Mumifikation

Prozess einer langfristigen Leichenkonservierung, der zur Bildung von Mumien führt
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Als Mumifikation bezeichnet man den natürlichen Prozeß, der zur Bildung von Mumien führt. Seine Untersuchung ist Teil der Fossilisationslehre. Mumifikation, als natürliche Form der Leichenveränderung und -konservierung, ist nicht mit der von Menschen betriebenen Mumifizierung identisch.

Durch besondere äußere Umstände wie starke Sonnenstrahlung, trocken - kalte Zugluft oder rasche Einbettung in giftiges Milieu wird manchmal sowohl Verwesung und Fäulnis frühzeitig abgestoppt. Man spricht dann im weitesten Sinne von Mumifikation, die durch den Erhalt der Weichteile, von Proteinen und manchmal auch von Zellstrukturen gekennzeichnet ist.

  • Kältemumien
  • Trockenmumien
  • Giftmumien (vor allem Bitumeneinlagerungen)

Die Mumifikation kann Kadaver nur über einige zehntausend Jahre in unterschiedlicher Qualität erhalten, sie reagiert allerdings empfindlich auf verschiedene geologische Vorgänge wie beispielsweise steigenden Gesteinsdruck oder höhere Temperaturen. Ist die Mumie an der Erdoberfläche gelagert, zerfällt sie meist rasch, verwittert oder wird von Mikroorganismen zerstört.

In älteren Ablagerungen finden sie sich deshalb zunehmend selter, werden jedoch mit geringerem Abstand zur Gegenwart häufiger. Ältere Mumien erleiden im Gestein oft einer allmählichen Stoffumwandlung, eine Metamorphose, in deren Verlauf die Originalsubstanz chemisch verändert wird, so daß ein länger haltbares Fossil entsteht, an welchem zwar die Weichteile gut erkennbar sind, Zellstrukturen jedoch und typische organische Substanzen fehlen. Als Mumienpseudometamorphosen bezeichnet man Mumien, deren ursprüngliche Substanz nach der Einlagerung vollständig zersetzt wurde, ein Hohlraum entstand, der sich dann mit anorganischen Material ausfüllt. Es entsteht dann ein Fossil, das wie bei einem Gipsabdruck einen Hohlraum ausfüllte. Bildgebende Verfahren (Röntgen usw) zeigen dann, daß die Innenstruktur nichts mit der ursprünglichen Struktur des ehemals mumifizierten Organismus gemeinsam hat. Dennoch sind diese Fossilien wertvoll, denn sie zeigen die äußeren Umrisse des Lebewesens - was bei der direkten Einbettung nur selten der Fall ist.

Die bekannten Anatosaurus-'Mumien' aus der nordamerikanischen Kreide (Geologie)Kreide]] von Wyoming, Dakota und Kanada sind ein oft zitiertes Beispiel dafür. Sie erwecken bei flüchtiger Betrachtung den Endruck als handle es sich um echte Mumien, bestehen aber durch und durch aus anorganischen Kristallstrukturen.

Kältemumien

Kältemumifizierung ist die effektivste Art, einen Körper gut zu erhalten, denn Pilze und Bakterien brauchen Wärme, um sich entwickeln zu können. Das Optimum wird heute von der Gerichtsmedizin zwischen 21 - 38° C angegeben. Ab Kühlschranktemperaturen von 4-3 Grad kommt die Tätigkeit der Mikroorganismen zum Erliegen, mit Frost kommen sie überhaupt nicht klar.

Im sibirischen Bodeneis haben beispielsweise sich einige pleistozäne Großsäuger bis in unsere Tage derart gut erhalten, daß ihre inneren Organe, die Muskulatur, ja sogar das Blut von rezenten Füchsen, Wölfen und Hunden gefressen werden konnte. Solche Funde sind dann von besonderem Wert, wenn sich Zellstrukturen erhalten haben, an denen zytologische Untersuchungen exakteren Aufschluß über Unterschiede zwischen Zellen dieser Tiere und heutigen Tieren geben können - eine Seltenheit, bei der auch die Gene selbst erhalten sein können. Es sind in neuester Zeit auch Überlegungen angestellt worden, ob es möglich wäre, ausgestorbenen Tierarten per gentechnischer Methoden erneut auf die Bildfläche zu rufen. 1977 konnte erstmals aus Muskelgewebe eines in Fairbanks (Alaska) gefundenen Mammut primigenius eine Protein isoliert werden, an dem eine exakte Bestimmung einer Verwandschaft zu rezenten Elefanten möglich war. Es stellte sich heraus, daß das im Mammut gefundenen Protein (ein Immunglobulin) zu seiner Entsprechung im indischen und afrikanischen Elefanten etwa den gleichen Verwandtschaftsgrad aufweist wie die Globuline der beiden rezenten Elefanten untereinander. Der molakularbiologische Beweis der verwandtschaftlichen Nähe dieser Tiere war erbracht.

Als als Eismumien bezeichnete Kältemumien entstehen durch Gefriertrocknung. Der Verwesungsvorgang wird durch die Kälte stark verlangsamt, und das Gewebe trocknet aus, bevor die Zersetzung des Körpers abgeschlossen ist. Die bekannteste Eismumie ist der Fund aus dem Ötztal, oft Ötzi genannt.

Trockenmumien

Auch rascher Wasserentzug, der durch trockene, warme Luft, direkte Sonnenbestrahlung ebenso durch bewegte kalte trockene Luft eintreten kann, erzeugt haltbare Mumien. (siehe auch Backobst oder Trockenfisch) Die Oberfläche der Organismen trocknet schnell aus, verfestigt sich und verhindert erneute Wasseraufnahme. Im Inneren dieses versiegelten Kadavers hält sich die Feuchtigkeit länger und kann in Fäulnis übergehen. Oft verhindern aber weitere Umbildungsprozesse dies, wenn beispielsweise nektrotisch wirkende Substanzen entstehen. Meist aber lösen sich Organe auf, beispielsweise das Verdauungsystem unter Selbstverdauung oder die Leber unter enzymatisch bewirktem Zerfall.

Trockenmumien findet man in abgeschlossenen Räumen aber auch in lockeren trockenen Böden. (Torf) Charakteristisch für diese Mumienbildung ist eine dorsale Wirbelsäulenverkrümmung, die durch die Verkürzung der Muskulatur während der Trocknung entsteht. Anhand dieser Verkrümmung kann man auch an versteinerten Fossilien erkennen, daß der Kadaver vor seiner Einbettung mumifiziert wurde. Dabei biegen sich Kopf und Hals rücklings nach hinten, meist bis auf den Rücken des Körpers. Diese Verkrümmung weist also auf unmittelbar postmortale Austrocknung hin, das Tier befand sich vermutlich in einem Lebensraum, in dem es vielleicht verdursten mußte.

Trockenmumien (Wüste) oder anderen Gegebenheiten durch schnelle Austrocknung, wie es höchstwahrscheinlich beim Ritter Kahlbutz der Fall war.

Trockenmumien und Salz

Besonders effektiv wirkt hygroskopische Umgebung, wie sie in Gegenwart von trockenen Salzen entsteht. Auch die Einlagerung in salzhaltige Lösungen, die den Kadaver durchtränken und Bakterienwachstum verhindern, konserviert die Weichteile. Salztümpel bieten ideale Bedingungen zum Erhalt der Weichteile: Das Salz strebt nach osmotischem Ausgleich und diffundiert in das Gewebe, in welchem es Bakterienwachstum zum Erliegen bringt. (siehe auch Pökeln)

Allerdings bilden sich aus Salzmumien nur selten Fossilien. In reiner salziger Umgebung kommen schnell aggressive Prozesse in Gang, die zum vollständigen Informationsverlust führen. Die mächtigen Salzaufkommen der Zechsteinmeere (Flöz Hessen, Flöz Thüringen), die aus Natrium und Kaliumsalzen bestehen, weisen keine Fossilien auf.

Giftmumien

Sehr gut erhaltene Mumien werden auch in Medien erzeugt, in denen nekrotisch wirkende Stoffe vorhanden sind, welche alle oder einen Teil der Mikroorganismen abtöten.

In Moor stellen zerfallende Pflanzenteile Gerbstoffe bereit, die das Wachstum viele Mikroorganismen behindern. Wenn diese Moorleichen jedoch keinen weiteren fossilierenden Einflüssen unterliegen, zerfallen sie mit der Zeit und bleiben nicht erhalten - insbesondere, wenn das Moor feucht bleibt und nicht vorher austrocknet. Moorleichen kommen in Hochmooren vor. Hier hält der Sauerstoffabschluss sowie natürlich vorkommende Gerbsäuren den Verfall auf.

Oft versinken Tiere in natürlich entstandenen Bitumen- oder Paraffintümpeln, die wie Fallen wirken und in denen die Körper vollständig von der Luftzufuhr abgetrennt werden. Ist neben der öligen Masse kein Salz vorhanden, erhalten sich die Weichteile jedoch nicht, weil sie von den anaeroben Darmbakterien von innen verflüssigt werden. Die Salzkonzentration ist für die Mumifizierung in Kohlenwasserstoffen also von entscheidender Bedeutung. Ist sie anfangs zu niedrig, zerfällt der Körper von innnen her. Sinkt sie später nicht ab, wird er durch Kristallisationsvorgänge zerstört.

(siehe auch fauler Fotograf)

Literatur

  • Arno Hermann MÜLLER: Lehrbuch der Paläozoologie, Gustav Fischer, 1992
  • R.G. Bromley: Spurenfossilien – Biologie, Taphonomie, Anwendungen. Springer, Berlin 1999. ISBN 3-540-62944-0
  • R.L. Lyman: Vertebrate Taphonomy. Cambridge University Press, Cambridge 1994. ISBN 0-521-45215-5
  • R.E. Martin: Taphonomy: A Process Approach (Cambridge Paleobiology Series). Cambridge University Press, Cambridge 1999. ISBN 0-521-59833-8