Askese (griech. ασκεσις askesis von ασκεω askeo üben, sich befleißigen) ist der Verzicht (Abstinenz) auf Genuss, oft verbunden mit der Konzentration auf bestimmte geistliche Übungen, die der Erlangung eines als höher erachteten, normalerweise religiösen Zieles dienen.
Askese basiert grundsätzlich auf einer freien Entscheidung und ist eine bewusste und besondere Leistung - ein Asket verzichtet, aber er dürfte, wenn er wollte.
Abgrenzung des Begriffs
Askese ist nicht der Verzicht auf Überflüssiges sondern beinhaltet immer den Verzicht auf etwas, das sonst als angemessen angesehen wird.
Ebenso ist der Verzicht auf Dinge, die in der entsprechenden Kultur als unrein oder unerlaubt gelten oder nicht vorhanden sind, keine Askese - Beispiele wäre Schweinefleisch in Israel, Alkohol in Saudiarabien, warmes Bad in einer Berghütte.
Arten von Askese
Askese wird verstanden hinsichtlich
- des eigenen Körpers
- Nahrungsaskese
- sexuelle Enthaltsamkeit, Zölibat
- Vernachlässigung der Körperpflege, (kein Haareschneiden etc.)
- Verzicht auf körperliche Bedürfnisse (Schlaf, Wärme)
- der äußeren Lebensgrundlagen (Verzicht auf Eigentum)
- der eigenen Persönlichkeit
- Kommunikationsverzicht (Schweigebot)
- Isolation (Klausur, Einzelzelle)
- Heimatlosigkeit (Wanderprediger, Bettelmönche)
- Gebundenheit (Gehorsam, Mobilitätsverzicht)
Gründe für Askese
Askese kann ein Zweck als solcher, kann aber auch mit einem konkreten Ziel verbunden sein, wie beispielsweise Fasten um geistige Klarheit für eine wichtige Entscheidung zu gewinnen, oder Fasten für ein politisches Ziel (Gandhi).
Ebenso gibt es Askese aus Solidarität mit Notleidenden, z.B. Verzicht in der Fastenzeit, wobei das gesparte Geld an Brot für die Welt gespendet wird.
Askese ist oft mit einer grundsätzlich negativen Sicht auf die Welt -so wie sie ist- und die eigene Person verbunden. Ein solcher Asket beabsichtigt, sich durch seine asketischen Übungen zu bessern, von den Unvollkommenheiten der Welt zu lösen und sich schließlich ganz davon zu erlösen.
Andererseits gibt es auch Askese, die der Lebensfreude und dem Genuss zu andern Zeiten nicht negativ gegenübersteht: in diesem Fall ist die Absicht hinter der Askese, von diesem Genuss nicht abhängig zu werden oder den Genuss nicht zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Die Mystikerin Theresa von Avila hat das verdeutlicht mit "Wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn, wenn Fasten, dann Fasten".
Um Askeseübungen für ganze Gesellschaften möglich zu machen, gestalten zahlreiche Weltreligionen eine Reihe periodischer Askeseformen, wobei bestimmte Zeitabschnitte als Buß- oder Trauerzeiten begangen werden.
Geschichte
Eine Reihe religiös-ethischer Systeme standen der Askese fremd gegenüber. (z.B. Naturreligionen (siehe dazu besonders: Initiation, Vorderer Orient, Klassisches Griechenland, Römisches Reich, Zoroastrismus oder Konfuzianismus).
Askese in Asien
Das vermutlich älteste durch Askese geprägte System ist der Hinduismus. Bereits die Induskultur kannte Asketen. Sie treten auf als Yogis, Sadhus oder Sannyasins, wobei der Tantrismus das entsprechende System mit Shiva an der Spitze dafür schuf.
Der Jainismus basiert auf einer Fastentradition, die in Gandhi einen Höhepunkt fand.
Auch der Buddhismus vesteht sich in seiner Geschichte und Gegenwart als Bewegung der Askese, wie am Leben des Buddha und der von ihm gegründeten Mönchsgemeinschaften abzusehen ist. Von einer Mahlzeit am Tag über das Schlafen in sitzender Stellung unter freiem Himmel bis zu den Selbstverbrennungen von Mönchen während des Vietnamkrieges reichen die asketischen Lebensäußerungen.
Griechische und römische Antike
Der Begriff Askese bedeutet ursprünglich Übung oder Training und bezog sich auf das Exerzieren der griechischen Soldaten bzw. die Lebensweise der Athleten.
Die Lebensweise der Kyniker führte wohl bestimmte asketische Züge auf (Triebbeherrschung, Armut und Heimatlosigkeit), da sie darin aber einen unmittelbaren Lustgewinn sowie eine Zerstörung etablierter Strukturen sah, wird sie nicht zur Askese gezählt.
Ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. finden sich deutlich mit dem Verzicht und Weltverneinung einhergehende Züge, die mit der Gnosis und dem Neuplatonismus einhergehen. Die in die Extreme gehende Gnosis gebietet ihren Anhängern entweder radikale Enthaltsamkeit oder weitestgehende sexuelle Freizügigkeit. Die Stoa wertet die zeitlichen Güter ab; der griechische und römische Kult begreift Fasten und sexuelle Enthaltsamkeit als einen Bestandteil des Ritus, um auf die Götter einwirken zu können. (siehe: Mysterien von Eleusis)
Der Manichäismus als ein auf der Dualität von Licht und Finsternis basierendes System funktionalisiert die Askese zur Erreichung vollkommener Absage an die Welt. Manis drei Siegel erstrecken sich auf das Siegel
- des Mundes: Verzicht auf Fleisch, Fisch, Wein und Alkohol
- der Hände: Verzicht auf Arbeit
- des Leibes: Verzicht auf Fortpflanzung
Askese im Judentum
Das Judentum, eine grundsätzlich eher weltbejahende Religion weist bestimmte asketische Züge auf, insbesondere bezüglich des Studiums der Heiligen Schrift. Am Versöhnungstag (Jom Kippur) wird auf Essen und Trinken verzichtet.
Fasten kommt auch als geistliche Vorbereitung vor oder um Gott zu zeigen, dass man es in einer Sache ernst meint.
Nasiräer waren diejenigen, die ihr natürliches Leben (z.B. Genuss von Wein, Schneiden des Haars) zugunsten des Torastudiums zurückstellten, während ihres ganzen Lebens oder während einer bestimmten Zeit. Im Alten Testament war der Verzicht auf einen festen Wohnsitz bekannt (siehe Rekabiter).
Askese im Islam
Die islamische Lebensweise versteht sich in bestimmten Zügen als asketische Lebensweise. Askese entspricht wörtlich dem arabischen Begriff dschihad (Heiliger Krieg, eigtl.: "Bemühung"). Dazu zählen die regelmäßigen Gebetszeiten, Fasten (Ramadan), Pilgerreisen Hadsch, zahlreiche rigorose Ge- und Verbote. Besonders traten in der muslimischen Askese Gruppierungen hervor wie die Sufis, Derwische oder Fakire.
Askese im Christentum
Das Christentum kennt die Askese wohl; es gibt eine christliche Askese. Das Christentum ist jedoch keine asketische Relsigion etwa im Sinne des Hinduismus. Es hat eine Vielzahl asketischer Traditionen aufgenommen, geprägt und ausgebaut. Andererseits weist es eine Reihe askesekritischer Züge auf.
Bibel
Der bekannteste Asket im Neuen Testament ist Johannes der Täufer mit seiner Gruppe, der den Verzicht auf Eigentum, Wohnsitz etc. praktizierte und gebot.
Jesus fastete zeitweilig selbst, erließ aber kein allgemeines Gebot zur Askese. Man sagte ihm im Gegenteil ein durchaus sinnenfrohes Leben nach. Zudem zeigte er eine deutliche Kritik an asketischen Praktiken, sofern sie veräußerlicht waren.
Andererseits befindet sich ein christliches Leben vollständig unter Gottes Herrschaft, und stellt infolgedessen -asketisch- anderes als zweitrangig zurück.
Direkte Anleitungen zu einem Leben mit asketischen Zügen ergehen an den engeren Kreis der Nachfolger Christi. Dazu zählt der Eigentumsverzicht, sexueller Verzicht und Verzicht auf eigenen Willen - diese Punkte gelten nicht als bindende Gebote, sondern, insbesondere in der katholischen Kirche, als evangelische Räte (Armut, Keuschheit, und Gehorsam) die nicht heilsnotwendig sind, aber förderlich zu einem gottgefälligen Leben. Diese evangelischen Räte sind ein wesentlicher Teil der Ordensgelübde.
Der Empfehlung von Keuschheit in Mt. 19,12 bis zur Selbstkastration bzw. dem Abschneiden der eigenen Brüste wurde in bestimmten Fällen wörtlich Folge geleistet, z.B. von Origenes, der gnostischen Sekte der Enkratiten oder den Skopzen im Russland des 19. Jahrhunderts. In allen Haupttraditionen des Christentums wird der Vers jedoch dahin ausgelegt, dass es sich um eine Empfehlung zur Keuschheit als Willensentscheid handelt.
Frühe Kirchengeschichte
Tertullian entfaltete systematische Anweisungen für ein asketisches Leben von Christen, wobei hauptsächlich auf der Ehelosigkeit ein Schwergewicht lag. Origenes prägte diesen Weg von der vita activa zur vita contemplativa weiter aus. Wahre auf Grundlage der Askese bewirkte Gottesschau sei nur bestimmten Erwählten möglich.
Im dritten Jahrhundert entwickelte sich von Ägypten ausgehend ein Einsiedlertum, dessen berühmtester Vertreter der heilige Antonius war. Siehe: Styliten, Eremiten, Anachoreten).
Im vierten Jahrhundert fasste zuerst Pachomius diese Einsiedler in Gemeinschaften zusammen, aus denen die ersten Klöster entstanden.
Basilius von Cäsarea verfasste eine Mönchsregel, deren asketische Anordnungen neben dem Genussverzicht körperliche Arbeit und intensives Bibelstudium umfassten und die bis heute die Mönchsregel der orthodoxen Kirchen ist. Basilius predigte Verzicht auf Eigentum und Sicherheit zugunsten Notleidender, praktizierte aber auch Fasten (einschließlich ständigem Verzicht auf Fleisch) und nächtliches Gebet mit Schlafverzicht.
Benedikt von Nursia verfasste aufgrund der Regel von Basilius seine eigene Mönchsregel, die bis heute in einigen westlichen Orden bestimmend ist.
Für die irischen Mönche war die Peregrinatio (Heimatlosigkeit) ein wesentlicher Faktor ihrer Askese, der die gesamte Geschichte von Europa beeinflusste: viele europäische Länder wurden durch irische Wandermönche christianisiert.
Katholische Kirche
Als Tugendmittel, durch deren Gebrauch die Askese die Erlangung der religiösen und sittlichen Vollkommenheit anstrebt, gelten in der katholischen Kirche:
- die Andacht, die Meditation und Kontemplation umfasst, und der sich als Hilfsmittel die asketische oder Erbauungsliteratur bietet, ebenso die religiöse Kunst
- das Bibelstudium
- das Gebet, teils als freies, teils als Formulargebet
- der gemeinschaftliche Gottesdienst, Erbauungsstunden und Konventikel
- die Sakramente.
Als die Verzichtgebote in den Klöstern gelockert werden, entstehen im Mittelalter neue asketische Bewegungen innerhalb der Kirche und der Orden (z. B. die Zisterzienser). Franz von Assisi muss sich für seine in kirchlichen Augen provokativ anmutende asketische Bewegung in Solidarität mit den Armen eine kirchliche Billigung regelrecht erstreiten (Franziskaner etc.)
Aber auch außerhalb der Kirche erblüht asketisches Leben in häretischen Bewegungen (Katharer, Waldenser etc.).
Im Mittelalter erfährt zudem die Askese ein Steigerung hin zur bewussten Peinigung des eigenen Leibes. (Geißler)
Im Zuge der Gegenreformation entwarf Ignatius von Loyola auf katholischer Seite die Exerzitien der Jesuiten, eine dreißigtägiges Programm mit intensiven geistlichen Übungen verbunden mit strengen asketischen Regeln.
Während vom Mittelalter an bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hinein in der katholischen Kirche der freitägliche Verzicht auf Fleisch Kirchengebot war, gilt das heute nur noch für die Freitage in der Passionszeit.
Orthodoxe Kirchen
Die orthodoxen Kirchen haben bis heute eine ausgeprägte asketische Tradition mit vier mehrwöchigen Fastenzeiten im Kirchenjahr für alle Gläubigen (Passionszeit, Apostel-Fasten, Dormition, Advent). Das orthodoxe Fasten ist einiges strenger als das westliche, die meiste Zeit sind sämtliche tierischen Produkte, Wein und Öl verboten, und es ist immer mit intensivem Gebet verbunden..
Im Gegensatz z.B. zum Katholizismus sieht die orthodoxe Kirche in der Askese keine Bußübung für Sünden. Durch asketischen Übungen setzt der Mensch seine Prioritäten anders als im normalen irdischen Leben und wird frei für geistliche Gemeinschaft mit Gott.
Lutherische Kirche
Die lutherische Reformation verwarf programmatisch das katholische Ideal der Askese, da sie damit einen Rückfall in die Gesetzlichkeit des Glaubens verbunden sah.
- "Das Fleisch, seine grobe, böse Lust, müssen wir mit Fasten, Wachen, Arbeiten tödten und stillen... Es sind viel blinde Menschen, die ihr Casteien... allein darum üben, daß sie meinen, es seien gute Werke, daß sie damit viel verdienen... Darum lasse ichs geschehen, daß ihm ein Jeglicher erwähle, Tage, Speise, Menge zu fasten, wie er will, so fern, daß ers nicht da lasse bleiben, sondern habe Achtung auf sein Fleisch; wie viel das selbige geil und muthwillig ist, soviel lege er Fasten, Wachen und Arbeit darauf und nicht mehr, es habe es geboten Papst, Kirche, Bischöfe, Beichtiger oder wer da will..." (Luther)
Reformierte Kirchen
Die Schweizer Reformierten im zwinglianischen Zürich und der Calvinismus praktizierten von Anfang an einen in gewissen Zügen asketischen disziplinierten Lebensstil mit Verzicht auf weltlichen Luxus, aber ohne Weltflucht. Dieser Lebensstil wurde auch von andern Gruppen in calvinistischer Tradition aufgenommen, z.B. von den Puritanern.
Pietismus
Bestimmte Bewegungen innerhalb des Protestantismus haben eine religiös motivierte Wiederbelebung weltverneinender Züge in ihre Programme aufgenommen, z.B. der Pietismus:
- Wir entsagen willig
- Allen Eitelkeiten,
- Aller Erdenlust und Freuden. (Gerhard Tersteegen)
Diese Lebenshaltung war nicht durch strenges Fasten oder Zölibat bestimmt, sondern durch strikten Verzicht auf weltliche Vergnügungen - sogar Lachen konnte als unangebracht angesehen werden.
Bei den Methodisten war zur Zeit John Wesleys zweimal wöchentliches Fasten für Prediger obligatorisch, für andere empfohlen.
Christentum heute
Während es, abgesehen von der orthodoxen Kirche, kaum mehr kirchlich verordnete Askese gibt, sind Fasten und Verzicht in den letzten Jahrzehnten insbesondere von charismatischen Kreisen wieder entdeckt worden. Insbesondere in der Fastenzeit gibt es zahlreiche Aktionen, die von ein- oder mehrwöchigem vollständigem Nahrungsverzicht bis zu zeitweiliger Fernseh- oder Kaugummiabstinenz reichen. Ziel dabei ist mehr Freiraum für geistliche Aktivitäten (Gebet, Bibelstudium, Meditation) und innere Freiheit gegenüber Konsumgewohnheiten.
Askese im Buddhismus
Der Buddhismus fordert keine Askese im Sinne einer entsagenden oder bußfertigen Lebenshaltung, sondern eine pragmatische Haltung der Mitte, die alle Extreme (Selbstkasteiung oder Zügellosigkeit) meidet.
"Moderne" Askese
Max Weber hat den Begriff der Askese umgedeutet. Sie sei als "innerweltliche Askese" durch den Geist des Protestantismus in die Moderne eingezogen, um die menschliche Kultur auf nachhaltige Weise äußerlich zu prägen und zu verändern, wie kein Lebensentwurf zuvor. So wurde unternehmerischer Erfolg im reformiert-puritanischen Kapitalismus als Belohnung für Verzicht und Entsagung aufgefasst. Askese und Religion gingen und gehen miteinander einher, wobei sie sich offenkundig zunehmend verselbständigen und auch voneinander lösten.
Demgemäß kann eine Vielzahl heutiger auf Verzicht basierender Lebensentwürfe nur in bestimmter Hinsicht als asketisch verstanden werden, da sie (wie modisches Schlank- und Heilfasten, oder Vegetarismus) den religiösen bzw. weltabgewandten Idealen der Askese teilweise oder vollständig zuwiderlaufen.
Die "Geiz ist geil"-Werbekampagne erreicht durch die jonglierende Vermischung von asketischem Gedankengut mit Elementen des Hedonismus einen absurden Höhepunkt, und bricht in der Konsequenz dem asketischen Grundanliegen die Spitze ab.
Neuerdings tritt asketisches Gedankengut als Konsumkritik -und -verzicht in Gestalt der Lieder von Judith Holofernes (Wir sind Helden) auf die Bühne der Popkultur:
- Tausche blödes altes Leben gegen neue Version
- Ich hatte es kaum zu Hause ausprobiert, da wusste ich schon:
- An dem Produkt ist was kaputt, das ist die Reklamation.
Weblinks
- http://www.uni-greifswald.de/~postdoc/askeseexpose.htm -- Geschlecht und Geschichte der Selbstdisziplinierung (Interdisziplinäre Tagung)
- http://medi-report.de/nachrichten/2000/07/20000707-01.htm -- Askese aus medizinischer Sicht.
- http://www.stjosef.at/morallexikon/askese.htm -- Askese (Lexikon der christlichen Moral)