Joghurt oder Jogurt ist durch Milchsäurebakterien verdickte Milch und dient als Nahrungsmittel.

Das Milchprodukt Joghurt wird sowohl als Naturjoghurt ohne Zusätze, als auch in verschiedenen Geschmacksrichtungen, z. B. als Fruchtjoghurt, vermarktet. Naturjoghurt besitzt einen säuerlichen Geschmack.
Etymologie
Das Wort Joghurt ist dem türkischen Wort yoğurt entlehnt, das gegorene Milch [1] bedeutet und auf die Art der Herstellung verweist. Laut Duden sind sowohl der als auch das Joghurt möglich, in Deutschland heißt es meist der Joghurt, in Österreich und der Schweiz meist das Joghurt. Wie bei anderen Bezeichnungen von Nahrungsstoffen (Fleisch oder Milch) wird das Wort meist im Singular gebraucht. Als Bezeichnung für „Joghurt-Sorten“, „Portionen Joghurt“ oder „Becher mit Joghurt“ tritt jedoch auch der Plural in den Formen die Joghurte oder die Joghurts auf.
Geschichte des Joghurts
Über die Verbreitung des Joghurts gibt es seit dem 16. Jahrhundert zahlreiche Legenden. So liest man etwa, dass ein türkischer Arzt die quälenden Magenprobleme des französischen Königs Franz I. mit Hilfe des mitgebrachten bulgarischen Joghurts heilen konnte.
1905 isolierte der bulgarische Mikrobiologe und Arzt Stamen Grigorow im Joghurt ein bisher unbekanntes Bakterium [2], das er später „Bacillus bulgaricus“ nannte. Der russische Bakteriologe Ilja Metschnikow verband damals ein epidemiologisches Wissen um die hohe Lebenserwartung bulgarischer Bauern mit deren Alltagskost. Er setzte den Konsum vom Joghurt mit der Wahrscheinlichkeit langen Lebens in Beziehung. Öffentlichkeit und Wissenschaft nahmen dieses Versprechen enthusiastisch auf.
Joghurt wurde im Deutschen Reich seit 1907 einerseits als Joghurt in städtischen Molkereien produziert, zum anderen in Form von Trockenfermenten über spezielle Versandgeschäfte und Reformhäuser verkauft. Die eingeschränkten Kühlmöglichkeiten in den Läden und Haushalten begrenzten den Absatz jedoch. Zudem wollten US-amerikanische Forscher 1918 nachweisen können, dass der Bacillus bulgaricus die Darmflora nicht verbessert, da er zuvor von der Magensäure zerstört würde. Dies hat sich jedoch als falsch herausgestellt - geringe Anteile des Bacillus bulgaricus gelangen trotz seiner Empfindlichkeit auf Magensäure immer in den Darm, wo sich diese Reste wieder vermehren und so positiv auf die Darmflora auswirken können (siehe dazu auch Abschnitt Bakterienkulturen). In den 1920er Jahren wurde dann die „Acidophilus-Milch“ neu entwickelt, deren Bakterienkultur die Magenpassage nahezu unbeschadet überlebt und deshalb die Zusammensetzung der Darmflora schneller und stärker beeinflusst. Der Joghurtkonsum stieg in Deutschland insbesondere in den 1930er- und den 1940er-Jahren stark an. Sein Image als Diätspeise durchbrach er jedoch erst seit den späten 1960er-Jahren, als der uns heute allgemein geläufige Fruchtjoghurt üblich wurde. Seither ist er ein gängiges, von Frauen überdurchschnittlich oft verzehrtes Alltagsprodukt (Konsum 2004 etwa 13 kg/Kopf).
Für die kommerzielle Herstellung von Sauermilcharten wurden verschiedene Milchsäurebakterien selektiert. Produkte aus südeuropäischen Ländern wurden traditionell mithilfe von thermophilen (wärmeliebenden) Milchsäurebakterien hergestellt, während man für die aus dem Norden stammenden Sauermilcharten mesophile (mittlere Temperaturen liebende) Milchsäurebakterien eingesetzt hat. Beim heutigen Stand der Technik (Kühlhäuser, Temperiermöglichkeiten) spielt der durch klimatische Gegebenheiten bedingte Einsatz bestimmter Kulturen keine Rolle mehr.
Herstellung
Ursprünglich entstand Joghurt aus der zufälligen Säuerung und Dicklegung von Milch. Im Laufe der Entwicklung der Lebensmittelherstellung wurden die verursachenden Mikroorganismen isoliert, identifiziert und nach ihrer Leistung selektiert. Bei geeigneten Temperaturen (bei thermophilen Kulturen 42-45°C, bei mesophilen Kulturen 22-30°C) kann mit Joghurtkulturen geimpfte Milch einfach in Joghurt umgewandelt werden. Zu diesem Zweck gibt es Joghurt-Zubereitungsautomaten, es reicht auch aus, auf 43 °C erwärmte Milch mit etwas Joghurt als Impfmaterial zu mischen und in einer Thermoskanne (oder einem mit einer Decke isoliertem, aber nicht 100%ig luftdichtem Gefäß) mindestens sechs Stunden ruhen zu lassen. Ein stichfester Joghurt unterscheidet sich in der Herstellung dadurch, dass er im Becher reift und nach dem Dickwerden nicht mehr gerührt wird. Dieses Verfahren wird hauptsächlich für Joghurt mit unterlegter Frucht (Frucht unter Joghurtmasse nicht eingerührt) verwendet.
Naturjoghurts aus dem südlichen Balkan bestehen ausschließlich aus Milch und werden durch Lactobacillus bulgaricus ohne weitere Zusätze dickgelegt. Naturjoghurt dieser Art wird dort auch im offenen Verkauf vertrieben. In industriell hergestellten Joghurts werden der Milch meist noch zusätzlich Magermilchpulver zur Erhöhung der Trockenmasse zugesetzt. Weitere mögliche Zutaten, insbesondere in Fruchtjoghurts, können Verdickungsmittel, Emulgatoren, Farbstoffe sowie Aromen und Zucker sein.
Der in der türkischen Küche verwendete Süzme Yoğurt wird – vergleichbar mit der Herstellung von Topfen aus Quark – traditionell durch das „Abtropfenlassen“ normalen Joghurts in einem Sieb (türkisch süzme) oder einem Baumwolltuch hergestellt. Der auf diese Weise entwässerte Joghurt ist fester und cremiger; mit einem Fettanteil von 10 Prozent entspricht er einem Sahnejoghurt.
Fermentation
Die Herstellung von Joghurt durch Milchsäurebakterien wird als Fermentation bezeichnet. Milchsäurebakterien wie beispielsweise Lactobacillus bulgaricus bewirken durch die teilweise Umwandlung des Milchzuckers (Laktose) in Milchsäure und durch die Bildung von produktspezifischen Aromastoffen den charakteristischen Geschmack und Geruch eines Joghurtproduktes.
Die Milchsäure führt zu einer pH-Absenkung. Ab einem bestimmten pH-Wert können sich die Caseinmicellen (die Hauptproteinfraktion der Milch) nicht mehr in Lösung halten und koagulieren unter Bildung eines Netzwerkes. Dieser Vorgang wird oft als Dicklegung bezeichnet. In den Zwischenräumen werden das in der Milch enthaltene Wasser und verbleibende Proteinfraktionen (Molke) eingeschlossen.
Die Säuerung muss während des gesamten Produktionsprozesses überwacht werden, dazu wird der pH-Wert der Kesselmilch gemessen. Die Dicklegung der Milch beginnt ab einem pH-Wert von ca. 5,5 und endet je nach Kultur bei einem pH-Wert zwischen 3,8 (sehr selten, da sehr sauer), idealerweise sollte bei einem pH-Wert von 4,65 (isoelektrischer Punkt) die Säuerung beendet sein, da sonst Molkensyneräse entsteht, wobei sich der Jogurt bei niedrigeren pH-Werten zusammenzieht und Molke abscheidet.
Bakterienkulturen
Zu den wichtigsten Milchsäurebakterien in traditionellen Sauermilcharten wie Joghurt, Sauermilch, Buttermilch usw. gehören Streptokokken und Laktobazillen. Die bei der traditionellen Herstellung eingesetzten Arten und Stämme sind nicht säure- und gallensaftresistent und überleben deshalb kaum die Magen-Darm-Passage. Probiotische Mikroben werden nach besonderen Kriterien ausgewählt, damit sie in lebensfähiger Form den Darmtrakt erreichen und ihre Stoffwechselaktivität dort entfalten können. Zwar treten beim Verzehr von Joghurt tatsächlich immunstimulierende Effekte ein, jedoch sind diese, anders als in der Werbung suggeriert, unabhängig von der Art des Joghurts (probiotische Markenkulturen oder traditionelle Kulturen).[3]
Da der klassische Naturjoghurt vielen Verbrauchern zu sauer ist, werden inzwischen fast ausschließlich so genannte „milde“ Kulturen eingesetzt. Diese bilden überwiegend rechtsdrehende L(+)-Milchsäure, welche ernährungsphysiologisch vorteilhafter ist, da sie durch ein spezifisches Enzym, die L(+)-Lactatdehydrogenase, schneller abgebaut wird als linksdrehende Milchsäure.
Zur Herstellung eines normalen Joghurts werden Streptococcus thermophilus und Lactobacillus bulgaricus verwendet, bei milden Joghurts verwendet man Lactobacillus bulgaricus allerdings nicht, sondern setzt dazu andere Lactobazillen ein.
Joghurtmischerzeugnisse
Naturjoghurt
Naturjoghurt wird nur aus Milch oder Sahne und Milchsäurebakterien hergestellt. Unterschieden wird je nach Fettgehalt:
- Joghurt aus entrahmter Milch (auch Magermilchjoghurt): maximal 0,5 % Fett
- Fettarmer Joghurt: 1,5-1,8 % Fett
- Joghurt: mindestens 3,5 % Fett
- Sahnejoghurt (Rahmjoghurt): mindestens 10 % Fett
Fruchtjoghurt
Fruchtjoghurt gehört zu den Milchmischerzeugnissen und enthält zusätzlich Früchte oder Fruchtzubereitungen. Unterschieden wird je nach Fruchtanteil[4]:
- Fruchtjoghurt oder Joghurt mit Früchten: mindestens 6 % Fruchtanteil
- Joghurt mit Fruchtzubereitung: mindestens 3,5 % Fruchtanteil
- Joghurt mit Fruchtgeschmack: weniger als 3,5 % Fruchtanteil
Die Zusammensetzung der Fruchtzubereitung muss nicht angegeben werden, wenn ihr Anteil unter 2 % am Gesamtprodukt liegt. Je nach Joghurtqualität kann eine Fruchtzubereitung neben Früchten, Zucker und Verdickungs- bzw. Geliermittel auch gepresste Fruchtrückstände, Süßungsmittel, Aromen und Konservierungsstoffe enthalten. Die angegebene Geschmacksrichtung muss dabei nicht unbedingt auf die tatsächlich verwendeten Früchte bzw. Fruchtrückstände hinweisen. Meist werden in billigen Fruchtjoghurts „Fruchtstücke“ mittels Gelierung oder enzymatischer Vernetzung aus unterschiedlichen Säften unter Beigabe von Aromen erzeugt.
Der Fruchtjoghurt hat einen Marktanteil von 80 % am gesamten Joghurtumsatz.
Trinkjoghurt
Im Handel werden auch viele Trinkjoghurts angeboten, in ähnlichen Geschmacksrichtungen wie die Früchtejoghurts, vor allem frucht- und zuckerbasiert. Diese werden durch Wasserzusatz zu einem normalen Joghurt und/oder Einstellen eines tieferen pH-Wertes hergestellt. Es wird auch auf Verdickungsmittel verzichtet.
Eine weitaus ältere Form der Joghurtgetränke ist im Orient verbreitet (Türkei: Ayran, Indien: Lassi). Auch bei diesen dient als Basis ein festerer Joghurt, jedoch mit stark säuernden Kulturen (Streptococcus thermophilus und Lactobacillus bulgaricus), die vor dem Verbrauch oder dem Verkauf mit Wasser und Salz in eine dünnflüssige, buttermilchähnliche Konsistenz aufgequirlt wird und als traditionelles Erfrischungsgetränk gut gekühlt serviert werden. Diese Produkte sind weit verbreitet und werden von Straßenhändlern, gastronomischen Einrichtungen und im Einzelhandel für häuslichen Gebrauch angeboten. In Deutschland und Österreich sind sie in sterilisierter Form und haltbaren Abpackungen erhältlich. Obwohl sie eher salzige Erfrischungsgetränke sind, werden in den Herkunftsländern gelegentlich auch Mischprodukte mit Fruchtsäften angeboten.
Andere Geschmacksrichtungen
Neben dem Fruchtjoghurt gibt es weitere Mischerzeugnisse mit verschiedenen Aromen wie zum Beispiel Vanille, Nougat, Nuss, Stracciatella, Schokolade, Kokos oder Kaffee.
Verwandte Produkte
So genannte Dickmilch wurde, bevor die Pasteurisierung von Milch mit dem Milchgesetz von 1930 gesetzlich vorgeschrieben wurde, oft zu Hause hergestellt. Sie bildet eine Variante von Joghurt, entsteht jedoch auf Basis von in der Milch natürlicherweise enthaltenen Bakterien. Raumtemperatur reicht aus, um die Milch innerhalb von ein bis zwei Tagen umzusetzen, Temperaturen um die 32 °C reduzieren die Fertigstellung auf 6-8 Stunden und ergeben eine reinere saure Milch, da auch vorhandene Essigsäurebakterien sich bei Raumtemperatur (bis ca. 30 °C) entwickeln können, nicht jedoch bei 32-34 °C. Die Bakterien sind anaerobe Milchsäurebakterien, die zum Teil von der Kuh stammen und zum Teil beim Melken aus der Luft in die Milch gelangen.
Eine in jüngerer Zeit entstandene Alternative zu Joghurt aus Kuhmilch ist Sojajoghurt oder auch Laban. Auf ländlichen Märkten im Iran und in den arabischen Ländern wird getrockneter Joghurt angeboten: Kaschk
Ähnliche Milchprodukte
Literatur
- Jean Pütz, Ellen Norten: Hobbythek - Joghurt, Quark & Käse, für ein starkes Immunsystem. VGS, Köln 2001. ISBN 3-8025-6213-5
- Lotte Hanreich, Ingeborg Hanreich: Joghurt, Käse, Rahm und Co. - Gesundes aus Milch selbst gemacht. Stocker, Graz 2000. ISBN 3-7020-0878-0
- Uwe Spiekermann: Functional Food - Zur Vorgeschichte einer „modernen“ Produktgruppe. in: Ernährungs-Umschau. Frankfurt Main 49.2002, 182-188. ISSN 0174-0008
- Vlad D. Georgescu, Marita Vollborn: Die Joghurt-Lüge - Die unappetitlichen Geschäfte der Lebensmittelindustrie. Frankfurt, Campus 2006. ISBN 3-593-37958-9
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Duden: Herkunftswörterbuch, Lemma Joghurt. 2007.
- ↑ Stamen Grigoroff: Étude sur une lait fermentée comestible. Le “Kissélo mléko” de Bulgarie. Revue Médicale de la Suisse Romande. Genève. Georg&G., Libraires-Éditeurs. Librairie de L’Université. 1905
- ↑ A.L. Meyer, M. Micksche, I. Herbacek, I. Elmadfa: Daily intake of probiotic as well as conventional yogurt has a stimulating effect on cellular immunity in young healthy women. in: Annals of nutrition & metabolism (Ann Nutr Metab). Basel 50.2006,3, 282-289. PMID 16508257 ISSN 0250-6807
- ↑ Günter Klein, Rabe, Weiss: Textsammlung Lebensmittelrecht Behr, Hamburg 2007, S. 5461. ISBN 3-86022314-3