Der Begriff Katharer (von griechisch katharos: rein) bezeichnet eine Glaubensbewegung im 11. Jahrhundert bis 14. Jahrhundert, vornehmlich im Süden Frankreichs, aber auch in Italien, Spanien und Deutschland. Verbreitet ist auch die Bezeichnung Albigenser nach der südfranzösischen Stadt Albi, die eine Hochburg der Katharer war. Die Katharer wurden durch die Inquisition als Häretiker verfolgt und vernichtet.
Aus dem Wort Katharer wurde später auch die abwertende Bezeichnung "Ketzer" für alle Abweichler von einem herrschenden Glauben abgeleitet.
Lehre
Bezüglich der Lehre der Katharer ist wenig erwiesen und viel behauptet worden - sowohl von ihren Gegnern als auch von späteren Verteidigern. Sicher ist, dass es innerhalb der Katharer insbesondere in der späteren Zeit viele Splittergruppen gab, so dass man nicht von einer einheitlichen Lehre sprechen kann.
Nachgewiesen wurde ein gewisser Einfluss der Bogomilen. Ein wichtiges Element der katharischen Theologie ist ein Dualismus, der die Welt als böse, Gott und den Himmel als gut ansieht. Das Leben des Katharers ist darauf ausgelegt, das Gute des Menschen (die Seele) aus der bösen Welt in den Himmel zu bringen.
Die Katharer wurden und werden gerne in die Traditionen des Manichäismus und der Gnosis gestellt, aber dafür gibt es außer den Inquisitionsprotokollen (und einem gewissen Wunschdenken in neuerer Zeit) keinen eindeutigen Beleg.
Ebenso ist historisch keine Beziehung zwischen Katharern und Templern oder Katharern und Gral erwiesen.
Die Katharer sahen sich selbst als die 'wahre' christliche Kirche; Jesus Christus war die zentrale Person ihres Glaubens. Sie unterschieden sich von der damaligen christlichen Kirche durch die Ablehnung des Alten Testaments der Bibel, in dem sie den Schöpfergott einer bösen Welt beschrieben sahen. Im Neuen Testament hatte das Evangelium des Johannes eine herausragende Rolle. In den Predigten kamen viele Bibelzitate vor, doch die Auslegung war oft sehr kreativ, was sich auch bei ihren Bibelübersetzungen feststellen lässt.
Die Katharer distanzierten sich stark von der römisch-katholischen Kirche und ihrer Hierarchie, die sie als Personifizierung des Teufels sahen.
Theologisch waren es unter anderem der Dualismus und die Ablehnung des Alten Testamentes, die die Abwehrreaktion der Kirche zur Folge hatten. Hier gibt es parallelen zu anderen Lehrverurteilungen.
siehe auch Gnosis, Neuplatonismus, Manichäismus, Ökumenische Konzile, Deutsche Christen, Täufer
Leben
Die katharischen Priester predigten in der Volkssprache (im Gegensatz zum Latein der römisch-katholischen Kirche) und erreichten dadurch weite Bevölkerungsschichten. Armut, Bescheidenheit und Enthaltsamkeit (auch sexueller Art) galten als erstrebenswert, und trugen zur Popularität der Bewegung bei, während die römisch-katholische Kirche aufgrund der Lebensweise ihrer Funktionsträger abgelehnt wurde.
Regeln der Katharer waren z.B.
- Es ist verboten, Menschen oder Tiere zu töten, da jeder Körper eine Seele enthält
- Sexuelle Handlungen sind zu vermeiden, da sie zu einem Fortführen der Schöpfung führen und so das Leiden auf der Erde verlängern.
- Schwören ist absolut verboten
- Strenge Fastenregeln - teilweise sogar für Säuglinge. Nur geistige Nahrung zählt.
- Jeder ist zur Arbeit verpflichtet
Geschichte
Die Hochburg der Katharer entstand im 12. Jahrhundert im Languedoc in Südfrankreich (Okzitanien). Historische Quellen zeigen, dass die Katharer in dieser Gegend, insbesondere an den Höfen in Okzitanien, beliebt waren. In der ersten Zeit gehörten viele Angehörige der Oberschicht zu den Katharern, während sich die Bewegung im 14. Jahrhundert zu einer Untergrundkirche der einfachen Bevölkerung entwickelte.
Der Adel von Okzitanien war mit dem König von Frankreich verfeindet, und so entstand ein Bündnis gegen die Katharer, die vom König und vom Papst mit großer Härte verfolgt wurden, wobei auch die blühende okzitanische Kultur zerstört wurde. Im Jahre 1208 wurde ein eigener Kreuzzug unter Simon de Montfort gegen die Katharer geführt. Einige esoterische Gruppen wie das Lectorium Rosicrucianum führen sich auf die Katharer zurück.
Die Ruinen der oft auf schwer zugänglichen Felsen angelegten Katharerfestungen (Montségur, Roquefixade, Montaillou, Peyrepertuse, Quéribus) prägen noch heute das Bild der Landschaft des nordöstlichen Pyrenäenvorlandes.
3.3 Der Kult der Katharer
Der katharische Kult ist zwar dem Kern nach bogomilischer Tradition, dies äußert sich vor allem durch die Tatsache, dass die Vergebung der Sünden nur durch die Aufnahme in die Kirche der Sündenlosen erfolgte, jedoch haben sich abendländische Riten um den Kern der bogomilischen Aussage gelegt, so dass hier eine Vermischung der bogomilischen Tradition mit der abendländischen erfolgte. Der Grundgedanke, dass nur durch die Aufnahme in die Kirche der Katharer die Vergebung der Sünden sowie die Erlösung erreicht werden konnte, war noch die Kernaussage.
3.3.1 Das Consolamentum
Das Consolamentum, oder auch die Geisttaufe nach Röm 1,12 und Kol 2,2, war der entscheidende Schritt, um Mitglied der katharischen Kirche zu werden und, wie schon angeführt, der einzige Zugang zum Heil, wobei Frauen sowie Männer das Consolamentum erteilt werden konnte. Wollte eine Person das Consolamentum erhalten, so wurde von ihr gefordert, dass sie sich in einer Art Noviziat auf das Leben als Katharer vorbereiten musste. Der Zugang zum Heil durch das Consolamentum war nur dadurch gewährleistet, dass derjenige, der das Consolamentum erhielt, sein restliches Leben als Katharer führte, sich also den allgemeinen Lebensbedingungen, die sich aus der religiösen Praxis ableiteten, beugte. Wer einmal das Consolamentum erhalten hatte, konnte dies weitergeben, also weitere Personen in die katharische Gegenkirche aufnehmen und so ihre Seelen retten. Die Vergabe des Consolamentum wurde in einem feierlichen Akt vollzogen, an dem, unter der Leitung des Bischof oder des ältesten Katharers der Gemeinde oder der Umgebung, alle Katharer teilnahmen, die das Consolamentum schon erhalten hatten. Die Katharer, die in den engen Kreis der katharischen Kirche aufgenommen wurden hießen Perfecti oder, sollte es sich um Frauen handeln, Perfectae. Die Übergabe des Consolamentums vollzog sich, nach Vergebung der Sünden und der Übergabe des Vater Unsers an den Novizen, durch Auflegen des Johannes- Evangeliums auf den Kopf des Kandidaten. Nacheinander berührten die anwesenden Perfecti/ae den Kopf des Novizen und übertrugen somit den Geist der Erkenntnis auf ihn bzw. sie. Sollte dennoch einer der Perfecti/ae eine Sünde begehen, so war nicht nur sein/ihr Consolamentum hinfällig, sondern auch diejenigen Geisttaufen, die von dem Sünder gespendet wurden.
3.3.2 Das Melioramentum
Durch die Ehrenbezeichnung, auch Melioramentum genannt, an den Perfecti/ae wurde die Hinwendung zum Katharismus eines Menschen nach außen bezeugt. Durch die Abgabe des Melioramentums wurde ein gewöhnlicher Mensch zu einem Credentes, also einem Gefolgsmann der Katharer. Zwar galten die Credentes nicht als Mitglieder der katharischen Kirche, da sie das Consolamentum nicht erhalten hatten, aber das Melioramentum war ein Zeugnis dafür, dass die Credentes eines Tages das Consolamentum erhalten würden. Die Credentes gehörten nicht, wie schon erwähnt, zur katharischen Kirche und brauchten aus diesem Grund auch nicht die religiösen Vorschriften, wie sie die Perfecti/ae einzuhalten hatten, zu befolgen. Dennoch wurden die Credentes mit weitreichenden Aufgaben versehen. So wurde von ihnen die Versorgung der Perfecti/ae sowie deren Verbergung vor der Inquisition in späteren Zeiten der Bewegung übernommen. Die Ausführung des Melioramentums wurde durch das dreimalige Kniebeugen vor einem Perfecti, einer Perfectae und durch das dreimalige Bitten um den Segen des Perfectus/ der Perfectae vollzogen. Obwohl die Credentes Aufgaben gegenüber den Perfecti/ae hatten, kann das Melioramentum nicht als geschäftlicher Vertrag gesehen werden. Vielmehr ist das Melioramentum ein Ausdruck enger sozialer und ideologischer Bindung an die katharische Gegenkirche sowie deren Vertretern.
3.3.3 Der Friedenskuß, die Brotsegnung, das Gebet und Apparellamentum
Der Friedenskuß steht in unmittelbarer Nähe des Melioramentums und diente in erster Linie zur Begrüßung zweier Perfecti untereinander sowie zweier Perfectae untereinander, oder auch der Begrüßung eines Gläubigen, allerdings nur in dem Fall, im dem der Kuss von dem Perfectus/ der Perfecta ausgegangen war. Durch die Brotsegnung wurde die Teilnahme der Gläubigen am Kult der katharischen Kirche bezeugt. Die Segnung des Brotes kam allen Anwesenden zugute, den Perfecti/ae sowie den Credentes. Des Weiteren wurde durch das Gebet der Tagesablauf eines Katharers bestimmt. Mit dem Consolamentum erhielt ein Katharer die Erlaubnis, das Vater Unser in verschiedenen Formeln zu beten. Dieses war somit Ausdruck der Zugehörigkeit zur "eglesiadei". Das Apparellamentum wurde, ebenso wie das Gebet, nur von Katharern verübt. Es diente dazu, den Katharer vor dem Rückfall in den Sündenstand zu bewahren, er beichtete seine Verfehlungen einem Diakon. Ebenso wurde durch das Apparellamentum eine Unterwerfung unter die katharische Gemeinschaft vollzogen.
3.3.4 Die Frau und der katharische Kult
In sämtlichen kultischen Belangen der Katharer gab es keine offensichtliche Differenzierung nach Mann und Frau. Frauen konnten, ebenso wie Männer, das Consolamentum erhalten, um gerettet zu werden. Auch wurde bei der Erteilung des Consolamentums das Vater Unser von Männern sowie Frauen zusammen gebetet. Jedoch war der Ritus zur Erteilung des Consolamentums für Frauen etwas abgeändert. So durfte bei seiner Erteilung die Frau nicht berührt werden, so dass ein Tuch über sie gedeckt werden musste, welches eine gewisse Herabwürdigung der Frau impliziert. Bei der Erteilung des Consolamentums hingegen wurde die Frau benachteiligt. Die Ansicht, dass "a Perfecta could provide the same spiritual services" muss zurückgewiesen werden. So durfte sie nur in der Gegenwart eines Diakons das Consolamentum spenden. Darüber hinaus durfte schwangeren Frauen kein Consolamentum erteilt werden, da sie nach Ansicht der Katharer einen Dämon im Leib hatten. Bei der Durchführung des Melioramentums kann keine Differenzierung zwischen Männern und Frauen festgestellt werden, da die Ehrenbezeugung zwischen Credentes und Perfecti/ae ohne jeglichen körperlichen Kontakt durchgeführt wurde und somit auch keiner Differenzierung nach Geschlecht bedurfte. Somit kann der Ansicht zugestimmt werden, dass "a Perfecta [...] was entitled to the same respect and support as a Perfectus." Die Durchführung des Friedenskusses zweier Perfecti/ae wurde auch nur unter gleichgeschlechtlichen Katharern durchgeführt. Als Parallele zwischen einem Perfectus und einer Perfecta wurde die Perfecta von dem Perfectus am Arm berührt. Eine andere, noch bessere Lösung zur Übergabe des Friedenskusses war es, den Kuss auf das Johannesevangelium zu drücken und dieses dann der Frau zu überreichen. Auch bei der Brotsegnung durfte die Frau zugegen sein, so dass auch hier keine Differenzierung nach Geschlecht vorgenommen wurde. Obwohl auf den ersten Blick die Frau in der katharischen Kirche eine dem Mann fast ebenbürtige Stellung einnahm, wurde dennoch eine Differenzierung nach Mann und Frau vorgenommen. Die Erlösung der Seele durch das Consolamentum wurde, wie schon angeführt, Männern sowie Frauen zugedacht. Da aber die Katharer die Seele von ihrer Natur aus als männlich betrachteten, wurde, nach Ansicht der Katharer, beim Tode einer Perfecta ihre Seele in den ursprünglichen Zustand versetzt, sie wurde männlich. Eine ähnliche Einstufung der Frau kann auch für den Zeitpunkt nach der Erteilung des Consolamentums nachgewiesen werden. Die Perfectae wurde der Theorie nach zu einem asexuellen Wesen, ihr Geist wurde vom Körper gelöst und erinnerte sich seines ursprünglichen Zustandes, er wurde männlich.
3.4 Die religiöse Praxis und das praktische Leben der Katharer
3.4.1 Die Hierarchie der katharischen Gegenkirche
Im hierarchischen Aufbau der katharischen Bewegung wird das Ausmaß, in dem sich diese Bewegung verkirchlichte, ersichtlich. Ebenso kann an dieser Struktur verdeutlicht werden, wie sich die religiöse Praxis der Katharer ausbildete. Die Struktur der katharischen Kirche war gekennzeichnet durch eine kleine Spitze, die Bischöfe und ihre Stellvertreter, bis hin zu einer breiten Basis, den Credentes und Sympathisanten.
3.4.1.1 Der Bischof und seine Stellvertreter
Der Bischof hatte in der katharischen Gegenkirche keine so weitreichenden Aufgaben, wie ein Bischof in der katholischen Kirche. Seine vornehmlichen Rechte waren, dass er bei allen Riten der Katharer die erste Stelle einnahm, sei es bei der Erteilung des Consolamentums oder beim Brotbrechen. Ansonsten wurden ihm keine weiteren, nur ihm vorbehaltenen Rechte, wie etwa Priesterweihe oder Firmung, zugesprochen, so dass der katharische Bischof im Grunde nur der Gemeindevorstand war, der sich auch um den Besuch der Einzelgemeinden kümmern musste. In der ersten Zeit der katharischen Kirche wurde der Bischof noch von der Gemeinde gewählt, im 13 Jahrhundert hatte sich die Verkirchlichung der katharischen Bewegung jedoch soweit durchgesetzt, dass der Bischof einer Diözese nur von seinesgleichen geweiht werden durfte. An der Seite des Bischofs standen seine Stellvertreter, zwei an der Zahl, der ältere und der jüngere Sohn. Beide vertraten den Bischof in seiner Abwesenheit und bereisten die Gemeinden als Vertreter des Bischofs. Die eigentliche Pfarrseelsorge hingegen wurde vom Diakon übernommen.
3.4.1.2 Der Diakon
Der Aufgabenbereich eines Diakons einer katharischen Gemeinde war vielfältiger, als der des Bischofs. Er hatte zwar nicht das Recht als erster das Consolamentum zu spenden oder das Brot zu brechen, aber er hatte die Aufgabe, bei Unklarheiten oder Zweifel bei den Gemeindegliedern schlichtend einzugreifen, diejenigen wiederzukonsolieren, die eine Sünde begangen hatten und das Apparellamentum zu vollziehen. Eine weitere Verpflichtung des Diakons war es, katharische Konvente zu leiten, die auch als Gästehäuser für Katharer bezeichnet werden können. Die Aufgaben eines Bischofs und auch eines Diakons konnten natürlich nur von Personen übernommen werden, die das Consolamentum erhalten hatten.
3.4.1.3 Die Perfecti/ae
Die Perfecti/ae, oder auch die "Guten Menschen", bildeten die eigentlichen Mitglieder der katharischen Kirche. Ihnen war es erlaubt, das Vater Unser zu beten und das Consolamentum zu erteilen. Es hat wohl zu keiner Zeit mehr als zehtausend Perfecti/ae gegeben, es kann sogar dazu tendiert werden, dass die Zahl der Perfekten nicht mehr als viertausend betragen hat. Eine Stufe unter den Perfecti/ae standen die Initiierten.
3.4.1.4 Die Initiierten
Die Initiierten gehörten zu einer Gruppe der Katharer, die danach strebte, das Consolamentum zu erhalten. Wie schon angeführt, bestand die Übergabe des Consolamentums aus zwei Teilen, der Übergabe des Vater Unsers und der eigentliche Geisttaufe, die aber nicht zwingend in einem zeitlichen Zusammenhang stehen mussten. Ein/e Initiierter/e hatte das Recht erhalten, das Vater Unser zu beten, stand also kurz davor in den Stand eines Guten Menschen erhoben zu werden. Demzufolge lebte er/sie schon nach den moralischen Grundsätzen der katharischen Kirche.
3.4.1.5 Gläubige und Sympathisanten
Die Gläubigen hingegen fühlten sich noch nicht in der Lage, das von strengen Vorschriften geprägte Leben eines/er Perfectus/a zu führen. Sie standen aber der katharischen Kirche nahe und bezeugten dies auch durch das Melioramentum. Dieser Gruppe, auch Credentes genannt, ist es zu verdanken, dass aus der katharischen Gegenkirche keine von der Welt abgesonderte, elitäre Mönchskirche, sondern eine Bewegung mit Massenanhang geworden war. Die Anzahl der Anhänger der katharischen Kirche wird auf "mehrere Hunderttausende" geschätzt.
An unterster Stelle der Hierarchie standen die Sympathisanten der katharischen Kirche. Sie hatten sich weder den strengen Moralvorschriften zu unterwerfen noch sonstige Aufgaben, wie etwa die Credentes, zu übernehmen. Sie standen der katharischen Kirche nur nahe und beschützten diese zum Teil vor Verfolgungen.
3.4.1.6 Die Frau und die katharische Hierarchie
In der katharischen Hierarchie kam der Frau keine gesonderte Rolle zu. Das einzige Amt, welches sie nicht bekleidete, war das des Bischofs. Das Amt einer Diakonisse wurde der Frau nicht unter diesen Namen zugesprochen. Wie schon gezeigt, war die Aufgabe eines Diakons unter anderem die Leitung von Katharerkonventen. Diese Aufgabe wurde auch von Frauen übernommen. Insofern kann zumindest zu einem Teilbereich von einer katharischen Diakonisse gesprochen werden, auch wenn sie nicht die sonstigen Aufgaben eines Diakons übernommen hatte. Dies begründet sich vor allem aus der Tatsache, dass es nach dem Albigenserkreuzzug und während der Inquisition für Frauen nicht möglich war, alleine auf Reisen zu gehen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Eine weitere Unterordnung unter den Mann hatte die Frau auch in Bezug auf die Predigt in den ihr unterstehenden Frauenkonventen hinzunehmen. So wurde es ihr untersagt zu predigen. In den Frauenkonventen, die der Leitung einer Frau unterstanden, wurden die Predigten entweder vom katharischen Bischof, in den meisten Fällen aber vom Diakon der Katharergemeinde durchgeführt, so dass im spirituellen Bereich ebenso von keiner Gleichstellung von Mann und Frau gesprochen werden kann. Für diese Praxis der Unterordnung unter den Mann kann festgestellt werden, dass die Katharer nicht die patriarchischen Schranken der feudalen Gesellschaft überwinden konnten und sich ebenso nicht von den orthodoxen Organisationsformen klösterlichen Lebens lösen konnten. Wie schon erwähnt, wurde der Frau, genauso wie dem Mann, das Consolamentum erteilt, womit weitreichende Aufgaben verbunden waren. Darüber hinaus gab es Frauen unter den Initiierten, den Gläubigen und den Sympathisanten. Eine der wichtigsten Aufgaben der Credentes war es, die Perfekten zu versorgen und zur Zeit der Inquisition und des Albigenserkreuzzuges auch zu verstecken. Hier kam den Frauen eine besondere Rolle zu, da sie mit der Aufnahme des Gastes in ihr Haus einverstanden sein musste. Sie mussten für den Beherbergten kochen, ihn verstecken und ihm notfalls auch zur Flucht verhelfen. Viele Frauen nahmen diese Möglichkeit, mit den Perfekten in Kontakt zu treten, gerne war, jedoch gab es auch Frauen, die von ihren Männern dahingehend eingeschüchtert wurden, die Perfekten aufzunehmen und sie zu versorgen. Alles in allem kann der Frau, was noch aufzuzeigen sein wird, "a key position in the social and economic structure upon wich the Catharism was based" zugewiesen werden.
3.4.2 Das praktische Leben der Katharer
Nach dem Empfang des Consolamentums hatten die Perfecti/ae ein entbehrungsreiches Leben zu führen. Neben dem Verbot der Ehe und der geschlechtlichen Beziehungen zu Männern bzw. Frauen mussten auch strenge Speisevorschriften befolgt werden. Neben diesen beiden Vorschriften musste auch das Verbot des Eides sowie das Verbot zu lügen befolgt werden.
3.4.2.1 Ehe und Geschlechtlichkeit bei den Katharern
Entstehend aus dem Mythos der Menscherschaffung, in dem Eva mit dem Teufel verkehrte und Adam zu sexuellen Handlungen verführt, wurde die Geschlechtlichkeit von den Katharern als Teufelswerk verdammt. Auch der Körper als solches war Teufelswerk. Da aber mit ihm der Geschlechtsverkehr vollzogen wurde, kann hier von einer Doppelbelastung der Geschlechtlichkeit ausgegangen werden. Um den Vollzug der Ehe zu garantieren, musste der Geschlechtsakt vollzogen werden. Aus diesem Grund war die Ehe für die Katharer, ebenso wie der Geschlechtsverkehr, zu verdammen. Allerdings wurde der Geschlechtsakt in der Ehe als noch verwerflicher angesehen, als der außerhalb der Ehe. Da sich für die Katharer sämtliche Geschlechtlichkeit als Hurerei darstellte, sahen sie den in der Ehe vollzogene Geschlechtsakt sogar als öffentliche Hurerei an und stellten diesen auf eine noch höhere Stufe der Verachtung, als den außerehelichen Geschlechtsverkehr. "Wenn irgendwer gleich welche Frau geschlechtlich erkenne, steige der Gestank dieser Sünde bis zum Himmelszelt, und dieser Gestank verbreitet sich durch die ganze Welt." Ein weiterer Grund für die Katharer, die Geschlechtlichkeit zu verdammen, war die Reinkarnation der Seele bei dem Tode eines Nichtkatharers. Der Zeugungsakt wurde untersagt, "da er dem Teufel dazu diente, neue Gefängnisse für die gefallenen Engelseelen zu schaffen" , Satans Werk demzufolge fortgeführt würde. Aber der Rahmen der Geschlechtsfeindlichkeit muss bei den Katharern noch weiter gesteckt werden. Hingewiesen sei hier nur auf das Berührungsverbot bei der Erteilung des Consolamentums oder die Übergabe des Friedenskusses nur an gleichgeschlechtliche Partner. Ebenso gab es Berührungsverbote, die nicht nur bei der Erteilung des Consolamentums oder der Übergabe des Friedenskusses bestanden. Bei eben diesen Berührungsverboten ist eine Geschlechterdifferenzierung vorgenommen worden. Berührte eine Frau einen Mann, so wurden ihr 3 Tage Buße auferlegt, während ein Mann, der eine Frau berührte, 9 Tage Buße tun musste. Hier liegt eine Bewertung zugrunde, die der Frau eine weit aus höhere Gefährlichkeit gegenüber dem Mann in Bezug auf die Geschlechtlichkeit zuweist als dem Mann gegenüber der Frau. Dies begründet sich wiederum aus dem Mythos der Menscherschaffung, in dem die Frau als die verführte Verführerin auftritt und somit ihre "Gefährlichkeit" für den Mann bis hin zu der katharischen Auffassung von Geschlechtlichkeit bewahrt hatte. Ausgehend von dieser Bewertung der Geschlechtlichkeit könnte die Auffassung vertreten werden, dass die Katharer keine Speisen, die durch Fortpflanzung entstanden waren, zu sich genommen haben. Dies hatte aber noch andere Gründe.
3.4.2.2 Speisevorschriften der Katharer
Aus der Ablehnung der Fortpflanzung als Teufelswerk kann zu einem geringen Teil die Ablehnung sämtlicher Speisen, die aus der Fortpflanzung entstanden sind, also Tierfleisch, Fette und Laktanzien, begründet werden. Eine weitaus stärkere Begründung für die Ablehnung dieser Speisen war die Annahme, dass sich in den Tierkörpern die Seelen verstorbener Menschen aufhielten. Wer demnach ein Tier tötete, um es zu verspeisen, stand in der Gefahr, einen Mord an einer Engelsseele, die in einem Tierkörper Zuflucht gesucht hatte, zu begehen. Fisch hingegen durfte von den Katharern verzehrt werden, da sie der Ansicht waren, dieser sei kein Zeugungsprodukt, sondern gehe aus dem Wasser hervor.
3.4.2.3 Die Frau und das praktische Leben
Die Speisevorschriften und auch die Vorschriften zur Geschlechtlichkeit lassen keine unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau erkennen, werden die unterschiedlichen Bußzeiten bei der Berührung des jeweils anderen Geschlechts außer Betracht gelassen.
3.5 Zusammenfassung
Ausgehend vom Mythos der katharischen Gegenkirche, in dem ein Bild der Frau als direkte Wurzel des Übels aufgezeigt wurde, kann, je genauer das Leben der Katharer untersucht wird, aber erkannt werden, das diese im Mythos dargelegte Auffassung im realen Lebensstil der Katharer keine so bedeutende Rolle mehr innehatte. Zwar ist die Mythologie der Katharer gekennzeichnet durch eine Identifizierung der Welt- und Menscherschaffung mit dem Geschlechtsakt, also einer erneuten Schaffung von Leben, die wiederum mit der Frau identifiziert wurde. Dennoch kann aus dieser Auffassung eine generelle frauenfeindliche Einstellung der Katharer im praktischen Leben nicht hergeleitet werden. Mc Laughlin hat mit hat mit ihrer Annahme, dass eine "Sexuelle Gleichstellung" von Mann und Frau nicht stattgefunden hat, nur bedingt Recht. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf das Berührungsverbot bei der Erteilung des Consolamentums und der Untersagung der Vergabe des Friedenskusses an andersgeschlechtliche Perfecti/ae. Bezogen auf die Berührungsverbote bei der Erteilung des Consolamentums kann ihr Recht gegeben werden, dennoch ein völlig anderen Ritus zur Erteilung des Consolamentums für Frauen festzustellen, muss verworfen werden. Auch die Nichtübergabe des Friedenskusses an die Frau als Missachtung derselbigen aufzufassen, muss abgelehnt werden, da die Vergabe des Friedenskusses nur unter gleichgeschlechtlichen Partnern vorgenommen wurde. Es kann in Bezug auf den Friedenskuß von einer Gleichstellung der Geschlechter gesprochen werden und nicht von einer Unterdrückung der Frau. Es gab Einschränkungen für die Frau. Diese Tatsache ist nicht von der Hand zu weisen, aber die Entfaltungsmöglichkeiten für eine Frau bei den Katharern war wesentlich größer als in der sonstigen "patriarchalisch strukturierten Feudalgesellschaft". Dennoch ist festzuhalten, dass der Katharismus in keinem Fall eine feste theoretische Basis für die Gleichstellung von Mann und Frau in einer patriarchischen Gesellschaft war. Hierzu muss dem katharischen Mythos ein viel zu großes Gewicht beigemessen werden, als das die Auslegung des katharischen Mythos und die Lebensweise der Katharer dieses hätte wieder aufwiegen können. Die Lebensweise der Katharer versuchte zwar, eine Gleichstellung von Mann und Frau, insbesondere, wenn sie in Besitz des Consolamentums waren, herzustellen. Dies wird vor allem auch durch die Auffassung begründet, dass nach dem Erhalt des Consolamentums keine Unterschiede mehr zwischen Mann und Frau bestehen sollten. Faktisch aber bestanden diese Unterschiede dennoch, vor allem, wenn auf die späte Zeit der Bewegung abgestellt wird, insbesondere nach Ausbruch des Albigenserkreuzzuges. Hatten vor Ausbruch des Albigenserkreuzzuges Frauen noch die Möglichkeit, Konvente zu leiten, wurden in Folge des Kreuzzuges und der Inquisition diese Konvente zerstört womit den Frauen ein neues Aufgabenfeld zugewiesen werden musste. Die Übernahme von Ämtern in der katharischen Kirche durch Frauen ist in keiner Quelle erwähnt. Da aber die Ämter der katharischen Kirche in den meisten Fällen mit den weniger wichtigen Aufgaben der "Dienstleistung und Verwaltung zu tun hatten", ist dieser Tatsache allein keine Benachteiligung der Frau zu entnehmen. Abschließend kann festgehalten werden, dass die Strukturen der katharischen Kirche sich maßgeblich auch auf die Beteiligung der Frau an der Gegenkirche auswirkten. Hatten zu Beginn der Bewegung Frauen einen weit aus größeren Anteil an der Organisation, so wurde mit zunehmender Verkirchlichung die Frau immer mehr zurückgedrängt. Festzustellen bleibt nun noch, wie sich die eigentliche Partizipation der Frau an der katharischen Bewegung dargestellt hat.