Aktionskunst
Aktionskunst ist ein Oberbegriff für eine Reihe von Strömungen der Kunst des 20. Jahrhunderts, denen gemeinsam ist, dass die klassischen Formen der bildenden Kunst (Plastik, Malerei) in Richtung auf Körpereinsatz und zeitliche Einmaligkeit überschritten wurden. Ziel ist oft auch ein Verlassen des als zu konventionell und eng empfundenen Kunstbegriffes und Kunstbetriebs.

Aktionskunst als Performance
Die Aktionskunst wird auch als Teil oder vereinfachte Umschreibung der künstlerischen Performance gesehen. Dabei werden teils klassische Arbeitsweisen der bildenden Kunst integriert, wie Malerei und Bildhauerei, aber auch Fotografie, Film, Video und elektronische Kunst. Es sollen Zustände des Äußeren und Inneren in ein Spannungsfeld gebracht werden. Die Grenzen zwischen Kunst und Leben werden so überprüft, oder auch in einen fließenden Übergang gebracht - eine Erklärung der Fluxus-Bewegung (flux - Fluss).
Bei der Variante der Körperkunst wird der eigene Körper des Künstlers als Medium (z. B. Wolfgang Flatz) oder als Teil der künstlerischen Aktionen eingesetzt. Oft setzen sich Künstler dabei extremen Situationen aus (z. B. Marina Abramovic, Sebastian Bieniek, Zhang Huan, Lilly McElroy).
Kunst, Happening, Politik
Aktionskunst existiert aber auch als Schnittmenge von Kunst und Politik, ausgehend von der Entwicklung der 1960er, in der das Happening sowohl ein Kunstwerk als auch politische Manifestation sein konnte (Beispiel: Die Austreibung der Dämonen aus dem Pentagon 1967, angeführt von Allen Ginsberg). Bedeutsam während der westdeutschen 68er-Bewegung war Hans Imhoff. Die bekannteste Künstlerbewegung, die sich ganz diesem Denken verschrieb, war die Situationistische Internationale. Aber bereits der Surrealismus hatte einen theoretischen Entwurf für die Einbeziehung der Handlung geliefert.
Weitere Beispiele finden sich bei Aktionen von Joseph Beuys, der wie auch Asger Jorn den Begriff der Gestaltung nicht auf Bilder begrenzt, sondern als umfassendes Gestalten der Welt ansah; weiterhin bei kreativen Performances der Yippies, Spontis, oder bei Aktionen der Kommunikationsguerilla, wie etwa den "Überfällen" der Gruppe Die Überflüssigen 2005. Die Inszenierung von politischen Forderungen soll hier z. B. einer so empfundenen Inszenierung von Politik entgegenlaufen, wobei politische Forderungen aber undogmatisch sind, und z. B. auf maximale Emanzipation und Selbstverwirklichung der Individuen abzielen.
Oft findet Aktionskunst im öffentlichen Raum statt und provoziert bewusst eine Reaktion oder auch das Einschreiten der Polizei (Beispiel: Ein sehr kurzes Stück für Bankdirektoren von Till Nikolaus von Heiseler und Michaela Caspar. In diesem Sinne gibt es eine Verwandtschaft zum Unsichtbaren Theater von Augusto Boal.
Bedeutendster Vertreter und Weiterentwickler von Methoden der Aktionskunst in der Tradition von Beuys und den frühen affirmativen Aktionen von Anselm Kiefer und Bazon Brock ist Christoph Schlingensief - mit seinen stets stark polarisierenden Auftritten z.B. als Wahlkämpfer seiner eigens gegründeten Partei Chance 2000 im Bundestagswahlkampf 2000 und als Hohepriester seiner Church of Fear (2005), mit den Aktionen Tötet Helmut Kohl (2000) und Tötet Möllemann (2002), der Wiener Persiflage Bitte liebt Österreich auf das Fernsehformat Big Brother mit einem Container vor der Wiener Staatsoper, in dem Asylbewerber saßen, über deren Ausweisung angeblich via Internet abgestimmt werden konnte (2000). In seiner Aktion „abgefertigt“ am Brandenburger Tor in Berlin (2007) greift Kurt Fleckenstein ebenfalls das Thema Asyl auf: 100 Jugendliche sitzen mit verbundenen Händen in so genannten Migrantentaschen und symbolisieren in symmetrischer Anordnung die Hilflosigkeit von Asylbewerbern bei der „Abfertigung“ für die Abschiebung. Mit 32 Postkarten (2010-2011) „versendet“ der Schriftsteller Torkel S. Wächter die Korrespondenz seiner eigenen Familie symbolisch nochmals, in „simulierter Echtzeit“ – am Datum ihrer Entstehung, aber mit siebzigjähriger Verzögerung.
Verwandtschaft
Die Aktionskunst überschneidet sich konzeptionell mit der Prozesskunst, der Body-Art und der Konzeptkunst, und weist auch Verwandtschaften zum Theater auf.
Literatur
- Thomas Dreher: Performance Art nach 1945. Aktionstheater und Intermedia. München 2001. ISBN 3-7705-3452-2.
- Erika Fischer-Lichte: Ästhetik des Performativen. edition suhrkamp