Denkmal für die ermordeten Juden Europas

Mahnmal in Berlin
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Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas, kurz Holocaust-Denkmal genannt, soll als Mahnmal für die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus im Holocaust ermordeten Juden dienen. Zwischen 2003 und Frühjahr 2005 wurde das Bauwerk im Zentrum Berlins auf einer etwa 19.000 m² großen Fläche in der Nähe des Brandenburger Tores errichtet. Das Mahnmal wurde am 10. Mai 2005 feierlich eingeweiht und ist seit dem 12. Mai 2005 der Öffentlichkeit zugänglich.

Holocaust-Mahnmal (Frühjahr 2004)

Aufbau

 
Das Mahnmal von oben gesehen

Auf der gewellten Grundfläche wurden 2711 innen hohle und zwischen 0,5° und 2° geneigte Betonquader (Stelen) in parallelen Reihen aufgestellt (54 Nord-Süd- und 86 Ost-West-Achsen). Die Stelen sind bei identischem Grundriss (2,38 mal 0,95 Meter) unterschiedlich hoch, zwischen ebenerdig (112 Stück im Gehweg) und 4,7 Meter. Von den nicht-ebenerdigen Stelen sind 367 kleiner als ein Meter, 869 haben Höhen von ein bis zwei Metern, 491 Stelen sind zwischen zwei und drei Metern hoch, 569 Stelen haben eine Höhe zwischen drei und vier Metern und 303 sind größer als vier Meter. Das durchschnittliche Gewicht einer einzelnen Stele beträgt ungefähr acht Tonnen. Die höchste wiegt etwa 16 Tonnen. In einem mehrstufigen Verfahren sind die Stelen speziell oberflächenbehandelt, um einfache Entfernung von Graffiti zu gewährleisten. Es befinden sich 41 Bäume im Stelenfeld. Die gepflasterte 13.100 m² große Bodenfläche führt unter das Niveau der umgebenden Straßen. Die gleichmäßig 0,95 Meter schmalen Gänge zwischen den Stelen sind für die Besucher voll begehbar.

Die Zahl von 2711 Stelen hat nach Auskunft der Denkmals-Stiftung keine symbolische Bedeutung, sondern ergibt sich aus den Maßen, die der Architekt für diesen Standort wählte.

Ein unterirdisches, 930 m² großes Museum (Ort der Information) ergänzt den Komplex. Es enthält unter anderem eine Liste aller Namen der bekannten jüdischen Holocaustopfer. Es besteht aus Ausstellungsräumen (778 m²), Vortragsräumen (106 m²) und einem Buchladen (46 m²).

Für den Bau des Denkmals wurden 27,6 Millionen Euro aus Mitteln des Bundeshaushalts ausgegeben: 25,3 Millionen Euro für das Stelenfeld und den Ort der Information, 2,3 Millionen Euro für den Ausstellungsbau. Die Kosten nur für das Stelenfeld beliefen sich auf 14,8 Millionen Euro.

Bedeutung

 
Das Mahnmal im Mai 2005

In den schmalen Gängen wird die Begegnung mit anderen einen Akt der Höflichkeit verlangen. So weit die Stelen vom Rand des Feldes in einer gewellten Gesamt-Oberfläche über Niveau hinaufreichen, so weit sinkt der Boden mittig auch zu einer Mulde ab, wodurch hier die ganz hohen Stelen ihre Atmosphäre verbreiten. Am anderen Ende des Grabfeldes – in einer Ecke im Untergeschoss – liegt ein kleiner Ort der Information. Die Stelen sind etwas schräg gestellt.

Mit den 2711 Stelen, die an Grabsteine erinnern, bestehen Ähnlichkeiten zwischen dem Mahnmal und Sarkophag-Gräbern jüdischer Friedhöfe. Derartige Gräber werden bei Platzmangel aufeinander geschichtet (drei Handbreit Abstand reichen aus), wie zum Beispiel am Ölberg in Jerusalem.

Worum geht es bei dem Besuch des Mahnmals?

Äußerungen dazu:

Die Stiftung: „Das Durchschreiten der Reihen kaum merklich geneigter Pfeiler, die auf schwankendem Boden zu stehen scheinen, kann ein Gefühl der Verunsicherung erzeugen; zugleich werden die überschaubaren Dimensionen der Pfeiler verhindern, dass die Besucher sich überwältigt oder ins Unbedeutende herabgesetzt fühlen“. (in: http://www.stiftung-denkmal.de).

Der Architekt Peter Eisenman sagt zum Denkmal, das Raster stehe auch für „die einem scheinbaren System inhärente Instabilität

Der Förderkreis um Lea Rosh: „Die älteste und verbreitetste Form eines Denkmals ist das Grabdenkmal, das an einen Toten oder an mehrere Tote erinnert, zumal wenn sie gemeinsam den Tod gefunden haben. Man denke nur an die zahllosen Kriegerdenkmäler. Dabei handelt es sich entweder um Gräber auf Soldatenfriedhöfen oder um leere Denkmäler (Kenotaphe). Die meisten ermordeten Juden haben kein Grab. Das Denkmal in Berlin hat auch die Bedeutung eines Kenotaphs. Daher ist es von großer Bedeutung, daß in dem angeschlossenen Ort der Information die Namen der Opfer verzeichnet werden. Die in Yad Vashem seit langem bestehende Namensammlung wird nach Berlin übernommen und soll dort ergänzt werden. Gelegentlich wurde auch eingewandt, ein Denkmal (nur) für die Juden hebe diese hervor und setze die anderen Opfer zurück. Doch nicht die Opfer werden hierarchisiert, wohl aber die historischen Vorgänge. Der Mord an den Juden Europas ragt aus den übrigen Naziverbrechen hervor, und deswegen verdient er ein besonderes Denkmal“. (in: http://www.holocaust-denkmal-berlin.de)


Die Wettbewerbsbegründung Peter Eisenmans (zuerst zusammen mit dem Bildhauer Richard Serra, der nach den Veränderungen der ersten Konzeption und des Bauplatzes ausschied) ist folgende: „Die Höhendifferenz zwischen Bodenfläche und Oberkante der Pfeiler scheint zufällig und belanglos, als wäre es eine reine Frage des Ausdrucks; dies ist jedoch nicht der Fall. Jede Fläche wurde durch die Schnittpunkte der Leerstellen des Pfeilerfeldes mit den Rasterlinien des größeren urbanen Kontexts von Berlin bestimmt“. Und: „Das Ausmaß und der Maßstab des Holocaust macht jeden Versuch, ihn mit traditionellen Mitteln zu repräsentieren, unweigerlich zu einem aussichtslosen Unterfangen. Die Erinnerung an den Holocaust kann niemals Nostalgie sein“. (in: Stiftung Denkmal…, Jahresbericht 2000–2002).

Eisenman sieht offensichtlich das Denkmal als Leerstelle, aus der Neues wächst. Beim Setzen der letzten Stele am 15. Dezember 2004 sagte er (in einem Spiegel-Interview, 52/2004) auf die Frage, was es den Deutschen sagen soll und was seine Absicht gewesen sei: „Nichts – Es soll still sein wie die Menschen in Auschwitz. – Die Absicht war, keine Absicht zu haben“. „Manche sagen, das Denkmal sehe aus wie ein Friedhof“. – „Das kann ich nicht ändern“. Und: „Graffiti wären gut“.

Geschichte

1988 regte die Publizistin Lea Rosh den Bau des Denkmals an; laut ihrer Aussage hatte ihr die Idee dazu der Historiker Eberhard Jäckel bei einem gemeinsamen Besuch der israelischen Holocaustgedenkstätte Yad Vashem unterbreitet. Ein Förderkreis wurde gegründet und der Vorschlag fand zunehmend Unterstützung, auch in Form von Spenden. Im Mai 1994 wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben. Berlin, der Bund und der Förderkreis einigten sich schließlich auf den Entwurf von Christine Jackob-Marks: eine 20000 Quadratmeter große schiefe Betonebene mit eingemeißelten Namen der Opfer. Bundeskanzler Helmut Kohl lehnte den Entwurf jedoch im Juni 1995 ab. Eine Reihe von Abgeordneten, darunter die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und der Grüne Volker Beck, versuchten mit einer Parlamentsdebatte die Mahnmal-Idee zu retten.

Im Juli 1997 wurden erneut Entwürfe eingeholt. Der Vorschlag des New Yorker Architekten Peter Eisenman wurde angenommen, jedoch mehrfach verändert. So wurde er um ein unterirdisches Museum (Ort der Information) ergänzt und es wurden – gegen den Willen Eisenmans – auf Vorschlag von Kohl vierzig Bäume zur Gestaltung des Übergangs in Richtung Tiergarten vorgesehen.

Am 25. Juni 1999 beschloss der deutsche Bundestag mit großer Mehrheit den Bau des Denkmals. Kosten von 54 Millionen Mark wurden für die Errichtung des Denkmals und des angegliederten Museums eingeplant. Bis 2005 wurden davon etwa 900.000 Euro durch Spenden von Privatpersonen aufgebracht.

Die israelische Gedenkstätte Yad Vashem erklärte sich im Jahre 2000 bereit, eine Liste aller Namen der bekannten jüdischen Holocaust-Opfer für den Ort der Information zur Verfügung zu stellen. Nach einer Verzögerung durch Fehler bei der europaweiten Ausschreibung begann der Bau am 1. April 2003.

Im Oktober 2003 kam es zu einer Unterbrechung der Arbeiten, als bekannt wurde, dass von der ausführenden Firma für den Bau der Fundamente und der Stelen ein Betonverflüssiger und ein Anti-Graffiti-Schutz der Degussa AG verwendet wurde. Die Degussa-Tochter Degesch hatte während der Zeit des Nationalsozialismus das Giftgas Zyklon B hergestellt, das in den Konzentrationslagern zur Ermordung von Juden eingesetzt wurde. Dass Lea Rosh ohne weitere Rücksprachen die Degussa vom Bau des Denkmals ausschloss, sorgte für einen Eklat. Viele Kritiker – darunter zahlreiche Juden und auch Eisenman – warfen ihr vor, dies nur aufgrund „moralischer Eitelkeit“ getan zu haben und brachten vor, dass gerade die Degussa ihre Vergangenheit vorbildlich aufgearbeitet habe. Am 13. November 2003 beschloss das Kuratorium der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas den Weiterbau mit weiterer Beteiligung der Degussa. Am 12. Juni 2004 war der Rohbau des Ortes der Information fertiggestellt, inzwischen stand circa die Hälfte der insgesamt 2711 Stelen. Beim Richtfest waren neben den Stiftungsmitgliedern und dem Architekten Peter Eisenman zahlreiche Vertreter der Presse anwesend. Ein Teil des Stelenfeldes war erstmals für die Öffentlichkeit begehbar.

Am 15. Dezember 2004 wurde mit einem öffentlichen Festakt die letzte der insgesamt 2711 Betonstelen gesetzt. Gleichzeitig wurde mit der Pflanzung der Nadelbäume begonnen.

Mit der Einrichtung der von Dagmar von Wilcken gestalteten Ausstellung am Ort der Information wurde Ende 2004 begonnen, die Eröffnung des Denkmals und des Orts der Information fand am 10. Mai 2005 statt.

Kritik

In der Öffentlichkeit gab und gibt es kontroverse Diskussionen um Form und Größe des Denkmals. Kritisiert wird das Denkmal auch vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, da zwar der ermordeten Juden Europas gedacht werde, nicht aber anderer Opfer des NS-Regimes, die ebenfalls im Holocaust ihr Leben ließen. Die Trennung der Mahnmale für einzelne Opfergruppen wird als Separation und Hierarchisierung kritisiert.

Aktuell

 
Rose am Mahnmal

Zurzeit wird über das Absperren des Geländes nachgedacht, da sich viele der Besucher nicht an die Hausordnung (siehe unten) halten und das Stelenfeld als Picknikplatz oder Turngerüst, indem sie von Stele zu Stele springen, nutzen. Der verstärkte Einsatz von Wachpersonal konnte dies eindämmen, wird jedoch auf Dauer zu einem zu großen Kostenfaktor. Das Gelände könnte dann nur noch durch einen Haupteingang betreten werden.


Meinungen

 
Zwischen den Stelen.
  • Paul Spiegel (Präsident des Zentralrats der Juden): "Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas ist zwar kein authentischer Ort. Und doch hoffe ich, dass dieses Denkmal Herz und Gewissen jeder Besucherin und jeden Besuchers erreicht."
  • Wolfgang Thierse (Bundestagspräsident): "Das Denkmal ist nicht der steinerne Schlussstrich unseres öffentlichen Umgangs mit unserer Nazi-Geschichte."
  • Peter Eisenman (Architekt): "Ich bin New Yorker, aber von heute an ist ein Teil meiner Seele immer hier in Berlin."
  • Ernst Cramer (Buchenwald-Überlebender und Vorstandsvorsitzender der Axel-Springer-Stiftung): "Erst von morgen an wird sich erweisen, ob die Berliner und ihre Besucher damit fertig werden."
  • Shimon Stein (Israelischer Botschafter): "Es bleibt mir eigentlich nur zu hoffen, dass man da reingeht und man nicht mehr so rauskommt, wie man reingegangen ist."
  • Adolf Muschg (Präsident der Berliner Akademie der Künste): "Einstweilen fühle ich mich nur überwältigt und ratlos. Vielleicht muss das so sein."
  • Volker Beck (Politiker Bündnis 90/Die Grünen): "Gegen ein Mahnmal für die ermordeten Juden Europas ist eingewandt worden, man sollte ein Denkmal für alle Opfer errichten. Dieser Einwand wiegt schwer. (...) Ich meine, die Erinnerungsarbeit wird den Opfern viel eher gerecht, wenn man diese spezifischen Aspekte nicht mit einer allgemeinen Formel "Für alle Opfer" verwischt, sondern sie herausarbeitet und damit überhaupt erst eine Auseinandersetzung mit dieser Geschichte ermöglicht."

Siehe auch

Literatur

  • Claus Leggewie, Erik Meyer: "Ein Ort, an den man gerne geht". Das Holocaust-Mahnmal und die deutsche Geschichtspolitik nach 1989. Carl Hanser Verlag, München 2005

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