Das Internationale Polarjahr (kurz: IPY für International Polar Year) ist ein internationales Programm zur Erforschung der Polarregionen, koordiniert vom Internationalen Wissenschaftsrat (International Council for Science, ICSU) mit nationaler Förderung, das 2007–2009 zum vierten Mal stattfand.

Geschichte
Erstes Internationales Polarjahr
Vorbereitung
Die Idee einer international koordinierten wissenschaftlichen Erforschung der Polarregionen entstand Anfang der 1870er Jahre. Als Inspirator des 1. Polarjahrs gilt Carl Weyprecht, ein österreich-ungarischer Marineoffizier, der gemeinsam mit Julius Payer die Österreich-Ungarische Nordpolexpedition von 1872–1874 geleitet hatte. Weyprecht stellte in einem Vortrag am 18. September 1875 auf der 48. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte in Graz seine Grundprincipien der arktischen Forschung vor. Er vertrat die Ansicht, dass „die arktische Forschung für die Kenntnis von den Naturgesetzen von höchster Bedeutung“ sei, vereinzelte Beobachtungsreihen aber nur relativen Wert hätten. Gleichzeitig stellte er klar, dass der geographische Pol für die Wissenschaft keine größere Bedeutung besitzt als jeder andere in höheren Breiten gelegene Punkt. Der deutsche Geophysiker Georg von Neumayer und der nierderländische Meteorologe Christoph Buys-Ballot hatten zuvor ähnliche Gedanken geäußert.
Am 5. Oktober 1879 entstand in Hamburg die Internationale Polarkommission, zu deren erstem Vorsitzenden Neumayer gewählt wurde. Der ursprüngliche Plan, das Polarjahr bereits im Jahr 1881 beginnen zu lassen, für das man ein Sonnenfleckenmaximum erwartete, erwies sich als undurchführbar, da bis Mai 1880 erst vier Länder (Dänemark, Österreich, Russland und Norwegen) ihre Teilnahme verbindlich zugesagt hatten. Da von Neumayer die Unterstützung seiner Regierung noch nicht gefunden hatte, ging der Vorsitz der Polarkommission an Heinrich Wild über, den Direktor des Physikalischen Zentralobservatoriums Sankt Petersburg, dem es gelang, die russische Regierung dazu zu bewegen, eine zweite Station zuzusagen. Mit der Beteiligung der USA gelang im Frühjahr 1881 der organisatorische Durchbruch. Bis zum Frühjahr 1882 lag die Verpflichtung von elf Staaten zum Betrieb von 14 Stationen, davon zwei in der Antarktis, vor.
Im August 1881 einigten sich die Teilnehmer der 3. Internationalen Polarkonferenz in Sankt Petersburg darauf, schwerpunktmäßig Arbeiten auf den Gebieten der Meteorologie und des Geomagnetismus sowie zur Erforschung des Polarlichts durchzuführen. So sollten zum Beispiel stündlich Wetterbeobachtungen vorgenommen werden, die unter anderem die Messung der Temperatur, des Luftdrucks, der Luftfeuchte und der Windgeschwindigkeit beinhalteten.
Durchführung
Die US-amerikanische Expedition nach Fort Conger nahm bereits im Sommer 1881 ihre Arbeit auf. Die anderen Stationen wurden 1882 in Betrieb genommen. Die niederländische Expedition erreichte ihren vorgesehenen Stationsort Dikson an der Mündung des Jenissei in Sibirien aufgrund schwieriger Eisverhältnisse in der Karasee nicht. Die Station wurde im Packeis errichtet und nahm die geplanten meteorologischen Beobachtungen vor, musste aber auf geomagnetische Messungen verzichten. Das Schiff musste 1883 aufgegeben werden. Die Teilnehmer der Expedition konnten sich im August 1883 auf das sibirische Festland retten.
Tragisch endete das Unternehmen für die Besatzung der nördlichsten Station unter ihrem Leiter Adolphus Greely. Nachdem das Versorgungsschiff Fort Conger 1882 nicht erreicht hatte, gelang es 1883 auch nicht, die Teilnehmer zurückzuholen. Greely schloss die Station daraufhin am 7. August 1883 und begab sich mit seinen Männern auf den Fußmarsch zum Smithsund. Die Überwinterung am Kap Sabine ohne ausreichende Nahrungsreserven überlebten schließlich nur 7 der 25 Männer. Sie wurden im Juni 1884 gerettet.
Die Arktis-Stationen des Ersten Internationalen Polarjahrs 1882/83 |
Land | Ort | Koordinaten | Leiter |
---|---|---|---|
Dänemark | Godthaab, Westgrönland | 64° 11′ N, 51° 44′ W | A. Paulsen |
Deutschland | Cumberland-Sund, Baffinland | 66° 36′ N, 67° 19′ W | W. Giese |
Deutschland | Moltke-Hafen, Südgeorgien | 54° 31′ S, 36° 4′ W | C. Schrader |
Finnland | Sodankylä, Nordfinnland | 67° 27′ N, 26° 34′ O | E. Biese |
Frankreich | Orange Bay, Feuerland | 55° 31′ S, 68° 5′ W | J. L. Courcelle-Seneuil |
Großbritannien | Fort Rae, Großer Sklavensee, Kanada | 62° 39′ N, 115° 44′ W | H. Ph. Dawson |
Niederlande | Karasee[1] | 71° 0′ N, 63° 0′ O | M. Snellen |
Norwegen | Bossekop, Nordnorwegen | 69° 57′ N, 23° 15′ O | A. Steen |
Österreich-Ungarn | Jan Mayen | 71° 0′ N, 8° 28′ W | E. von Wohlgemuth |
Russland | Sagastyr, Sibirien | 73° 22′ N, 124° 5′ O | N. Jürgens |
Russland | Malyje Karmakuly, Nowaja Semlja | 72° 23′ N, 52° 36′ O | K. P. Andrejew |
Schweden | Kap Thordsen, Spitzbergen | 78° 28′ N, 15° 42′ O | N. G. Ekholm |
USA | Point Barrow, Alaska | 71° 17′ N, 156° 40′ W | P. H. Ray |
USA | Fort Conger, Ellesmere-Insel | 81° 44′ N, 64° 45′ W | A. W. Greely |
Weitere Internationale Polarjahre
50 Jahre später (1932–1933) fand das 2. Polarjahr statt. Das Internationale Geophysikalische Jahr wurde vom IPY inspiriert und fand mit dem 3. Polarjahr (1957–1958) statt. Das 4. Polarjahr begann im März 2007 und dauerte bis März 2009.
Literatur
- G. A. Corby: The First International Polar Year (1882/83). In: WMO Bulletin 31, 1982, S. 197–214 (PDF-Datei, 10,71 MB, englisch)
- Reinhard A. Krause: Daten statt Sensationen. Der Weg zur internationalen Polarforschung aus einer deutschen Perspektive. In: Berichte zur Polar- und Meeresforschung (=Reports on Polar and Marine Research) 609, 2010 (online)
- Warnsignale aus den Polarregionen, Wissenschaftliche Fakten, Hrsg.: José L. Lozán, Hartmut Graßl, Hans-W. Hubberten, Peter Hupfer, Ludwig Karbe, Dieter Piepenburg; Wissenschaftliche Auswertungen Hamburg, 2006, ISBN 3-9809668-1-X.