Gesine Lötzsch (* 7. August 1961 in Berlin-Lichtenberg) ist eine deutsche Politikerin der Partei Die Linke. Seit 2005 ist sie stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Deutschen Bundestag. Am 15. Mai 2010 wurde Lötzsch zu einer der beiden Vorsitzenden der Partei gewählt.[1]

Leben und Beruf
Nach dem Abitur 1980 an einer Erweiterten Oberschule (EOS) absolvierte Gesine Lötzsch ein Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin, welches sie 1985 als Diplom-Lehrerin für die Fächer Englisch und Deutsch beendete. Anschließend war sie Aspirantin an der gleichen Einrichtung und verbrachte 1987 ein Auslandsemester in den Niederlanden. 1988 erfolgte ihre Promotion zum Dr. phil. an der Humboldt-Universität Berlin mit der Arbeit Computergestützte Studien zum mittelniederländischen Plenarium Ms. germ. 1612. Seitdem ist Gesine Lötzsch als wissenschaftliche Assistentin an der Humboldt-Universität tätig.
Gesine Lötzsch ist mit dem Sprachwissenschaftler Ronald Lötzsch verheiratet, gemeinsam haben sie zwei Kinder.
Politik
1984 wurde Gesine Lötzsch Mitglied der SED. Von 1991 bis 1993 gehörte sie dem PDS-Landesvorstand in Berlin an und ist Vorsitzende des Bezirksverbandes der Linken Berlin-Lichtenberg.
Lötzsch verteidigt die Wahl von Kandidaten mit Stasi-Vergangenheit und nennt als Beispiel die Landtagsabgeordnete Kerstin Kaiser. Diese sei dreimal direkt in den Brandenburger Landtag gewählt worden, wobei den Wählern ihre Stasi-Vergangenheit bekannt gewesen sei.
Ende Januar 2010 wurde sie, zusammen mit Klaus Ernst, vom Parteivorstand für eine Doppelspitze der Partei Die Linke vorgeschlagen.[2] Am 15. Mai 2010 wurde sie mit 92,8 Prozent Zustimmung gewählt.[3]
Im Gegensatz zu ihrem Ko-Vorsitzenden Klaus Ernst verzichtet Gesine Lötzsch auf ihren Anspruch auf eine Aufwandsentschädigung von 3500 Euro, die sie als Parteivorsitzende beziehen könnte.[4]
Abgeordnete
Von 1989 bis 1990 gehörte sie der Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Lichtenberg und von Mai bis Dezember 1990 der Stadtverordnetenversammlung von Ost-Berlin an. Von 1991 bis 2002 war Gesine Lötzsch Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Hier war sie von 1991 bis 1993 Vorsitzende der PDS-Fraktion und von 1996 bis 2002 Vorsitzende des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten und Medienpolitik.
Seit 2002 ist Gesine Lötzsch Mitglied des Deutschen Bundestages. Da die PDS bei der Bundestagswahl 2002 an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war, zogen nur sie und Petra Pau als direkt gewählte Abgeordnete für die PDS in den Bundestag ein. Seit November 2005 ist sie stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion und Leiterin des Fraktionsarbeitskreises Regional-/Strukturpolitik, Ostdeutschland, Haushalt und Umwelt. Sie ist außerdem Obfrau der Linksfraktion im Haushaltsausschuss. Seit September 2007 ist sie auch Mitglied des Verteidigungsausschusses. Gesine Lötzsch ist stets als direkt gewählte Abgeordnete des Wahlkreises Berlin-Lichtenberg in den Bundestag eingezogen. Bei der Bundestagswahl 2005 erreichte sie hier 42,9 Prozent der Erststimmen. Bei der Bundestagswahl 2009 konnte Gesine Lötzsch ihr Ergebnis auf 47,5 Prozent verbessern.
Kritik
Umgang mit ehemaligen Stasi-Mitarbeitern
Mehrfach in die Kritik geriet Gesine Lötzsch auf Grund ihres Umgangs mit ehemaligen Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). So plädierte sie u. a. für die Duldung von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern in Parlamenten und Ministerämtern, sofern diese gewählt seien.[5] Die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, warf ihr hieraufhin vor, sie wolle „die Vergangenheit unter den Tisch kehren“[6]. Kritisiert wurde, dass ihr Kreisverband in Berlin-Lichtenberg mit ihrer Unterstützung mehrmals Podiumsdiskussionen mit ehemaligen hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern des MfS veranstaltete, wie beispielsweise dem letzten Auslandsspionagechef der Stasi Werner Großmann.[7] Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland (Grüne) warf ihr vor, bei ihrem Besuch bei der „Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR“ nicht gegen deren Geschichtsrevisionismus vorgegangen zu sein, sondern sich stattdessen als „Heilige Johanna der Alt-Tschekisten“ inszeniert zu haben.[8] Kritik an ihrer Nähe zum Stasi-Milieu begegnete Lötzsch mit dem Hinweis auf ihre Stellung als direkt gewählte Abgeordnete und die Opferbiografie ihres Ehemannes. Dieser war 1957 wegen seiner Zugehörigkeit zur sogenannten Schröder-Lucht-Gruppe inhaftiert und zu drei Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden. Fast zwei Jahre der Strafe verbüßte er in der Justizvollzugsanstalt Bautzen. Mit Verweis auf das Schicksal ihres Lebenspartners verbat sich Gesine Lötzsch in der Bundesdebatte am 7. April 2006 entsprechende „Diffamierungen“. Laut Protokoll sagte sie:
„Mein Mann hat aus politischen Gründen drei Jahre seines Lebens in Bautzen, im Gefängnis, verbracht. Daher weiß ich ganz genau, wie das mit der Entschädigung und dem Opferrecht läuft. [...] Im Gegensatz zu Ihnen bin ich direkt gewählte Abgeordnete. Das bedeutet für mich, dass ich mit allen Bürgern und Bürgerinnen meines Wahlkreises spreche und mich mit ihnen in der Sache kritisch auseinander setze.“ [9]
Am 16. März 2010 enthüllte Die Welt, dass Lötzschs Ehemann nicht nur Opfer des SED-Regimes war. Nach Unterlagen aus der Birthler-Behörde hatte der Slawist von 1963 bis Mitte der 80er Jahre als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums der Staatssicherheit unter dem Decknamen „Heinz“ unter anderem Kollegen an der Ost-Berliner Akademie der Wissenschaften denunziert.[10] In einer ersten Stellungnahme erklärte die Bundestagsabgeordnete daraufhin, sie werde jedem Versuch entgegentreten, „das Schicksal meines Mannes für durchsichtige Kampagnen zu missbrauchen“. Tags darauf sagte sie dann, sie werde sich zu der Verstrickung ihres Ehemanns nicht äußern, solange ihr die Akten nicht vorliegen.[11]
„Wege zum Kommunismus“
Im Januar 2011 veröffentlichte Lötzsch Gedanken zur bevorstehenden Podiumsdiskussion auf der 16. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in der Tageszeitung junge Welt. Darin ging sie auf die Fragestellung der Konferenz Wo bitte geht’s zum Kommunismus? Linker Reformismus oder revolutionäre Strategie – Wege aus dem Kapitalismus ein.[12][13][14] Sie notierte: „Die Wege zum Kommunismus können wir nur finden, wenn wir uns auf den Weg machen und sie ausprobieren, ob in der Opposition oder in der Regierung.“[15]
Bei Union, FDP und SPD löste der Beitrag scharfe Kritik aus. „Frau Lötzsch stellt sich außerhalb unserer Verfassung“, konstatierte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Er forderte aus diesem Grund eine bundesweite Überwachung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz.[16]
Später distanzierte sich Lötzsch bei Spiegel Online vom Kommunismus. „Die Linke ist linkssozialistisch, wir sind und werden keine kommunistische Partei. Und ich werde auch kein Mitglied der kommunistischen Plattform.“ Mit ihrer Teilnahme an der Rosa-Luxemburg-Konferenz am 8. Januar wolle sie „auch diejenigen für die Linke gewinnen, die unsere Partei für zu angepasst halten“.[15][12] Anstelle ihrer geplanten Teilnahme an der genannten Diskussionsrunde mit der Betriebsratsvorsitzenden Katrin Dornheim, Inge Viett (radikale Linke), Bettina Jürgensen (Vorsitzende der DKP) und Claudia Spatz (Antifa Berlin) gab Lötzsch bei der Konferenz lediglich eine Stellungnahme zu ihren Aussagen ab, in der sie die parteiübergreifende Kritik zurückwies.[17]
Weblinks
- Commons: Gesine Lötzsch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Vorlage:PND
- Website von Gesine Lötzsch
- Lebenslauf bei der Bundestagsfraktion Die Linke
Einzelnachweise
- ↑ In Lichtenberg wird es bunter; Artikel im „Tagesspiegel“ vom 22. September 2009; abgerufen am 5. Februar 2010
- ↑ http://die-linke.de/die_linke/nachrichten/detail/zurueck/nachrichten/artikel/eine-doppelspitze-fuer-die-linke
- ↑ Spiegel Online: Parteitag. Ernst und Lötzsch führen Linke an.
- ↑ Das Gehalt des Linkspartei-Chefs
- ↑ Vgl. Potsdamer Neueste Nachrichten vom 8. Februar 2010: Lötzsch: Stasi-Spitzel können auch Minister werden.
- ↑ Focus Online vom 7. Februar 2010: Kritik an Lötzsch wegen IM-Fürsprache.
- ↑ Vgl. Handelsblatt online vom 27. Januar 2010: Gesine Lötzsch: Lafontaine-Nachfolgerin pflegt Kontakte ins Stasi-Milieu.
- ↑ Vgl. Rede des MdB Wolfgang Wieland in der Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages am 28. Januar 2010, Textfassung.
- ↑ Deutscher Bundestag, stenografischer Bericht 33. Sitzung, Berlin, Freitag, den 7. April 2006 hier: Seite 2804.
- ↑ Mann von Gesine Lötzsch war Stasi-IM
- ↑ Pressemitteilung von Gesine Lötzsch: Birthler-Akten über meinen Ehemann, eingesehen am 19. März 2010.
- ↑ a b Originaltext
- ↑ Linke-Chefin erklärt Kommunismus zum Ziel der Partei, spiegel.de, 4. Januar 2011
- ↑ Antwort von Gesine Lötzsch: Die Herren vom Spiegel verlieren völlig die Fassung!
- ↑ a b zeit.de vom 5. Januar 2011: Parteichefin irritiert mit Kommunismus-Äußerung.
- ↑ Kommunismus-Bekenntnis. CSU fordert Totalüberwachung der Linken
- ↑ [1], tagesschau.de, 8. Januar 2011
Personendaten | |
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NAME | Lötzsch, Gesine |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Politikerin (SED, PDS, Die Linke) |
GEBURTSDATUM | 7. August 1961 |
GEBURTSORT | Berlin |