angaben von Al Jazeera haben am Mittwoch etwa 20.000 Gewerkschafter demonstriert.[95]
Donnerstag, 10. Februar
Am Nachmittag wurde bekannt, dass die ägyptische Armeeführung ohne ihren Oberkommandierenden Mubarak zu einer Tagung zusammentrat. Später wurde offiziell verbreitet, Mubarak wolle sich am Abend in einer Fernsehansprache an die Bevölkerung wenden.[96] Die Armeeführung kündigt in einem „Kommunique Nr. 1“ Schritte an, um die Nation und das Wohlergehen der Bevölkerung zu schützen.[97] Die BBC zitierte das führende Mitglied von Mubaraks Partei, Hossam Badrawi, der „nicht erwarte, dass Mubarak am Freitag noch Präsident sei“.[98]
Internationale Reaktionen
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron haben den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak in einer gemeinsamen Erklärung aufgefordert, einen Wandel in seinem Land einzuleiten. Ein „Transformationsprozess“ müsse sich in einer Regierung widerspiegeln, die sich auf eine breite Basis stütze, sowie in freien und fairen Wahlen. [99]-->
Der US-amerikanische Präsident Barack Obama sowie der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderten ein Ende der Gewalt und mahnten die Einhaltung der Bürgerrechte an – insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Informations- und Versammlungsfreiheit. Nach einem Bericht der New York Times diskutiere die US-Regierung mit ägyptischen Regierungsbeamten mehrere Varianten für einen Machtwechsel nach einem sofortigen Rücktritt Mubaraks.[100]
Der Präsident des Europäischen Rates Herman Van Rompuy verlangte ein Ende der Gewalt gegen Demonstranten und die Freilassung aller politischen Gefangenen.[101] Die Staatschefs der Europäischen Union sind in der Frage eines möglichen Machtwechsels zurückhaltend, Silvio Berlusconi befürwortet sogar einen Verbleib Mubaraks an der Macht: „Ich hoffe, dass es in Ägypten einen Übergang zu einem demokratischeren System ohne Umsturz geben kann, mit einem Präsidenten wie Mubarak“. [102]
Der russische Außenminister Sergej Lawrow äußerte die Hoffnung, dass „die ägyptische Führung und die gesamte Gesellschaft ein hohes nationales Verantwortungsbewusstsein zeigen und alles Notwendige tun werden, um die Situation zu stabilisieren und den Bürgerfrieden zu sichern, der für den Fortschritt und die Erfüllung der Erwartungen des Volkes notwendig ist“.[103]
Die Reaktionen aus Israel fielen zurückhaltend aus. Der israelische Politiker und Brigadegeneral Benjamin Ben Eliezer, bekannt als Experte für israelisch-arabische Beziehungen und als Freund Omar Suleimans, der von Husni Mubarak zum ägyptischen Vize-Präsidenten ernannt wurde, sagte: „Ich halte eine Revolution in Ägypten für unmöglich, die Lage dort wird sich beruhigen“. Das israelische Außenministerium erklärte, es handle sich um innere Angelegenheiten eines Nachbarstaates. [104]
Ayatollah Ali Chamene'i, geistliches Oberhaupt des Irans, verglich den Aufstand, den er als „Zeichen des islamischen Erwachens“ sieht, mit der Iranischen Revolution 1979 und rief das ägyptische Volk auf, sich für ein auf der „islamischen Religion basierendes Regime des Volkes“ einzusetzen. Mubarak sei ein „Diener der Zionisten und der USA“. [105]
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) verurteilte am 3. Februar 2011 die Gewalt gegen internationale Medienvertreter durch Anhänger von Mubarak und die zahlreichen Festnahmen von Journalisten. „Die Liste der Misshandlungen von Journalisten durch Anhänger von Präsident Hosni Mubarak wird von Stunde zu Stunde länger“, so ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard.[106]
Die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte Navanethem Pillay hat am 4. Februar 2011 bei einer Pressekonferenz in Genf zu einer unparteiischen und transparenten Ermittlung um die gegenwärtigen Unruhen in Ägypten aufgerufen. „Es bedarf einer transparenten und unvoreingenommenen Untersuchung, um festzustellen, ob diese Unruhen geplant waren und wenn ja, dann von wem“. „Ein Regime, das seinem Volk die Grundrechte entzieht und sich auf einen erbarmungslosen Apparat zur Unterdrückung seines Willens stützt, ist langfristig zum Scheitern verurteilt“, sagte Pillay.[107]
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) vom 7. Februar 2011 sollen in Kairo 232 Menschen ums Leben gekommen sein, darunter 217 Personen in den Tagen bis zum 30. Januar 2011. Weitere 15 Menschen starben am 2. und 3. Februar 2011 bei Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern der Regierung auf dem Tahrir-Platz. In Alexandria wurden 52 und in Suez 13 Todesopfer gemeldet.[108]
Siehe auch
Weblinks
- Nachrichtenbrennpunkt und Live Stream auf Al Jazeera
- Aufbruch in Arabien Presseschau und Hintergrundberichte zum Geschehen auf www.dasdossier.de
- Aufstände in Ägypten: Tage des Zorns Qantara.de
- Unruhen in Ägypten und Tunesien auf dem Informationsportal zur politischen Bildung
- Paul Amar: Warum Mubarak am Ende ist. Analyse der Situation in Ägypten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 7. Februar 2011, abgerufen am 7. Februar 2011 (Hintergrundbericht mit Erklärungen zu den einzelnen Machtfaktoren in Ägypten).
Einzelnachweise
- ↑ europeanforum.net, entnommen am 31.12.2010
- ↑ Karim El-Gawhary: Mubarak lässt abstimmen. In: die tageszeitung. 22. November 2010, abgerufen am 24. November 2010.
- ↑ a b Arabiens Zentrum will den Wandel, Zeit Online vom 27. Januar 2011
- ↑ Die Kinder des 6. April und der Tag der Entscheidung,sueddeutsche.de vom 31. Januar 2010
- ↑ UN besorgt wegen hoher Lebensmittelpreise, Deutsche Welle vom 4. Februar 2011
- ↑ Lebensmittelpreise steigen auf Rekordhoch, Spiegel Online vom 3. Februar 2011
- ↑ Grundnahrungsmittel so teuer wie noch nie, 4. Februar 2011, RP Online
- ↑ „Revolutionen können ungemütlich werden“, Interview mit Robert Zoellick, FAZ vom 5. Februar 2011
- ↑ IWF-Chef Strauss-Kahn warnt vor sozialen Unruhen, Die Welt Online vom 1. Februar 2011
- ↑ Neue Krise im Anmarsch – Anstieg der Nahrungsmittelpreise fördert Inflation, Thalif Deen,, 12. Januar 2010
- ↑ Wurzeln der Wut Katharina Peters in: Spiegel Online vom 1. Februar 2011
- ↑ Aufstand einer betrogenen Generation, Yasemin Ergin in Zenith – Zeitschrift für den Orient
- ↑ spiegel.de - Krawalle in Kairo - Tausende Ägypter marschieren gegen Mubarak vom 25. Januar 2011
- ↑ Tagesschau - Proteste und Zusammenstöße in Ägypten - Tausende trotzen dem Demonstrationsverbot vom 25. Januar 2011
- ↑ spiegel.de - Ägyptens Regierung will Proteste ersticken vom 26.Januar 2011
- ↑ AFP - Erneut Proteste und gewaltsame Zusammenstöße in Ägypten vom 26. Januar 2011
- ↑ a b bild.de - Ägypten neue Proteste gegen Mubarak - Chaos in Kairo geht weiter vom 27. Januar 2011
- ↑ a b spiegel.de - Unruhen in Ägypten - Polizei jagt Demonstranten durch die Nacht vom 27. Januar 2011
- ↑ Anarchie in Kairo: "Mubarak will Ägypten brennen sehen" - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Politik
- ↑ Mohamed ElBaradei: The Return of the Challenger
- ↑ a b spiegel.de - Aufstand gegen Mubarak-Diktatur - Ägyptens Proteststurm lässt Börsenkurse abstürzen vom 27. Januar 2011
- ↑ Auswärtiges Amt - Sicherheitshinweise zu Ägypten vom 27. Januar 2011
- ↑ Yassin Musharbash: Mubaraks Widersacher mischt sich ein. (HTML) Spiegel Online, abgerufen am 27. Januar 2011 (sprache:, deutsch).
- ↑ Ägypten ist offline und ohne Mobilfunk. Abgerufen am 29. Januar 2011.
- ↑ Getting news out of an unplugged Egypt | InSecurity Complex - CNET News
- ↑ https://twitter.com/ioerror/statuses/31030346854170624
- ↑ heise online - Ägypten ist offline und ohne Mobilfunk [4. Update]
- ↑ Friedensnobelpreisträger El Baradei unter Hausarrest gesetzt. (HTML) Focus, abgerufen am 28. Januar 2011 (sprache:, deutsch).
- ↑ Der Standard: Proteste eskalieren, Ausgangssperre verhängt, 28. Januar 2011
- ↑ Financial Times Deutschland
- ↑ Oppositionelle Wafd-Partei fordert Übergangsregierung
- ↑ Mubarak will Regierung umbilden - Proteste gehen weiter. (HTML) Frankfurter Allgemeine Zeitung, abgerufen am 29. Januar 2011 (sprache:, deutsch).
- ↑ Protesters back on Egypt streets
- ↑ n-tv.de - Regierung in Kairo zurückgetreten vom 29.Januar 2011
- ↑ Mubarak ernennt neue ägyptische Führung - Nachrichten Newsticker - dpa_nt - infoline_nt - schlaglichter_nt - WELT ONLINE
- ↑ Plünderer zerstören Tutanchamun-Schätze. Spiegel Online, abgerufen am 30. Januar 2011.
- ↑ Matthias Gebauer und Yassin Musharbash: Bürgerwehren rüsten sich gegen Plünderer. Spiegel Online, abgerufen am 30. Januar 2011.
- ↑ Plünderer zerstören Kulturschätze. Focus, abgerufen am 30. Januar 2011.
- ↑ Das waren unsere eigenen Leute. Zeit Online, abgerufen am 30. Januar 2011.
- ↑ Daniel Steinvorth und Volkhard Windfuhr: "Mubarak will Ägypten brennen sehen". Spiegel Online, abgerufen am 30. Januar 2011.
- ↑ Shaimaa Fayed: Police shoot dead 17, attacking Egypt police stations Reuters, 29. Januar 2011 (in englischer Sprache)
- ↑ Top cleric: Mubarak, go away!
- ↑ Armee rückt in Urlaubsparadies Sharm el-Sheikh ein « DiePresse.com
- ↑ Liveticker zum Aufstand. Spiegel Online, abgerufen am 30. Januar 2011.
- ↑ Unruhen: Ägypten-Ticker: Vodafone muss Propaganda senden | Politik - Frankfurter Rundschau
- ↑ Stimmung in Ägypten kippt: F16-Kampfjets fliegen über Kairo – 40 bis 50 Panzer warten vor den Toren der Stadt - Politik - Bild.de
- ↑ Die Reichen fliehen, die Armen leiden. Spiegel Online, abgerufen am 30. Januar 2011.
- ↑ Menschenrechtler enttäuscht: Kopten-Papst Shenouda III. unterstützt Regierung Mubarak
- ↑ Live blog 31/1 Egypt protests. Al Jazeera, abgerufen am 31. Januar 2011.
- ↑ Ägyptens Armee will nicht auf Bürger schießen. Spiegel Online, abgerufen am 31. Januar 2011.
- ↑ Armee will keine Gewalt einsetzen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, abgerufen am 31. Januar 2011.
- ↑ Das Volk feiert seine Zukunft. Mega-Protest in Kairo. Spiegel Online, abgerufen am 1. Februar 2011.
- ↑ Armee schützt Mubaraks Palast mit Stacheldraht Spiegel Online, 1. Februar 2011
- ↑ Mubarak verzichtet auf weitere Amtszeit Artikel auf Zeit-Online vom 1. Februar 2011
- ↑ Mubarak verspricht Rückzug auf Raten. Rede des Präsidenten. Spiegel Online, abgerufen am 1. Februar 2011.
- ↑ Mubaraks Rückzugsplan provoziert Regimegegner. Spiegel Online, abgerufen am 2. Februar 2011.
- ↑ Liveticker zum Aufstand in Ägypten. 22.20 Uhr - Demonstranten reagieren enttäuscht. Spiegel Online, abgerufen am 1. Februar 2011.
- ↑ a b Ägyptens Armee fordert Stopp der Proteste Spiegel Online, 2. Februar 2011.
- ↑ Ägypten: Parlament beendet die Arbeit – Militär will Proteste stoppen
- ↑ Ägypten ist wieder im Netz abgerufen am 8. Februar 2011
- ↑ Clashes Break Out in Tahrir Square. Al Jazeera, abgerufen am 2. Februar 2011.
- ↑ Für ein Handgeld in den Schlägertrupp Spiegel Online vom 3. Februar 2011
- ↑ Meldung vom 3. Februar 2011, 17.20 Uhr Ortszeit unter Berufung auf Regierungsquellen (Gesundheitsministerium); dort wird aber von "the last few days", den letzten paar Tagen, gesprochen.
- ↑ Lage in Kairo eskaliert - Mubaraks Kavallerie schlägt zu. Tagesschau, abgerufen am 2. Februar 2011.
- ↑ Ägypten-Liveticker - Hunderte Regierungsgegner bei Protesten verletzt. Spiegel-Online, abgerufen am 2. Februar 2011.
- ↑ Reporter fürchten Attacken des Mobs Spiegel Online vom 3. Februar 2011
- ↑ Suleiman zum Dialog bereit – Rücktritt ausgeschlossen Hamburger Abendblatt vom 3. Februar 2011
- ↑ Mubarak hat sein Amt satt Zeit Online vom 3. Februar 2011
- ↑ Egyptian journalist joins protestors ynetnews vom 2. Februar 2011
- ↑ Aufruhr in Ägypten: Vodafone verteilte Pro-Mubarak-Propaganda - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Netzwelt
- ↑ Friedlicher "Tag des Abgangs" Zeit Online vom 4. Februar 2011
- ↑ EU fordert sofortigen Übergang Frankfurter Allgemeine vom 4. Februar 2011
- ↑ Schlägertrupps gegen die Regimegegner
- ↑ Ausreiseverbot gegen Ägyptens früheren Handelsminister verhängt | STERN.DE
- ↑ Armee verhandelt mit Demonstranten Zeit Online vom 5. Februar 2011
- ↑ Mubarak baut Parteiführung um Frankfurter Rundschau vom 5. Februar 2011
- ↑ Die Parteiführung geht, Mubarak bleibt Zeit Online vom 5. Februar 2011
- ↑ Al Jazeera: Muslim Brotherhood in Egypt talks
- ↑ Euronews: Regierung verhandelt mit Opposition
- ↑ BBC: Egypt panel 'to study constitutional reform'
- ↑ Spiegel.de: Regime fährt Kontrollapparat wieder hoch
- ↑ Reporter ohne Grenzen: Rund 150 Festnahmen und Übergriffe / Ein Journalist getötet
- ↑ news.yahoo.com: Egypt approves 15 percent raise for govt employees
- ↑ Homepage der Deutschen Evangelischen Oberschule Kairo
- ↑ Bulletins der Schulleitung
- ↑ Verlautbarung des Cairo American College auf seiner Homepage
- ↑ Blog auf Al-Jazeera
- ↑ Talks fail to end Egypt Protests
- ↑ Ägypter rufen Woche der Standhaftigkeit aus
- ↑ Shocking 'Egypt images' emerge
- ↑ Mubarak ernennt Verfassungskomitee – Proteste dauern an. (HTML) SF Tagesschau, abgerufen am 8. Februar 2011 (sprache:, deutsch).
- ↑ Al Jazeera: Live blog Feb 8 - Egypt protests
- ↑ Präsident der Arabischen Liga: Mubarak soll bis Herbst im Amt bleiben
- ↑ Ägypten: Mubarak bedankt sich, kommt aber nicht nach Deutschland
- ↑ Al Jazeera: Labour unions boost Egypt protests
- ↑ reuters.com vom 10. Februar 2011, 18:38 Uhr
- ↑ sueddeutsche.de vom 10. Februar 2011, dump von 20.30 Uhr MEZ
- ↑ „A senior member of Egypt's governing party, Hossam Badrawi, has said he does not expect Mr Mubarak to be president on Friday.“ bbc.co.uk vom 10. Februar 2011, 18.52 GMT, dump von 20.35 Uhr MEZ
- ↑ Ägypten: Staatschefs appellieren an Mubarak - Ausland - FOCUS Online
- ↑ EU bleibt weiter vage n-tv vom 4. Februar 2011
- ↑ Moskau ersucht ägyptisches Außenamt um Schutz der Russen vor Ort | Politik | RIA Novosti
- ↑ Gil Yaron, Jerusalem: Israel hält Ägyptens Diktator die Treue. (HTML) Spiegel Online, abgerufen am 27. Januar 2011 (sprache:, deutsch).
- ↑ Chamenei sieht Prosteste als "islamisches Erwachen" Welt Online vom 4. Februar 2011
- ↑ Entsetzen über systematische Jagd auf Pressevertreter. (HTML) Reporter ohne Grenzen, abgerufen am 3. Februar 2011 (sprache:, deutsch).
- ↑ UN-Menschenrechtskommissarin fordert Ermittlung zu Unruhen in Ägypten. (HTML) RIA Novosti, abgerufen am 3. Februar 2011 (sprache:, deutsch).
- ↑ Unruhen in Ägypten - Fast 300 Tote in zwei Wochen. (HTML) Spiegel Online, abgerufen am 7. Februar 2011 (sprache:, deutsch).