Geoengineering

Sammelbegriff für Eingriffe mit technischen Mitteln in geochemische oder biogeochemische Kreisläufe der Erde
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Der Begriff Geo-Engineering bezeichnet technische Eingriffe in geochemische oder biogeochemische Kreisläufe, etwa um die Klimaerwärmung oder die Versauerung der Meere zu bremsen.

Ideen und Vorschläge

Die National Academy of Sciences (NAS) erwähnte Geoengineering und mehrere Maßnahmen in ihrer Veröffentlichung zu den Implikationen der Globalen Erwärmung aus dem Jahr 1992.[1] Es sind sehr unterschiedliche Überlegungen, die im Begriff „Geo-Engineering“ zusammengefasst werden.

Schwefeldioxid

Ein prominenter Ansatz lautet, Schwefeldioxid in die Stratosphäre zu befördern, welches Sonnenstrahlen ins All reflektiert und damit die Erwärmung der Erde abschwächt. Die Idee basiert auf Erfahrungen mit Vulkanausbrüchen. So führte der Ausbruch des Pinatubo 1992 zu einem globalen Temperaturabfall von 0,5 °C. Der Ausbruch des Toba vor etwa 75.000 Jahren führte zu einem vulkanischen Winter, der mit geschätzten 3-5, anderen Modellrechnungen zufolge sogar 8-17 °C Abkühlung einherging.

Die Idee stammt ursprünglich von dem russischen Klimatologen Michail Budyko, der sie bereits in den 1970er Jahren veröffentlichte.[2] Der Atmosphärenwissenschaftler Ken Caldeira und die Physiker Lowell Wood und Nathan Myhrvold von der Firma Intellectual Ventures entwickelten den Ansatz, Schwefeldioxid mit Hilfe eines etwa 25 km langen und wenige Dezimeter durchmessenden Schlauchs in die Stratosphäre zu pumpen. Heliumballons würden den Schlauch und mehrere daran befestigte Pumpen tragen. Das am Ende des Schlauchs austretende farblose Flüssiggas würde sich durch Stratosphärenwinde innerhalb von etwa 10 Tagen um die Erde legen. Das Schwefeldioxid könnte als Abfallprodukt aus Ölminen in Kanada stammen. Die notwendige Menge an Schwefel entspricht laut den Entwicklern etwa 1 % der weltweiten Schwefelemissionen. Insgesamt würde die Neutralisierung der globalen Erwärmung 250 Millionen US$ kosten, was verglichen mit den von Nicholas Stern in Verbindung mit Emissionseinsparungen genannten Kosten von jährlich 1,2 Trillionen Dollar extrem gering wäre. Die Al Gore Foundation gibt jedes Jahr 300 Millionen Dollar für Öffentlichkeitsarbeit aus. Eine auf dem gleichen physikalischen Mechanismus basierende Idee von Intellectual Ventures ist, die Schornsteine mehrerer schwefelemittierender Fabriken mit Hilfe von Heißluftballons und Luftschiffen in die Stratosphäre zu verlängern.[3][4][5]

Mehrere namhafte Wissenschaftler, so der Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen und der Präsident der NAS Ralph Cicerone befürworten die ähnliche Überlegung, mit Schwefel beladene Heißluftballons in die Stratosphäre aufsteigen zu lassen, um sie dort zu verbrennen. Diese Methode würde laut Crutzen jährlich lediglich 25 bis 50 Milliarden US$ kosten, wird aber von einigen Wissenschaftlern aufgrund möglicher unvorhersehbarer Effekte und der Notwendigkeit eines dauerhaften Schwefeltransports kritisiert.[6]

Aluminium

Im Zuge der American Association for the Advancement of Science (AAAS) Conference 2010, San Diego am 20.02.2010, wurde vom kanadischen Geoengineer David W. Keith (University of Calgary) vorgeschlagen, Aluminium anstatt Schwefeldioxid zu verwenden. Begründet wurde dieser Vorschlag mit 1) einem 4-fach größeren Strahlungsantrieb 2) einem ca. 16-fach geringeren Gerinnungsfaktor. Derselbe Albedoeffekt könnte so mit viel geringeren Mengen Aluminium, anstatt Schwefel, bewerkstelligt werden. [7]

Weitere Ansätze

  • der Vorschlag des Pentagon-Physikers Lowell Wood, weltraumtaugliche Sonnensegel zwischen Sonne und Erde zu installieren, um die Erde zu beschatten.[8]
  • die Idee von Roger Angel von der University of Arizona, 16 Billionen transparenter Scheiben in die Erdumlaufbahn zu schicken, um Teile der Sonnenstrahlung zu reflektieren.[9]
  • die Idee des Ingenieurs Stephen Salter, Meerwasser in die Atmosphäre zu sprühen und dadurch die Wolkenbildung zu fördern. So könnte eine Flotte von windbetriebenen Glasfaserbooten mit Unterwasserturbinen Sprühwasser erzeugen.[3]
  • der Vorschlag des Geochemikers James Lovelock, die oberen Ozeanschichten aufzuwirbeln. Dadurch gelangten Nährstoffe an die Meeresoberfläche und das Algenwachstum werde stimuliert. Die Algen wiederum nähmen Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf und würden so den Treibhauseffekt reduzieren.[10]
  • Mit Hilfe von Meeresdüngung das Algenwachstum anzuregen; absterbende Algen sinken zum Meeresboden und entziehen damit das gebundene CO2 dem Meer und damit indirekt auch der Atmosphäre. Versuche des Alfred-Wegener-Instituts im Frühjahr 2009 haben allerdings ergeben, dass der Effekt nur sehr gering ist, da die Algen vor dem Absterben fast vollständig von tierischen Organismen gefressen werden, die das CO2 dann wieder ausatmen.[11]
  • Überlegungen, der Versauerung der Meere durch Kalkung zu begegnen.
  • die Sequestrierung von Kohlendioxid, bei der das Treibhausgas bereits bei der Verbrennung von fossilen Kraftstoffen abgefangen und anschließend unter der Erdoberfläche versenkt wird.

Geo-Engineering in der Diskussion

Vorschläge zum Geo-Engineering kommen derzeit zumeist aus den USA. Sie werden vor allem damit begründet, dass die klassischen Klimaschutzmaßnahmen nicht mehr genügen werden, um den Klimawandel in einem begrenzten Rahmen zu halten. Insbesondere Ken Caldeira, Geochemiker am Carnegie-Institut in Stanford, hat hier eine führende Rolle übernommen und 2006 in Palo Alto, Kalifornien, eine erste internationale Konferenz zu dem Thema organisiert. Dies hat dazu beigetragen, dass in der wissenschaftlichen Gemeinschaft Geo-Engineering einen zunehmend größeren Stellenwert bekommt und die verschiedenen Vorschläge ernsthaft diskutiert werden. Caldeira selbst beurteilt in Interviews jedoch die meisten Vorschläge skeptisch.

In der Öffentlichkeit, vor allem in Europa, stößt Geoengineering auf große Skepsis.[12] Die New Economics Foundation (NEF) wertete die Vorschläge als Versuch, von einschneidenden Klimaschutz-Programmen abzulenken. Das Adam Smith Institute warf der NEF daraufhin ein komplett fehlendes Verständnis von Ökonomik und menschlicher Entwicklung vor.[13]

Unter dem Motto "The global governance of climate engineering" wurde in Heidelberg eine fächerübergreifende Untersuchung gestartet. [14] Der Kopenhagen Konsensus empfiehlt Geo-Engineering als effizientere Alternative zu Emissionsreduktionen.[15] Im Oktober 2010 wurde auf einer UN-Konferenz in Nagoya, Japan auch über ein Moratorium für Geo-Engineering-Projekte verhandelt.[16][17]

Der Kri­ti­ker Pat Mooney sieht in Geo-En­gi­nee­ring vor allem ein po­li­ti­sches In­stru­ment. Es komme gar nicht dar­auf an, tat­säch­lich etwas sinn­vol­les zu tun, statt des­sen soll damit die Öf­fent­lich­keit be­ru­higt wer­den: die Tech­nik werde schon alle Pro­ble­me rich­ten.[18]

Siehe auch

Literatur

  • Paul J. Crutzen: An Example of Geo-Engineering. Cooling Down Earth's Climate by Sulfur Emissions in the Stratosphere. In: Werner Arber: Predictability in science. Accuracy and limitations. The Proceedings of the plenary session, 3–6 November 2006. Pontifical Academy of Sciences, Vatican City 2008, ISBN 978-88-7761-094-2, (Pontificiae Academiae Scientiarum acta 19), S. 83–97.
  • Catherine Brahic: Top science body calls for geoengineering „plan B“. In: New Scientist, 1. September 2009, (Zugang zum Artikel möglicherweise geschützt).
  • John Shepherd: Geoengineering is no longer unmentionable. Kommentar zum Artikel von Catherine Brahic. In: New Scientist, 3. September 2009, (Zugang zum Artikel möglicherweise geschützt).
  • Jeff Goodell: How to Cool the Planet. Geoengineering and the Audacious Quest to Fix Earth's Climate. Houghton Mifflin Harcourt, Boston MA 2010, ISBN 978-0-618-99061-0.
  • politische ökologie: Geo-Engineering. Notwendiger Plan B gegen den Klimawandel? Mit Beiträgen von O. Renn, K. Ott, P. Mooney, A. Grundwald, A. Oschlies, U. Potzel, u.v.m., Heft 120, oekom verlag München 2010, ISBN 978-3-86581-226-1

Einzelnachweise

  1. NAS (1992): Policy Implications of Greenhouse Warming. National Academies Press.
  2. Budyko, Michail (1977): Climatic Changes. American Geophysical Society, Washington, D.C.
  3. a b Steven Levitt, Stephen Dubner: Superfreakonomics. Harper Collins, New York 2009.
  4. Geoengineering - Lift-off economist.com, 4. November 2010
  5. Plan B“ nimmt langsam Formen an orf.at, 8. November 2010, abgerufen am 9. November 2010
  6. Spiegel Online: Schwefel in der Stratosphäre - Giftkur fürs Klima
  7. AAAS Conference, San Diego am 20.02.2010 - Videomitschnitt: Vorteile von Aluminium gegenüber Schwefel bei Stratospheric Aerosol Geoengineering (SAG)
  8. ORF ON SCIENCE: Wie „Mega-Technik“ die Erderwärmung aufhalten soll
  9. Angel, Roger: Feasibility of cooling the Earth with a cloud of small spacecraft near the inner Lagrange Point (L1), in: Proceedings of the National Academy of Sciences
  10. Berliner Zeitung: Algen sollen das Klima retten
  11. Die Zeit, 23. März 09: Eisendüngung hilft nicht gegen Treibhausgase
  12. Graßl, Hartmut: Was stimmt? KLIMAWANDEL: Die wichtigsten Antworten. Freiburg etc. 2007. ISBN 978-3-451-05899-8
  13. Vgl. etwa "Economic growth 'cannot continue'": ""Magic bullets - such as carbon capture and storage, nuclear or even geo-engineering - are potentially dangerous distractions from more human-scale solutions," said co-author Victoria Johnson, Nef's lead researcher for the climate change and energy programme"[1], BBC News, 25. Jan. 2010
  14. Zum "Climate Engineering" aus natur-, sozial- und rechtswissenschaftlicherf Perspektive:
  15. Top Economists Recommend Climate Engineering. Press Release. Copenhagen Consensus. 4. September 2009
  16. U.N. urged to freeze climate geo-engineering projects reuters.com, 21.Oktober 2010, abgerufen am 27. Oktober 2010
  17. At U.N. Convention, Groups Push for Geoengineering Moratorium,scientificamerican.com, 20 Oktober 2010, abgerufen am 27. Oktober 2010
  18. Deutsch­land­ra­dio Kul­tur: Geo-En­gi­nee­ring. Die Tü­cken von Groß­tech­no­lo­gi­en. Von Jo­han­nes Kai­ser. Dazu das Buch von Pat Moo­ney: Next BANG!: Wie das ris­kan­te Spiel mit Me­ga-Tech­no­lo­gi­en un­se­re Exis­tenz be­droht. Oe­ko­nom Ver­lag, 2010