Politik in Hamburg

politische Institutionen und Kultur in der Hansestadt Hamburg
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Politik in Hamburg hat eine Besonderheit darin, dass es sich beim Stadtstaat Freie und Hansestadt Hamburg sowohl um eine Gemeinde als auch um einen Gliedstaat handelt. Hamburger Politik dreht sich dementsprechend von Details der Kommunalpolitik bis hin zum bundespolitischen Einfluss des Landes durch den Bundesrat.

Plenarsaal der Hamburgischen Bürgerschaft im Hamburger Rathaus
Sitzungssaal des Senates: Die Ratsstube im Senatsgehege des Rathauses
Sitz des Hamburgischen Verfassungsgerichtes und Hanseatisches Oberlandesgericht

Politisches System Hamburgs

Rechtliche Grundlagen des politischen Systems sind das Grundgesetz und die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg.

Die Freie und Hansestadt Hamburg besitzt als Gliedstaat (Land) der Bundesrepublik Deutschland eigene Staatlichkeit. Sie ist Republik, Demokratie, Sozialstaat und Rechtsstaat. Zugleich ist sie eine einzige Gemeinde (Einheitsgemeinde), eine Trennung zwischen staatlichen und gemeindlichen Aufgaben findet nicht statt.

Im Sprachgebrauch der Flächenländer entsprechen:

Hamburg Flächenland
Freie und Hansestadt Hamburg Bundesland und zugleich Gemeinde
Bürgerschaft Landtag und zugleich Gemeinderat
Senat Landesregierung und zugleich kommunale Verwaltungsspitze
Erster Bürgermeister Ministerpräsident und zugleich Bürgermeister
Zweiter Bürgermeister Stellvertreter des Ministerpräsidenten und des Bürgermeisters
Senator, Präses einer Behörde Landesminister und zugleich Beigeordneter
Staatsrat, Senatssyndicus Staatssekretär
Senatskanzlei Staatskanzlei
Deputation Besonderes Bürger-Mitwirkungsgremium, dem Senator bei dessen Behörde beigeordnet
Behörde Landesministerium
Bezirk staatlicher und zugleich städtischer Verwaltungsbezirk
Bezirksversammlung Gewählte Volksvertretung auf der Ebene unterhalb der Gemeinde in den 7 Bezirken
Bezirksamtsleiter Leiter der Verwaltung in den Bezirken

Legislative

Die gesetzgebende Gewalt (Legislative) wird ausgeübt durch die Volksvertretung oder unmittelbar durch das Volk.

Hamburgische Bürgerschaft

Die Hamburgische Bürgerschaft hat als Landesparlament die Funktionen insbesondere

  • der Gesetzgebung,
  • der Wahl des Ersten Bürgermeisters,
  • der Kontrolle des Senats.

Als Volksvertretung wird die Bürgerschaft gemäß Artikel 6 der Verfassung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Mit Änderung des Hamburger Wahlrechts (Verhältniswahl) werden die Abgeordneten seit 2008 in den 17 Bürgerschaftswahlkreisen zum Teil direkt gewählt.

Volksgesetzgebung

Nach der hamburgischen Verfassung ist auch eine Gesetzgebung unmittelbar durch das Volk möglich. Siehe auch Hauptartikel Volksgesetzgebung (Hamburg).

Exekutive

Senat der Freien und Hansestadt Hamburg

Die ausführende Gewalt (Exekutive) liegt grundsätzlich beim Senat der Freien und Hansestadt Hamburg als Landesregierung, der die Verwaltung führt und beaufsichtigt und den Stadtstaat nach außen vertritt und repräsentiert. Der Senat wird geleitet vom Ersten Bürgermeister als Präsidenten des Senats. Jeder Senator ist regelmäßig Ressortleiter (Präses) eines Ministeriums (Behörde). Der Senat kann Senatssyndici zur Unterstützung ernennen, die ihn beraten und vertreten. Diese Staatsräte (politische Beamte) sind zugleich die höchsten Beamten ihres jeweiligen Ressorts (Senatsbehörden und Ämter).

Jedem Senator sind in seiner Behörde Deputationen beigegeben, die als besondere Mitwirkungsgremien des Volkes aus darin ehrenamtlich tätigen Bürgern (Deputierten) bestehen.

Judikative

Hamburgisches Verfassungsgericht

Die rechtsprechende Gewalt (Judikative) wird durch das Hamburgische Verfassungsgericht und 17 weitere Gerichte des Landes ausgeübt.

Die Berufsrichter der Fachgerichte werden gemäß Art. 63 der Verfassung auf Vorschlag eines Richterwahlausschusses vom Senat ernannt.

Bezirksebene

Die Bezirke in Hamburg verfügen für dezentrale Verwaltungsaufgaben jeweils über Bezirksämter, an deren Spitze der Bezirksamtsleiter steht. Beschlüsse auf Bezirksebene werden durch die dort gewählten Parlamente, den Bezirksversammlungen gefällt. Diese haben rechtlich allerdings die Stellung von Verwaltungsausschüssen, mit eingeschränkten Kompetenzen. Sofern dortige Entscheidungen der Politik des Senats zuwider laufen oder gesamtstädtische Bedeutung haben, kann der Senat die Entscheidung an sich ziehen (Evokation).

Vertretung und Politik außerhalb Hamburgs

 
Hamburgische Landesvertretung in Berlin

Hamburg ist innerhalb der Bundesrepublik Deutschland mit drei Stimmen im Bundesrat vertreten und unterhält die Vertretung der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund in Berlin, mit dem Bevollmächtigten beim Bund an deren Spitze. Im Deutschen Bundestag sind sechs Hamburger Abgeordnete über die Direktmandate der Bundestagswahlkreise Altona, Bergedorf - Harburg, Eimsbüttel, Hamburg-Mitte, Hamburg-Nord und Wandsbek sowie weitere Abgeordnete über die Landesliste vertreten.

Bei der Europäischen Union ist Hamburg im Ausschuss der Regionen vertreten und unterhält in Brüssel das Hanse-Office.

Übersicht über die Legislaturperioden

vor 1945

siehe Artikel zur Geschichte Hamburgs und zur Geschichte der Bürgerschaft. Des Weiteren Hamburger Senat 1861–1919; Hamburger Senat 1919–1933; Hamburger Senat im Nationalsozialismus.

1945 bis zur letzten Bürgerschaftswahl

Hamburg wurde von 1946 bis 1953 sowie von 1957 bis 2001 von SPD-geführten Senaten regiert. Zwischenzeitlich gab es von 1953 bis 1957 eine bürgerliche Koalition aus CDU, FDP und Deutscher Partei unter dem CDU-Politiker Kurt Sieveking. Nachdem 1993 das Hamburgische Verfassungsgericht die Bürgerschaftswahl von 1991 aufgrund undemokratischer Kandidatenaufstellungen der CDU Hamburgs für ungültig erklärte, konnte erstmals eine Wählervereinigung (STATT Partei DIE UNABHÄNGIGEN) mit dem ehemaligen CDU Rebellen Markus Wegner ins Rathaus einziehen und bis 1997 mit der SPD kooperieren. Anschließend regierte eine Koalition aus SPD/GAL. Seit den Wahlen im Oktober 2001 regierte eine Koalition von CDU, der Partei Rechtsstaatlicher Offensive (PRO) und der FDP, die nach dem Auseinanderbrechen der PRO am 9. Dezember 2003 durch den Ersten Bürgermeister Ole von Beust (CDU) aufgekündigt wurde. Die Neuwahlen am 29. Februar 2004 endeten mit einer absoluten Mehrheit für die CDU. Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive, die noch bei den letzten Wahlen 19,4 % der Stimmen erhielt, und die ProDM/Schill von Ex-Innensenator Ronald Schill und Euro-Kritiker Bolko Hoffmann verpassten ebenso wie die FDP den Einzug in die Bürgerschaft. Die vor 2001 44 Jahre lang regierende SPD musste mit 30,5% ihr schlechtestes Ergebnis nach 1945 hinnehmen, während die GAL deutlich zulegen konnte.

Wahlen zur Hamburgischen Bürgerschaft seit 19451
Wahltermin Wahlbeteiligung CDU SPD GAL Die Linke FDP Schill STATT DP VBH/HB KPD Übrige
1. Wahl vom 13. Oktober 1946 79,0% 26,7% 43,1% - - 18,2% - - - - 10,4% 1,6%
2. Wahl vom 16. Oktober 1949 70,5% im VBH 42,8% - - im VBH - - 13,3% 34,5% 7,4% 2,0%
3. Wahl vom 1. November 1953 81,0% im HB 45,2% - - im HB - - im HB 50,0% 3,2% 1,6%
4. Wahl vom 10. November 1957 77,3% 32,2% 53,9% - - 8,6% - - 4,1% - - 1,2%
5. Wahl vom 12. November 1961 72,3% 29,1% 57,4% - - 9,6% - - - - - 3,9%
6. Wahl vom 27. März 1966 69,8% 30,0% 59,0% - - 6,8% - - - - - 4,2%
7. Wahl vom 22. März 1970 73,4% 32,8% 55,3% - - 7,1% - - 0,1% - - 4,7%
8. Wahl vom 3. März 1974 80,4% 40,6% 45,0% - - 10,9% - - - - - 3,5%
9. Wahl vom 4. Juni 1978 76,6% 37,6% 51,5% 4,5%2 - 4,8% - - - - - 1,6%
10. Wahl vom 6. Juni 1982 77,8% 43,2% 42,7% 7,7% - 4,9% - - - - - 1,5%
11. Wahl vom 19. Dezember 1982 84,0% 38,6% 51,3% 6,8% - 2,6% - - - - - 0,7%
12. Wahl vom 9. November 1986 77,8% 41,9% 41,7% 10,4% - 4,8% - - - - - 1,2%
13. Wahl vom 17. Mai 1987 79,5% 40,5% 45,0% 7,0% - 6,5% - - - - - 1,0%
14. Wahl vom 2. Juni 1991 66,1% 35,1% 48,0% 7,2% - 5,4% - - - - - 4,3%
15. Wahl vom 19. September 1993 69,6% 25,1% 40,4% 13,5% - 4,2% - 5,6% - - - 11,2%
16. Wahl vom 21. September 1997 68,7% 30,7% 36,2% 13,9% - 3,5% - 3,8% 0,0% - - 11,9%
17. Wahl vom 23. September 2001 71,0% 26,2% 36,5% 8,6% - 5,1% 19,4% 0,4% - - - 3,8%
18. Wahl vom 29. Februar 2004 68,7% 47,2% 30,5% 12,3% - 2,8% 0,4% - - - - 6,8%
19. Wahl vom 24. Februar 2008 63,5% 42,6% 34,1% 9,6% 6,4% 4,8% - - - - - 2,5%
  • 1Aufgeführt sind alle Parteien, die mindestens einmal über 5% der Stimmen erhalten haben.
  • 21978 kandidierten als Vorläufer der GAL: Bunte Liste (3,5%) und GLU (1,0%).

Ergebnisse der Kommunalwahlen in Hamburg

Laufende Legislaturperiode

Die letzten Wahlen zur Bürgerschaft fanden am 24. Februar 2008 statt, ohne dass es eine absolute Mehrheit oder eine Mehrheit für eine Koalition innerhalb der klassischen Lager gegeben hätte. Daraufhin bildete sich eine Regierungskoalition aus CDU und GAL, die damit die erste schwarz-grüne Landesregierung in Deutschland stellt.

Am 7. Mai 2008 wählte die Bürgerschaft Ole von Beust erneut zum Ersten Bürgermeister (Präsident des Senats). Während von Beust noch 2001 und 2004 nicht alle möglichen Stimmen der Regierungsparteien erhielt, gaben ihm nun 69 der 121 Abgeordneten ihre Stimme. Da die CDU über 56 Sitze und die GAL über 12 Sitze verfügt, stammt vermutlich eine Stimme von den Oppositions-Parteien SPD und DIE LINKE. Nach den Wahlen 2001 und 2004 erlangte er hingegen nicht alle möglichen Stimmen der Regierungsparteien. Die von Ole von Beust in den Senat berufenen Senatorinnen und Senatoren (Senat von Beust III) erhielten bei der gemeinsamen Bestätigung durch die Bürgerschaft mit 67 Stimmen und 54 Gegenstimmen eine weniger als erwartet.

Am 18. Juli 2010 fand ein Volksentscheid zur Schulreform in Hamburg statt, der sich für die Vorlage der Bürgerinitiative und gegen die Vorlage von Senat und allen Bürgerschaftsparteien aussprach. Vor Abstimmungsende kündigte Bürgermeister Ole von Beust seinen, sowie den Rücktritt von Senatorin Prof. Dr. Karin von Welck (parteilos, Präses der Behörde für Kultur, Sport und Medien) und des Staatsrates Volkmar Schön mit Wirkung zum 25. August an. Er erklärte, dass er nach langer politischer Tätigkeit 2012 nicht mehr antreten wolle und er einen früheren Rücktritt angesichts zu lösender Probleme und Krisen nicht für verantwortbar gehalten habe.[1] Der bisherige Innensenator Christoph Ahlhaus wurde von ihm als Nachfolger vorgeschlagen und von der CDU nominiert. Am 23. Juli bot zudem Senator Axel Gedaschko an, dass er nicht mehr zu einer Neuberufung des Senats zur Verfügung stehen wolle, da er bereits Wochen vorher den Bürgermeister informiert habe, dass er eine neue berufliche Aufgabe anstrebe.[2]

Am 25. August 2010 wurde Christoph Ahlhaus zum neuen Ersten Bürgermeister gewählt. Da verfassungsgemäß die Amtszeit des alten Senates mit dem Rücktritt von Ole von Beust endete, wurde der von Ahlhaus berufene Senat in gleicher Sitzung von der Bürgerschaft mit den bisherigen Senatsmitgliedern (darunter Finanzsenator Carsten Frigge, seit 31. März 2010 Nachfolger von Michael Freytag) sowie die neuen Präsides der Innen-, Wirtschafts- und Kulturbehörde in geheimer Wahl bestätigt.[3]

Am 28. November 2010 teilte die GAL mit, dass sie die Koalition mit der CDU beenden will und Neuwahlen anstrebe.[4] Am 29. November entließ Christoph Ahlhaus die GAL-Senatoren. Der verbleibende Senat beschloss am 30. November eine neue Geschäftsverteilung.

Präsident der Hamburgischen Bürgerschaft ist seit dem 24. Februar 2010 Lutz Mohaupt (parteilos/CDU-Landesliste) als Nachfolger des zurückgetretenen Berndt Röder (CDU). Erste Vizepräsidentin blieb Barbara Duden (SPD).

Der Senat besteht derzeit aus:

Themen der Politik

Die Themen der Politik, mit denen sich Bürgerschaft und Senat befassen, umfassen ein breites Spektrum. Sie reichen von außenpolitischen Themen über die Gesetzgebung des Bundes bis hin zu kommunalen Angelegenheiten, die gegebenenfalls auch in den Bezirksversammlungen thematisiert werden. Außerhalb der Verfassungsorgane widmen sich zudem die politischen Parteien der Hansestadt, aber auch andere Institutionen, Vereine, Verbände und bürgerlichen Interessengruppen unterschiedlichen Themenbereichen.

Beispiele einiger politischer Themen mit besonderem Bezug zu Hamburg:

Finanzen und Haushalt

  • Aktuelle Verschuldung, beziehungsweise die Erreichung eines ausgeglichenen Staatshaushaltes.
  • Finanzierung beziehungsweise Kostensteigerung bei Großprojekten, wie Elbphilharmonie (ab 2004) oder U-Bahnlinie 4 (ab 2007).
  • Eine 2010 eingesetzter Parlamentarischer Untersuchungsausschuss „Elbphilharmonie“ zur Aufklärung der Bauverzögerungen und Kostensteigerungen.
  • Die finanzielle Krise der Landesbank HSH Nordbank mit einem daraus resultierenden 2009 von Hamburg und Schleswig-Holstein eingesetzten Untersuchungsausschuss.

Bildung und Wissenschaft

Stadtentwicklung und Umwelt

  • Stadtentwicklung unter dem Motto Wachsende Stadt (seit 2008 Wachsen mit Weitsicht).
  • Bau der HafenCity und weitere Entwicklung von Veddel, Wilhelmsburg bis Harburg unter dem Motto Sprung über die Elbe.
  • Gentrifizierung von Stadtteilen.
  • Mühlenberger Loch. Zuschüttung für Airbuserweiterung (2001 - 2003).
  • Bau des Kraftwerk Moorburg (2007)

Verkehr und Infrastruktur

  • Bau einer Straßenverbindung zwischen zwei Autobahnen im Hafen (Hafenquerspange) und Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße (siehe: Bundesautobahn 252)
  • Abschaffung der Straßenbahn (1978) und Wiedereinführung der Stadtbahn Hamburg.

Volksentscheide / Wahlrecht

Wirtschaft und Hafen

Weitere Themen

Historische Themen

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Der Spiegel vom 18. Juli 2010: Ole von Beusts Rücktrittsrede im Wortlaut
  2. Pressemitteilung vom 23. Juli 2010 der Behörde für Wirtschaft und Arbeit: Erklärung von Senator Axel Gedaschko
  3. Hamburger Abendblatt vom 25. August 2010: Ahlhaus mit Stimmen der Opposition zum Bürgermeister gewählt
  4. Schwarz-Grün in Hamburg gescheitert. Abgerufen am 28. November 2010.