"Skiffle - The Story Of Folk Song With A Jazz Beat" war der vielsagende und treffende Titel des ersten, 1958 erschienenen Buches über Skiffle ( England, Autor: Brian Bird, Verlag: Robert Hale Limited ). Skiffle Musik basiert auf Einflüssen der anglo-amerikanischen wie afro-amerikanischen Folk-, Country-, Blues- und Jazzmusik und wurde um 1953/54 von Musikern wie Ken Colyer, Chris Barber, Alexis Korner und Lonnie Donegan in Großbritannien bekannt gemacht. Als Lonnie Donegan 1956 seinen ersten Hiterfolg mit Rock Island Line hatte, begann der zweijährige Skiffle Boom, der in Großbritannien eine Vielzahl von Teenagern zur Gitarre und zum Waschbrett greifen ließ. Obwohl Donegans Band ab 1956 mit der gleichen Standardinstrumentierung wie die Rockbands, z.B. Elvis Presley, auftrat - Rhythmusgitarre/Leadgesang, Leadgitarre, Kontrabass, Schlagzeug -, begannen die Teenager dem Beispiel der amerikanischen Jugbandmusic der 20er Jahre folgend neben dem Waschbrett auch weitere "none-instruments" wie Jug ( Krug ), tea-chest-bass ( Teekistenbass ), Kazoo usw. einzusetzen. Diese Instrumente sind daher mit den Skiffle-Klischees untrennbar verbunden, obwohl Lonnie Donegan als "King Of Skiffle" z.B. nie einen Teekistenbass in seiner Band einsetzte. Das Gleiche trifft auch auf die anderen professionellen Skiffle-Bands der Jahre 1956-1958 zu: Vipers Skiffle Group, Chas McDevitt Skiffle Group, Dickie Bishop & His Sidekicks etc.; Dickie Bishop´s Band war sogar eine der ersten Gruppen überhaupt, die mit elektrischer Bassgitarre anstelle eines Kontrabasses auftraten. Lonnie Donegan ( 1931-2002 ) wurde zum "King Of Skiffle", da er zwischen 1956 und 1962 mit Abstand die meisten Titel in den britischen und amerikanischen Charts plazieren konnte, z.Bsp. Rock Island Line (1956), Lost John (1956), Putting On The Style (1957), Don´t You Rock Me Daddy-O (1957), Cumberland Gap (1957), Tom Dooley (1958), My Old Man´s A Dustman (1960), Have A Drink On Me (1961), Michael Row The Boat Ashore (1961), Does Your Chewing Gum Loose It´s Flavour On The Bedpost Overnight? (1961), ( Somewhere ) Over The Rainbow (1962), Pick A Bale Of Cotton (1962) u.v.a. Damit wurde Lonnie Donegan zum Vorbild vieler britischer Pop-Super-Stars der 60er und 70er Jahre, die allesamt als Teenager in den 50er Jahren mit Skiffle begonnen hatten, so z.Bsp. die Beatles, die Rolling Stones, Eric Clapton, Mark Knopfler, Elton John, Rod Stewart, Chris Farlowe, Van Morrison, The Kinks, Led Zeppelin, Roger Daltrey, Simply Red etc. Ab 1958 verschwand Skiffle weitesgehend aus der Popmusik, nur Lonnie Donegan ( siehe bitte auch seine offizielle Website www.lonniedoneganinc.com )hielt sich noch einige Jahre erfolgreich an der Spitze und landete sogar einige Monsterhits wie "My Old Man´s A Dustman" & "Does Your Chewing Gum..." ( s.o. ). Ab 1962 dominierte die Beatmusik dann die Hitparaden und verdrängte damit endgültig die Skifflemusik. Skiffle-Hits sollten dann noch einige im Laufe der Jahrzehnte folgen, so z.Bsp.
- 1970 Mungo Jerry mit "In The Summertime",
- Mitte der 70er Les Humphries "Mexico" ( eine Adaption von Jimmy Driftwood´s "Battle Of New Orleans", welches seit 1959 auch in Lonnie´s Repertoire zu finden war );
- Mitte der 70er The Walkers/Niederlande mit "Ain´t No More Cane On The Brazos", eine 1:1 Cover-Version von Lonnie Donegan´s 1956er Aufnahme dieses Titels. Die Single der Walkers verkaufte sich 3,2 Millionen Mal in den Benelux-Ländern!
- 1995 "Cotton Eyed Joe", eine Art "Skiffle Update";
- Anfang 2000 fand Lonnie Donegan auch wieder zurück in die internationalen Charts einiger Länder ( USA/Grossbritannien/Deutschland ) - über Van Morrison´s CD "The Skiffle Sessions - Live In Belfast".
In der Pre-Beat-Ära gab es auch in Deutschland in den späten 50ern und frühen 60ern etliche Skifflegruppen, aus denen z.Bsp. Reinhard Mey oder die bekannten Lords hervorgingen, die mit einigen 1:1 Donegan-Covern sogar grosse Hiterfolge feiern konnten ( "Have A Drink On Me", "Over In The Gloryland" ).
Doch Skiffle überlebte vor allem auf dem Live-Markt, so gab es ein erstes großes Skiffle-Revival im Deutschland der 70er --- wichtigste Interpreten: Leinemann / Hamburg ( mit Ulf Krüger, Lonzo, Gottfried Böttger, Ulli Salm u.v.a. ), Bourbon Skiffle Company, Heupferd Jug Band ( mit Götz Alsmann ), The Caddies ( wie die BSC aus Hannover ), Some Old Friends ( Essen ), Walter h.c. Meier Pumpe ( Essen ), High Life Skiffle Band ( Berlin ) u.v.a.
Lonnie Donegan nahm 1974/75 zwei Langspielplatten mit Leinemann auf und toppte diese exzellenten Aufnahmen 1977/78 durch die LP "Putting On The Style", auf der viele Größen des Rockbusiness Lonnie begleiteten --- alles einstige Skiffler, die dank Lonnie´s Vorbild in das Musikgeschäft geraten waren, z.Bsp. Rory Gallagher, Leo Sayer, Brian May, Ringo Starr, Elton John, Ronnie Wood, Ray Cooper u.v.a.
Mitte der 90er Jahre gab es ein erneutes Skiffle-Revival, diesmal mit Schwerpunkt Grossbritannien. Es begann mit der Verleihung des Ivor Novello Awards an Lonnie Donegan für sein Lebenswerk. An diesem Abend jammte er spontan mit Van Morrison und Van bearbeitete ihn gemeinsam mit Lonnie´s damaligen Bassisten Brian Hodgson, nach über 20 Jahren wieder ein Studio-Album einzuspielen und zu veröffentlichen ( es erschien 1999: LONNIE DONEGAN - MULESKINNER BLUES ). Höhepunkt des englischen Skiffle-Revivals der 90er war jedoch das Konzert in der Royal Albert Hall am 7.12.1998, "Skiffle - The Roots Of British Rock", u.a. mit Chas McDevitt, Nancy Whiskey, Ray Bush, Tony Sheridan, Diz Disley, The Lonnigans Skiffle Group, Chas & Dave, Lonnie Donegan & his Band etc.
"But the train rolls on", das Skiffle-Revival geht weiter.
Fortsetzung folgt.