Politisches System Syriens

Überblick über das politische System in Syrien
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Das Politische System Syriens ist geprägt von einem marxistisch beeinflussten Regierungssystem sowie dem autoritären Führungsstil des alawitischen Präsidenten Baschar al-Assad, und hat die Merkmale einer Diktatur.

Syrien ist von der Staatsform her eine präsidiale Volksrepublik und hat ein Blockparteiensystem als Regierungsform, welches von der Arabischen Sozialistischen Baath-Partei als Einheitspartei dominiert wird. Nominell ist Syrien eine Demokratische Sozialistische Republik.

Seit 1948 befindet sich Syrien im Kriegszustand mit Israel und seit 1963, also seit der gewaltsamen Machtübernahme der Baath-Partei, herrscht im Land der Ausnahmezustand.[1] Die kleine unorthodoxe Religionsgemeinschaft der muslimischen Alawiten – die nur sechs Prozent der Bevölkerung stellt – ist in sämtlichen Führungspositionen (Posten in Militär, Staat und Wirtschaft) überproportional repräsentiert.[2]

Verfassung

1973 wurde eine neue Verfassung verabschiedet, in der die Position des Staatspräsidenten weiter aufgewertet wurde. Des Weiteren sollte die Schari’a fortan eine der Hauptgrundlagen der Gesetzgebung sein (sie wurde zuvor als einfache Quelle für die Legislative bezeichnet). Dies folgte auf den gescheiterten Versuch Assads, in Syrien eine Verfassung ohne jegliche religiöse Elemente, d.h. streng laizistisch einzuführen und den Staat in eine Volksrepublik umzubenennen, was in der Bevölkerung auf großen Widerstand stieß, da dies vor allem eine weitere Annäherung an den Ostblock und die Möglichkeit eines christlichen Präsidenten bedeutet hätte, wo doch schon dem Alawiten Assad Misstrauen entgegengebracht wurde. Im neuen Verfassungsentwurf wurde daher wieder festgelegt, dass der Staatspräsident Muslim sein muss, um die Bevölkerungsmehrheit der Sunniten zu beruhigen, denen die Alawiten, zu denen auch al-Assad gehört, zu mächtig geworden waren.

Nach der syrischen Verfassung von 1973 sind die Führungspositionen innerhalb des Staates und der Gesellschaft der Arabischen Sozialistischen Baath-Partei vorbehalten.

Die Verfassung des Landes bestimmt den Islam formal zwar nicht zur Staatsreligion, sie verlangt aber, dass der Staatspräsident Syriens Muslim sein muss. Dieser Präsident ist offiziell mit sehr weitgehenden, nahezu diktatorischen Vollmachten ausgestattet.[3]

Regierungssystem

Amt Person Partei Antritt
Präsident Baschar al-Assad Baath 17. Juli 2000
Premierminister Muhammad Naji al-Otari Baath 10. September 2003
Parlamentspräsident Mahmoud al-Abrasch Baath
Außenminister Walid al-Mu'allim Baath Februar 2006


Der Staatspräsident der Arabischen Republik Syrien hat sehr weitgehende Vollmachten. Der Präsident, der alle sieben Jahre von Volk bestätigt werden muss, ist das oberste Exekutivorgan und gleichzeitig Generalsekretär der Baath-Partei sowie Führer der Nationalen Progressiven Front (französisch Front national progressiste, Abkürzung FNP). Nur er hat das Recht, Minister zu ernennen, den Krieg zu erklären, den Ausnahmezustand auszurufen und Gesetze anzufertigen – die vom Rat des Volkes ratifiziert werden müssen, solange der Ausnahmezustand nicht gilt. Zudem kann er Amnestie gewähren, die Verfassung abändern und Staatsbeamte sowie das Militärpersonal einberufen.

Der langjährige Präsident Hafiz al-Assad wurde fünfmal ohne Gegenkandidaten in Plebisziten in seinem Amt bestätigt. Der derzeitige Staatspräsident Baschar al-Assad, der zugleich sein Sohn ist, wurde im 17. Juli 2000 in einem Referendum – dieses Mal ebenfalls ohne Gegenkandidaten – in sein Amt gewählt. Am 27. Mai 2007 wurde mit angeblich 97 % der Wählerstimmen erneut bestätigt.[4]

Gemeinsam mit der Nationalen Progressiven Front (FNP) entscheidet der Präsident die Angelegenheiten des Krieges sowie des Friedens und bewilligt die wirtschaftlichen Fünfjahrespläne des Staates. Die FNP agiert und dient zugleich als Forum, in welchem die Wirtschaftspolitik des Landes debattiert und die politische Orientierung des gesamten Staates festgelegt wird. Trotz dessen hat die NPF aufgrund der starken Dominanz der Baath-Partei traditionell einen nur sehr geringen Handlungsspielraum.

Parlament

Der syrische Rat des Volkes (Majlis al-Sha’ab) hat insgesamt 250 Mitglieder, die für einen Zeitraum von 4 Jahren von 15 mehrsitzigen Wahlkreisen aus gewählt werden. Der Rat des Volkes kann keine Gesetzesentwürfe einbringen, es darf die vom Präsidenten erlassenen Gesetze lediglich kritisieren und dann modifizieren.[5]

Syrien ist ein Einparteienstaat und nur einer politischen Partei, der Arabischen Sozialistischen Baath-Partei ist es gewährleistet, die Machtposition zu halten. Von den 250 Abgeordnetensitzen sind automatisch 167 für die Nationale Progressive Front (französisch Front national progressiste, Abkürzung FNP), die im Jahr 1972 gegründet wurde, reserviert. Von diesem sind wiederum 134 automatisch Mitglieder der Baath-Partei. Anderen politischen Parteien innerhalb der FNP (zumeist Kleinparteien) ist es nicht gestattet, Wahlkampagnen für die Unterstützung innerhalb der Armee oder der Studentenschaft zu betreiben, da diese „ausschließlich für die Baath-Partei reserviert“ sind.[6]

Die Baath-Partei selbst betont den Sozialismus und den säkularen Panarabismus. Obwohl die Baath-Partei eine eher nationale als ethnische Identität Syriens zu bilden versucht, bleiben religiöse und regionale Loyalitäten sowie Clan- und Stammesstrukturen weiterhin bestehen.

Rechtsprechung

Die Rechtsgrundlage der Verfassung ist laut Artikel 3 die Schari’a als Hauptquelle der Gesetzgebung. Die Islamische Jurisprudenz wird weiterhin als grundlegende Instanz für die Regierungsführung abverlangt.[3]

Das Rechtssystem in Syrien ist ein durchmischtes Amalgam von türkischen, französischen und islamischen Gesetzen, mit drei Ebenen der Gerichte: Die Gerichte der ersten Instanz, Beschwerdegerichte und das Verfassungsgericht, dem höchsten Tribunal. Als Zusatz behandeln religiöse Gerichte Fragen des persönlichen Rechts und des Familienrechts.[7] Das anwendbare Ehe- und Familienrecht bestimmt sich in Syrien nach der Religionszugehörigkeit. Auf Moslems ist die Schari’a anwendbar. Für katholische Christen ist der codex iuris canonici maßgeblich.

Verwaltung

Ursprünglich war Syrien – als es noch Teil des französischen Völkerbundsmandates für Syrien und den Libanon war – entsprechend der jeweiligen ethnischen und religiösen Siedlungsgebiete gegliedert. So gab es einen Staat der Nusairier (französisch État des Alaouites) im Westen und einen Staat der Drusen (französisch État du Djebel druze) im Süden. Syrien ist seit der Verwaltungsreform im Jahre 1987 in 14 Gouvernements (arabisch muhafazat, singular: muhafazah) unterteilt, die nach der jeweiligen Hauptstadt benannt sind:

  1. Madinat Dimaschq (Stadt Damaskus)
  2. Rif Dimaschq
  3. Al-Qunaitira
  4. Dar'a
  5. as-Suwaida
  6. Homs
  7. Tartus
  8. Latakia
  1. Hama
  2. Idlib
  3. Aleppo
  4. Ar-Raqqa
  5. Dair az-Zaur
  6. al-Hasaka
 
Verwaltungsgliederung Syriens

Der Bezirk Qunaitra (Kuneitra) auf den Golanhöhen ist allerdings seit 1967 größtenteils von Israel besetzt. Die Region um Iskenderūn (Alexandrette), bis zur Eingliederung in die Türkei Sandschak Alexandrette genannt, gehört seit 1939 zur Türkei, wird allerdings ebenfalls von Syrien beansprucht.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Syrien (05/07)
  2. Auswärtiges Amt: Innenpolitik und Religion in Syrien
  3. a b Verfassung Syriens vom 13. März 2003: Gesetzestext
  4. Wright, Dreams and Shadows, (2008), Seite 261, englisch
  5. Wright, Dreams and Shadow, 2008, englisch, Seite 224
  6. Seale, Patrick, Asad, the Struggle for the Middle East, University of California Press, 1989, S. 176
  7. Vorb. zu Art. 13ff. EG in Staudinger, Kommentar zum BGB

Literatur

  • Ismail Küpeli: Ibn Khaldun und das politische System Syriens – Eine Gegenüberstellung, München, 2007.
  • Raymond Hinnebusch: State, Civil Society, and Political Change in Syria, in: A.R. Norton: Civil Society in the Middle East, Leiden, 1995.
  • Raymond Hinnebusch: The Political Economy of Economic Liberalization in Syria, in: International Journal of Middle East Studies, Vol. 27 – Nr. 3, August 1995, S. 305–320.
  • Moshe Ma’oz / Avner Yaniv (Ed.): Syria under Assad, London, 1986.
  • Nikolaos van Dam: The Struggle for Power in Syria, London, 1981.