Haiti ist durch seine sehr wechselvolle und unruhige Geschichte geprägt. Stets stand man im Schatten weltpolitischer Ereignisse und wurde des öfteren zum Spielball externer Machtinteressen jedlicher Art. Desweitern kämpfen Schwarze und französische Mulatten um die Vorherrschaft. So wundert es nicht, dass seit seiner Unabhängigkeit vor etwa 200 Jahren in Haiti 32 Militärputsche stattgefunden haben.
Präkolumbianische Zeit
Bis 1492 lebten auf Haiti hauptsächlich die indianischen Völker der Siboney, Taínos, Quisqueya und Kariben.
Haiti als Kolonie
Am 5. Dezember 1492 entdeckte Christoph Kolumbus die Insel Aytí, die er La Española (Hispaniola) nannte. Damit begann die spanische Kolonisation.
Im Frieden von Rijswijk verzichtete Spanien 1697 zugunsten Frankreichs auf den westlichen Teil der Insel (Saint-Domingue).
Im August 1791 nahmen die Sklaven auf den Zuckerrohrplantagen Haitis die Postulate der Französischen Revolution - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - wörtlich und erhoben sich im Norden der Kolonie. In den folgenden Jahren der Revolutionskriege zwischen Frankreich und Großbritannien schaffte es Toussaint L'Ouverture, in wechselnden Allianzen eine weitgehende Selbstständigkeit der Kolonie zu erkämpfen.
Am 22. Juli 1795 wurde zwischen Spanien und Frankreich der so genannte Frieden von Basel beschlossen. Nun wird auch der Ostteil der Insel Frankreich zugeschlagen.
Von 1799 bis 1800 tobte der Bürgerkrieg zwischen Schwarzen und Mulatten, in dem letztere unterlagen. Der Schwarzenführer François Dominique Toussaint L'Ouverture (* 1743) wurde französischer Gouverneur. 1801 besetzte Toussaint L'Ouverture den Ostteil der Insel (Santo Domingo); es kam zur Abschaffung der Sklaverei und zur Einführung einer Landreform.
1802 geriet Toussaint in Widerspruch zu Frankreich. Napoleon Bonaparte entsandte daraufhin Truppen, die am 25. Februar Santo Domingo besetzten und die Sklaverei wiederherstellten. Toussaint wurde gefangen genommen und nach Frankreich deportiert, wo er am 7. April in der Haft starb.
Geschickte militärische Operationen, eine britische Seeblockade und eine Gelbfieber-Epedemie machten den Interventionstruppen des Bonaparte aber schwer zu schaffen, so dass sie 1803 kapitulieren mussten.
Unabhängigkeit und Abspaltung der Dominikanischen Republik
Am 1. Januar 1804 proklamierte Jean-Jacques Dessalines (*1760), der sich selbst zum Kaiser ernannte (Jacques I.), die Unabhängigkeit von Saint-Domingue. Das Land erhielt den Namen Haiti, die Selbstbezeichnung lautete damals erster freier Negerstaat. Aus dem einzigen erfolgreichen Sklavenaufstand der Weltgeschichte ging damit die erste selbstständige Nation Lateinamerikas hervor.
Neben dem ersten Kaiser wurden die ehemaligen Sklaven Toussaint L'Ouverture und Henri Christophe als Führer des Freiheitkampfes Nationalhelden.
Am selben Tag noch besetzten französische Truppen Santo Domingo im spanischen Ostteil der Insel, wo die Sklaverei wieder eingeführt wurde. Um die Sklavenhaltung in den anderen Staaten zu rechfertigen, wurden mannigfaltige Bemühungen unternommen, Haiti und die Voodoo-Religion zu dämonisiseren.
Dessalines ließ in der Zwischenzeit aus der französischen Flagge die Farbe Weiß herausschneiden und Blau mit Rot zu den heutigen haitianischen Nationalfarben zusammennähen. Die meisten der im Lande verbliebenen Franzosen wurden ermordet.
1805 eroberte Haiti den unter französischer Herrschaft stehenden Ostteil der Insel zurück.
Am 17. Oktober 1806 wurde Dessalines (Jacques I.) auf Veranlassung von Henri Christophe ermordet. Das Land spaltete sich in eine südliche Mulatten-Republik und in einen nördlichen, von verschiedenen rein schwarzen Kaisern regierten Staat. 1807 wurde Henri Christophe (1767-1820) zum Präsidenten ernannt. Zwei Jahre später, im Jahre 1809, gelangte der Osten der Insel (Santo Domingo) wieder an die spanische Krone.
1811 proklamierte sich Henri Christophe zum Kaiser. Auf dem 945 Meter hohen Pic La Fernere ließ er von über 200.000 Zwangsarbeitern die mächtigste Festung außerhalb Europas errichten.
1820 wurden Nord- und Südhaiti wieder vereint und die republikanische Staatsform im ganzen Land eingeführt. Am 8. Februar 1822 besetzte Haitis Präsident Jean-Pierre Boyer Santo Domingo. Es kam zum Anschluss an Haiti und zur Abschaffung der Sklaverei.
Im Jahre 1825 kam es schließlich zur Anerkennung der Unabhängigkeit Haitis durch Frankreich unter Zahlung einer horrenden Entschädigung, welche die haitianische Wirtschaft für Jahrzehnte ruinierte und im Osten des Landes zu Widerstand führte.
Am 27. Februar 1844 trennte sich der Ostteil der Republik, Santo Domingo, vom westlichen Landesteil (Haiti) und proklamierte als Dominikanische Republik seine Unabhängigkeit.
Die Intervention der USA 1915 bis 1934
Am 28. Juli 1915, unmittelbar nachdem eine Menschenmenge Präsident Vilbrun Guillaume Sam gelyncht hatte, wurde Haiti durch die USA besetzt. Offizielles Ziel der Intervention war es, die öffentliche Ordnung in dem von inneren Konflikten zerrissenen Land wieder herzustellen.
Nach Ansicht von Historikern richtete sie sich aber auch gegen den deutschen Einfluss in Haiti. Deutsche Einwanderer dominierten damals die Wirtschaft des Landes und in Washington fürchtete man, dass das Deutsche Reich Flottenstützpunkte in der Karibik-Republik einrichten könnte. 1918, kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs, wurde Haiti gezwungen Deutschland den Krieg zu erklären, womit der Weg zur Enteignung der Deutschen frei war.
Die amerikanische Besatzung dauerte 19 Jahre und war für Haiti in vieler Hinsicht traumatisch. Zwar bauten die Amerikaner Straßen, Krankenhäuser und Telefonanlagen. Doch mit ihrem rassistischen Hochmut gegen Schwarze und Mulatten demütigten sie die Haitianer zutiefst. Die Besatzer verpflichteten für ihre Straßenprojekte Bauern zur Zwangsarbeit und ihr Kampf gegen die "Caco"-Rebellen forderte tausende Menschenleben. Der Voodoo wurde als "Satanskult" unterdrückt.
Der Zweite Weltkrieg
Während des Zweiten Weltkieges erklärte Haiti dem Deutschen Reich am 12. Dezember 1941 den Krieg. Mit dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten am Tag zuvor wurden auch zahlreiche Staaten Mittelamerikas, die durch Bündnisse mit den USA verbunden waren, in den Krieg hineingezogen, der sich somit endgültig zu einem Weltkrieg ausweitete. Noch am Tag der deutschen Kriegserklärung an die Regierung in Washington erklärten die Staatschefs von Costa Rica, Guatemala und der Dominikanischen Republik den Achsenmächten den Krieg; Kuba, Nicaragua, Haiti, Honduras und El Salvador folgten am nächsten Tag.
Die Duvalier-Diktatur
1957 wurde der Arzt François Duvalier, genannt Papa Doc mit Hilfe des Militärs zum Präsidenten gewählt und brachte so sich und seinen Familienclan in die Schlüsselpositionen des Staates. Er entmachtete systematisch die mulattische Elite. Nach seinem Tod 1971 trat sein Sohn Jean-Claude Duvalier, genannt Baby Doc, seine Nachfolge an und ließ sich als Präsident auf Lebenszeit bestätigen. Im Jahr 1984 kam es zu ersten Unruhen. Zwei Jahre später wurde das Kriegsrecht ausgerufen. Jean-Claude Duvalier wurde im weiteren Verlauf abgesetzt und ging ins französische Exil.
Die Zeit des Übergangs von 1986 bis Aristide
Nach Baby Docs Absetzung und Flucht begann die Zeit des Übergangs mit weiteren Versuchen eine stabile Republik zu bilden. Das Einkammerparlament mit 59 Sitzen wurde aufgelöst. Am 21. März 1986 ernannte sich General Henri Namphy zum Präsidenten. Am 19. Oktober 1986 wurde bei einer nur fünfprozentigen Beteiligung eine verfassungsgebende Versammlung gewählt, die für 1987 eine Präsidialrepublik mit einer entsprechenden Verfassung vorbereiten sollte. Am 29. März 1987 erfolgte mit großer Mehrheit die Annahme der neuen Verfassung durch das Volk.
Es wurde ein Abgeordnetenhaus mit 83 Mitgliedern, das alle vier Jahre gewählt wird, und ein Senat mit 27 Mitgliedern, der alle sechs Jahre gewählt wird, installiert. Alle fünf Jahre sollte das Staatsoberhaupt direkt gewählt werden.
Im November 1987 mussten die Wahlen zum Parlament abgebrochen werden, da die immer noch zahlreichen Anhänger von Duvalier wahlwillige Bürger bedrohten und sogar ermordeten.
Leslie Manigat wurde dann im Januar 1988 als Präsident gewählt, aber schon im Juni vom Militär wieder entmachtet. Der heutige Ministerpräsident Gerard Latortue war übrigens Außenminister im Kabinett. Nachdem General Namphy eine nur aus Millitärs bestehende Regierung ernannte, erfolgte drei Moanate später schon der nächste Putsch, diesmal durch Generalleutnant Avril.
Im Jahr 1990 stürzte General Hérard Abraham den Diktator Proper Avril und übergab die Macht an Zivilisten um so dem Weg für freie Wahlen zu ebnen.
Die Amtszeit von Jean Bertrand Aristide
In diesen Wahlen gewann Jean Bertrand Aristide 1990 die Präsidentenwahlen, wurde aber bereits 1991 durch einen Armeeputsch gestürzt. General Raoul Cédras übernahm die Macht. Es folgten drei düstere Jahre für das Land. Mißwirtschaft, Terror und Korruption bestimmten den Alltag der Bürger, eine Flüchtlichswelle zum US-Militärstützpunkt Guantanamo in Kuba setzte ein. Trotz verschiedenster Wechsel auf der Position des Ministerpräsidenten verbesserte sich die Lage nicht, im Gegenteil. Nun wurden Wirtschaftssanktionen verhängt und der internationale Druck stieg.
Am 19. September 1994 intervenierte die USA in Haiti nach 1915 ein zweites Mal in der Geschichte und setzte Jean Bertrand Aristide wieder ins Präsidentenamt ein. Er löste das Militär auf, stärkte aber im Gegenzug den Polizeiapparat (Chimeres). Der spätere Rebellenführer und Gegenspieler Guy Philippe kehrte aus Ecuador in seine Heimat zurück und stieg im neuen Polizeiapparat schnell auf. 1995 wurde er dann zum Polizeichef von Cap Haitien. Ein weiteres Ziehkind von Aristide, René Préval, wurde zum Präsidenten ernannt.
Am 31. März 1995 wurde Haiti unter ein UNO-Mandat gestellt, das Ende 1997 wieder auslief. Während dieser Zeit funktionierte das öffentliche Leben einigermaßen.
Nachdem im Januar 2000 die Interventionstruppen der USA das Land verließen, fand vier Monate später umstrittene Parlamentswahlen statt. Es gewinnt die Partei Aristides (Lavalas(kreolisch f. Lawine)-Familie) die Mehrheit der Parlamentssitze. Die internationale Hilfe für Haiti wird eingestellt.
Nachdem am 26. November 2000 Jean-Bertrand Aristide mit 91,8% der Stimmen erneut zum Präsidenten gewählt wird, wurden Vorwürfe laute, dass diese Wahl manipuliert sei. Aristide trat sein Amt am 7. Februar 2001 an. Im November 2002 nahm die Zahl der Protestkundgebungen gegen Aristide weiter zu, der Ruf nach Rücktritt wurde lauter. Immmer wieder kam es zu Zusammenstößen zwischen Aristide-Gegnern und regierungstreuen Demonstranten.
Die Revolution 2004
Der Sturz von Jean Bertrand Aristide
Am 200. Unabhängigkeitstag am 1. Januar 2004 kam es zu schweren Unruhen in Haiti, die mit Schüssen gegen den Präsidenten Jean Bertrand Aristide und seinen südafrikanischen Amtskollegen Thabo Mbeki in der Stadt Gonaives begannen. Haitianische Polizisten und südafrikanische Sicherheitsleute erwiderten das Feuer. Im ganzen Land kam es daraufhin zu Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und den Sicherheitskräften.
Gegen Aristide gerichtete Aufstände, vor allem der "Revolutionären Widerstandsfront des Artibonite" (FRRA), brachten das Land Anfang Februar an den Rand eines Bürgerkrieges. Am 5. Februar 2004 hatten die Aufständischen unter ihrem Anführer Butteur Métayer in der Stadt Goniaves (160 Kilometer nordwestlich von Port-au-Prince) die Macht übernommen.
Nachdem am 14. Februar 2004 die früheren Putschisten Louis-Jodel Chamblain und Guy Philippe aus ihrem Exil in der Dominikanischen Republik zurückgekehrt waren, schlossen diese sich dem Aufstand an. Die Rebellen eroberten daraufhin in den folgenden Tagen zahlreiche Städte und Orte im Norden der Karibikrepublik.
Schließlich erreichten die Truppen Ende Februar Port-au-Prince. Nun gab der amtierende Präsident Jean-Bertrand Aristide dem Druck der Rebellen und der USA nach, die ihn bis dahin unterstützt hatten, und verließ das Land am 29. Februar 2004 (kurioserweise der Geburtstag von Guy Philippe) mit zunächst unbekanntem Ziel. Nach Aristides Flucht übernahm der Oberste Richter Boniface Alexandre die Amtsgeschäfte des Staatsoberhaupts in der Hauptstadt. Bei den bewaffneten Auseinandersetzungen waren bis Anfang März 2004 mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen.
Am 4. März 2004 kündigte der Anführer der Rebellen Guy Philippe an, ihre Waffen niederzulegen, was er dann später wieder relativierte. In der Hauptstadt Port-au-Prince demonstrierten am selben Tag tausende von Menschen für die Rückkehr von Aristide. Am 7. März 2004 schossen unbekannte Täter auf friedliche Demonstranten und töteten mindestens sechs Menschen. Erstmals seit Beginn der Unruhen kam auch ein ausländischer Journalist ums Leben.
Jean Bertrand Aristide im Exil
Von seinem Exilort in Bangui, Zentralafrikanische Republik aus warf Aristide am 1. März 2004 den USA vor, ihn gegen seinen Willen aus dem Land gebracht zu haben. Die US-Regierung dementierte umgehend; man sei lediglich bei der Flucht ins Ausland behilflich gewesen, hieß es weiter.
Am 9. März 2004 teilte ein Rechtsanwalt von Aristide mit, dass man die USA und Frankreich wegen Entführung verklagen will. Der konkrete Vorwurf lautete, die Regierung von US-Präsident George W. Bush habe Aristide aus Haiti entfernen wollen und Frankreich habe im Verstoß gegen internationales Recht dabei geholfen.
Unterstützung erhielt Aristide am 9. März 2004 jetzt auch von der Afrikanischen Union (AU) und der Gemeinschaft der Karibikstaaten. Die 53 Staaten umfassende AU erklärte an ihrem Hauptsitz Addis Abeba, die Entfernung Aristides aus seinem Amt sei verfassungswidrig. Dabei gehe es nicht um Personen, sondern um die Grundsätze der Demokratie. Außerdem forderte die aus 15 Staaten bestehende Karibische Gemeinschaft eine internationale Untersuchung der Entführungsvorwürfe. Aristides Anwalt hatte vorher erklärt, dass man auch Beschwerde bei den Vereinten Nationen einlegen wolle, wenn man die Unterstützung einiger afrikanischer Staaten bekomme.
Weiterhin rief Aristide zum Widerstand gegen die seiner Meinung nach inakzeptable Besatzung auf. So sagte er bei seinem ersten öffentlichen Auftritt: Ich bin der demokratisch gewählte Präsident und bleibe es auch.
Die Ankündigung südafrikanischer Regierungsvertreter vom 5. März 2004, der Aufenthalt Aristides in der Zentralafrikanischen Republik sei nur vorrübergehender Natur bestätigte sich acht Tage später. Jamaika gewährte am 13. März 2004 dem Ex-Präsidenten ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht. Die neue Regierung zeigte sich darüber besorgt, könne doch eine solche Nähe Aristides zu Haiti weitere Unruhen schüren.
Ausländische Truppenpräsenz
Die USA, Frankreich und Chile entsandten am 29. Februar 2004, also noch am selben Tag, an dem Aristide das Land verlassen hat, erste Truppen nach Haiti. Insgesamt befanden sich im März 2004 1.600 US-Soldaten, 800 französische und 130 chilenische Soldaten im Land.
Brasilianische Regierungsvertreter teilten am 4. März 2004 mit, dass sie sich, wenn gewünscht, mit 1.100 Soldaten an einer UN-Truppe für Haiti beteiligen könnten. Brasilien ist damit das erste Land, das ein solches Angebot unterbreitet. Eine UN-Friedenstruppe könnte in etwa drei Monaten die so genannten Eingreiftruppen ablösen. Zur Vorbereitung dieses multinationalen Einsatzes brach inzwischen ein Team von UN-Experten Richtung Haiti auf.
Unterdessen stattet der US-Generalstabschef Richard Myers am 13. März 2004 den US-Truppen einen ersten Besuch ab.
Unruhen nach Aristides Flucht
US-Marineinfanteristen, das zahlenmäßig größte Kontingent der Eingreiftruppe, wollten ab dem 10. März 2004 der haitianischen Polizei bei der Entwaffnung so genannter illegaler bewaffneter Gruppen helfen, aus ungeklärten Gründen gab es aber eine Verzögerung. Bei vereinzelten Übergriffen auf die Soldaten wurden bis zum 10. März vier Haitianer von US-Soldaten getötet.
Das Pentagon erklärte am 11. März 2004, man werde die Mission zur Befriedung Haitis ausweiten. Man plant ein rasches Handeln der im Land stationierten Marineinfanteristen, um die Gewalt unter der Bevölkerung zu stoppen. Diese ging auch zwei Wochen nach der Flucht von Aristide weiter. In Port-au-Prince kam es wieder zu Schießereien zwischen Anhängern des Ex-Präsidenten und Sicherheitskräften. Zuvor wurde eine Demonstration für Aristide mit Tränengas aufgelöst.
Regierungsbildung nach Aristide
Die Bemühungen um die Bildung einer neuen Regierung kamen am 5. März 2004 weiter voran. Es wurde eine Wahlkomission gebildet, die dem neuen, am 8. März 2004 vereidigten Übergangspräsidenten Boniface Alexandre einen neuen Premierminister vorschlagen soll. Am 9. März 2004 schlug die Kommission den Juristen und Wirtschaftsexperten Gerard Latortue als neuen Ministerpräsident vor. Er nahm die Berufung an und kehrte einen Tag später aus seinem Exil in Florida nach Haiti zurück. Am 12. März 2004 wurde er vereidigt und trat damit offiziell sein Amt an. Hauptaufgabe seiner Regierung wird es sein, freie Wahlen zu organisieren, Bei seiner Vereidigung kündigte er an, das der Urnengang zwischen September und November 2004 stattfinden könnte.
Bei der Regierungsbildung solle nach Willen von Latortue auch der gemeinsam mit ihm nach Haiti zurückgekehrte frühere General Hérard Abraham eine führende Rolle spielen, sagte Latortue. Abraham hatte 1990 nach dem Sturz des Diktators Prosper Avril die Macht an Zivilisten übergeben und den Weg für die ersten freien Wahlen in der Geschichte des Landes geebnet.
Latortue löst damit seinen Vorgänger Yvon Neptune ab, der noch die alte Regierung unter dem gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide geführt hatte. Präsident Alexandre rief seine Landsleute derweil zur Versöhnung auf. Bei seiner Amtseinführungszeremonie bedankte er sich ausdrücklich bei der internationalen Gemeinschaft für deren Hilfe. Dieses Ziel verfolgt er der neue Minsterpräsident, der sich am 12. März 2004 bereits mit Vertretern der Aristide-Partei Lavalas traf, um seinem Ziel der nationalen Versöhnung mit der Einbindung aller relevanten Kräfte des Landes näherzukommen.
Die Rolle des Militärs nach Aristide
Nach der Nominierung des neuen Ministerpräsidenten Gerard Latortue durch den Rat der Weisen warf der ehemalige Oberst Himler Rebu der Kommission vor, man hätte einen taktischen Fehler begangen, sich nicht für Herard Abraham zu entscheiden. Abraham war der ehemaliger Oberbefehlshaber der haitianischen Armee. Die unmittelbare Priorität müsse sein, bewaffnete Unruhen zu vermeiden, und dafür sei Abraham der bessere Mann. Rebu, in den späten achtziger Jahren selber Putschführer, plädierte für eine starke Persönlichkeit, die nun das Amt des Verteidigungs- und Innenministers besetzen müsse.
Der direkte Nachbar Dominikanische Republik
Die Streitkräfte des Nachbarlandes Dominikanische Republik kündigten nach den Ereignissen eine Verstärkung ihres Einsatzes an der Grenze an. Dies habe Staatspräsident Hipolito Mejía aufgrund von Berichten angeordnet, wonach die haitianischen Rebellen mehr als 3000 Gefangene befreit hätten. Am 12. März 2004 nahmen haitianische Rebellen 36 Geschäftsleute aus der Dominikanischen Republik als Geiseln, um einen Kumpanen aus dem Gefängnis freizupressen. Die Entführer drohten damit, die Verschleppten zu töten, falls der Haitianer nicht freikomme.
Die humanitäre Lage
In einem dringenden Spendenappell der Vereinten Nationen an die internationale Gemeinschaft Anfang März 2004 bat man um Spenden für die acht Millionen Haitianer. 35 Millionen Dollar seien für die humanitäre Hilfe notwendig, mit dem Geld könne man Haiti sechs Monate mit Medikamenten und Nahrungsmitteln versorgen. Das Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen UNICEF teilte darüber hinaus mit, dass rund 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche dringend humanitäre Hilfe brauchen. Viele seien seit langer Zeit unzureichend ernährt und besonders von Infektionskrankheiten bedroht.