Impfung

Maßnahme zur Aktivierung des Immunsystems
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Die Impfung ist eine vorbeugende Maßnahme gegen Infektionskrankheiten, bekannt auch als Schutzimpfung, Vakzination, Heilimpfung oder Immunisierung. Hierbei wird ein Agens, der Impfstoff, in den Körper eingebracht, um einen Impfschutz zu erreichen. Je nach Impfstoff und Immunisierungsart (passive oder aktive Immunisierung) werden unterschiedliche Applikationsformen angewandt: oral ("Schluckimpfung") oder häufiger parenteral. Letzteres erfolgt in der Regel intradermal, subkutan oder intramuskulär mit einer Spritze. Die intradermale Impfung kann auch mit einer Lanzette oder einer Impfpistole erfolgen.

Datei:Schutzimpfung.jpg
Eine Schutzimpfung

Impfen kann man entweder a) mit vorgebildeten Antikörpern oder b) mit abgeschwächten lebenden, toten oder Bruchstücken von Erregern. Damit wird zwischen passiver und aktiver Immunisierung unterschieden.

Passive Immunisierung

Bei der passiven Impfung wird der Antikörper direkt gespritzt. Das hat den Vorteil, dass der Organismus die Antikörper nicht wie bei einer Infektion erst zeitaufwändig selbst bilden muss und der Erreger sofort unschädlich gemacht werden kann. In der Regel hält eine solche passive Impfung aber nur wenige Wochen bis Monate an, dann sind die "geliehenen" Antikörper ausgeschieden oder abgebaut und der Organismus durch eine neuerliche Infektion durch denselben Erreger wieder gefährdet, da das Immunsystem durch die schnelle - und notwendige - Behandlung nicht ausreichend stimuliert wurde. Beispielhaft sei die passive Impfung gegen Wundstarrkrampf (Tetanus) erwähnt, die immer dann verabreicht werden muss, wenn ein Patient mit unklarem Impfstatus eine verunreinigte Wunde aufweist. Die Antikörper werden heute in der Regel aus menschlichem Blut hergestellt. Aus bis zu 20.000 gepoolten (zusammengegossenen) Blutkonserven werden die Antikörper extrahiert. Das birgt eine gewisse Gefahr für die Übertragung von Krankheiten, insbesondere solcher, dessen Übertragungsmodus nicht bekannt ist (z.B. BSE). Auch bekannte Krankheiten (HIV) könnten bei unsachgemäßer Bearbeitung übertragen werden.

In ähnlicher Weise sind Neugeborene durch die sog. Mutter-Kind-Immunisierung befristete Zeit gegen einige Infektionskrankheiten geschützt: unmittelbar nach der Geburt durch Antikörper, die noch im Mutterleib - über die Plazenta - aus dem Blut der Mutter übernommen worden sind, und, sofern die Säuglinge gestillt werden, einige Wochen lang nach der Geburt durch in der Muttermilch vorhandene Antikörper, sofern die Mutter diese Antikörper selbst besitzt. Diese "Leih-Immunität" der Neugeborenen lässt im Laufe der ersten Monate nach der Geburt, abhängig von der Stilldauer, allmählich nach. Wobei man nicht außer acht lassen sollte, dass der Nestschutz nicht gegen alle Erkrankungen schützt - und das Stillen in erster Linie einen Schutz gegen Magen-Darm-Erkrankungen bietet. Die allgemein (in Deutschland durch die STIKO = Ständige Impfkommission) empfohlenen Kinder-Impfungen sollen daher so frühzeitig erfolgen, dass eine Lücke in der Erreger-Abwehr nicht entsteht.

Eingeführt wurde die passive Impfung 1890 von Emil von Behring, als er ein Heilverfahren gegen Diphtherie entwickelte.

Aktive Immunisierung

Bei der aktiven Immunisierung werden Lebendimpfstoffe, Totimpfstoffe oder Komplementimpfstoffe eingesetzt. Letztere sind meistens am besten verträglich. Es gibt auch Toxoidimpfstoffe, die nur das biologisch inaktive Toxin eines Erregers enthalten.

Sie können in einen Muskel vornehmlich des Oberarms oder bei Säuglingen des Oberschenkels oder unter die Haut injiziert, geschluckt oder in die Nase gesprüht werden.

Bei der aktiven Impfung wird das Immunsystem zur Bildung einer Immunkompetenz angeregt, ohne dadurch die Erkrankung selbst auszulösen. Proteine auf der Außenhülle der Erreger werden von Zellen des Immunsystems als körperfremd erkannt und es werden Antikörper dagegen ausgebildet. Durch die Gedächtniszellen, die weiterhin im Blut und den Lymphbahnen zirkulieren, bleibt der Impfschutz lange erhalten und falls der Körper erneut mit dem Erreger in Kontakt kommt, hat er eine sehr viel effizientere und schnellere Immunantwort zur Verfügung, die die Erreger bekämpft, bevor es zu einer Infektion kommt.

Wirksamkeit

Der wissenschaftlich fundierte Nachweis über die Wirksamkeit einer Schutzimpfung im Sinne einer randomisierten, kontrollierten Studie lässt sich fallweise kaum erbringen, wenn es sich um Impfungen handelt, die schon sehr lange allgemein eingeführt sind und die vor lebensbedrohlichen Erkrankungen schützen sollen. Die vorhandene Datenlage verbietet in dieser Situation aus ethischen Gründen eine Doppelblindstudie: Man würde die Teilnehmer in der Placebogruppe einem unerlaubten Risiko aussetzen. Allerdings gibt es genügend gute Studien, was die Wirksamkeit der Impfung gegen Poliomyelitis, Masern, Röteln, Tetanus, Diphtherie, Pneumokokken und Hepatitis A und B anbelangt.

Als Ersatz für solche Doppel-Blind-Versuche dienen daher zwangsläufig andere Verfahren, zum Beispiel der historische Vergleich der Häufigkeit von Infektionskrankheiten in Bevölkerungen, in denen (schon) geimpft wurde im Vergleich zu Bevölkerungen, in denen (noch) nicht geimpft wurde.


Historischer Vergleich jährlicher Infektionsfälle in den USA vor und nach der Einführung von Impfprogrammen (Quelle: The Scientist)
Impfstoff  vorher
(Jahr) 
nachher
(Jahr) 
Diphterie    175.885   
(1922)
1
(1998)
Haemophilus Influenzae B      20.000   
(1982)
54
(1998)
Keuchhusten    147.271
(1925)
6.279
(1998)
Masern    503.282
(1962)
89
(1998)
Mumps    152.209
(1968)
606
(1998)
Pocken    48.164
(1904)
0
(1998)
Röteln    47.745
(1968)
345
(1998)


Nach den Angaben der World Health Organization (WHO) und der Global Alliance for Vaccines and Immunization (GAVI) starben allein im Jahr 2002 über zwei Millionen Menschen an Infektionskrankheiten, die durch eine Impfung hätten verhindert werden können.

Nebenwirkungen

Die Nebenwirkungen von Impfungen sind in der Regel so gering, dass sie nicht bzw. nicht als wesentlich wahrgenommen werden. Laut den Impfstoffen beiliegenden Beipackzetteln können u.a. diese Komplikationen eintreten:

  • Schmerzen, Spannung und Schwellung an der Injektionsstelle
  • Fieber
  • Kopf- und Gliederschmerzen
  • Erbrechen
  • Abgeschlagenheit
  • Erkrankungen des zentralen sowie peripheren Nervensystems (Schläfrigkeit, Krämpfe, schlaffe Lähmungen, Nervenentzündungen, Enzephalitis, Meningitis)
  • vorübergehende Thrombozytopenien und Änderung bei anderen Blutzellarten
  • Reaktionen der Niere, Leber und Muskeln

In sehr seltenen Fällen kann es zu einem allergisch-anaphylaktischen Schock kommen. Darüber haben die Ärzte vor der Impfung ausreichend aufzuklären. Wer impft, muss daher durch Ausrüstung und Übung darauf vorbereitet sein, lebensbedrohliche allergische Reaktionen einer Impfung zu behandeln.

In Doppelblind-Versuchen ohne Einwirkung von Erregern, bei denen die eine Hälfte der Freiwilligen den Impfstoff, die andere Hälfte eine Kochsalzlösung injiziert bekommt, berichten daher beide Gruppen bei den meisten amtlich empfohlenen Impfstoffen über quantitativ und qualitativ ähnliche Nebenwirkungen: z.B. Schwindel, Kopfschmerzen, Schwächegefühl, Muskelschmerzen. In Deutschland übliche Impfstoffe, zum Beispiel gegen Tetanus, Diphtherie und Hepatitis A/B, haben in Doppel-Blind-Versuchen kaum mehr und kaum andere Nebenwirkungen als das jeweils als Placebo verwendete Kochsalz.

Beispiel: Pocken-Impfung

Würden heute Pocken-Erreger in Deutschland eingeschleppt oder absichtlich verbreitet, z.B. durch Terror-Aktionen, und könnten sich die Pocken - wie es ihrer extremen Verbreitungsfähigkeit entspricht und im Mittelalter der Fall war - ungehindert verbreiten, dann träfen sie auf eine Bevölkerung, die praktisch ohne Abwehr (durch Impfung oder überlebte Erkrankung) wäre - ähnlich wie zu Beginn der Pocken-Epidemien im Mittelalter. Dann ist mit etwa 15 % tödlichen Verläufen zu rechnen - also etwa 12 Millionen Toten. (Im Mittelalter waren die Todesquoten bei den Epidemien durch Pest und Pocken mit bis zu 90 % wesentlich höher, da damals die Widerstandsfähigkeit durch Hunger, schlechte Hygiene, ungesunde Wohnungen etc. schlechter war als im heutigen Deutschland.) Würde die heutige deutsche Bevölkerung dagegen rechtzeitig vor dem Kontakt mit den Pocken-Erregern gegen Pocken geimpft, dann ist zwar mit einigen Hundert Todesfällen durch die Impfung zu rechnen, aber zusätzlich mit "nur" einigen 10.000 Todesfällen von solchen Personen, die zwar geimpft wurden, aber dennoch tödlich an Pocken erkrankten. Allerdings verbreiten sich Pocken relativ langsam, so dass man annimmt, dass ggf. große Teile der Bevölkerung durch passive Immunisierung geschützt werden könnten.

Beispiel: Kinderlähmung

Die "Schluckimpfung" war nicht ungefährlich: sie enthielt vermehrungsfähige Erreger. Mitte der 1990er Jahre kam es zwar durch die Polio-Schluckimpfung in Europa jedes Jahr zu einigen Todesfällen, dagegen kam es nicht mehr zu Todesfällen durch die Polio selbst. Daher wurde die Polio-Schluckimpfung abgesetzt und durch die Polio-Nadelimpfung ersetzt, die als Totimpfstoff keine vermehrungsfähigen Erreger mehr enthält und daher wesentlich weniger Nebenwirkungen hat - insbesondere keine Todesfälle.

Aus religiösen Gründen wurden damals in einem Teil der Niederlande überhaupt keine Impfungen durchgeführt - also auch keine Polio-Impfungen, weder mit dem Schluck- noch mit dem Nadel-Impfstoff. Abgesehen davon war dieser Teil der niederländischen Bevölkerung genau so gut gesundheitlich versorgt, gebildet, mit Nahrung und Wohnungen versorgt etc. wie der Rest des Landes. Es kam dort - also mitten im sonst schon Polio-freien Europa - in den Jahren 1992/93 zu einer regionalen Polio-Epidemie, die innerhalb weniger Wochen trotz der relativ kleinen Bevölkerungszahl Dutzende von lebenslang Gelähmten und einige Tote zur Folge hatte.

Für die globale Impfkampagne der WHO zur Ausrottung der Kinderlähmung sind weitere Unterschiede zwischen der Schluckimpfung und der mit Totimpfstoff relevant:

  • die Schluckimpfung ist mit Kosten von etwa 0,02 Euro sehr günstig, der Totimpfstoff kostet dagegen über einen Euro
  • die Spritze muss von medizinisch ausgebildetem Personal verabreicht werden
  • der Lebendimpfstoff muss bis direkt vor der Verabreichung gekühlt werden, sonst können sich die Erreger stark vermehren, und die Schluckimpfung kann zum Ausbruch von Polio führen
  • ein mit Lebendimpfstoff geimpftes Kind scheidet die Erreger im Stuhl aus -so kommt es zu einem durchaus erwünschten "Mitimpfen" von engen Kontaktpersonen, z.B. Eltern

Aus Kostengründen wird in vielen Entwicklungsländern die Schluckimpfung angewandt. Das Risiko, dadurch eine Epidemie auszulösen, ist jedoch recht hoch, insbesondere, solange große Teile der Bevölkerung noch nicht geimpft sind.

Impfpflicht: nein, verantwortliches Abwägen: ja

In Deutschland besteht keine Impfpflicht. Der Impfkalender der ständigen Impfkommission (STIKO) sieht jedoch eine wiederholte Impfung schon ab dem Kleinstkindalter vor: beginnend mit dem 2. Lebensmonat bis zum 11. Lebensjahr sollte das Kind mehrfach geimpft werden. Für die impfenden Ärzte ergibt sich die Pflicht, über Vor- und Nachteile von Impfung und Nicht-Impfung der Kinder (und Erwachsenen) aufzuklären, und die Eltern (bzw. Erwachsenen) haben die Verantwortung, ob und gegebenenfalls wo sie sich weitere Informationen zum Pro und Contra von Impfungen einholen - und wie sie dann ihre Entscheidung fällen. Die Verantwortung der Eltern bezieht sich dabei in erster Linie darauf, ihr Kind vor schweren Krankheiten zu schützen, in zweiter jedoch auch auf die Gesellschaft. Denn nur wenn ein möglichst hoher Prozentsatz der Bevölkerung geimpft ist, können seuchenartige Ausbrüche von Infektionskrankheiten wirkungsvoll verhindert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind je nach Krankheit und Wirksamkeit des Impfstoffs Durchimpfungsraten von ca. 90% erforderlich. Näheres zur Berechnung dieser Durchimpfungsraten siehe Epidemiologie: Reproduktionsrate.

Die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission sind in Deutschland Grundlage für die Festlegung der "öffentlich empfohlenen Impfungen". Letztere werden durch die Gesundheitsbehörden der Bundesländer definitiv festgelegt. Falls durch eine öffentlich empfohlene Impfung ein bleibender Schaden entsteht (dann Impfschaden genannt - im Gegensatz zur Impfreaktion und Impfkomplikation), besteht ein Anspruch auf Entschädigung durch das Versorgungsamt.

Meldepflicht bei Impfschädigungen

Seit dem 1. Januar 2001 gilt für Ärzte die im Infektionsschutzgesetz verankerte "Meldeverpflichtung eines Verdachtes einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung" (http://www.pei.de/uaw/ifsg.htm).

Kombinationsimpfungen

Im Oktober 2000 wurden erstmals zwei hexavalente Impfstoffe, Hexavac und Infanrix hexa, in der Europäischen Union zugelassen, die gegen sechs Infektionskrankheiten schützen sollen: Kinderlähmung, Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Haemophilus influenzae Typ B-Infektionen sowie Hepatitis B.

Als Alternative bietet sich für Säuglinge die 5-fache Impfung ohne Hepatitis B an.

Als weitere Kombination kennt man die Masern-Mumps-Röteln-Impfung und die Diphtherie-Tetanus-Pertussis-Impfung.

siehe auch: Riegelimpfung

Literatur

  • Impfen schützt - ärztlicher Ratgeber für Fernreisende. Verlag J.Fink, Östfildern ISBN 3-7718-1075-2
  • Ulrich Heininger: Handbuch Kinderimpfung. 1. Auflage. Hugendubel-Verlag, Kreuzlingen 2004, ISBN 3-7205-2496-5
  • Schutzimpfungen von Reiner Thomssen, C.H.Beck, ISBN 3406447759
  • Der kritische Impfratgeber von Gabi Hoffbauer, Knaur, ISBN 3426669021
  • Impfen und Recht von Volker Klippert, Ulrike Röper, Roland J. Riedl-Seifert, Roland J.Riedl- Seifert, Zuckschwerdt, ISBN 3886038262
  • Impfungen für Kinder - großer Schutz für kleine Schätze von Prof. Dr. med Heinz J. Schmitt, Verlag im Kilian ISBN 3932091434
  • Heinz Spiess, Ulrich Heininger (Hrsg.): Impfkompendium. 6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart und New York 2005, ISBN 3-13-498906-9

Siehe auch

kritisch

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