Attentat von Tucson

Anschlag auf die US-amerikanische Politikerin Gabrielle Giffords
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Bei dem Attentat auf Gabrielle Giffords am 8. Januar 2011 kurz nach zehn Uhr morgens Ortszeit bei einem Wählertreffen in einem Einkaufszentrum in Casas Adobes etwa 17 km nördlich der Stadt Tucson im Bundesstaat Arizona in den Vereinigten Staaten wurden sechs Personen getötet und die demokratische Kongressabgeordnete Gabrielle Giffords sowie 13 weitere Personen zum Teil schwer verletzt. Der Attentäter wurde von einem Passanten überwältigt und anschließend von der Polizei verhaftet. Er wurde später von den Behörden als der 22-jährige Jared Lee Loughner[1] identifiziert. Vor einem Supermarkt hatte er Giffords aus nächster Nähe mit einer halbautomatischen Pistole in den Kopf geschossen. Anschließend schoss er wahllos um sich,[2] wobei er sechs[3][4] Personen erschoss. Es war das erste Attentat auf einen US-Bundespolitiker seit dem Attentat auf Ronald Reagan im Jahre 1981.[5]

Der Tatort nach dem Attentat

Vorgeschichte

Gabrielle Giffords war bei ihrer ersten Wahl 2006 mit 36 Jahren die jüngste Abgeordnete im Kongress und die erste für Arizona ins Repräsentantenhaus gewählte Jüdin.[6][7]

Giffords wurde seit Anfang 2010 mehrfach von Unbekannten bedroht und von politischen Gegnern heftig verbal angegriffen.[6] Nachdem sie sich im März 2010 für die Reformation des amerikanischen Gesundheitssystems ausgesprochen hatte, wurde ihre Bürotür am darauffolgenden Tag von Unbekannten mit einer Schusswaffe zerstört.[8][9][10] Giffords war bereits in ihrer dritten Legislaturperiode. Kurz vor dem Attentat hatte sie das Mandat angetreten und sich für die Kürzung von Abgeordnetengehältern um fünf Prozent ausgesprochen.[11] Gabrielle Giffords sprach sich im Rahmen ihres Mandats unter anderem für das Recht auf das Tragen von Schusswaffen nach dem 2. Verfassungszusatz aus.[12]

Am 2. November 2010 war Giffords bei den Wahlen zum 112. Kongress erneut als Abgeordnete in das Repräsentantenhaus gewählt worden. Die Legislaturperiode des 112. Kongresses dauert vom 3. Januar 2011 bis zum 2. Januar 2013.[13] Für ihre politische Arbeit hielt sie am 8. Januar 2011 eine öffentliche Veranstaltung der demokratischen Partei vor einem Safeway-Lebensmittelgeschäft bei einem Geschäftszentrum ab.[14] Dabei wollte sich Giffords mit ihren Wählern treffen.

Tathergang und Hintergründe

Während sich Giffords an dem Samstagvormittag mit einem Paar unterhielt, trat Jared Loughner an die Politikerin heran und schoss ihr mit einer halbautomatischen Glock 19 aus nächster Nähe in den Hinterkopf. Der Schuss durchschlug den Kopf des Opfers, jedoch wurde nur eine Hälfte des Gehirns verletzt. Obwohl Giffords sofort mit erster Hilfe versorgt wurde, gingen Augenzeugen davon aus, dass sie unmöglich überlebt haben konnte. So hieß es in den ersten Eilmeldungen, sie sei erschossen worden, erst später wurde deutlich, dass sie überlebt hatte und im Krankenhaus sofort operiert werden konnte. Unmittelbar nach der Operation wurde ihr Zustand als kritisch beschrieben, doch konnte sie auf einfache Anforderungen adäquat reagieren.[15]

Der Attentäter hatte seine Waffe legal erworben und mit einem vergrößerten Magazin ausgestattet,[16] so dass er nach Zeugenaussagen 15 bis 20 Schüsse in die Umstehenden abgeben konnte. Sechs Personen wurden getötet, 13 weitere zum Teil schwer verletzt. Unter den Getöteten waren der Bundesrichter John McCarthy Roll, Giffords Sprecher Gabriel Zimmerman sowie die neunjährige Christina Taylor-Green.[3][17][18][19]

Über die genauen Motive des Attentäters herrscht nach wie vor Unklarheit. Botschaften auf YouTube und anderen sozialen Netzwerken, die der Verhaftete hinterlassen hatte, deuten auf eine verwirrte Persönlichkeit hin. Die Polizei schloss anfangs nicht aus, dass ein Komplize an der Tat mitbeteiligt gewesen sein könnte. Die Vernehmung eines Verdächtigen habe jedoch nichts ergeben, weshalb die Polizei nun von einer Einzeltat ausgeht.[20]

FBI-Direktor Robert Mueller verkündete am 9. Januar 2011, dass offiziell Anklage gegen Jared Lee Loughner erhoben wird.[21] Loughner wurde am 10. Januar dem United States District Court im 9. Bezirk in Phoenix, Arizona vorgeführt, wo ihm die Anklage verlesen wurde.[22] Er wurde bisher wegen fünf Verbrechen nach Bundesrecht beschuldigt: der Ermordung der Bundesbediensteten John Roll und Gabriel Zimmermann, des Attentates auf die Kongressabgeordnete Giffords und des Mordversuches an den Bundesbediensteten von Pamela Simon und Ron Barber. Innerhalb von 30 Tagen muss nun eine Grand Jury Anklage gegen Loughner erheben.[23] Die Pflichtverteidigung Loughners wurde der in San Diego, Kalifornien niedergelassenen Rechtsanwältin Judy Clarke übertragen.

Eine Meldung der Fox-Nachrichten, die sich auf das Heimatschutzministerium berief, wonach es Hinweise geben sollte, dass Jared Lee Loughner Verbindungen zur rechtsradikalen American Renaissance hatte,[24] wurde offiziell nicht bestätigt.[25]

Reaktionen

US-Präsident Barack Obama bezeichnete das Attentat als „Tragödie für das ganze Land“. Der Vorfall sei „entsetzlich“ und „sinnlos“.[26] Der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat und US-Senator für Arizona, John McCain, zeigte sich „zutiefst traurig und schockiert“, die Tat sei „eine Schande für Arizona, das Land und die Menschheit“.[27] Auf ihrer Facebook-Seite äußerte sich die vormalige Vizepräsidentschaftskandidatin der Republikaner und Kritikerin Giffords Sarah Palin, sie „bete für die Opfer und ihre Familien und für Frieden und Gerechtigkeit“.[27] Das Repräsentantenhaus in Washington sagte alle Sitzungen in der folgenden Woche ab.[28]

Giffords Ehemann, Astronaut Mark E. Kelly, sollte am 1. April 2011 bei der letzten Space-Shuttle-Mission mit der Endeavour ins Weltall starten. Nach dem Attentat auf seine Ehefrau ist noch offen, ob diese geplante Mission mit Kelly stattfinden wird.[9]

Der zuständige Sheriff Clarence Dupnik, selbst Demokrat, nutzte die nationale Medienaufmerksamkeit, um darauf hinzuweisen, dass die aufgeheizte politische Stimmung in Arizona eine Mitschuld an der Tragödie trage.[29] Dupnik äußerte sich dazu mit den Worten: „Wir sind zu einem Mekka des Hasses und der Vorurteile geworden“. Er sagte, ein solches Klima habe auf labile Menschen einen negativen Einfluss. Der demokratische Kongressabgeordnete John Yarmuth aus Louisville, Kentucky sprach von einer „Attacke gegen die Demokratie“.[30]

Die Westboro Baptist Church hat auf Ihrer Internetseite Gott für dieses Attentat gedankt. Sie behauptet, dass Gott selbst den Attentäter sandte und plant die Begräbnisfeier der anderen Opfer des Attentates zu stören.[31]

Rezeption des Todes von Christina-Taylor Green in der Presse

Das jüngste Opfer des Schützen, die neunjährige Christina-Taylor Green, wurde am Tag der Terroranschläge des 11. September 2001 geboren und war die Enkeltochter von Dallas Green, einem ehemaligen Profi-Baseballpitcher und Manager der Philadelphia Phillies. Sie war eines von 50 Kindern – eines für jeden Bundesstaat –, die in dem 2002 veröffentlichten Buch Faces of Hope – Babies Born On 9/11 vorgestellt wurden.[32][33]

Von der US-Presse wurde das Schicksal des Mädchens als „zwischen zwei nationalen Tragödien verankert“ bezeichnet[34] und thematisiert.[35][36] Anne Howard, Pfarrerin der Episkopalkirche, schrieb in der Huffington Post, dass Green die Repräsentantenhaus-Abgeordnete habe treffen wollen, um etwas über die Politik in Amerika zu lernen. Sie habe dann gelernt, „was kein Kind jemals lernen sollte“, nämlich dass die Politik und das öffentliche Leben in Amerika zu einem „von Gewalt erfüllten Ort“ geworden seien.[37] In ihrem Interesse für Politik sei sie durch ihr Geburtsdatum inspiriert worden.[38]

Für die Autorin von Faces of Hope – Babies Born On 9/11 symbolisierte Green einst gemeinsam mit den 49 anderen in dem Buch porträtierten Kindern „die Hoffnung und das Licht“, die Amerika nach dem 11. September 2001 als eine Heimat geeint haben. Nun sei Greens symbolhaftes Leben zu einem symbolhaften Tod geworden, der die Verzweiflung und Dunkelheit verkörpere, durch die ein gespaltenes Amerika eingehüllt werde.[39]

Commons: Attentat von Tucson – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Jared Lee Loughner Identified As Gabrielle Giffords Shooter (INFO, VIDEOS)
  2. Neil Keene: Shooting puts democracy in crosshairs, The Daily Telegraph, 10. Januar 2011. Abgerufen am 9. Januar 2011 (englisch). 
  3. a b Rep. Giffords shot, judge and 5 others killed at Tucson event
  4. Rep. Gabrielle Giffords in Critical Condition After Shooting – ABC News
  5. Paul Koring: U.S. congresswoman in critical condition after Tucson shooting, at least 5 dead, The Globe and Mail, 9. Januar 2011 (englisch). 
  6. a b Roth, Zachary: Giffords had been target of violent threats. Yahoo News. 8. Januar 2011, abgerufen am 8. Januar 2011
  7. Anschlag in Arizona: „Wir sind zu einem Mekka des Hasses geworden“ – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
  8. Giffords had history with Palin, Tea Party
  9. a b Giffords, astronaut make long-distance marriage work | Houston & Texas News | Chron.com – Houston Chronicle
  10. White, Brian: Vandals strike Rep. Giffords' office in Tucson. 22. März 2010, abgerufen am 8. Januar 2011
  11. House Democrat wants to cut Congress pay. 7. Januar 2011, abgerufen am 8. Januar 2011
  12. Arizona Democrats split on DC gun ban, Arizona Capitol Times, 21. März 2008, 2008 abgerufen am 8. Januar 2011
  13. NPR: Rep. Giffords, 5 others killed in Tucson. Salt Lake Tribune, 8. Januar 2011
  14. US-Abgeordnete bei Veranstaltung niedergeschossen. Spiegel Online, 8. Januar 2011
  15. Congresswoman's responses after Arizona shooting called encouraging - CNN.com
  16. Arizona shooting: Latest developments – This Just In - CNN.com Blogs
  17. Arizona: Mann schießt auf US-Abgeordnete und ihre Mitarbeiter. Focus Online. 8. Januar 2011
  18. Reports: Judge Roll Received Death Threats - CBS News
  19. Reports: Judge Roll Received Death Threats – CBS News
  20. Der Schütze von Tucson handelte wohl als Einzeltäter NZZ Online, 10 Januar 2011
  21. FBI director: Shooter's target was Giffords – On Politics: Covering the US Congress, Governors, and the 2010 Election – USATODAY.com
  22. Attentäter von Tucson zu Anklageverlesung vor Gericht, Die Zeit, 11. Januar 2011 
  23. Loughner Held Without Bail & Phx Tea Party President Comments, Examiner.com, 10. Januar 2011. Abgerufen am 11. Januar 2011 (englisch). 
  24. American Renaissance Denies DHS Charges, Any Affiliation With Shooter, eine Veröffentlichung der Fox News, online auf politics.blogs.foxnews.com, abgerufen am 12. Januar 2011
  25. Official: DHS has not determined any possible ties between Arizona shooter and right wing group, online auf: voices.washingtonpost.com, abgerufen am 12. Januar 2011
  26. Yahoo: yahoo.de (abgerufen am 9. Januar).
  27. a b Spiegel: Ohne Titel (abgerufen am 9. Januar).
  28. Hier fehlt noch ein Beleg.
  29. CNN.com: Shooting throws spotlight on state of U.S. political rhetoric
  30. Arizona Shooting – Many People Killed
  31. derstandard: [1] (abgerufen am 13. Januar).
  32. Christine Pisera Naman: Faces of Hope – Babies Born On 9/11. HCI, 2002, ISBN 978-0-7573-0097-4, S. 41 (google.com).
  33. Cindy Boren: Christina-Taylor Green, granddaughter of Dallas Green, dies in Arizona shooting In: The Early Lead, The Washington Post, 9. Januar 2010. Abgerufen am 10. Januar 2010 (englisch). 
  34. Krissah Thompson, Theola Labbé-DeBose: Christina-Taylor Green, 9-year-old killed in Tucson, remembered, mourned, The Washington Post, 9. Januar 2011. Abgerufen am 10. Januar 2011 (englisch). „Christina-Taylor Green's short life was pinned between two national tragedies: She was born Sept. 11, 2001, and she died as a gunman apparently targeting Rep. Gabrielle Giffords (D-Ariz.) shot 20 people in Tucson. 
  35. Emily Friedman: Mother of Christina-Taylor Green, Shot at Tucson Event, Says Daughter Wanted to Go Into Politics, American Broadcasting Company, 10. Januar 2011 (englisch). 
  36. Joseph Berger: Born on Sept. 11, Claimed by a New Horror, The New York Times, 9. Januar 2011. Abgerufen am 10. Januar 2011 (englisch). 
  37. Anne Howard: Elegy for Christina Taylor Green 9/11/01 -- 1/8/11, The Huffington Post, 9. Januar 2011. Abgerufen am 10. Januar 2011 (englisch). „She wanted to meet her Congresswoman, Gabrielle Giffords, and learn more about politics. She did. She learned what no child should ever learn. She learned that politics in America, or rather, public life in America, has become a place fraught with violence. 
  38. Stephanie Innes: Born, died between 2 tragedies, Arizona Daily Star, 9. Januar 2011. Abgerufen am 10. Januar 2011 (englisch). 
  39. Christina Taylor Green: a symbolic life tragically cut short, 9. Januar 2011. Abgerufen am 10. Januar 2011 (englisch). „For the author of the book, Christine Naman, Green and the other 9/11 babies represented ‚the hope and the light that was uniting our country as one home‘. But at around 10.10am local time on Saturday, in Tucson Arizona, Green’s symbolic life became a symbolic death, epitomising the despair and darkness engulfing a disunited Amerika. 

Koordinaten: 32° 20′ 9,3″ N, 110° 58′ 30,9″ W