Walter Bruno Iltz (* 17. November 1886 in Praust bei Danzig; † 5. November 1965 in Rottach-Egern) war ein deutscher Regisseur und Theaterdirektor.
Leben
Iltz war seit 1908 zunächst als Schauspieler tätig, im Stadttheater von Zittau stand er zum ersten Mal auf der Bühne, folgte dann einem Engagement nach Breslau und von 1913 bis 1924 war er am königlichen, dann Staatlichen Schauspielhaus Dresden als Schauspieler und ab 1921 als Regisseur tätig.
1917 heiratete Iltz die Sopranistin Helena Forti (1884–1942).
Von 1924 bis 1927 war Iltz Generalintendant des Fürstlich Reussischen Theaters in Gera, wo die Choreografin Yvonne Georgi wirkte, der Schauspieler Bernhard Minetti und Iltz die Schauspielerin Dorothea Neff kennenlernte, die er später ans Deutsche Volkstheater in Wien engagierte. Iltz war als moderner junger Regisseur bekannt, als solcher wurde er ein Entdecker junger Talente. Er unternahm Reisen durch Deutschland, wohnte unangemeldet und unerkannt den Aufführungen kleiner Provinzbühnen bei, um nach neuen jungen Kräften Ausschau zu halten.
Max Brod widmete Walter Bruno Iltz seine Ausgabe von "Die Höhe des Gefühls" in der Reihe "Der jüngste Tag" im Kurt Wolff Verlag: "Walter Bruno Iltz, dem ausgezeichneten Darsteller des Orosmin gewidmet." [1]
Düsseldorfer Schauspielhaus
Von 1927 bis 1937 war Iltz Generalintendant der Städtischen Bühnen Düsseldorf (Oper, Schauspiel, Operette – in 2 Häusern). 1933 wurde zusätzlich das Düsseldorfer Schauspielhaus unter Zwangspacht genommen und Walter Bruno Iltz, der von den Machthabern zu den „führenden Theatermännern im Reich“ gezählt wurde, als städtischem Generalintendanten unterstellt. Iltz war kein sturer Parteifunktionär, sondern eher ein Künstler und in den Theateridealen von Otto Brahm, Max Reinhardt und Leopold Jessner groß geworden, die er in seiner eigenen Arbeit nachlebte. An seinem Haus waren Bühnenbildner wie Caspar Neher und Traugott Müller engagiert, aber auch die Schauspieler Leon Askin und Will Quadflieg und, als Oberspielleiter, Leopold Lindtberg (Lemberger), was ihm wegen dessen jüdischer Abstammung später vorgeworfen wurde, und vor allem der jüdische Dirigent und Generalmusikdirektor Jascha Horenstein.
Iltz machte sich um die Aufführung zeitgenössischer Opern verdient, auf dem Spielplan standen Ernst Kreneks "Schwergewicht", die Uraufführung von Manfred Gurlitts "Die Soldaten" (nach dem Drama von Jakob Michael Reinhold Lenz), "Der Lindberghflug" von Bertolt Brecht und Kurt Weill, Igor Stravinskys "Die Geschichte vom Soldaten", Hans Pfitzners "Das Herz" (1932), Hermann Reutters "Der verlorene Sohn" (nach Andre Gide, 1933) und am 11. Februar 1933 "Der Rossknecht" nach dem Drama von Richard Billinger vom Solorepetitor und Kapellmeister der Oper, Winfried Zillig (alle dirigiert von Jascha Horenstein). [2] Iltz selbst inszenierte Ariadne auf Naxos von Richard Strauss (1934, in den Bühnenbildern von Caspar Neher), "Die Bürgschaft" von Kurt Weill (Text: Caspar Neher, Dirigent: Horenstein), eine spektakuläre Inszenierung von „Wozzeck“ von Alban Berg (1930, auch mit Horenstein, zu der Alban Berg an Iltz schrieb: "Diese Reprise freut mich mehr als manche Erstaufführungen, ja sie macht mich stolz."), Aus einem Totenhaus von Leos Janacek (1931), aber auch „Hoffmanns Erzählungen“, „Tristan und Isolde“, „Die Zauberflöte“, „Heimfahrt des Jörg Tilmann“, „Die Walküre“.
Zu Iltzs erfolgreichsten Theaterinszenierungen gehörten „Schlageter“ von Hanns Johst, „Katte“, „Schafschur“, „Wilhelm Tell“, „Egmont“, „Das Gastmahl der Götter“ und „Pentheus“. 1936 inszenierte er in seiner eigenen Bearbeitung die Bühnen-Uraufführung von Christian Dietrich Grabbes „Die Hermannsschlacht“, 1937 auch als Festaufführung in der Reichstheaterwoche „Genie ohne Volk“ mit Werner Krauß. Nach dieser Inszenierung wurden Radierungen angefertigt, die in Buchform im Januar 1937 Adolf Hitler übergeben wurden.[3]
Obwohl Propagandaminister Joseph Goebbels seine schützende Hand über Iltz hielt,[4] bekam Iltz Schwierigkeiten mit den Nationalsozialisten, da er sich bereits 1932 den Forderungen der Düsseldorfer NSDAP-Leitung nach einem "deutschen Spielplan" und einem "deutschen Ensemble" entgegen gestellt und sich jede Einflussnahme verbeten hatte. [5] Der Eintritt in die NSDAP wurde ihm durch die Ortsgruppe Düsseldorf-Pempelfort verwehrt, da ihm »liberalistisch-marxistischen Gesinnung« vorgeworfen wurde und dass er sich nicht hinreichend „mit dem NS-Geiste in Einklang gebracht habe“.[6]. 1933, anlässlich des 50. Todestages von Richard Wagner wurde Iltz und der Oper in einer Pressekampagne der jüdischen Dirigent Jascha Horenstein zum Vorwurf gemacht und Iltz aufgefordert, siene "Einstellung" zu ändern: „Leider hat Herr Horenstein die Weihestunde dirigiert. Wir müssen sagen ‚leider’, denn es ist unerhört, daß das deutsche Theater in Düsseldorf für eine Wagnerfeier keinen deutschen Diri- genten findet, daß man hierzu Herrn Sascha (!) Horenstein bemühen muß. (...) Oberbürgermeister Lehr und Generalintendant Iltz werden sich noch umstellen müssen, sonst wird hier eines Tages auf irgend eine Weise doch dafür gesorgt werden müssen, daß im deutschen Düsseldorf wirklich deutscher Geist und deutsche Kultur in allen Zweigen zur Geltung kommt.“ (Volksparole, 13. Februar 1933) Anfang März 1933 schließlich belagerte eine SA-Einheit die letzte Aufführung Horensteins, Ludwig van Beethovens „Fidelio“ und verlangte die sofortige Absetzung des Dirigenten. Er wurde beurlaubt und musste Düsseldorf verlassen. [7]
1933 weigerte sich Iltz, die „Personalpolitik“ der NSDAP durchzuführen, denn, so seine Begründung, „gerade in den reproduzierenden Künsten gibt es zahlreiche Juden, die mit aufrichtiger Liebe und Bewunderung dem deutschen Wesen zugetan sind, und die sich in den Dienst deutscher Kunstwerke stellen.“ Iltz wurde 1937 von Reichstheaterkammer-Mitglied Otto Kraus abgelöst.
Deutsches Volkstheater Wien
1938 ging Iltz nach Wien, wo er Intendant des Deutschen Volkstheaters wurde, das als erstes Theater in das NS-Freizeitprogramm „Kraft durch Freude“ eingegliedert wurde. Nach den Wünschen des nationalsozialistischen Regimes sollte das Volkstheater dem Massenkonsum dienen. Walter Bruno Iltz richtete seinen Spielplan genau nach der „Reichsdramaturgie“ des Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda in Berlin: von den 21 Premieren der ersten Saison waren 3 Klassiker, 4 Tendenzstücke, 7 deutsche Gegenwartsdramen, meist Komödien, 5 ältere Stücke und 2 ausländische Werke. Vier Ur- und zwei Erstaufführungen zeigen Iltzs Ambition zu neuen Stücken.[8] Iltz gelang es, am Haus ein ruhiges Klima zu schaffen, sein Ensemble in Kriegszeiten sogar zu schützen. Er engagierte O. W. Fischer, Curd Jürgens, Gert Fröbe, Paul Hubschmid, später Judith Holzmeister und Inge Konradi, dazu kamen Dorothea Neff, Annie Rosar, Lotte Lang und Robert Lindner. Iltz eröffnet am 7. Oktober 193 mit Schillers „Die Räuber“ in eigener Regie und mit dem Bühnenbild des jungen Gustav Manker. Die zweite Saison eröffnete Walter Bruno Iltz – die fünfzigste seit Bestehen des Deutschen Volkstheaters – mit der Uraufführung des Historiendramas „Der Komet“ von Rudolf Kremser mit O. W. Fischer als Kurfürst Moritz von Sachsen, Curd Jürgens als Kurfürst von Brandenburg und Gert Fröbe als Markgraf von Brandenburg. Zum 50-jährigen Jubiläum des Deutschen Volkstheaters inszenierte Iltz im Februar 1940 Franz Grillparzers Österreich-Drama „König Ottokars Glück und Ende“. Anlässlich der Grillparzer-Festwoche 1941 inszenierte Iltz Franz Grillparzers „Ein treuer Diener seines Herrn“ mit Eduard Wandrey, Dorothea Neff und O. W. Fischer. Als Schillers „Jungfrau von Orleans“ debütierte im März 1942 in der Regie von Iltz die 22-jährige Judith Holzmeister am Deutschen Volkstheater, neben ihr spielten O. W. Fischer den Lionel und Egon von Jordan den Dauphin. Die Inszenierung von Iltz sah in dem Stück weniger das nationale Schauspiel als die religiöse Legende. Mit Friedrich Hebbels „Demetrius“ erfüllte sich Intendant Walter Bruno Iltz 1942 einen persönlichen Wunsch, für den er bei der „Reichsdramaturgie“ um eine Sondergenehmigung ansuchen muss, da seit dem Russlandfeldzug sämtliche russischen Stoffe verboten waren.
In den Jahren 1942 bis 1944 kamen Stücke zur Aufführung, die sogar eine eindeutige oppositionelle Haltung zum Regime erkennen ließen. Das hing mit dem internen Führungsstil des Intendanten Walter Bruno Iltz zusammen, der nach dem Abgang des betont nationalsozialistisch agierenden Oberspielleiters Erhard Siedel den Regisseur und Schauspieler Günther Haenel engagierte. Um Haenel scharte sich bald ein Kreis von Künstler, die dem NS-Regime ablehnend gegenüberstanden und dies auch vorsichtig auf der Bühne zum Ausdruck zu bringen bereit waren. Übereinstimmend berichteten Zeitzeugen wie Inge Konradi, Gustav Manker und Judith Holzmeister dass es ihm gelungen sei, diese Absicht in die Praxis umzusetzen. In den letzten Kriegsjahren formulieren die Aufführungen von G. B. Shaws „Die heilige Johanna“ und Ferdinand Raimunds „Der Diamant des Geisterkönigs“, beide in der Regie von Günther Haenel und im Bühnenbild Gustav Mankers, für aufmerksame Zuschauer an Itzs Theater einen erkennbaren theatralischen Widerstand. Ende April 1944 kam es durch Haenel und Manker bei dem Zaubermärchen „Der Diamant des Geisterkönigs“ für das „Land der Wahrheit und der strengen Sitte“, in dem tatsächlich aber nur Lügnerinnen zu finden sind, zu einer Parodie verschiedener stilistischer Details im Nazi-Deutschland der Gegenwart. Das Bühnenbild erinnerte an die neoklassizistische NS-Architektur, das Land der Wahrheit erschien in Haenels Inszenierung wie eine übersteigerte „Endversion des nationalsozialistischen Paradieses“.[9] Der Darsteller des Veritatius, Karl Kalwoda, legte seine kühne Interpretation sogar als eine Parodie von Adolf Hitler an. In den letzten beiden Jahren der Direktion Walter Bruno Iltz änderte sich der Spielplan am Deutschen Volkstheater, Iltz zeigte mehr Mut und Einsatz abseits der NS-Normen. Neue deutsche Stücke minderer Qualität verschwanden zugunsten literarisch hochwertiger, wenn auch in Parteikreisen umstrittener Werke, vom Spielplan. Als Alibi dienten Ilz jeweils zwei Tendenzstücke pro Saison[8].
Die Bedeutung von Walter Bruno Iltzs liberaler Haltung als Intendant des Deutschen Volkstheaters während der Nazizeit und seine Einstellung zum Ensemble erklärte die Schauspielerin Inge Konradi so: „Daß das Volkstheater eine Insel für uns war, ist dem großen Einsatz und Mut von Walter Bruno Ilz zu verdanken. Man müsste ihn eigentlich auf ein Podesterl stellen, denn er war der Lebensretter des Volkstheaters. Er hat viele belastete Künstler an seinem Haus gehabt, sie über den Krieg hin beschützt und viele unkündbare Stellungen erreicht. Er hat genau gewusst welches Risiko er eingeht, wenn er Haenel mit der Regie für ‚Die heilige Johanna‘ und ‚Der Diamant des Geisterkönigs‘ beauftragt. Sein persönlicher Mut besitzt Seltenheitswert.“[8]
Nachkriegszeit
Iltz wurde nach dem Krieg 1946 bis 1947 Intendant des Nürnberger Theaters, sein Vertrag sollte bis 31. August 1947 andauern, jedoch entzog die amerikanische Militärregierung Iltz die ursprünglich von ihr erteilte Lizenz bereits zum 15. Februar 1947.
Von 1947 bis 1951 war Iltz Intendant des Staatstheaters in Braunschweig und machte es zum bestbesuchten Theater Westdeutschlands. Am 14. November 1950 verständigte Intendant Iltz seine vorgesetzte Dienststelle, repräsentiert durch Regierungsdirektor Wolf, Verbindungsmann zwischen dem Verwaltungsbezirk Braunschweig und dem niedersächsischen Kultusministerium in Hannover, daß er auf eine eventuell beabsichtigte Verlängerung seines Vertrages keinen Wert lege und gab nach Kompetenzproblemen mit dem Generalmusikdirektor Eugen Szenkar als Grund an: "Weil mir die Möglichkeit genommen wird, meinen Aufgaben als Intendant gerecht zu werden." [10]
Die Düsseldorfer Stadtverwaltung holte 1951 Walter Bruno Iltz nach Düseldorf, er wurde als Generalintendant der „Städtischen Bühnen Düsseldorf" berufen [11], als Gustav Gründgens 1951 mit der Gründung der „Neuen Schauspiel-Gesellschaft mbH" sich auf das Sprechtheater beschränkte und weiterhin Intendant des Schauspiels blieb. [12] Am 6. April 1951 kam es zum Abschluss des Vertrages mit Bruno Walter Iltz als Generalintendant der Städtischen Bühnen. [13], Gründgens blieb bis 1955 am Haus. Wichtige Premiere unter Iltz' Leitung war Igor Strawinskys The Rake's Progress.
Iltz starb 1965 im oberbayerischen Rottach-Egern am Tegernsee.
Literatur
- Evelyn Schreiner (Hrsg.): 100 Jahre Volkstheater. Theater, Zeit, Geschichte. Jugend und Volk, Wien 1989, ISBN 3-224-10713-8.
- Oliver Rathkolb: Führertreu und Gottbegnadet. ÖBV, Wien 1991, ISBN 3-215-07490-7 (Kapitel Das Deutsche Volkstheater unter Walter Bruno Iltz.).
- Paulus Manker: Der Theatermann Gustav Manker. Brandstätter, Wien 2010, ISBN 978-3-85033-335-1.
Einzelnachweise
- ↑ Heinz Schöffler (Hrsg.): Der Jüngste Tag. Die Bücherei einer Epoche. Faksimile-Ausgabe. Scheffler, Frankfurt am Main, 1970 (Band 1) und 1972 (Band 2)
- ↑ Jascha Horenstein http://www.classical.net/music/performer/horenstein/index.php
- ↑ Zentrales Staatsarchiv Potsdam, Reichsministerium für Propaganda und Volksaufklärung, Band 141.
- ↑ Oliver Rathkolb: Führertreu und Gottbegnadet. ÖBV, Wien 1991, ISBN 3-215-07490-7 (Kapitel Das Deutsche Volkstheater unter Walter Bruno Iltz.).
- ↑ Winfried Hartkopf, Winrich Meiszies, Michael Matzigkeit, Bilanz Düsseldorf '45: Kultur und Gesellschaft von 1933 bis in die Nachkriegszeit. Grupello, 1992
- ↑ Paulus Manker: Der Theatermann Gustav Manker. Brandstätter, Wien 2010, ISBN 978-3-85033-335-1.
- ↑ Zum Wirken des Dirigenten Jascha Horenstein in Düsseldorf (1928-1933) http://www.ns-gedenkstaetten.de/fileadmin/files/d_mug_Jahresbericht_2009.pdf
- ↑ a b c Evelyn Schreiner (Hrsg.): 100 Jahre Volkstheater. Theater, Zeit, Geschichte. Jugend und Volk, Wien 1989, ISBN 3-224-10713-8.
- ↑ Paulus Manker: Der Theatermann Gustav Manker. Brandstätter, Wien 2010, ISBN 978-3-85033-335-1.
- ↑ Der Spiegel, 17. Januar 1951 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-29191908.html
- ↑ Wolfgang Horn, Rolf Willhardt, Rheinische Symphonie: 700 Jahre Musik in Düsseldorf. G. Horn, 1987
- ↑ Hans Hubert Schieffer, Hermann-Josef Müller, Jutta Scholl, Neue Musik in Düsseldorf seit 1945, ein Beitrag zur Musikgeschichte und zum Musikleben der Stadt. Musikbibliothek der Stadtbüchereien Düsseldorf, 1998
- ↑ Düsseldorfer Stadtchronik 1951 http://www.duesseldorf.de/stadtarchiv/stadtgeschichte/chronik/1951.shtml
Personendaten | |
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NAME | Iltz, Walter Bruno |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Regisseur und Theaterdirektor |
GEBURTSDATUM | 17. November 1886 |
GEBURTSORT | Praust bei Danzig |
STERBEDATUM | 5. November 1965 |
STERBEORT | Rottach-Egern |