Ricarda Huch (* 18. Juli 1864 in Braunschweig; † 17. November 1947 in Schönberg im Taunus, heute Kronberg; Pseudonym: Richard Hugo) war eine deutsche Schriftstellerin, Dichterin und Erzählerin.
Leben
Ricarda Huch wuchs in Braunschweig auf. Sie studierte, da dies für Frauen in Deutschland nicht möglich war (siehe: Frauenstudium), in der Schweiz Geschichte und Philosophie und promovierte 1892 an der Universität Zürich mit einer historischen Arbeit über "Die Neutralität der Eidgenossenschaft" während des spanischen Erbfolgekrieges an der philosophischen Fakultät. Seit ihren Studientagen war sie mit der Tiermedizinerin Marianne Plehn befreundet, die später die erste deutsche Professorin in Bayern werden sollte. In der Zürcher Pension Walder am Schanzenberg lernte Huch ihre lebenslange Freundin, die Chemiestudentin Marie Baum, kennen, die in Danzig 1874 geboren wurde (+1964) und ihr 1950 ein biographisches Denkmal setzte: "Leuchtende Spur". Huch arbeitete zunächst als Bibliothekarin und - von diesem Beruf wenig erfüllt - als Lehrerin in Zürich und Bremen. Später lebte sie ab 1897 in Wien, wo sie den Zahnarzt Ermanno Ceconi kennen lernte, den sie 1898 heiratete. Ihm folgte sie in seine italienische Heimat Triest (1898 -1900). In dieser italienischen Zeit erarbeitete sie als erste die Geschichte der italienischen Einigung "Risorgimento" unter der Führung von Giuseppe Garibaldi. Weil sie sich mit dieser Forschung Verdienste um Italien erworben hatte, wurde sie von den italienischen Faschisten geschätzt - und darum wurde sie im nationalsozialistischen Deutschland nicht verfolgt (s.u.). Lange lebte sie - mit Unterbrechungen - in München (1912 - 1916, 1918 - 1927), wo viele wichtige Bücher entstanden, zum Beispiel ihre Biographie "Michael Bakunin und die Anarchie" (1923). Hier bekommt sie auch Kontakt mit der Frauenbewegung, mit deren Vordenkerinnen Ika Freudenberg und Gertrud Bäumer sie korrespondiert. In den Jahren 1927 bis 1932, die sie und ihre Tochter Marietta in Berlinverbringen, erreicht sie die Nachricht vom Tode Ceconis. Hier entsteht eine Arbeit über die deutsche Revolution von 1848/49 "Alte und neue Götter" (1930). Die Zeit von 1935 bis 1947, in der sie mit ihrer Tochter und deren Ehemann Franz Böhm in Jena lebt, ist gekennzeichnet von zahlreichen Kontakten. Weil es in der Zeit des Dritten Reiches wenig Häuser gibt, in denen ein offenes Wort gesprochen werden kann, entwickelt sich Ricarda Huchs Wohnung am Oberen Philosophenweg zu einem Gesprächszentrum, wo neben Künstlern und Wissenschaftlern auch eine große Zahl der Personen oder Familien verkehrte, die später für das missglückte Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 verantwortlich zeichneten. Ihnen ein Denkmal zu setzen, war der mittlerweile greisen Dichterin eine Aufgabe, die sie sich für die Zeit nach dem "Dritten Reich" vorgenommen hatte. Dieses Projekt, die Lebensläufe der Widerstandskämpfer gegen Hitler in Biographien festzuhalten, gelang nicht vollständig. Immerhin gelang es ihr, die Münchener Weiße Rose und die Geschwister Scholl der Nachwelt einzuprägen. Das Werk wurde nach ihrem Tod von dem Autoren Günther Weisenborn weitergeführt, aber seine ursprüngliche Intention wurde völlig verkehrt. Erst 1997 wurden die Originalarbeiten im Leipziger Universitätsverlag veröffentlicht: "In einem Gedenkbuch zu sammeln". Obwohl die Jenaer Friedrich-Schiller-Universität Huch 1946 mit der Ehrendoktorwürde auszeichnete und sich die kommunistischen und russischen Stellen um sie bemühten, und sie auf dem ersten deutschen Schriftstellerkongress nach dem Krieg in Berlin einen vielbeachteten Vortrag halten konnte, floh sie vor dem neu aufkeimenden Totalitarismus auf deutschem Boden nach Frankfurt am Main, nachdem ihr Schwiegersohn, Franz Böhm, in Hessen Kultusminister geworden war (er verdankte einer Namensverwechselung, dass die Nationalsozialisten ihn nicht im Zuge der Verfolgung des 20.Juli vernichtet hatten). Den Reisestrapazen im ungeheizten Zug über die Sektorengrenze war ihre Gesundheit nicht mehr gewachsen. Im Gästehaus der Stadt Frankfurt, in Kronberg-Schönberg ist sie am Morgen des 17. November 1947 gestorben. Auf dem Hauptfriedhof von Frankfurt fand sie ein Ehrengrab.
Ricarda Huch war zwei Mal verheiratet, zunächst mit dem italienischen Zahnarzt Ermanno Ceconi, danach kurz und unglücklich mit ihrem Jugendschwarm, ihrem Cousin Richard Huch.
Als Protest gegen den Ausschluss von Alfred Döblin aus der von der nationalsozialistisch angepassten Preußischen Akademie der Künste, die zu dieser Zeit von dem wenig charakterfesten Gottfried Benn präsidiert wurde, trat sie noch im Frühling 1933 als erster Autor aus. Dieser Tatbestand wurde im Dritten Reich nicht veröffentlicht. Das Verhalten des Dritten Reiches ihr gegenüber blieb widersprüchlich. Zwar bekam Huch zu ihrem 80. Geburtstag persönliche Glückwunschtelegramme von Goebbels und Hitler, doch in der Presse durfte ihr Geburtstag nicht erwähnt werden. Man wusste, dass sie dem Nationalsozialismus feindlich gegenüber stand, traute sich aber wegen der italienischen Verwicklungen nicht, gegen sie vorzugehen (siehe oben).
Literarisches Schaffen
Ricarda Huchs literarisches Werk ist äußerst umfangreich und von thematischer wie stilistischer Breite. So begann sie mit Gedichten, schrieb dann jedoch zunehmend Romane und v.a. historische Bücher, die auf der Schwelle zwischen Geschichtswissenschaft und Literatur pendeln.
Ricarda Huch widmete sich seit den 1910er Jahren der italienischen, deutschen und russischen Geschichte. Ihre historischen Romane sind meist psychologisch-biographisch. So schrieb sie eine Biographie über Michail Bakunin und Federico Confalonieri. Ihre monumentale deutsche Geschichte entstand zwischen 1934 und 1947 und umfasst sowohl das Mittelalter als auch die Frühe Neuzeit.
Nachleben
Mit der historischen Prosa (historische Romane, Geschichtsbücher) beeinflusste sie nachdrücklich Golo Mann, der auf ihre Deutsche Geschichte eine Fortsetzung zum 19. Jahrhundert folgen ließ.
Außerdem wurden ehemals Mädchengymnasien in Braunschweig-Gliesmarode, Hannover-List, Kiel und Gießen an der Lahn "Ricarda-Huch-Schule" genannt. Es sind jetzt Gymnasien mit mehr als 600 Schülerinnen und Schülern. Im Foyer in Braunschweig steht eine Ricarda-Huch-Büste, in Hannover sind verschiedene Wandmalerein vorzufinden. In Brühl (Rheinland) wurde eine Straße nach ihr benannt.
Die Ricarda-Huch-Schule [1] in Dreieich ist ein Gymnasium mit etwa 1200 Schülerinnen und Schülern.
Auszeichnungen und Ehrungen
- 1924 Ehrensenatorin der Universität München
- 1931 Goethe-Preis der Stadt Frankfurt
- 1944 Wilhelm-Raabe-Preis
- 1946 Ehrendoktorwürde der Friedrich-Schiller-Universität in Jena
Werke
- Die Blütezeit der Romantik. 1899
- Ausbreitung und Verfall der Romantik. 1902
- Aus der Triumphgasse. 1902
- Die Geschichten von Garibaldi. 1906
- Menschen und Schicksale aus dem Risorgimento. 1908
- Der letzte Sommer. (Briefroman) 1910
- Das Leben des Grafen Federigo Confalonieri. 1910
- Der große Krieg in Deutschland. 1914
- Der Fall Deruga. (Krimi) 1917
- Michael Bakunin und die Anarchie. 1923
- Gesammelte Gedichte. 1929
- Deutsche Geschichte. 1934-49
- Herbstfeuer. 1944
- Urphänomene. 1946
Literatur
- Marie Baum: "Leuchtende Spur", Tübingen, 1950.
- Helene Baumgarten: Ricarda Huch. Von ihrem Leben und Schaffen. 2. Aufl. Köln u.a.: Böhlau. 1968.
- Marianne Beese: Kampf zwischen alter und neuer Welt. Dichter der Zeitenwende (Friedrich Hölderlin - Novalis - Heinrich Heine - Friedrich Hebbel - Ricarda Huch). 2. Aufl. Rostock : Neuer Hochsch.-Schr.-Verl. 2001. ISBN 3-935319-80-0
- Jutta Bendt: Ricarda Huch. 1864-1947. Eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs im Schiller-Nationalmuseum Marbach am Neckar. 7. Mai - 31. Oktober 1994 Schiller-Nationalmuseum Marbach. Marbach am Neckar: Dt. Schillerges. 1994. (= Marbacher Kataloge; 47) ISBN 3-929146-13-4
- Anne Gabrisch: In den Abgrund werf ich meine Seele. Die Liebesgeschichte von Ricarda und Richard Huch. Zürich: Nagel u. Kimche. 2000. ISBN 3-312-00264-8
- Gunther H. Hertling: Wandlung der Werte im dichterischen Werk der Ricarda Huch. Bonn: Bouvier. 1966. (= (Abhandlungen zur Kunst-, Musik- u. Literaturwissenschaft; 40))
- Seong-Eun Kim: Das Prinzip Gerechtigkeit. "Geschichtsgefühl" und "Gestaltungskraft" in Ricarda Huchs Werken nach 1914. Aachen: Shaker. 2001. ISBN 3-8265-9144-5
- Hans Henning Kappel: Epische Gestaltung bei Ricarda Huch. Formal-inhaltliche Studien zu 2 Romanen. "Von den Königen und der Krone", "Der große Krieg in Deutschland". Frankfurt am Main: Lang. 1976. (= Europäische Hochschulschriften; 194)
- Karl Heinz Koehler: Poetische Sprache und Sprachbewußtsein um 1900. Untersuchungen zum frühen Werk Hermann Hesses, Paul Ernsts und Ricarda Huchs. Stuttgart: Heinz. 1977. (= Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik; 36)
- Cordula Koepcke: Ricarda Huch, ihr Leben und ihr Werk. Frankfurt am Main: Insel. 1996. ISBN 3-458-16774-9
- Vivian Liska: "Die Moderne - ein Weib". Am Beispiel von Romanen Ricarda Huchs und Annette Kolbs. Tübingen u.a.: Francke. 2000. ISBN 3-7720-2751-2
- Hans-Werner Peter u. Silke Köstler: Ricarda Huch (1864-1947). Jubiläumsband zu ihrem 50. Todestag anläßlich des Internationalen Ricarda-Huch-Forschungssymposions vom 15.-17. November 1997 in Braunschweig. Braunschweig : pp-Verl. 1997. ISBN 3-88712-050-7
- Michael Meyer: Willensverneinung und Lebensbejahung. Zur Bedeutung von Schopenhauer und Nietzsche im Werk Ricarda Huchs. Frankfurt am Main u.a.: Lang. 1998. (= Hamburger Beiträge zur Germanistik; 25) ISBN 3-631-33302-1
- Stefanie Viereck: So weit wie die Welt geht. Ricarda Huch. Geschichte eines Lebens. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 1990. ISBN 3-498-07059-2
Weblinks
- Vorlage:PND
- Tabellarische Kurzbiografie zu Ricarda Huch
- Tabellarische Kurzbiografie zu Ricarda Huch mit vielen Bildern
- Kurzbiografie zu Ricarda Huch
- Überblick über die Texte von Ricarda Huch im Internet
- Artikel Huch, Ricarda im Historischen Lexikon der Schweiz
Personendaten | |
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NAME | Huch, Ricarda |
ALTERNATIVNAMEN | Pseudonym: Richard Hugo |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Schriftstellerin, Dichterin und Erzählerin |
GEBURTSDATUM | 18. Juli 1864 |
GEBURTSORT | Braunschweig |
STERBEDATUM | 17. November 1947 |
STERBEORT | Schönberg im Taunus, heute Kronberg |