Soziologie

Wissenschaft der empirischen und theoretischen Erforschung sozialen Verhaltens und gesellschaftlichen Wandels
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Soziologie ist eine Sozialwissenschaft, die sich nicht auf spezifische Themengebiete (wie etwa die Politikwissenschaft oder die Wirtschaftswissenschaften) festgelegt hat, sondern den Anspruch hat, mit einer Reihe von soziologischen Methoden das soziale Zusammenleben in Gemeinschaften und Gesellschaften zu erforschen. Dazu fragt die Soziologie nach dem Sinn und den Strukturen des sozialen Handelns sowie nach den damit verbundenen Normen und untersucht einzelne soziale Gebilde (bzw. Systeme, Institutionen, Gruppen und Organisationen). Zugleich wirft sie ihren Blick auf den sozialen Wandel, dem diese unterliegen.

Der Anspruch der Soziologie kommt in Max Webers Definition einer verstehenden und zugleich erklärenden Soziologie (§ 1, Wirtschaft und Gesellschaft) zum Ausdruck. Demnach ist Soziologie "eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will".

Konkrete Themen, mit denen sich die Soziologie beschäftigt, sind beispielsweise Arbeit, Migration, Geschlecht, soziale Netzwerke, Sexualität, Alltag und Lebenswelt. Für viele dieser Themen haben sich spezielle Soziologien etabliert (s.u.), andere -- wie etwa die allgemeine Frage nach den Wechselwirkungen von Handeln und Struktur -- sind Thema der allgemeinen Soziologie. Auch überschneiden sich die soziologischen Fragestellungen hier oft mit denen der Sozialpsychologie und mit anderen Sozialwissenschaften.

Innerhalb der Wikipedia findet sich das Portal Soziologie , zudem eine Liste soziologischer Artikel und eine Liste von Soziologinnen und Soziologen, ferner eine Liste bahnbrechender soziologischer Publikationen, sowie auch dieser Beitrag Soziologe.

Geschichte der Soziologie

Für eine ausführlichere Darstellung siehe Geschichte der Soziologie.

Als eine eigenständige Wissenschaft gibt es die "Soziologie" erst seit Ende des 19. Jahrhunderts. Ihre Entstehungsgeschichte ist eng mit der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft im Europa des 19. Jahrhunderts sowie mit der fortschreitenden Industrialisierung verbunden.

Als Begründer der Soziologie als eigenständige Wissenschaft gilt Auguste Comte. Die Soziologie im heutigen Sinne wird jedoch insbesondere auf Max Weber und Émile Durkheim zurückgeführt.

Vorläufer der Soziologie sind in der Geschichtswissenschaft, der Nationalökonomie, aber auch im Journalismus und in den Policeywissenschaften zu sehen. Unmittelbare Vorläufer der Soziologie wie Karl Marx werden heute ebenfalls als soziologische Klassiker verstanden.

Doch hatten auch schon ältere Autoren Werke stark soziologischen Charakters geschrieben, etwa Xenophón, Polýbios, Ibn Khaldun, Giambattista Vico und Adolph Freiherr Knigge.

Gliederungen der Soziologie

Soziologische Theorien

Soziologie war nie eine Wissenschaft mit nur einem Paradigma. So lassen sich in der heutigen deutschsprachigen Soziologie mindestens vier große Ansätze unterscheiden.

  • Der Rational Choice-Ansatz (bekannter Vertreter dieser Richtung: Hartmut Esser), auch als methodologischer Individualismus bezeichnet, führt Aggregatphänomene auf die Entscheidungen und das dementsprechende Handeln einzelner Individuen zurück und geht davon aus, dass hier rationale Wahlen auffindbar sind. Zwischen RC-Ansatz, quantitativer Methodologie und ökonomischer Theorie herrschen gewisse Affinitäten vor.
  • Weiterhin einflussreich ist die Kritische Theorie, die inzwischen durch eine Nähe zum (französischen) Poststrukturalismus gekennzeichnet ist.
  • Als eine dritte große und insbesondere im deutschsprachigen Raum einflussreiche Schule lässt sich die soziologische Systemtheorie im Gefolge von Talcott Parsons und Niklas Luhmann nennen. Soziologie moderner Gesellschaften wird hier nicht als eine Wissenschaft verstanden, die individuelles Handeln betrachtet. Gesellschaft wird vielmehr auf Kommunikationen und Nicht-Kommunikationen in sozialen Teilsystemen zugeschnitten.
  • Zu nennen ist schließlich eine Vielzahl von Arbeiten, die sich grob einem interpretativen und qualitativ-rekonstruktiven Paradigma zuordnen lassen. Ausgehend von Phänomenologie und Pragmatismus stehen hierbei subjektive Sinnqualitäten und die Rekonstruktion der Entstehungsbedingungen, Verläufe und Konsequenzen sozialer Praktiken im Vordergrund.

Gliederung nach der Ebene sozialer Phänomene

Eine häufig vorzufindende Unterteilung der Soziologie unterscheidet zwischen dem Blick auf Gesellschaften (Makrosoziologie) und dem Blick auf das individuelle Handeln (Mikrosoziologie). Daneben wird teilweise eine Mesosoziologie als Soziologie einer intermediären Ebene, in der Handeln und soziale Systeme zusammentreffen, angeführt.

Mikrosoziologie (Individuum, Interaktion, Handeln)

Mesosoziologie

Makrosoziologie (Kollektiv, Gesellschaft, System, Struktur)

Soziologische Methoden

Um eine der Soziologie angemessene Methodik wurde seit den Anfängen der Disziplin im so genannten Methodenstreit gerungen. Das methodische Instrumentarium der Soziologie lässt sich wie folgt gliedern:

Allgemeine und spezielle Soziologien

Schließlich lassen sich Themenbereiche der Soziologie auch danach unterscheiden, ob sie der allgemeinen Soziologie zuzurechnen sind, also generelle Gültigkeit beanspruchen, oder ob es sich dabei um Themen einer speziellen Soziologie handelt.

Allgemeine Soziologie

Der Allgemeinen Soziologie werden die für das Fach wichtigen theoretischen Ansätze und auch Sachgebiete wie das Verhältnis von Akteur und Gesellschaft bzw. Person und sozialem System, sowie die Struktur und der Wandel von Gesellschaften/sozialen Systemen zugerechnet. Themen der Allgemeinen Soziologie sind u.a. soziales Handeln und soziale Beziehung, soziale Ungleichheit, Gruppen, Sozialisation, sozialer Wandel, Soziale Mobilität, Methoden der empirischen Forschung, soziale Rollen, Tausch, Klasse, Elite, Macht und Herrschaft etc.

Spezielle Soziologien

Spezielle Soziologien - informell auch Bindestrichsoziologien genannt - befassen sich mit den Strukturen und Prozessen gesellschaftlicher Teilsysteme oder institutioneller Bereiche der Gesellschaft. Zu den wichtigisten speziellen Soziologien gehören Arbeitssoziologie, Familiensoziologie, Politische Soziologie. Durch die zunehmende Differenzierung auch der Soziologie selbst bilden sich laufend weitere spezielle Soziologien. Eine ausführliche Auflistung siehe Liste spezieller Soziologien.

Angewandte Soziologie

Der Erfolg einer soziologischen Theorierichtung ist nicht nur von ihrer intellektuellen Tüchtigkeit und wissenschaftlichen Bedeutung abhängig, sondern -- wissenschaftssoziologisch gesehen -- durchaus auch von der Nachfrage nach soziologischer Beratung durch den Markt beziehungsweise durch die Politik.

Hier wird in der Soziologie am meisten in den Bereichen der Markt- und Wahlforschung verdient, was die Entwicklung der quantitativen Methoden (Statistik) und der an die Naturwissenschaften angelehnten Theorieansätze relativ begünstigt - die Fragen sind meist eingeschränkt und auf die allernächste Zukunft bezogen. Hier kam es (zuerst in den USA, seit den späten 1940er Jahren auch in Deutschland) zur Gründung von Umfragefirmen und Meinungsforschungsinstituten.

Mit den Auswirkungen gesellschaftlicher Prozesse auf die Raumstruktur befasst sich die Stadtsoziologie (vgl. auch Sozialer Raum). (Dabei wird häufig auch mit Methoden der Geographie gearbeitet.)

Einige spezielle Soziologien (Militär-, Medizin-, Sport- und Katastrophensoziologie) sind einigermaßen auf Beratung eingestellt, nicht aber mehr die Industriesoziologie, seit ab den 1970er Jahren das Fach aus den "Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen" Fakultäten (Fachbereichen) in die Philosophischen hinüber gewandert ist.

Diktaturen haben vor allem vor einer die Mentalität der Bevölkerung berücksichtigenden und darüber Auskunft gebenden Soziologie Angst; bei besonderem (dann oft geheimem) Beratungsbedarf erlauben sie gelegentlich soziologische Fragestellungen (sehr typisch in der DDR im Bereich der Stadt- und Jugendsoziologie).

Einführende Bücher in die Soziologie

  • Abels, Heinz - Einführung in die Soziologie; 2.Aufl. Wiesbaden 2004
In zwei Bänden wird in kleinen Textauszügen in soziologisches Denken, mit dessen Problemen und Begriffen für jeden Interessierten und Erstsemestler eingeführt. Jedes Kapitel dreht sich um einen soziologischen Begriff und baut auf den vorhergehenden auf. Auch werden verschiedene Gedankegebäude immer wiederholt. Es ist daher gerade für Erstsemestler ein passendes Grundlagenbuch.
  • Endruweit, Günter / Trommsdorff, Gisela (Hgg.) - Wörterbuch der Soziologie; 2. Aufl., Stuttgart 2002
Eine kundige und zur Zeit (2004) auch die neueste Übersicht im Handbuch-Charakter mit zahlreichen Mitarbeiter/inne/n. Doch bleiben auch die anderen erhältlichen soziologischen Wörterbücher empfehlenswert.
Überblick über die Entstehungsgeschichte der Soziologie, ihre heutigen Anwendungsfelder, das Soziologiestudium und wichtige Grundbegriffe.
Umfangreiches Lexikon, das auf 762 Seiten alle wichtigen soziologischen Begriffe und Konzepte knapp erläutert und bei der Einordnung in Theorien und Schulen hilft.
  • Giddens, Anthony: Soziologie; 2. überarb. Auflage; aus dem englischen (Sociology), 1997 Nausner& Nausner
"Das Standardewerk im englischsprachigem Raum vom Cambridgeprofessor
  • Kaesler, Dirk (Hg.) - Klassiker der Soziologie; München 2000; C.H. Beck Verlag
Wiederum in zwei Bänden zeigt eine jüngere Generation von Soziologen im Rahmen von jeweils 20 Seiten, wer cum grano salis die Klassiker sind. Einunddreißig von ihnen werden erstens in ihrem Leben und dem zeitgenössischen Kontext, zweitens in ihrem Werk und deren wichtigsten Begriffen und drittens in ihrer Wirkung auf das zeitgenössisches soziologisches Denken und auf die gegenwärtige internationale Soziologie dargestellt. Diese beiden Bände helfen, die Klassiker kurz zu rekapitulieren und in eine Geschichte zu verorten.
  • Treibel, Annette- Einführung in soziologische Theorien der Gegenwart; 6. Aufl. Wiesbaden 2004. VS Verlag
Teil des Einführungskurses in die Soziologie in vier Bänden. In diesem Band werden die soziologischen Theorien in ihrer Struktur aufgearbeitet und vorgestellt.Gleichzeitig werden Verbindungslinien gezogen um das Geflecht der unterschiedlichen Ansätze transparenter zu machen.