Gustav Scipio (* 18. Juni 1872 in Bremen; † 21. Oktober 1949 in Bremen) war ein deutscher Unternehmer im Fruchthandel.
Biografie
Scipio war der Sohn von Raimund Scipio, Inhaber eines Kommissionsgeschäfts. Er besuchte die Realschulen von Debbe in Bremen, absolvierte eine kaufmännische Lehre in einem Überseegeschäft und arbeitete anschließend im Fruchthandel in Spanien. Er gründete 1902 mit fünf weiteren Bremer Kaufleuten die Fruchthandel-Gesellschaft mbH (FGH). Ziel war es, in Bremen einen Großmarkt für frische Südfrüchte, Obst und Gemüse zu errichten. Zu den ersten Produkten zählten Orangen aus Spanien und Zitronen aus Italien. Die FGH arbeitete eng mit der deutschen Argo Reederei (später Argo Shipping GmbH) und mit der Jamaica Bananen- und Früchtevertrieb GmbH zusammen.
1912 gab es in 27 deutschen Städten Filialen und seit 1914 wurden in Bremen tägliche Auktionen auf dem Fruchthof der Firma durchgeführt. Der Erste Weltkrieg bremste den Aufstieg des Fruchthandels. Im Krieg entstand seine Kriegsgetreidegesellschaft mbH in Berlin.
Nach dem Krieg wurde von Scipio, zunächst für das Spaniengeschäft, die Handelsgesellschaft Atlanta gegründet. Durch die Fruchthandel-Gesellschaft Scipio & Fischer und die Firmen Jamaika und Atlanta wuchs in den 1920er-Jahren wieder der Bremer Früchtemarkt. Die Waren gelangten auf dem Seeweg nach Bremen. Für den Bananenhandel wurde eine eigene Reederei, die Union Handels- und Schifffahrtsgesellschaft mbH (Union), gegründet.
Von 1931 bis 1933 war Scipio Präses der Handelskammer Bremen. Er nahm wesentlichen Anteil bei der Neugründung der Norddeutschen Kreditbank, als 1931 das Bankhaus J. F. Schröder und die Danatbank in Konkurs gingen. Im Jahr 1933 wurde er Mitglied in der Stiftung Haus Seefahrt,[1] in der sich das führende bremer Wirtschaftsbürgertum organisiert und deren Schaffermahlzeiten von 1936 bis 1939 wieder stattfanden.
Wenige Tage nach Rücktritt des alten Senats und der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 in Bremen machte Scipio wie etliche andere der einflussreichen Persönlichkeiten der großbürgerlichen Wirtschaftskreise Bremens beim kommissarisch eingesetzten Bürgermeister Markert seine Aufwartung und gratulierte ihm zur Amtsübernahme.[2] Noch im selben Jahr wurde Scipio Mitglied der NSDAP.[3]
Im Jahr 1936 beteiligte sich Scipio an einem von Franz Stapelfeldt initiierten Übernahmekonsortium zur Reprivatisierung des Aktienkapitals des Werftenzusammenschlusses Deschimag, dessen Profitausschüttung aufgrund der inzwischen guten Auftragslage wieder einsetzte. Durch die Transaktion dieses Konsortiums, dem auch etliche weitere bremer Kaufleute angehörten, erwarb er einen Aktienanteil über nominell 333.000 Reichsmark.[4] Sein Anteil am Aktienkapital der Deschimag im Jahr 1940 wird auf etwa 5 Prozent beziffert.[5] Durch die vom Vorstandsvorsitzenden Stapelfeldt eingeworbenen Aufträge für die Deschimag seit Winter 1934/35 aus dem nationalsozialistischen Rüstungsprogramm[6] ergab sich bereits 1936 eine Aktiendividende von 5 Prozent, im Folgejahr von 8 und 1938 und 1939 von 10 Prozent[7].
Während der Zeit des Nationalsozialismus war die Einfuhr einiger „undeutscher“ Früchte verboten. Auch das eingeengte Devisengeschäft in dieser Zeit behinderte den weltweiten Fruchthandel. Die Atlanta hieß nun Scipio & Co., die Jamaika nannte sich Harder, Meiser & Co. und Scipio war ein beherrschender Kommanditist. Aufgrund seines Gespürs für neue Märkte gelang es ihm, unmittelbar nach Einnahme großer Apfelsinenanbaugebiete um Valencia durch Franco-Truppen im Frühjahr 1939 umfangreiche Apfelsinen-Verschiffungen nach Bremen zu organisieren.[8] Im Zweiten Weltkrieg zog sich Scipio auf sein Landgut in der Altmark zurück. Die Firmeneinrichtungen in Bremen wurden im Krieg zerbombt.
1945 zog Scipio wieder nach Bremen, musste sich aber aus politischen Gründen aus der Firmenleitung zurückziehen. 1948 wurde er wieder in seine alten Rechte eingesetzt.
Erst 1955 – also nach seinem Tod – wurde der Fruchtimport wieder völlig freigegeben. Die weltweit vertretene Unternehmensgruppe führt seit 1990 den Namen Atlanta AG und ist in Europa Marktführer im Geschäftsfeld Handel mit Frischfrucht. Seit 2009 heißt die Firma Univeg Deutschland.
- Aufsichtsratsmitgliedschaften
Gustav Scipio war Mitglied des Aufsichtsrats der Norddeutschen Kreditbank, zudem in den Aufsichtsräten der Reedereien NDL,[9] Union Handels- und Schiffahrtsgesellschaft, D. G. Neptun und Atlas Levante-Linie wie auch der Francke Werke und der Metallwerke Unterweser.[10]
- Ehrungen
- Die Gustav-Scipio-Stiftung wurde nach ihm benannt. Sie ist eine soziale Einrichtung der Firmengruppe Scipio und der Nachfolgefirma.
Literatur
- Herbert Schwarzwälder: Das Große Bremen-Lexikon. Edition Temmen, Bremen 2003, ISBN 3-86108-693-X.
- Kaufleute in Bremen. Darin: Gustav Scipio (1872–1949), Begründer des Bremer Fruchthandels. In: Neue Deutsche Biographie. Bayerische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Bd. 24, Bremen 2010.
Einzelnachweise
- ↑ Karl H. Schwebel: „Haus Seefahrt“, Bremen, seine Kaufleute und Kapitäne. Vierhundert Jahre Dienst am deutschen Seemann, 1545–1945. Verlag H. Krohn, Bremen 1947, S. 76.
- ↑ Inge Marßolek, René Ott, Peter Brandt: Bremen im Dritten Reich – Anpassung, Widerstand, Verfolgung. Schünemann, 1986, ISBN 3-7961-1765-1, S. 131 f.
- ↑ Dieter Pfliegensdörfer: Vom Handelszentrum zur Rüstungsschmiede. Wirtschaft, Staat und Arbeiterklasse in Bremen von 1929 bis 1945. Universität Bremen Forschungsschwerpunkt Arbeit und Bildung, Bremen 1986, S. 457.
- ↑ Peter Kuckuk (Hrsg.): Bremer Großwerften im Dritten Reich. (Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens 15), Edition Temmen, 1993, ISBN 3-86108-203-9, S. 41ff.
- ↑ Peter Kuckuk (Hrsg.): Bremer Großwerften im Dritten Reich. (Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens 15), Edition Temmen, 1993, ISBN 3-86108-203-9, S. 112.
- ↑ Peter Kuckuk (Hrsg.): Bremer Großwerften im Dritten Reich. (Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens 15), Edition Temmen, 1993, ISBN 3-86108-203-9, S. 55.
- ↑ Dieter Pfliegensdörfer: Vom Handelszentrum zur Rüstungsschmiede. Wirtschaft, Staat und Arbeiterklasse in Bremen von 1929 bis 1945. Universität Bremen Forschungsschwerpunkt Arbeit und Bildung, Bremen 1986, S. 275.
- ↑ Dieter Pfliegensdörfer: Vom Handelszentrum zur Rüstungsschmiede. Wirtschaft, Staat und Arbeiterklasse in Bremen von 1929 bis 1945. Universität Bremen Forschungsschwerpunkt Arbeit und Bildung, Bremen 1986, S. 456.
- ↑ Peter Kuckuk (Hrsg.): Bremer Großwerften im Dritten Reich. (Beiträge zur Sozialgeschichte Bremens 15), Edition Temmen, 1993, ISBN 3-86108-203-9, S. 44
- ↑ Weser Kurier: Gustav Scipio gestorben. vom 22. Oktober 1949, in: Bremen 1933–45. Vom Handelszentrum zur Rüstungsschmiede. Katalog zur Ausstellung im Kulturzentrum Schlachthof. Bremen 1983, Tafel 54–60.
Personendaten | |
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NAME | Scipio, Gustav |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Unternehmer im Fruchthandel |
GEBURTSDATUM | 18. Juni 1872 |
GEBURTSORT | Bremen |
STERBEDATUM | 21. Oktober 1949 |
STERBEORT | Bremen |