Eva Illouz

israelische Soziologin, Professorin für Soziologie und Kulturanthropologie
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Eva Illouz (* 30. April 1961 in Fès, Marokko) ist eine israelische Soziologin.

Eva Illouz

Leben

Als zehnjähriges Mädchen wanderte sie von der marokkanischen Stadt Fes nach Frankreich aus [1], ging in Sarcelles zur Schule und studierte in Paris und an der University of Pennsylvania in den USA.

Sie erforscht die gesellschaftlichen Einflüsse auf die Bildung von Emotionen, die kapitalistische Konsumgesellschaft und die Medienkultur. Sie ist seit 2006 ordentliche Professorin für Soziologie und Anthropologie an der Hebräischen Universität Jerusalem.

Im Jahre 2009 wurde sie von der Zeitung Die Zeit als eine von 12 Intellektuellen gewählt, die wahrscheinlich das Denken der Zukunft verändert werden [2].

Arbeitsfelder

Nachdem sich Illouz in ihrer besonders gewürdigten Studie[3]Der Konsum der Romantik“ mit dem sozialen Wandel von „Liebe“ und „Romantik“ befasst hatte, wurde sie an die Universität Frankfurt am Main zu drei Adorno-Vorlesungen über „Emotionen und Kapitalismus“ eingeladen. Ein Band fasst ihre Texte zusammen, worin sie eine zunehmende Verbindung der Konsumkultur mit therapeutischen und feministischen Diskursen darlegte. Sie spricht von einem „emotionalen Kapitalismus“, wo die Subjekte in ihren Gefühlen und Wünschen mehr, als ihnen lieb sei, standardisiert seien: „Ein Champagnerfrühstück ist romantischer als eine Currywurst zu zweit.“

Damit stellt sie sich gegen die Kritik einer Entfremdung, nach der der Kapitalismus mit seinen Widersprüchen ein kalter gesellschaftlicher Ort sei, von wo aus zur wärmenden Liebe Zuflucht genommen werden könne: „[D]ie Emotionen werden instrumenteller“; wo etwa „Kommunikation“ dazu diene, den anderen (strategisch) anzuerkennen, wo aber eben auch „das Ökonomische selbst emotionaler“ werde, etwa bei der „Teamarbeit aus Leidenschaft“. Ihre Hauptthese ist: „Der homo oeconomicus hat emotional aufgerüstet, während das emotionale Subjekt ökonomisch verfährt.[4]

Die eigene Qualität von Emotionen werde verkannt und scheinbar rationalen Beurteilungen unterworfen. Die Gewinner seien die klinischen Psychologen, die die Wirtschaftstauglichkeit von Personen mit „emotionaler Intelligenz“ und „emotionaler Kompetenz“ bewerten: Personen mit diesen Zuschreibungen verkauften tatsächlich mehr[5], für Führungskräfte sei Selbstkontrolle und Refexivität [6] besonders wichtig.

Laut Illouz zerfällt die Trennung einer emotionsfreien Öffentlichkeit von einem emotionalen Privatleben: Affekte werden zu einem Tauschmittel in der Ökonomie („Erlebnis Einkauf“, „Inszenierung von Dienstleistungen“), und es werde - v. a. in der Mittelschicht – das emotionale Leben einer ökonomischen Logik unterworfen.[7]

Gestützt auf Marshall Sahlins folgert sie, dass durch die beratende Tätigkeit von Psychologen im Wirtschaftsleben überraschenderweise eine Intensivierung der Gefühle erfolgt sei.[8] Das emotionale Verhalten der Arbeiter und des unteren und mittleren Managements sei festgelegt und ein „therapeutisches Diskurs“ in nichttherapeutischen Zusammenhängen etabliert worden, erstmals auch mit Begriffen wie Eigeninteresse, Effizienz und Zweckprinzip (mit interpretatorischen Rückbezügen auf Elton Mayo und Max Weber). Durch diese Begriffe seien neue Modelle sowohl des Sozialverhaltens als auch der Kommunikation kreiert worden[9]: So sei durch Mayo eine Managementstrategie etabliert worden, wonach Wut am Arbeitsplatz nichts verloren habe: Streiks und Unmutskundgebungen würden besänftigt, indem Ärger als Wiederholung von Kindheitskonflikten dargestellt werde. Allgemein würden Arbeitsverhältnisse, die auf Zwang und Autorität beruhten, verworfen, und ein "neuer emotionaler Stil" (freundlich, aber unpersönlich) im Management schaffe eine scheinbare Harmonie zwischen der Organisation und dem Einzelnen. Im therapeutischen Ritus gibt es keinen Widerspruch noch seelisches Leid, welches nicht durch Kommunikation aufgehoben werden könne; schon das Wort "unprofessionell" zeigt den Erfolg der Psychologen, da damit Gefühlsausbrüche, wie Weinen oder Wut bezeichnet werden und nicht fachliche Inkompetenz.[10]

Illouz sieht einen Trend von der "Performativität der Gefühle“ zur "emotionaler Authentizität“.[11] Liebende im 19. Jahrhundert durften sich Gefühle erst nach bestimmten Ritualen erlauben, so waren Liebesbriefe bestimmten Codes unterworfen. Eine Frau durfte sich erst hingeben, nachdem die ernsten Absichten des werbenden Mannes festgestellt wurden. Der moderne Mensch ist ständig dazu angehalten, sein Seelenleben zu bespiegeln, die Beziehungsentsscheidung erfolge nach der Klärung der eigenen Gefühlen zueinander.

Die Transformation der Architektur der Wahl oder die Ökologie der Wahl

Diese Thema entwicklte Illous seit sie ein Mitglied des Center for the Study for Rationality at the Hebrew University im Jahre 2006 wurde. Sie argumentiert, dass Ökonomen, Psychologen und sogar Soziologen in ihren Paradigma dahin tendieren, dass die freie Wahl ein unveränderliches Fixum im Denken sei, wo die Aktuere wüßten, was ihre Vorlieben seien, und sie sich anhand dieser entscheiden. Illouz meint, dass es in der Moderne es eine ganze Architektur oder Ökologie der Wahl gibt und sich diese - zumindest in der Partnerwahl - grundlegend geändert hat. Diese Ökologie der Wahl hat damit zu tun, wie die Menschen sich selber verstehen, was sie als ihre Vorlieben ansehen, die verbindung zwischen Emotionen und Ratrionalität und deren Fähigkeiten zwischen sogenannten Gefühls- und Vernunftentscheidungen zu unterscheiden. [12]


Die ungleiche Verteilung von emotionaler Entwicklung und dem emotionalen Glücklichsein

Eine Dimenson in Illouzs Arbeiten ist die Schnittmenge von sozialer Klasse und den Emotionen auf zwei Arten: Wie formt die Klassenzughörigkeit die Gefühle, gibt es emotinale Ausdrücke, die man mit einer sozialen Herrschaft verbinden kann. Und zweitens: Wenn Gefühle eine strategischen Antwort auf Situationen ist, i.e. wenn sie uns helfen mit Situationen fertig zu werden und jene zu verändern, haben die Mittel- und Oberklasse einen Vorteil gegenüber den unteren Schichten, die sich hilflos in ihren Gefilden aufhalten - wie konnte sie sich diese Vorteile aneignen und welcher Art sind diese? [13]


Menschliche Entwicklung und Kritik des Sozialen als metatheoretisches Thema

Ein weiteres Anliegen ist, als metatheoretisches Thema, die menschliche Entwicklung und die Kritik des Sozialen. Welcher Theorie man auch immer anhängen mag, Kulturkritik basiert auf zwei Angelpunkten: Kultur soll die Alltagspraxis transzendieren und dies muss so funktionioneren in dem uns die Gewohnheiten und Ansichten nahegebracht werden die uns zu einer "guten Gesellschaft führen (seien sie durch Gleichheit und Freiheit definiert, oder durch mehr Tradition und Religion) Illouz weist die Ansätze von sich, die vielen Arten von Herrschaft und Unterdrückung analysieren und die die Wege, die zu einem Model der menschlichen Entwicklung und zu einer guten Polis führen und die Wege die nicht dazu führen. Sie betont eine immanente Kritik , "die von den Selbstverständnis der Akteure herrührt. Kulturelle Praxen sollten evaluiert werden und intern kritisiert werden, gemäß den Werten die sie beinhalten" [14]

Publikationen

  • Gefühle in Zeiten des Kapitalismus. Adorno-Vorlesungen 2004. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-518-58459-6.
  • Der Konsum der Romantik. Liebe und die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus. Campus, Frankfurt am Main/New York 2003, ISBN 3-593-37201-0.
  • Oprah Winfrey and the glamour of misery. An essay on popular culture. Columbia University Press, New York 2003, ISBN 0-231-11813-9, ausgezeichnet mit dem Best Book Award der American Sociological Association 2005(?!).
  • Die Errettung der modernen Seele. Therapien, Gefühle und die Kultur der Selbsthilfe. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-518-58520-7.
    • engl. Orig.: Saving the Modern Soul: Therapy, Emotions, and the Culture of Self-Help. California University Press, Berkeley 2008, ISBN 0-262-11317-1.
  • "Emotional Capital, Therapeutic Language and the Habitus of the 'New Man'" in: Nicole C. Karafyllis/Gotlind Ulshöfer (Hrsg.): Sexualized Brains. Scientific Modeling of Emotional Intelligence from a Cultural Perspective. M.I.T Press, Cambridge MA. 2008, ISBN 0-262-11317-1.

Siehe auch

Literatur

Quellen

  1. Koby Ben Simhon, Interview with Eva Illouz: The tyranny of happiness, Haaretz, 20. Juni 2009 (hebräisch)
  2. Von Elisabeth von Thadden, Am Seelenmarkt: Was macht die moderne Ökonomie mit unseren Gefühlen?
  3. 2000 „Honorable Mention“ im Rahmen der Verleihung des Best Book Award der Sektion Sociology of Emotions der American Sociological Association
  4. Uwe Kossack: Eva Illouz. Gefühle in Zeiten des Kapitalismus, in: SWR2 Buchkritik – Manuskriptdienst, 20. September 2006, (RTF; 0,1 MB)
  5. Eva Illouz: Gefühle in Zeiten des Kapitalismus. Adorno-Vorlesungen 2004. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-518-58459-6.
  6. http://www.sandammeer.at/rez09/seele-illouz.htm
  7. Eva Illouz a. a. O., S. 13; s. dazu auch Tönnies 1922 und Habermas 1962.
  8. Die aus der Markensoziologie und Werbung nicht unbekannte Tatsache.
  9. Eva Illouz: Die Errettung der modernen Seele. Therapien, Gefühle und die Kultur der Selbsthilfe. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-518-58520-7.S. 106 f.
  10. Interview, Scobel auf 3sat, 25. Oktober 2009
  11. Mely Kiyak in FR: Wir haben die Wahl - Eva Illouz über die Transformation der Liebe http://www.fr-online.de/kultur/debatte/wir-haben-die-wahl/-/1473340/4970576/-/index.html
  12. 2007. Cold Intimacies: The Making of Emotional Capitalism, Polity Press, London.
  13. see Saving the Modern Soul
  14. Oprah Winfrey and the Glamour of Misery