Kaltnadelradierung
Die Kaltnadelradierung ist ein grafisches Tiefdruckverfahren, bei der die Zeichnung unter Kraftaufwand mit einem Stichel oder einer Radiernadel direkt in die Druckplatte (Kaltverformung des Metalls) eingeritzt wird. Dabei bewirkt ein stärkerer Druck der Nadel auch eine stärkere Linie. Zu beiden Seiten der Rillen stellt sich das verdrängte Material auf und bildet einen scharfen Grat (der beim Kupferstich als Span entfernt wird). Alle Flächen bestehen aus einer Konzentration von vielen Linien. Es folgt keine Ätzung. Auf die Platte wird anschließend die Farbe aufgetragen und verwischt. Dabei nimmt der feine Grat neben der eigentlichen Linie zusätzlich zur Rille Farbe an. Auf dem Abzug zeigt sich dann der Strich als erhöhte Farbablagerung, der Grat als feiner Einschnitt, der zuweilen sogar weiß bleibt und eine sich dem Grat anschließende samttonige Verschattung, die die Farbe wiedergibt, die beim Wischen an den Außenseiten des Grates haftengeblieben ist.
Zur Kaltnadelradierung gehört auch die Bearbeitung der Platte mittels Mouletten und Rouletten.
Die Technik besitzt hohe künstlerische Bedeutung, da sie die subjektive Persönlichkeit des Künstlers und dessen Expression mitteilt. Sie wurde um 1480 erstmalig eingesetzt. Den ersten Höhepunkt in dieser Technik erreichte Rembrandt. Im 20. Jahrhundert war es neben Edvard Munch, Ernst Ludwig Kirchner und Max Beckmann vor allem Picasso, der mit dieser Technik eindrucksvolle Werke schuf.
Merkmale einer Kaltnadel-Radierung
- die Farbe liegt reliefartig erhöht auf dem Papier (allerdings weniger stark als beim geätzten Strich)
- der Gratschatten, der neben dem Grat als weicher Begleitton auftritt. Wird die Kaltnadel in Verbindung mit einer Ätzradierung oder Aquatinta
verwendet, ist der Grat häufig nicht mehr vorhanden.
Generell ist bei der Kaltnadelradierung nur eine geringe Anzahl guter Abzüge von der Druckplatte möglich, da durch den Druck der Presse der Grat immer mehr zusammengequetscht wird und der fein schattierende Ton allmählich verschwindet. Für den Sammler ist es deshalb wichtig, ein Blatt mit einer niedrigen Abzugsnummerierung zu erwerben.
Literatur
- Walter Koschatzky, Die Kunst der Graphik, München 1977
- Lothar Lang; Der Graphiksammler, Berlin 1979