Die "Strukturgüte" eines Gewässers ist ein Maß, mit dem im Rahmen standardisierter Bewertungsverfahren die morphologische Ausprägung eines Gewässerlaufs nach ihrer Naturnähe bewertet wird. Laufparameter wie Breite und Tiefe, Uferform, Sohlmaterial usw. werden dabei als "Gewässerstruktur" zusammengefasst. Die Bewertung der Strukturgüte ist nur für Fließgewässer definiert.
Hintergrund der Strukturgüte-Bewertung war die Beobachtung, dass sich bei der Verbesserung der Wasserqualität der Fließgewässer, insbesondere der "saprobiellen" Wasserqualität, mit der die Verschmutzung mit organischen, sauerstoffzehrenden Substanzen anhand der Lebensgemeinschaft gemessen wird, nicht in allen Fällen die reichhaltige ursprüngliche Lebensgemeinschaft regenerieren konnte, wie dies angenommen worden war. Dadurch wurde der Blick auf die morphologische Vergelenkt. Fließgewässer in der Kulturlandschaft sind in der Regel morphologisch stark verändert worden, in dem sie z.B. begradigt wurden. Meist wurde der Lauf festgelegt, die Sohle abgesenkt, Sohle und Ufer oft durch technischen Verbau befestigt. Die Auswirkungen dieser morphologischen Degradation waren jahrzehntelang durch die Auswirkungen der saprobiellen Verschmutzung überprägt und dadurch verdeckt worden. Es kam der Wunsch auf, zur Messung dieser morphologischen Veränderungen ein Bewertungsverfahren zur Hand zu haben, welches dem lange eingeführten Saprobiensystem zur Messung der organischen Verschmutzung analog ist. Hierzu wurden Strukturgüteklassen definiert, welche den Belastungsstufen des Saprobiensystems (den Güteklassen) entsprechen sollen.
Die Strukturgüteklasse ist also eine Einstufung von Fließgewässern in eine siebenstufige Skala, mit der Aussagen zu Strukturen am Gewässer getroffen und damit ein Maß der Natürlichkeit angegeben werden kann. Die sieben Stufen entsprechen der siebenstufigen Skala des Saprobiensystems und werden in Kartendarstellungen mit dem hier eingeführten Farbcode dargestellt. Für die Einstufung in eine Strukturgüteklasse werden Parameter mit einer Indikations- und Bewertungsrelevanz bezüglich der eigendynamischen Prozesse im und am Gewässer ausgewählt (Gewässerbett- und Auendynamik).
Für die Gewässerbettdynamik sind dies:
- Linienführung,
- Querbauwerke,
- Abflussregelung,
- Uferverbau,
- Gehölzsaum/Röhrichte.
Zur Beurteilung der Auendynamik werden erhoben:
- Auenutzung,
- Ausprägung der Uferstreifen,
- Hochwasserschutzbauwerke,
- Ausuferungsvermögen.
Beschreibung der Hauptparameter der Gewässerstruktur
Talform
Hierbei wird unterschieden in Kerb-, Sohlen-, Sohlenkerb-, Mäander-, Mulden- und Auetalgewässer. Die Talform ist abhängig von der naturräumlichen Umgebung des Gewässers. Je nach Ökoregion gibt es unterschiedliche typische Talformen im Flach- und im Bergland.
Laufentwicklung
Dieser Parameter beinhaltet die Einzelparameter Laufkrümmung, Krümmungserosion, Längsbänke sowie die besonderen Laufstrukturen. Es gibt von Natur aus eindeutige physikalische Größen, die die Laufkrümmung der meisten Fließgewässer verursachen und beeinflussen, was mit einer gewissen Erosion verbunden ist. Die Laufkrümmung ist wesentlich vom Talgefälle abhängig. Dabei weisen vor allem Fließgewässer im Flachland einen mäandrierenden Lauf auf. Da der Mensch zur Nutzung der Auen wesentlich in das Laufverhalten der Gewässer eingegriffen hat, wurden viele Gewässer begradigt. Laufkrümmung und Krümmungserosion sind damit wichtige Eigenschaften zur Beschreibung von naturnahen Gewässern, werden dadurch doch eine Laufverlängerung und eine geringere Hochwassergefahr bewirkt. Typische Merkmale der Krümmungserosion sind Prall- und Gleithänge an den Ufern.
Längsbänke sind ein Zeichen für einen ausgeglichenen Geschiebehaushalt des Gewässers. Sie entstehen durch die korngrößenabhängige Sedimentation im Gewässer. Zu den Längsbänken zählen Ufer-, Krümmungs-, Insel- und Mündungsbänke. Treibholzverklausungen, Sturzbäume, Inselbildungen, Laufgabelungen, Laufweitungen und Laufverengungen werden den besonderen Laufstrukturen zugeordnet. Diese zeigen, dass das Gewässer ein hohes morphologisches Entwicklungsvermögen besitzt und das Gewässer nicht durch einen anthropogenen Ausbau behindert ist .
Querprofil
Dieses wird beschrieben durch die Profiltiefe und die Breitenvarianz. Von Natur aus weisen viele Gewässer ein relativ flaches und breites Gewässerbett auf, was eine geringe Hochwasserkapazität zur Folge hat. Anthropogene Veränderungen des Gewässers führen zu einer höheren Profiltiefe, was eine verstärkte Tiefenerosion verursacht. Die Breitenerosion wirkt der Tiefenerosion entgegen. Die Breitenvarianz zeichnet sich durch einen häufigen Wechsel zwischen breiten, flachen und engeren, tiefen Gewässerabschnitten aus. Auch die Merkmalsausprägug einer hohen Breitenvarianz begünstigt die Dämpfung von Hochwasserwellen.
Sohlstruktur
Dieser Parameter beinhaltet die Substratdiversität sowie besondere Sohlenstrukturen. Das Sohlensubstrat ist abhängig von unterschiedlichen Strömungen in einem Gewässer. Dabei wird nach Korngrößen selektiert, wobei grobes Material bei großen Fließgeschwindigkeiten und feines Material in ruhigeren Gewässerabschnitten sedimentiert und akkumuliert wird. Eine hohe Substratdiversität spiegelt zugleich eine hohe Aktivität des Gewässers wider. Zu den besonderen Sohlenstrukturen zählen unter anderem Kolke, Tiefrinnen, Stillwasserpools, Wurzelflächen, Flachwasser, Schnellen und Kaskaden. Diese entstehen durch Akkumulation bzw. Erosion von Sohlenmaterial. Durch diese Formelemente werden Strömungsunterschiede erhalten bzw. verstärkt. Wie im Falle der biologischen Gewässergüte erfolgt die Einstufung der Strukturgüte der untersuchten Gewässerabschnitte in eine von sieben Güteklassen:
- Güteklasse I: unveränderte Gewässerabschnitte (naturnah),
- Güteklasse II: gering veränderte Gewässerabschnitte (bedingt naturnah),
- Güteklasse III: mäßig veränderte Gewässerabschnitte (mäßig beeinträchtigt),
- Güteklasse IV: deutlich veränderte Gewässerabschnitte (deutlich beeinträchtigt),
- Güteklasse V: stark veränderte Gewässerabschnitte (merklich beeinträchtigt),
- Güteklasse VI: sehr stark veränderte Gewässerabschnitte (stark geschädigt),
- Güteklasse VII: vollständig veränderte Gewässerabschnitte (übermäßig geschädigt).
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Länderarbeitsgemeinschaft Wasser, Gewässerstrukturgütekartierung in der Bundesrepublik Deutschland – Verfahren für kleine und mittelgroße Fließgewässer, Schwerin, 2000