Von den Balten bis zu den Litauern
Etwa 10.000 bis 9.000 Jahre v. Ch. ließen sich Menschen aus den benachbarten westlichen und südlichen Regionen auf dem heutigen Territorium des Baltikums nieder. Ob sie die ursprünglichen Vorfahren der Balten waren, darüber sind die Historiker keiner einstimmigen Meinung. Es wird angenommen, dass die Ahnen der Balten ca. 3.000-2.500 v. Ch. die baltischen Gebiete erreichten und sich mit den bereits Ansässigen assimilierten. Obwohl sie Indo-Europäer gewesen sein sollen, lässt sich schwer feststellen, aus welchen europäischen Gebieten sie kamen. Das Territorium, das die Balten besiedelten, umfasste 860.000 km²: von der Ostsee bis zur oberen Volga und Dnieper. Die Historiker schätzen etwa 500.000 Menschen auf dem ganzen Gebiet. Dabei wird zwischen westlichen und östlichen Balten unterschieden. Die Historiker vermuten, dass sich die geographischen Beschreibungen des Herodotus im Jahr 450 v. Ch. über zwei Stämme, und zwar den der Boudinoi und den der Neuroi, auf die damaligen baltischen Gebieten bezogen haben. Die Neuroi werden in der Historiographie rein hypothetisch mit den östlichen Balten verbunden. Die erste Erwähnung der westlichen Balten stammt von dem römischen Historiker Tacitus, der im ersten Jahrhundert über die Aisčiai (Aesti, gentes Aestorium) schrieb. Da diese Menschen entlang der Ostseeküste auf dem heutigen Gebiet Litauens lebten, wird angenommen, dass sie die westlichen Balten waren. Um die Jahrtausendswende bildeten sich fast alle bekannten baltischen Stämme: Prūsai (Preußen), Žemaičiai (Schemaiten), Jotvingiai, Nadravai, Skalviai, Kuršiai (Kuren), Žemgaliai, Sėliai, Latgaliai (Letgalen), Latviai (Letten) und Lietuviai (Litauer). Letztere lebten auf dem Gebiet zwischen den folgenden Flüssen: dem oberen Nemunas und Neris.
Mittelalter und der frühen Neuzeit
Der Name Litauen erscheint in schriftlichen Quellen zum ersten Mal im Jahre 1009 im Zusammenhang mit dem Mönch Bruno, der das dortige Volk zum Christentum bekehren wollte und dabei "von den Heiden erschlagen wurde und mit seinem ganzen Gefolge gen Himmel fuhr". Es sollten noch gut zwei Jahrhunderte vergehen, ehe die einzelnen litauischen Fürstentümer im 13. Jahrhundert von Großfürst Mindaugas (gewaltsam) vereinigt wurden und ein erster litauischer Staat entstand. Mindaugas ließ sich 1253 zum König Litauens krönen und nahm zu diesem Zwecke zwei Jahre zuvor das Christentum an. Er sollte der einzige König in der litauischen Geschichte bleiben. Nach seinem frühen Tod 1263 ging der Königstitel durch die Wiederkehr des heidnischen Glaubens verloren (letztendliche Christianisierung erst 1387).
Im 14. Jahrhundert erfolgte, insbesondere unter Großfürst Gediminas, der Aufstieg Litauens. Nach dem Einfall der Mongolen in Osteuropa und der Zerschlagung der Kiewer Rus hatten sich viele ostslawische Fürsten dem Großfüstentum Litauen angeschlossen, andere wurden von Litauen gewaltsam erobert. Weißrussland, Teile der Ukraine und Westrusslands standen jetzt unter litauischer Herrschaft (deshalb wurde im Laufe der Zeit die ostslawische Sprache und Kultur im Großfürstentum Litauen dominant, siehe Goldenes Zeitalter). Das Großfüstentum Litauen und später das Königreich Polen-Litauen sah sich von nun an als rechtmäßiger Erbe der Rus (magnus dux Littwanie, Samathie et Rusie) und wurde im 15. und 16. Jahrhundert zum Konkurrenten des Großfürstentums Moskau bei der Sammlung der russischen Erde.
Nach dem Tod von Polens König Kasimirs III. des Großen (Kazimierz III Wielki) eröffnete sich 1385/86 die Möglichkeit, Polen durch Heirat mit dem damals noch nicht christianisierten Litauen zu verbinden. Der litauische Großfürst Jagiello (Jogaila) ließ sich taufen, verband sich in der Union von Krevo ehelich mit Polens Königin Hedwig von Anjou (Jadwiga Andegaweńska), bestieg den polnischen Thron und begründete als König Wladyslaw II. Jagiello (Władysław II Jagiełło) von Polen das Herrscherhaus der Jagiellonen. Das Großfürstentum Litauen überließ er seinem Cousin Vytautas (auch: Witold, 1401 Großfürst), der es bis zu seinem Tod 1430 regierte.
Die Personalunion von Krevo hatte für die orthodoxe Bevölkerung einschneidende Folgen. Zwar sollte der Status quo erhalten bleiben, doch in Folge wurden die Orthodoxen schlechter gestellt als die katholischen Litauer und Polen.
Mit der Schlacht bei Tannenberg (15. Juli 1410, litauisch Žalgiris/Grünwald), bei der die Truppen der Deutschen Ritterorden aus Preußen und Livland vernichtend geschlagen wurden, konnten die Grenzen nach Norden endgültig befestigt werden (die Grenze mit Ostpreußen hatte bis 1918 unverändert Bestand). Errungen wurde dieser Sieg von vereinten polnischen und litauischen Truppen, denn Polens König Wladyslaw II. Jagiello und Großfürst Vytautas agierten zusammen.
In den sich an den Tod Vytautas' und Jogailas (1434) anschließenden Nachfolgekämpfen konnte der polnische Adel seinen Einfluss nach und nach vergrößern, so dass Litauen ab dem 16. Jahrhundert praktisch zu einem Teil Polens wurde. Unter dem Eindruck der Moskauer Offensive im Livländischen Krieg (1558-1582/83), bei dem Russland und das Litauische Großfürstentum zeitweilig die Hauptwiedersacher waren, mussten Litauen der Union von Lublin mit Polen zustimmen. Die Realunion von Lublin 1569 bildete auch für die Geschichte der (damals litauischen) Ukraine eine deutliche Zäsur. Die ukrainischen Länder wurden nun direkt dem Königreich Polen unterstellt und die kulturelle und religiöse Integration des ukrainischen in den polnischen Adel beschleunigt. Es bildetet sich eine tiefe Kluft zwischen dem priviligierten katholischen Adel und den orthodox gebliebenen ukrainischen Unterschichten.
In den folgenden gut 200 Jahren verlor Litauen kontinuierlich an Bedeutung und wurde eine der Provinzen Polens, alle relevanten Entscheidungen fielen in Krakau und Warschau. Es war aber eines der Zentren jüdischer Kultur in Osteuropa mit eigenen Schulen, einer großen Bibliothek und zahlreichen Bibelschulen. Die berühmteste Figur ist Rabbi Eliyahu (der Gaon von Wilna, 1720-1797), der sich leidenschaftlich für die Beibehaltung des orthodoxen, an das Talmudstudium gelehnte Judentum im Streit mit der mystizierenden Bewegung des Chassidismus und der aufkommenden Erneuerungsbewegung Haskala einsetzte.
- siehe auch: Liste der Herrscher von Litauen
19. Jahrhundert / Anfang 20. Jahrhundert
Mit der dritten und endgültigen Teilung Polens von 1795 kam Litauen unter russische Herrschaft. Nachdem Litauen zu einer Provinz des Russischen Reiches geworden war, behielt der litauische Adel zunächst die Idee, das Großfürstentum innerhalb Russlands zu erhalten. Dies wurde dennoch nie in die Tat umgesetzt. Im Gegenteil litt das Land für die Unterstützung Napoleons im Jahr 1812 unter den Repressionen Russlands. Eines der schmerzhaftesten Ereignisse war die Schließung der Universität Vilnius im Jahr 1832. Dem mittlerweile zu einer Kultur- und Wissenschaftsstadt gewordenen Vilnius wurde die geistige Entwicklung entzogen.
Im Jahr 1865 schlug die zaristische Armee einen bedeutenden Aufstand in Polen und Litauen nieder. Russland verfolgte von nun an die Politik der völligen Russifizierung, die mit folgenden Maßnahmen durchgeführt wurde: Erstens wurde der Druck litauischer Texte in lateinischer Schrift verboten. Nur noch Ky-rillisch wurde erlaubt. Die litauische und die polnische Sprache sollten völlig unterdrückt werden. Zweitens mussten die litauischen Grundschulen schließen. Ausschließlich russische Lehrer durften den Unterricht in ihrer Muttersprache abhalten. Drittens siedelten die russischen Bauern nach Litauen über und genossen staatliche Privilegien. Viertens ließen die Behörden die katholischen Kirchen schließen oder wandelten sie in orthodoxe um.
Im 19. Jahrhundert verstärkten sich - wie überall in Europa - auch in Litauen die nationalen Bewegungen und es erschienen erstmals Bücher auf litauisch. Als Vater litauischer Literatur gilt Kristijonas Donelaitis (1713-1780), der in den Jahren 1765-1775 sein Epos "Jahreszeiten" (litauisch Metai) schuf. Er lebte und wirkte in Kleinlitauen (Mažoji Lietuva), nördliches Ostpreußen), wo die litauische Bevölkerungsmehrheit in gewissem Rahmen ihre Kultur und Sprache pflegen konnte. Die neue Generation der Intellektuellen engagierte sich vor allem seit den 1880er Jahren für die politische und historische Bildung des Volkes. Dazu gehörte auch ein Exillitauer namens Jonas Basanavičius. Er gründete die erste litauischsprachige Zeitung Aušra (Die Morgenröte), die zwischen 1883 und 1886 erschien. Ein anderer Aktivist, Vincas Kudirka, gab von 1885 bis 1905 die Zeitung Varpas (Glocke) heraus.
Auf Grund der beachtlichen Ausbreitung litauischer Presse wurde 1904 das Druckverbot in lateinischer Schrift aufgehoben, die Zensur blieb jedoch bestehen. Die erste legale Zeitung, Lietuvių laikraštis (Die Zeitung der Litauer), erschien am 24. November 1904 in St. Petersburg, gefolgt von Vilniaus žinios (Die Nachrichten von Vilnius) am 10. Dezember 1904. Am 4. und 5. Dezember 1905 versammelte sich Didysis Vilniaus Seimas (der Großer Vilnius Landtag) und erklärte die Autonomie des litauischen Staates innerhalb des Russischen Reiches. Folglich wurde die litauische Sprache wieder in den Schulen eingeführt. Trotz der Zensur genossen die Gesellschaft und Presse mehr Freiheit.
Bereits 1915 besetzte Deutschland die litauischen Gebiete und fasste sie unter der Federführung des Generals Erich von Ludendorff zu einer Verwaltungseinheit „Land Ober-Ost“ (für „Oberkommando Ost“) zusammen. Gegen Ende des Weltkrieges wurde 1918 die Selbständigkeit Litauens (praktisch als Satellit des Deutschen Reiches) als Königreich unter Mindaugas II. (aus einer Nebenlinie des Königreiches Württemberg) in die Wege geleitet. Deutschland wollte Litauen als einen souveränen Staat nur dann anerkennen, wenn es in die ökonomische und militärische Union mit dem Reich träte. Am 11. Dezember 1917 erklärte die Taryba die Wiederherstellung des unabhängigen Staates Litauen mit der Hauptstadt Vilnius und mit der Bindung an das Deutsche Reich. Da Deutschland die Anerkennung hinauszögerte, verkündete die Taryba am 16. Februar 1918 erneut die Unabhängigkeit Litauens ohne jegliche Verbindungen zu den anderen Staaten. Dieser Tag gilt gilt bis heute als nationaler Feiertag.
Unabhängigkeit seit 1918
Das Ende des Ersten Weltkriegs brachte die Gründung der Ersten Litauischen Republik (1918). Die junge Republik konnte sich jedoch nicht gegen die Ansprüche Polens auf die Gebiete rund um Wilna wehren, die von Truppen des polnischen Marschalls Józef Piłsudski 1920 besetzt worden waren. Die polnische Annexion wurde vom Völkerbund de facto anerkannt. So wurde Kaunas zur "vorübergehenden Hauptstadt" Litauens. Ihrerseits annektierten die Litauer 1923 das Memelgebiet (den nördlichsten Teil Ostpreußens, rund um die Stadt Memel (heute Klaipėda)), das seit dem Ende des Ersten Weltkriegs vom Völkerbund verwaltet worden war. 1924 wurde diese Annexion von den vorherigen Schutzmächten anerkannt.
Die Zeit der ersten Republik bedeutete einen großen Aufschwung in der litauischen Kultur und Bildung. Zentrum war Kaunas, während die eigentliche Hauptstadt Wilna unter polnischer Herrschaft zu einer Provinzstadt herab sank. Wie in vielen europäischen Staaten führten die instabilen parlamentarischen Verhältnisse zu einem Erstarken autokratischer Bewegungen. In Litauen übernahm Antanas Smetona 1927 die Macht und löste das Parlament auf. Mehrmals kam es zu gewaltsamen Revolten gegen seine Herrschaft.
Zweiter Weltkrieg und Besetzung
Im Vorzeichen des Zweiten Weltkrieges musste sich Litauen im März 1939 dem deutschen Druck beugen und das Memelgebiet wieder an Deutschland abtreten. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges begann die Sowjetunion in Übereinstimmung mit den Abmachungen des Hitler-Stalin-Paktes, in denen das Baltikum als sowjetisches Interessengebiet fest gelegt worden war, ihren Druck auf Litauen zu verstärken. Das von Polen besetzte Gebiet rund um Wilna hatte sie bereits 1939 besetzt. Gezielt wurden der Sowjetunion gewogene Politiker in den höchsten Staatsämtern der Republik Litauen lanciert (Präsident Antanas Smetona war im Juni 1940 zurückgetreten), die Litauen zur Sozialistischen Republik erklärten und um Aufnahme in die Sowjetunion ersuchten. Dem wurde im August 1940 "stattgegeben". Die kommenden zwölf Monate bis zum Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion (Juni 1941) brachten einen Vorgeschmack auf die kommunistische Nachkriegszeit. Insbesondere Intellektuelle und "bürgerliche Elemente" wurden interniert und nach Sibirien geschickt; viele von ihnen kehrten nicht zurück.
Mit dem deutschen Blitzkrieg im Osten - Litauen war innerhalb einer Woche vollständig besetzt - rückte die jüdische Bevölkerung ins Visier der Machthaber. Bereits zu Beginn der deutschen Offensive waren bei Pogromen mehrere Hundert, vielleicht auch Tausende Juden getötet worden. Die Deutschen gingen brutaler und organisierter vor und richteten in den großen Städten Kaunas, Wilna und Šiauliai Ghettos ein. Die nicht arbeitsfähigen Juden wurden bis Herbst 1941 zu Tausenden erschossen, etwa 80.000 Tote allein in diesen vier Monaten werden geschätzt. Massenverhaftungen von Kritikern und Minderheiten, Verschleppungen und Deportationen von Zwangsarbeitern setzten ein, das Land erlebte einen schnellen wirtschaftlichen und kulturellen Niedergang. Litauen unterstand während der deutschen Besetzung der neu eingerichteten Zivilverwaltung des Reichskommissariats Ostland mit dem Sitz in Riga. Das Land bildete den Generalbezirk Litauen mit dem Sitz in Kauen, so die damals deutsche Bezeichnung für Kaunas.
Im Herbst 1944 konnte die Rote Armee Litauen zurückerobern, erneut wurde eine kommunistische Regierung eingesetzt und Litauen zur Sowjetrepublik. Kollaborateure und Helfer der deutschen Besatzer wurden zum Teil verhaftet oder umgesiedelt (deportiert). Tausende Litauer flohen mit den Deutschen nach Westen und emigrierten später nach Kanada, Australien, Süd- und Nordamerika, wo sich Chicago zu einem Zentrum litauischer Emigration entwickeln sollte. Insgesamt sollen alleine in den USA um eine Million Litauer sich niedergelassen haben. Viele Tausend gingen in den Widerstand und kämpften (bis etwa 1953) als Partisanen aus den Wäldern gegen die sowjetische Herrschaft. Insgesamt kostete der Zweite Weltkrieg knapp 200.000 litauische Juden das Leben, fast 500.000 Litauer wurden nach GULAG's deportiert und über 100.000 weitere Litauer starben im anschließende Partisanenkampf, der noch bis 1953 von den Sowjets bekämpft wurde.
Die sowjetische Zeit brachte einen starken Zuzug von Menschen aus der restlichen Sowjetunion, insbesondere in die praktisch verwaiste Hafenstadt Klaipėda und in die Hauptstadt Wilna. Es folgte eine starke Industrialisierung Litauens, das noch bis zum Zweiten Weltkrieg vorwiegend bäuerlich geprägt gewesen war. Ziel der sowjetischen Herrscher war es, möglichst viele Russen anzusiedeln. Trotz der unbedingten Vorherrschaft Moskaus konnte Litauen einige Unabhängigkeit bewahren; so blieb das Litauische in Schulen, Universitäten und Fernsehen präsent. Nicht desto trotz blieb die litauische Identität erhalten. Einen besonderen Beitrag leisteten hierzu die verbotene Katholische Kirche und die Exillitauer, die die Dissidentenbewegung und verschiedene Protestaktionen aktiv unterschützten. Eines der bekanntesten Protestereignisse geschah am 14. Mai 1972, als sich der 19jährige Student Romas Kalanta auf dem Platz vor dem Musiktheater in Kaunas mit Benzin übergoss und sich anzündete. Wenig später starb er im Krankenhaus. Am Tage seiner Beerdigung zogen Tausende Jungendliche durch Kaunas und riefen „Freiheit für Litauen!“. Fünfhundert Demonstranten wurden festgenommen. Damit wurde der Name Litauens, auch wenn vorübergehend, im Westen zu hören.
Unabhängigkeit seit 1991
Mit der beginnenden Lockerung der sowjetischen Besatzung unter Michail Gorbatschow zeigten die Litauer als erste den Mut zu Veränderungen. Bereits 1987 gründete sich die Unabhängigkeitsbewegung "Sajudis" und im Dezember 1989 erklärte die Litauische Kommunistische Partei ihre Trennung von der KPdSU. Im Februar 1990 fanden erstmals freie Wahlen statt, die die "Sajudis" klar für sich entscheiden konnte. Am 11. März erklärte der neu gewählte Oberste Sowjet Litauen für unabhängig und setzte die Vorkriegsverfassung wieder in Kraft. Damit war der Anfang vom Ende der Sowjetunion eingeläutet worden. Am 13. Januar 1991 versuchten Moskau-treue Kräfte sich mit Unterstützung sowjetischer Militärs an die Macht zu putschen. Dabei starben insgesamt 16 unbewaffnete Zivilisten, die Parlament und Fernsehturm in Vilnius verteidigten. Der Putsch misslang. Als Antwort auf die blutigen Ereignisse fand das Referendum am 9. Februar 1991 statt. Bei einer Wahlbeteiligung von 85% stimmten 90,5% der Wähler für ein unabhängiges Litauen. Das isländische Parlament beschloss als erstes in der Welt, Litauen als unabhängige Republik anzuerkennen. Doch Gorbatschow erklärte das Referendum für ungültig, das Fernsehgebäude blieb aufs weitere besetzt. Bei einem Überfall der OMON-Truppen auf einen litauischen Grenzposten wurden sechs Grenzwächter umgebracht. Nachdem im August 1991 auch in Moskau der Putschversuch kommunistischer Hardliner fehlgeschlagen war, wurde Litauens Unabhängigkeit innerhalb kürzester Zeit von über 90 Staaten anerkannt.
Nach anfänglicher Wirtschaftskrise und politischer Instabilität gewann die Reformpolitik zunehmend an Dynamik, insbesondere nach der Überwindung der sog. Russlandkrise von 1998. Im Jahr darauf wurden Litauen und Lettland im "Nachrückverfahren" noch in die Reihe der EU-Beitrittskandidaten aufgenommen.
2003 sorgte eine Affäre um den litauischen Präsidenten Paksas für Wirbel, in der ihm Verwicklungen mit der organisierten Kriminalität vorgeworfen wurden. Am 19. Februar 2004 stimmte das litauische Parlament schließlich mit 62 zu 11 Stimmen für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens. Am 6. April 2004 wurde Staatspräsident Paksas entmachtet. (Genaueres: siehe Rolandas Paksas.) Am 13. Juni 2004 wurde gleichzeitig der neue Präsident und zum ersten Mal die Delegierten zum Europäischen Parlament gewählt. Der ehemalige Präsident Valdas Adamkus kandidierte wieder und gewann mit 51,89% der Wählerstimmen gegen die ehemalige Ministerpräsidentin Kasimira Danutė Prunskienė (46,66%). Die Wahlbeteiligung von 52,46% war insgesamt gering.
Am 29. März 2004, wurde Litauen Mitglied der NATO. Am 1. Mai folgte der EU-Beitritt.