Die RegioTram ist ein Stadtbahnsystem nach dem Karlsruher Modell in Kassel und Umland, das planmäßig im documenta-Jahr 2007 in Betrieb gehen soll. Das Projekt wird unter anderem vom Nordhessischen Verkehrsverbund, der Kasseler Verkehrs-Gesellschaft AG, deren Tochterunternehmen Regionalbahn Kassel und der Deutschen Bahn geplant. Der Betreiber wird durch eine zur Zeit laufende Ausschreibung bestimmt.
Konzept
Zur Umsetzung der RegioTram im Öffentlichen Personennahverkehr gehören verschiedene, ineinandergreifende Verkehrsmaßnahmen. Ziel ist dabei die Einführung der Kasseler Straßenbahn in den Hauptbahnhof Kassel und die Weiterführung in das Eisenbahnnetz, so dass die Zweisystemfahrzeuge (Gleichstrom/Wechselstrom oder Gleichstrom/Dieselantrieb) vom Straßenbahnnetz als Eisenbahnzug ins Umland durchfahren können.
Umsetzung
Vorlaufbetrieb
Seit dem 10. Juni 2001 findet auf der Strecke Warburg-Kassel Hbf bereits ein RegioTram-Vorlaufbetrieb mit sechs von der Saarbahn ausgeliehenen Triebwagen statt. Dies bedeutet faktisch, dass der bisherige Regionalbahn-Fahrpläne von Stadtbahnfahrzeugen bedient werden, der jedoch mit dem für den RegioTram-Betrieb vorgesehenen 30-Minuten-Takt ergänzt wurde.
Die seit Juli 2004 ausgelieferten Fahrzeuge vom Typ RegioCitadis, die von Alstom LHB, Salzgitter hergestellt werden, haben diesen Vorlaufbetrieb ab dem 8.Mai 2005 übernommen, die geliehenen Saarbahn-Fahrzeuge wurden daraufhin zurückgegeben.
Verknüpfung im Hauptbahnhof Kassel
Verschiedene Möglichkeiten wurden zur Verbindung des Eisenbahn- mit dem Straßenbahnnetzes im Hauptbahnhof (ein Kopfbahnhof) geprüft: Die wohl verwegenste Variante sah die Durchbindung durch das Bahnhofsgebäude auf gleichem Niveau vor, wurde jedoch aus Gründen des Denkmalschutzes (die kriegsbedingten Zerstörungen des alten Bahnhofsgebäude wurden in den 50er Jahren mit moderner Architektur gefüllt) nicht weiter verfolgt. Eine anderer Vorschlag führte die Trasse niveaugleich um den Südflügel (ehemalige Postumschlaghalle) zu den derzeitigen Bussteigen des Regionalverkehrs am Bahnhofsvorplatz.
Beim angenommenen und ab 2005 umzusetzenden Plan wird der Kasseler Hauptbahnhof unterfahren: Im Gleisvorfeld (westlich des Bahnhofs) wird eine Rampe mit der RegioTram-Haltestelle auf Untergeschossebene umgebaut und ein Tunnel unter dem Bahnhofsgebäude zur bestehenden Straßenbahnrampe in der Kurfürstenstraße (östlich des Gebäudes) vorgetrieben.
Ursprünglich war es geplant, die RegioTram-Haltestelle in der Lage der heutigen Gleise 3-5 zu bauen. Hierfür wäre aber ein Umbau der Leit- und Sicherungstechnik des Bahnhofes nötig, um den übrigen Verkehr nicht zu stark einzuschränken. Da die DB Netz AG diesen Stellwerksumbau aber nicht rechtzeitig bewältigen kann, werden die beiden vorgesehenen RT-Bahnsteige in die Mitte des Bahnhofs (Gleise 4-6) gelegt. Dies hat nicht nur Nachteile; z.B. wird das Gesamtensemble harmonischer und die Technikräume, die unterhalb der Gleise 1-4 liegen, brauchen nicht verlegt zu werden.
Infrastruktur
Zur Realisierung der RegioTram gehört aber auch die Ausdehnung des alten Straßenbahnnetzes, wie sie schon in den letzten Jahren erfolgte, z. B. die Verlängerung über Bettenhausen hinaus nach Kaufungen und Helsa, sowie der Neu- und Umbau von Haltestellen und der Ausbau von Eisenbahninfrastruktur. Da die RegioCitadis-Fahrzeuge über stärkere Beschleunigungs- und Bremsfähigkeiten als die bisherigen Regionalzüge der DB, die überwiegend die Eisenbahnstrecken befährt, verfügen, können im Kasseler Umland neue Stationen eingerichtet werden (s. Linienläufe unten). Des Weiteren werden in der Stadt Kassel neue Infrastrukturen aufgebaut. Die größten Maßnahmen sind durch die breiteren und längeren RT-Fahrzeuge (2,65m/37m gegenüber 2,30-2,40m/30m der bisherigen Tramfahrzeuge) nötig. Darüber hinaus wird eine neue Innenstadtstrecke (Rudolf-Schwander-Straße mit gleichnamiger Haltestelle), die Abzweigung an der Lutherkirche und die Verlegung der dortigen Station Lutherplatz bis Ende 2004 umgesetzt. Die Neubaustrecke wird auch von den SL7, SL9 und möglicherweise später von der SL2 genutzt werden, da die bisherige Tunnelstation am Hauptbahnhof (eröffnet 1968) geschlossen wird. Zur Verzweigung der RegioTram-Linie am Scheidemannplatz im Anschluss an die Rampe wird im Frühjahr 2005 ein Gleisdreieck eingebaut.
Integration
Selbstverständlich ist durch die Einführung dieses neuen Verkehrsmittels auch die Anpassung der Takte aller anschließenden Verkehrsmittel erforderlich. Da zwei RT-Linien mit jeweils 30-Minuten-Takt in die Leipziger Straße fahren sollen, bilden diese mit der SL4 einen 7,5-Minuten-Takt, so dass die SL8 verkürzt werden kann. Durch den in der Hauptverkehrszeit dichten Straßenbahntakt der anderen Linien ist eine spezielle Anpassung nicht erforderlich, jedoch in der Schwachverkehrszeit äußerst wichtig, um die Anschlüsse zu gewährleisten.
Der Integrale Taktfahrplan 2006 für Nordhessen sieht eine bessere Verknüpfung von Regional- und Fernverkehr vor, da die Regionalbahnen des konventionellen SPNV nicht mehr alle Halte im nahen Kasseler Umland abzudecken brauchen und so den regionalen Schienennahverkehr erheblich beschleunigen.
Liniennetz
In der gegenwärtig geplanten Ausbaustufe sieht das RegioTram-Netz folgende Linien vor (im Kasseler Tramnetz nur wichtige Stationen dargestellt):
- RT1: (in der ersten Ausbaustufe unbesetzt) "reserviert" für die Strecke der RE1/RB1 Richtung Hann. Münden
- RT2: (in der ersten Ausbaustufe unbesetzt) bzw. umbenannte Tram 4
- RT3: Warburg (Übergang Richtung Paderborn und Hagen) - Liebenau-Haueda (in Planung) - Liebenau - Liebenau-Ostheim (in Planung) - Liebenau-Lamerden (in Planung) - Trendelburg-Eberschütz (in Planung) - Hofgeismar-Hümme - Hofgeismar - Grebenstein - Immenhausen - Espenau-Mönchehof - Vellmar-Obervellmar (bis Hbf Vertaktung mit RT4) - Vellmar-Osterberg/Einkaufszentrum (in Planung) - Kassel-Jungfernkopf (in Planung) - Kassel-Schenkebier Stanne (in Planung) - Kassel-Harleshausen - Kassel-Christbuchenstraße (in Planung) - Kassel Hbf - Scheidemannplatz - Wilhelmstraße/Stadtmuseum - Rathaus/Fünfensterstraße (Übergang auf weitere Tramlinien) - Rathaus - Friedrichsplatz - Königsplatz (Fußgängerzone) - Am Stern (bis Leipziger Platz Vertaktung mit RT5 und SL4) - Altmarkt/Regierungspräsidium - Platz der Deutschen Einheit - Leipziger Platz - Lindenberg - Kaufungen-Papierfabrik
- RT4: Wolfhagen-Gasterfeld (in Planung) - Wolfhagen - Wolfhagen-Altenhasungen - Zierenberg-Oberelsungen - Zierenberg-Rosental - Zierenberg - Calden-Fürstenwald - Ahnatal-Weimar - Ahnatal-Heckershausen - Ahnatal-Casselbreite (in Planung) - Vellmar-Obervellmar (bis Hbf Vertaktung mit RT3) - Vellmar-Osterberg/Einkaufszentrum (in Planung) - Kassel-Jungfernkopf (in Planung) - Kassel-Schenkebier Stanne (in Planung) - Kassel-Harleshausen - Kassel-Christbuchenstraße (in Planung) - Kassel Hbf - Scheidemannplatz - Wilhelmstraße/Stadmuseum - Rathaus/Fünffensterstraße (Übergang auf weitere Tramlinien) - Am Weinberg - Auestadion
- RT5: Melsungen-Süd (in Planung) - Melsungen-Bahnhof (Übergang auf R5 nach Bebra und Fulda) - Melsungen-Bartenwetzerbrücke (in Planung) - Melsungen-Schwarzenberg (in Planung) - Röhrenfurth - Körle - Guxhagen - Baunatal-Guntershausen - Baunatal-Rengershausen - Kassel-Oberzwehren - Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe (Übergang auf Fernverkehr und auf weiteren Regionalverkehr) - Kassel Hbf - Rudolf-Schwander-Straße (neu) - Lutherplatz (verlegt) - Am Stern (Fußgängerzone, Übergang auf weitere Tram- und Buslinien) - Altmarkt/Regierungspräsidium - Platz der Deutschen Einheit - Leipziger Platz
- RT6: (in der ersten Ausbaustufe unbesetzt) In diversen langfristigen Planungsvarianten die Bezeichnung für die Strecke nach Vellmar West
- RT7: (in der ersten Ausbaustufe unbesetzt) In diversen langfristigen Planungsvarianten die Bezeichnung für die Strecke von Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe nach Kaufungen über Waldau
Ab Dezember 2005 wird voraussichtlich die Straßenbahnlinie 4 (eine Umbenennung in eine RT-Linie ist angedacht) die Umbaustrecke nach Hessisch Lichtenau befahren: Mattenberg (oder Druseltal) - Bahnhof Wilhelmshöhe - Rathaus - Friedrichsplatz - Königsplatz - Am Stern - Platz der Deutschen Einheit - Leipziger Platz - Lindenberg - Kaufungen-Papierfabrik - Kaufungen-Papierfabrik, Industriestraße - Kaufungen-Niederkaufungen, Mitte - Bahnhof Niederkaufungen - Kaufungen-Niederkaufungen, Rieckswiesen - Kaufungen-Oberkaufungen, Gesamtschule - Kaufungen-Oberkaufungen, Mitte - Bahnhof Oberkaufungen - Kaufungen-Oberkaufungen, DRK-Klinik - Bahnhof Helsa - Helsa, Im Steinhof (nur bei Fahrtende in Helsa) - Helsa-Waldhof - Helsa-Eschenstruth - Hessisch Lichtenau-Fürstenhagen - Hessisch Lichtenau, Orthopädische Klinik - Hessisch Lichtenau, Im Tal - Hessisch Lichtenau, Stadt - Hessisch-Lichtenau, Bürgerhaus
Das Netz umfasst damit 122 km Strecke, davon 6 km Neubaustrecke.
Weitere Ausbaustufen
Geplant sind z.B. eine Straßenbahnanbindung der Nachbargemeinde Lohfelden als RT-Linie, also bewusst ohne Wendeschleife obwohl der Tram-Wagenpark überwiegend aus Einrichtungsfahrzeugen besteht, eine Stichstrecke nach Vellmar-West, die Einbeziehung der Strecke vom Bahnhof Wilhelmshöhe über Niederzwehren und Waldau nach Bettenhausen (Leipziger Platz), eine spätere Verlängerung der Linie RT4 über Volkmarsen nach Korbach oder eine Anbindung des möglicherweise bald ausgebauten Flughafens Kassel-Calden zwischen Calden-Fürstenwald und Grebenstein. Weiter hochfliegende Pläne gibt es viele; sogar eine Führung der RegioTram bis nach Marburg (wahrscheinlich via Frankenberg) war bereits im Gespräch. Allerdings sind die Fahrzeuge für derart lange Strecken eher ungeeignet. Eine mögliche RT-Linie nach Wabern und Bad Wildungen oder nach Hann. Münden, Witzenhausen, Eichenberg oder gar Göttingen ist demgegenüber eher möglich.
Fahrzeuge
Die Aufgabenträger haben die Regionalbahn Kassel beauftragt, für den RegioTram-Betrieb 28 Stadtbahntriebwagen zu bestellen. Die Wahl fiel auf den ALSTOM RegioCitadis. Bestellt wurden 18 elektrische Zweisystemfahrzeuge (600V Gleichstrom/15kV, 16 2/3Hz Wechselstrom; Wagennummern 701-718) und 10 Dieselhybridfahrzeuge (600V Gleichstrom/Diesel, Weltneuheit für Normalspur; Wagennummern 751-760), die bis Ende 2005 ausgeliefert werden sollen. Bis zur Inbetriebsetzung der RegioCitadis werden von der Saarbahn in Saarbrücken ausgeliehene Bombardier Fahrzeuge eingesetzt.
Im Eisenbahnverkehr sollen in den morgendlichen Spitzen Dreifachtraktionen gefahren werden, wobei die dritte Einheit im Hauptbahnhof abgekoppelt wird. Im Innenstadtverkehr ist zu diesen Zeiten eine Doppeltraktion angedacht.
Der "roll-out" des ersten RegioCitadis' fand am 6. Juli 2004 statt. Die Fahrzeuge werden nach Märchenfiguren benannt, um Nordhessen und Kassel als geografischen Mittelpunkt der Grimmschen Märchenwelt bekannter zu machen.