Artur Mahraun

Schriftsteller, politischer Aktivist, Gründer und „Hochmeister“ des Jungdeutschen Ordens
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--Jonathan Hornung 16:37, 9. Aug 2005 (CEST)

Artur Mahraun (* 30. Dezember 1890 in Kassel; † 27. März 1950 in Gütersloh; Pseudonyme: Heinrich Meister, Dietrich Kärrner) war Gründer und "Hochmeister" des Jungdeutschen Ordens.

Leben

V. : Hans (1853-1944) Geh. Reg. rat b. d. landwirtsch. Verwaltung in. Kassel. M. : Elisabeth geb. Wohlgemuth aus Danzig (1858 – 1940)

verheiratet seit 1917 mit Charlotte Ullrich ( + 1977 ) , 3 Töchter : Margret +, Ulrike, Dorothee,


Nach dem Besuch des Wilhelm-Gymnasiums in Kassel, trat M. 1908 als Fahnenjunker in das Infanterie Regiment Nr. 83 ein ( 1910 Leutnant ) Aus dem Krieg 1914 –1918 als Träger hoher Auszeichnungen heimgekehrt, wurde er in die Reichswehr übernommen, aus der er 1920 als Hauptmann ausschied. Anfang 1919 stellte er einen Freiwilligen-Verband der Offiziers – Kompanie – Cassel (OKC) auf, aus dem dann im März 1920 der „Jungdeutsche Orden“ entstand. M. wurde zu dessen „Hochmeister“ M. ernannt. Dieser Wehrverband war anfangs wohl der politischen Rechten zuzurechnen, aber M. setzte sich schon nach wenigen Jahren von einer solchen apologetischen Einstellung deutlich ab.

Weder am Kapp-Putsch im März 1920, noch am Hitler –Putsch im November 1923, war der Jungdeutsche Orden in irgendeiner Weise involviert. Als sich die Ballei Franken dennoch beteiligte, schloß M. sie aus dem Orden kurzehand aus.

M. trat zwar auch für die Beendigung des Versailler Vertrages ein, forderte aber bereits 1925 visionär die Verständigung mit Frankreich und ein französisch - deutsches Wirtschafts-Bündnis. Am 20.11.1926 erschien seine Schrift „ Der nationale Friede am Rhein“.

Für reaktionäre Nationalisten ein Affront, da man Frankreich immer noch als den „Erbfeind“ propagierte. M. brachten seine vorausschauenden Bestrebungen letztlich Verleumdungen und eine Anklage wegen „Hochverrat“ ein. Gelobt wurde M. dagegen vom Außenminister Stresemann, der immer auf diese Verständigungspolitik hinwies, wenn ihm bei internationalen Konferenzen die Revanchegedanken deutsch-nationaler Verbände vorgehalten wurde.


Der geheimen Zusammenarbeit der Reichswehrführung mit Sowjetrusslands „Roter Armee“ hat sich M. immer strikt widersetzt.


Die Überwindung von Klassengegensätzen ( Kastendenken/ Standesdünkel ) und den damals bestehenden Flaggenstreit, der die Konfrontation eines schwarz-weiß-roten (Monarchie) und eines schwarz-rot-goldenen (Demokratie) Lagers bedeutete, war für den auf Ausgleich bedachten M. ein ganz besonderes Anliegen.

Als entschiedener Gegner des damaligen „Parteienunwesens“, legte er im Dez. 1927 im „Jungdeutschen Manifest“ den Entwurf eines „Volksstaates“ ( Untertitel: „Volk gegen Kaste und Geld - Sicherung des Friedens durch Neubau der Staaten“) vor.

In diesem wird die Willensbildung des Volkes in einen pyramidenförmigen Aufbau dargelegt, der von der Basis der Nachbarschaft / Wohnquartier („ Das Volk sind wir ! „), über Zwischenstufengremien (Kommune- Bezirk/Kreis-Land- Reich,/ heute Bund ) zu einer direkt von unten gewählten Staatsspitze emporführt.

Angesichts der 1930 bedrohlich anwachsenden Radikalismen, beteiligte sich M. an der Gründung der „ Deutschen Staatspartei“, die er aber als Instrument zur Durchsetzung dringend gebotener Reformen, gemäß seinen Vorstellungen vom Aufbau eines wahren demokratischen Staates verstand. Als er sich in seinen diesbezüglichen Hoffnungen auf Veränderungen der üblichen negativen Partei-Mechanismen enttäuscht sah, und auch die Reichstagswahl am 14.9.1930 der Staatspartei ein enttäuschendes Wahlergebnis einbrachte ( nur 20 Abgeordnete, gegenüber 107 der Nationalsozialisten) , trat er aus dieser „Partei“ wieder aus und widmete sich um so mehr ganz der Arbeit des „Jungdeutschen Ordens“.

In der schweren Wirtschaftskrise, in den frühen 30 er Jahren mit den hohen Arbeitslosenzahlen, forderte er bäuerliche Kleinsiedlungenchwachen deutschen Ostprovinzen („ in den weitläufigen Brachgebieten und bevölkerungsschwachen Ostprovinzen ( Wir sind kein Volk ohne Raum, sondern von unorganisierten Räumen !“) und dazu einen freiwilligen Arbeitsdienst. Nach Einführung dieses letzten Vorschlages 1931 durch die Reichs-Regierung, organisierte der Jungdeutsche Orden bis 1933 allein über 300 derartige gemeinnützige Bau - und Rekultivierungs-Projekte. Keine andere Organisation hatte bis dahin eine solche Leistung vorzuweisen. Sein Vorschlag zur stärkeren Besiedlung der Ostprovinzen, stieß bei den damaligen Großgrundbesitzern, dem ostelbischen Junkertum, auf den entschiedensten Widerstand. Diese wandten sich zum größten Teil dem Nationalsozialismus zu und verloren dann letztlich ihre Ländereien durch Vertreibung nach 1945.

Den Nationalsozialismus mit seinen „hohlen Phrasen“ und „Verneinung aller Werte“ („ Antigeist „) lehnte er von Anfang an entschieden ab !

Nach der „Machterteilung“ an die Nationalsozialisten 1933, durch ein von ihm bereits früh als fehlerhaftes Parteien-System mit Endpunkt Diktatur erkannt („Republik ohne wahre Demokraten“) , wurde der Jungdeutsche Orden in allen Ländern, außer in Preußen verboten. Dem Verbot in Preußen kam M. durch selbstbeschlossene Liquidation am 3.7.1933 zuvor. Er ließ sich nicht „gleichschalten“ oder in eine nationalsozialistische Organisation eingliedern.

Bereits kurz darauf wurde M. am 11.7. in Berlin verhaftet und dabei schweren Mißhandlungen ausgesetzt, die letztlich auch zu gesundheitlichen Schäden führte. Auf Grund vieler Bemühungen seiner Freunde wurde er am 8.9.33 wieder entlassen, durfte sich aber nicht weiter politisch betätigen

Die folgenden Jahre überdauerte er – stets beobachtet und gefährdet- mit wechselnden Wohnsitz , z.T. mit Buchveröffentlichungen im Eigenverlag unter Pseudonym und später nach der vollständigen Enteignung seines Verlages , auch als Schafhalter i.d. Magdeburger-Börde, dem damals einzigen Berufsstand ohne offizielle behördliche Registrierung.

Nach 1945 beschränkte er sich - von wenigen Versammlungsreden abgesehen - mehr und mehr auf die schriftstellerische Tätigkeit.

Schriftstellerische Tätigkeit

Das schriftstellerische Werk ist umfangreich.


Da M. seine Schriften aber ausschließlich im Selbstverlag herausgab, wurden diese, außer von seinen Anhängern, kaum beachtet und sind selbst heute weitgehend unbekannt.

Das vor 1933 Erschienene bezieht sich überwiegend auf das Zeitgeschehen; später hat M. auch Romane geschrieben und Sammlungen seiner Gedichte publiziert.

Von teilweise autobiographischer Bedeutung sind „Gegen getarnte Gewalten“ ( 1928) und „Politische Reformation „ ( 1949). Seine Lehre von der Gemeinschaft hat M. ausgeführt in „ Gemeinschaft als Erzieher „ ( 1934).

Ordina, Grundsätze für Gemeinschaftsleben“ (1935 ) „Die redliche Gemeinde „ ( Ps. Dietrich Kärrner, 1939) und „Wille und Schicksal“ (Ps. Dietrich Kärrner , 1940 ).

Eine Modifizierung des in „ Jungdeutsches Manifest (1927) aufgezeigten Staatsbildes, findet man besonders in „Der Protest des Individuums „ (1949). Als ein Vermächtnis anzusehen ist die 1963 aus dem Nachlaß herausgegebene umfangreiche Dichtung „Der redliche Rebell“.

Der Begriff der Gemeinschaft versteht M. als Nachbarschaft mit einer überschaubaren Personenzahl. Die gedachte Gemeinschaft, als „Zusammenfassung von Menschen zur Lösung einer gemeinsamen Aufgabe“ , ist unbedingt von mäßiger Kopfzahl ( ca. 500 ), also überschaubar. Dem in sie eingefügten Einzelmenschen wird keine Selbstaufgabe zugemutet; für ihn sollen „Eigenleben“ und „Gemeinschaftsleben“ , als zwei „Sphären“ oder Halbkreise“, einander ergänzen. Soziologismus wird erkennbar, wenn M., der das Zeitalter der Masse, durch die Bildung von Gemeinschaften beenden will, in den Eigenschaften und Handlungen des Menschen den „Widerschein einer bestimmten Lebensordnung“ sieht.

Von seinem Staatsbild, wie er es 1927 im „Manifest“ skizziert hatte, rückte M. nach 1945 insofern ab, als er nun die Nachbarschaft und den auf solche Basis gegründete Stufenaufbau nur als „zusätzlich Einrichtung“ vorsah und damit die frühere Forderung nach Beseitigung der ausschließlich durch die Parteien beschickten Parlamente aufgab. ( Bundesrat als 2. direktdemokratisch gewählte Volkskammer ) . Eine Neubelebung des Jungdeutschen Ordens lehnte M. jedoch als nicht mehr zeitgemäß ab, dagegen forderte er seine Anhänger auf, vermehrt politische Nachbarschaften ins Leben zu rufen. Das geschah zwar an 500 - 600 Orten, vorwiegend in Niedersachsen, aber die erste Nachbarschaften in Leck / Holstein wurden schon bald von der britischen Militärregierung verboten, da man selbst neben den Parteien, keine andere politische Mitwirkungsmöglichkeit der Bevölkerung kannte und auch in ihrer eigenen Besatzungszone nicht dulden wollte. Die sich damals restaurierenden Parteien unterstützten verständlicher-weise diese Auffassung voll und ganz.

Die in den 50er Jahren aufblühende „Nachbarschafts-Bewegung“ verebbte jedoch leider später an den vielen anderen Orten, bedingt durch den aufkommenden Wohlstand, die zunehmende Mobilität , dem Aufkommen der neuen elektron. Medien und die insgesamt damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen .

Auch der frühe Tod von M., trug letztlich dazu bei. Er starb bereits am 27.März 1950 in Gütersloh an den Spätfolgen der Mißhandlungen, der Entbehrungen und des ständig auf ihn lastenden Drucks in den Jahren der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.


Zitate

„Wenn eine Demokratie echt sein soll, dann muß sie es verstehen, den Volkswillen zur obersten Autorität zu machen. Wo dies nicht gelingt kann die Gewalt nicht vom Volke ausgehen, sondern sie fällt der willkürlichen Diktatur zu.“

Artur Mahraun am 7.9.1946 in Hamburg


Rezeption

Inzwischen besteht „Geistesverwandtschaft“ mit einer Reihe jüngster Bestrebungen und Forderungen nach mehr Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung bei polit. Entscheidungen, zumindest beginnend im überschaubaren Raum der Kommunen.


Literatur

  • A.M.: Geschichte der Familie Mahraun, 1926.
  • J. Hille: Mahraun, der Pionier des Arbeitsdienstes, 1933.
  • A.M.: Der redliche Rebell, 1950 (Gedenkschrift).
  • E. Maste: Die Republik d. Nachbarn. Die Nachbarschaft und der Staatsgedanke Artur Mahrauns, 1957.
  • ders.: Der Staatsdenker A.M. in: Das Parlament, Aus Politik und Zeitgeschichte Nr. 31, 1977.
  • ders.: Vom Staat zum Gemeinwesen, Stationen der Ideengeschichte, S. 131 ff, 1993.
  • K. Hornung: Der Jungdeutsche Orden, 1958.
  • W. Lohmüller (Hrsg.): Ein neues Ordnungsbild. Überschaubare Willens-Bildung im modernen Staat, 1960.
  • Heinrich Wolf u. Alexander Kessler: Beiträge zur Geschichte des jungdeutschen Ordens, 5 Bd., 1970-78.
  • Robert Werner: Der Jungdeutsche Orden im Widerstand 1933-45, 1980. ISBN 3-9800315-5-1
  • Friedrich Märker: Der große Widerspruch, 1984. ISBN 3-9800315-6-X
  • Friedhelm Kaiser: Bürger-Initiative Nachbarschaft, 1984. ISBN 3-9800315-9-4
  • Helmut Kalkbrenner: Die Staatslehre Artur Mahrauns, Sicherung des Friedens in Freiheit durch direkte Demokratie, 1986. ISBN 3-9800315-8-6
  • Wolfgang Zeihe: A.M., Politik mit Herz, 1991. ISBN 3-87816-077-1
  • Bettina Knaup: Plebiszitäre Verfahren als Ergänzung der repräsentativen Demokratie, 1994. ISBN 3-928053-32-9
  • Amitai Etzioni: Die Entdeckung des Gemeinwesens: Ansprüche, Verantwortlichkeiten und das Programm des Kommunitarismus, 1998. ISBN 3-596-14087-0