Forschungsgeschichte des Klimawandels
Die Wissenschaftsgeschichte der globalen Erwärmung beginnt mit der Entdeckung des Treibhauseffektes 1824 und umfasst das seitdem entwickelte naturwissenschaftliche Verständnis über den menschlichen Einfluss auf das Weltklima. Eine Beschreibung der Geschichte der Wissenschaft über die globale Erwärmung findet sich beispielsweise im 1. Kapitel des jüngsten IPCC-Berichts[1] und ausführlicher bei dem US-amerikanischen Wissenschaftshistoriker Spencer R. Weart.[2]
19. Jahrhundert: Bessere klimatische Verhältnisse durch Klimawandel ?
Aufbauend auf die Entdeckungs des Treibhauseffektes durch Jean Baptiste Joseph Fourier im Jahr 1824, identifizierte John Tyndall 1862 einige der für diesen Effekt verantwortlichen Gase, allen voran Wasserdampf und Kohlendioxid (CO2). Hieran anknüpfend, veröffentlichte Svante Arrhenius[3] 1896 als erster die Hypothese, dass die anthropogene CO2-Anreicherung in der Atmosphäre die Erdtemperaur erhöhen könne[4], womit die "Wissenschaft von der globalen Erwärmung" im engeren Sinne begann.
Für die Klimasensitivität ermittelte Arrhenius 5 bis 6 °C. Eine merkliche Temperaturzunahme erwartete er erst nach einigen Jahrhunderten[2], und er hoffte dabei auf "gleichmäßigere und bessere klimatische Verhältnisse" sowie "um das Vielfache erhöhte Ernten".[5]
Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts
In den 1930er Jahren bemerkten einige US-Amerikaner, dass sich die Temperaturen in ihrer Region in den vorangehenden Jahrzehnten erhöht hatten.[2] Die Erwärmung war jedoch zu gering, um eindeutig dem Anstieg der Treibhausgaskonzentration zugeschrieben werden zu können. Im Jahr 1937 wies der Physiker Guy Stewart Callendar erneut auf die wärmende Wirkung der bei Nutzung fossiler Brennstoffe entstehenden Kohlendioxidemissionen hin.[6] Der deutsche Klimatologe Hermann Flohn war in Deutschland der erste Wissenschaftler, welcher aufgrund empirischer Daten auf den Klimawandel aufmerksam machte. Flohn machte 1941 aufgrund empirischer Daten auf den anthropogenen Klimawandel aufmerksam.[7].
1950er - 1980er Jahre: Die ersten Warnungen vor dem kommenden Klimawandel
In den späten 1950er Jahren wurde dann erstmals nachgewiesen, dass das Kohlendioxid in der Atmosphäre laufend zunimmt. Auf Initiative von Roger Revelle, Direktor der US-amerikanischen Scripps Institution of Oceanography, startete Charles David Keeling 1958 auf dem Berg Mauna Loa (Hawaii, Big Island) seine regelmäßigen Messungen des CO2-Gehalts in der Atmosphäre (Keeling-Kurve). - Gilbert Plass nutzte 1956 erstmals Computer zur genaueren Berechnung der zu erwartenden Erwärmung. Zudem konnte er seine Rechnungen auf ebenso erst seit kurzem verfügbare, erheblich genauere Absorptionsspektren des CO2 aufbauen. Er erhielt 3,6 °C als Wert für die Klimasensitivität.[8]
Im Jahr 1965 warnte ein Beratungsgremium der US-Regierung, dass die globale Erwärmung eine ernsthafte Bedrohung darstelle (... a matter of "real concern").[9] Mit dem Verstärkung der Umweltbewegung in den 1970er Jahren wurde die Klima-Problematik auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Irritationen[10] waren durch die Globale Abkühlung der vorangegangenen drei Jahrzehnte entstanden, die nun durch Minderung der als Ursache erkannten atmosphärischen Umweltverschmutzung beendet wurde.
In den ersten beiden Berichten an den Club of Rome von 1972[11] und 1974[12] wurden als Ursachen für eine globale Erwärmung der anthropogene Treibhauseffekt und die "thermische Umweltverschmutzung" durch Abwärme diskutiert, deren Wirkung richtigerweise erst später erwartet wurde. Dann aber könne sie sich als die bedrohlichere erweisen, "wenn wir so glücklich sein sollten, den anderen Einflüssen zu entgehen".[13]
Untergrenzen für die entsprechende Erwärmung bei unterschiedlichen Wachstums-Szenarien der globalen Energieproduktion wurden bereits damals berechnet[14], wobei auch ein Beispiel für erneuerbare Energie und die Grenzen ihrer Verfügbarkeit berücksichtigt wurden. Unter der Annahme ausschließlicher Nutzung der Photovoltaik zur globalen Energieproduktion ab 1970 wurde für diese Grenze bei anhaltender, exponentieller Produktions-Wachstumsrate in der damaligen Höhe mit Stromausbeuten, die etwa den heutigen entsprechen, die Mitte unseres Jahrhunderts abgeschätzt. - Durch die 1. Ölpreiskrise von 1973 sanken jedoch die jährlichen Energieproduktions-Wachstumsraten von vorher bis zu 7 % zunächst auf negative Werte ab, und sie betrugen im Mittel von 1970 bis 2005 nur noch 2 %.[15] Mit deren hypothetischer Fortsetzung für ausschließlich photovoltaische Energie würde die globale Wachstumsgrenze schätzungsweise am Ende des nächsten Jahrhunderts erreicht.[16]
Noch 1979 schrieb die National Academy of Sciences der USA im sog. Charney-Report, dass ein Anstieg der Kohlendioxidkonzentration ohne Zweifel mit einer signifikanten Klimaerwärmung verknüpft sei. Spürbare Effekte seien aufgrund der Trägheit des Klimasystems jedoch erst in einigen Jahrzehnten zu erwarten.[17] Erste Computerprogramme zur Modellierung des Klimas wurden geschrieben und begannen die Wirkung eines erhöhten CO2-Gehalts in der Atmosphäre zu simulieren.
1988: Das IPCC wird gegründet
Im Jahr 1988, dem damals wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen, trat die Wissenschaft von der globalen Erwärmung und ihre internationale Koordinierung mit der Gründung des IPCC in ein neues Stadium ein. Der weitere Verlauf sei im Zusammenhang mit der Geschichte dieses Weltklimarates beschrieben, die im jüngsten Bericht der Arbeitsgruppe I[1] speziell im Abschnitt 1.6 dargestellt ist.
Der Zwischenstaatliche Ausschuss über den Klimawandel (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC)) wurde vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gemeinsam mit der der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) im November 1988 eingerichtet und ist der 1992 abgeschlossenen Klimarahmenkonvention beigeordnet. Er fasst für seine im Abstand von etwa 6 Jahren erscheinenden Berichte die weltweiten Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Klimaveränderung zusammen und bildet damit den aktuellen Stand des Wissens in der Klimatologie ab. In jedem Sachstandsbericht werden mehrere tausend wissenschaftliche Einzelbeiträge gesichtet und unter Beachtung der Möglichkeiten für eine politischen Konsens zusammenfassend dargestellt. Zudem erscheinen zu wichtigen Einzelthemen Sonderberichte, wie der zur nachfolgenden Box gehörige Spezial-Report für Emissionsszenarien.[18]
Der Konsens innerhalb des IPCC, dessen Berichte die relevanten Informationen und Ergebnisse aus Fachbeiträgen bündeln, wird von den wichtigsten nationalen Wissenschaftsakademien unter anderem aller G8-Länder ausdrücklich unterstützt.[19][20][21][22][23] Wenigstens weitere 30 nationale und internationale wissenschaftliche Gesellschaften teilen ebenfalls prinzipiell die IPCC-Positionen, darunter die European Science Foundation[24] und die European Geosciences Union[25], die Weltorganisation für Meteorologie (WMO)[26], die American[27] und die britische Royal Meteorological Society[28], die Australian[29] und die Canadian Meteorological and Oceanographic Society[30], die American Physical Society[31] und das Network of African Science Academies.[32] Diesen Konsens verdeutlicht schließlich auch ein Essay der Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes, dem zufolge sich in einer Auswahl von 928 Abstracts aus einer wissenschaftlichen Datenbank mit dem Stichwort „global climate change“ unter diesen kein einziger finden ließ, der den grundlegenden vom IPCC vertretenen Thesen widersprochen hätte.[33]
Das 21. Jahrhundert: Der Klimawandel ist da
Das Jahr 2005 war das bis dato wärmste Jahr seit Beginn systematischer Temperaturaufzeichnungen.[34] Im Jahr 2007 wird dem IPCC wurde zusammen mit dem ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore[35] der Friedensnobelpreis verliehen.
Im aktuellen Vierten Sachstandsbericht aus dem gleichen Jahr wird als Bandbreite aller Modelle und aller Szenarien bis 2100 eine Erhöhung der bodennahen Lufttemperatur von 1,1 °C bis 6,4 °C und eine Erhöhung des Meeresspiegels von 0,19 m bis 0,58 m prognostiziert. Die hauptsächliche Ursache der Erderwärmung sind mit einer angegebenen Wahrscheinlichkeit von über 90 % „sehr wahrscheinlich“ die menschlichen Emissionen von Treibhausgasen.
Im Jahr 2009 erschien mit der "Copenhagen Diagnosis" das letzte größere Update seit Erscheinen des AR4 von 2007. Die Autoren schreiben, dass einige im letzten IPCC-Report angebene Folgen in ihrem Ausmaß unterschätzt wurden. So lag die arktische Meereisbedeckung im Erscheinungsjahr des AR4 (2007) um 40% niedriger als die Computermodelle vorausgesagt hatten. Der Meeresspiegelanstieg der letzten 15 Jahre lag um 80% über den Vorhersagen des IPCC und der von den Autoren erwartete Meeresspiegelanstieg bis 2100 ist doppelt so hoch als vom IPCC im Jahre 2007 dargestellt.[36]
Weblinks
- Spencer Weart: The Discovery of Global Warming, Geschichte der Wissenschaft über den menschlichen Klimawandel (englisch)
Einzelnachweis
- ↑ a b Intergovernmental Panel on Climate Change (2007): IPCC Fourth Assessment Report - Working Group I Report on "The Physical Science Basis" mit Zusammenfassung für Entscheidungsträger deutsch
- ↑ a b c Spencer Weart: The Discovery of Global Warming, Center of History am American Institute of Physics, 2003. Siehe online
- ↑ Jaime Wisniak: Svante Arrhenius and the Greenhouse Effect, Indian Journal of Chem Technology 9 (2002) S. 165-173
- ↑ Svante Arrhenius (1896): On the Influence of Carbonic Acid in the Air upon the Temperature of the Ground, in: Philosophical Magazine and Journal of Science, Vol. 41, S. 239–276 (PDF, 8 MB)
- ↑ Svante Arrhenius: Världarnas utveckling (1906), dt. Das Werden der Welten. Akademische Verlagsgesellschaft Leipzig 1908.
- ↑ G.S. Callendar: The artificial production of carbon dioxide and its influence on temperature Online, PDF
- ↑ Hermann Flohn: Die Tätigkeit des Menschen als Klimafaktor, Zeitschrift für Erdkunde 9 (1941), S. 13-21
- ↑ The Carbon Dioxide Theory of Climatic Change, G.N. Plass, Tellus 8, 140–154, 1956 Online, PDF
- ↑ President's Science Advisory Committee (1965). Restoring the Quality of Our Environment. Report of the Environmental Pollution Panel. Washington, DC: The White House, quote p. 9, see pp. 111-31, Quellenangabe von der Website von Spencer Weart
- ↑ Reid A. Bryson:A Reconciliation of several Theories of Climate Change, in: John P. Holdren (Herausg.): Global Ecology. Readings toward a Rational Strategy for Man, New York etc. 1971, S. 78-84
- ↑ D. Meadows et al.: Die Grenzen des Wachstums, Stuttgart 1972.
- ↑ M. Mesarovic und E. Pestel: Menschheit am Wendepunkt, Stuttgart 1974.
- ↑ "It could prove to be the most inexorable, however, if we are fortunate enough to evade all the rest." Zitiert nach John P. Holdren: Global Thermal Pollution, in: John P. Holdren (Herausg.): Global Ecology. Readings toward a Rational Strategy for Man, New York etc. 1971, S. 85-88.
- ↑ Robert Döpel: Über die geophysikalische Schranke der industriellen Energieerzeugung. Wissenschaftl. Zeitschrift der TH Ilmenau, ISSN 0043-6917, Bd. 19 (1973, H.2), S. 37-52, online:
- ↑ Deutsches Nationalkomitee des Internationalen Weltenergierates, Broschüre: Energie für Deutschland 2006.
- ↑ Heinrich Arnold: Global warming by anthropogenic heat release (2009) http://www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet?id=12474. Robert Döpel und sein Modell der globalen Erwärmung. Eine frühe Warnung - und die Aktualisierung (2010) http://www.db-thueringen.de/servlets/DocumentServlet?id=15768
- ↑ Charney Report Online, PDF
- ↑ IPCC Special Report on Emission Scenarios, Cambridge Univ. Press (2000) SRES
- ↑ Royal Society (2001): The Science of Climate Change (PDF)
- ↑ The Royal Society (Hrsg.) (2005): Joint science academies’ statement: Global response to climate change, Ref 08/05 (PDF)
- ↑ The National Academies (2007): Joint science academies’ statement on growth and responsibility: sustainability, energy efficiency and climate protection (PDF)
- ↑ The National Academies (2008): Joint Science Academies’ Statement: Climate Change Adaptation and the Transition to a Low Carbon Society (PDF)
- ↑ Siehe hierzu auch den englischen Wikipedia-Artikel Scientific opinion on climate change
- ↑ European Science Foundation Position Paper Impacts of Climate Change on the European Marine and Coastal Environment - Ecosystems Approach pp. 7-10
- ↑ Position Statement of the Division of Atmospheric and Climate Sciences of the European Geosciences Union on Climate Change.
- ↑ WMO’s Statement at the Twelfth Session of the Conference of the Parties to the U.N. Framework Convention on Climate Change.
- ↑ Climate Change Research: Issues for the Atmospheric and Related Sciences from www.ametsoc.org
- ↑ Royal Meteorological Society’s statement on the IPCC’s Fourth Assessment Report.
- ↑ AMOS Statement on Climate Change
- ↑ Position Statement on Global Warming - Canadian Meteorological and Oceanographic Society (Updated, 2007)
- ↑ American Physical Society: National Policy - 07.1: CLIMATE CHANGE
- ↑ Network of African Science Academies (2007): Joint statement by the Network of African Science Academies (NASAC) to the G8 on sustainability, energy efficiency and climate change (PDF)
- ↑ Naomi Oreskes (2004): The Scientific Consensus on Climate Change, in: Science Vol. 306 vom 4. Dezember (korrigiert: 21. Januar 2005) (PDF, 81 KB)
- ↑ BAMS
- ↑ Gore, Al: Eine unbequeme Wahrheit, Riemann Verl. München 2006. ISBN 3-570-50078-0
- ↑ The Copenhagen Diagnosis (2009): Updating the World on the Latest Climate Science., I. Allison, N.L. Bindoff, R.A. Bindschadler, P.M. Cox, N. de Noblet, M.H. England, J.E. Francis, N. Gruber, A.M. Haywood, D.J. Karoly, G. Kaser, C. Le Quéré, T.M. Lenton, M.E. Mann, B.I. McNeil, A.J. Pitman, S. Rahmstorf, E. Rignot, H.J. Schellnhuber, S.H. Schneider, S.C. Sherwood, R.C.J. Somerville, K. Steffen, E.J. Steig, M. Visbeck, A.J. Weaver. The University of New South Wales Climate Change Research Centre (CCRC), Sydney, Australia, 60pp, online (PDF)