Geschichte des Libanon

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2005
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2005: Demonstration von Regierungsgegnern am Denkmal für die Märtyrer von 1916 (siehe Text)

Geschichte des Libanon in der Antike

(siehe Phönizien.)

Geschichte des Libanon unter der Herrschaft der Araber und der Kreuzfahrer 636 bis 1517

Die Gebiete des Libanon wurden nach der Schlacht am Yarmuk 636, in der muslimischen Araber die Byzantiner besiegten, an das Kalifat angeschlossen und teilten bis ins 19. Jahrhundert das Schicksal Syriens. So wurde es nacheinander bis ins 11. Jahrhundert von den Kalifen der Umayyaden, Abbasiden und Fatimiden regiert. Unter den Fatimiden entstand in Kairo gegen 1017 die muslimische Sekte der Drusen unter al-Labbad, die den Fatimidenkalifen al-Hakim (9951021) als Inkarnation Gottes ansahen. Nach dem Ende al-Hakims wurden die Drusen in Ägypten und Syrien verfolgt, konnten sich aber im Libanongebirge behaupten. Unter der muslimischen Herrschaft konnten sich die christlichen und jüdischen Bevölkerungsteile Syriens weitgehend behaupten. Die aramäisch-syrischen Christen (im Gegensatz zu den damals griechisch sprechenden orthodoxen Christen) und die Juden übernahmen relativ schnell das ihren liturgischen Sprachen verwandte Arabisch als Umgangs- und Bildungssprache. Jahrhunderte später, gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren es im wesentlichen syrische Christen und Juden, die die kulturelle Erneuerung der arabischen Sprache ("al nahda") betreiben sollten.

Zwar vertrieben die Seldschuken nach 1071 die Fatimiden aus Syrien und dem Libanon, doch konnten sie keine stabile Herrschaft errichten, so dass die Kreuzfahrer nach dem 1. Kreuzzug nach der Eroberung von Tripolis (1109) die Grafschaft Tripolis errichten konnten. Erst unter den Mamelucken konnten die Kreuzfahrer um 1291 vertrieben werden. 1517 kam der Libanon mit Syrien nach dem Untergang des Mameluckenreichs unter die Herrschaft der Osmanen.

Osmanische Herrschaft I. (1517 - 1860, Emire des Libanon (16. und 19. Jahrhundert)

Unter den Osmanen errangen noch im 16. Jahrhundert die Emire der Drusen unter dem Man-Clan großen Einfluss und konnten den Libanon weitgehend unabhängig regieren (siehe auch: Emirat der Drusen). Gegen 1800 gewannen die Maroniten zunehmend an wirtschaftlichem Einfluss, da sie von ihren Handelskontakten stark profitieren konnten. Die wirtschaftliche Entwicklung der damals sogenannten "Levante" weckte aber auch das Interesse der europäischen Grossmächte, vor allem von Frankreich und England. Während Frankreich traditionell die christlich-katholische Bevölkerung der Levante unterstützte, interessierte sich England für den orthodox-christlichen Bevölkerungsteil (unter dem im 19. Jahrhundert die Protestanten kleinere Missionserfolge erzielten) und die muslimischen Minderheiten wie die Drusen. Die immer mehr sich aufstauenden Spannungen mit den Drusen entluden sich 18401841 in schweren Unruhen zwischen den Volksgruppen. Die Osmanen übernahmen daraufhin die direkte Verwaltung und brachen den Widerstand der lokalen Machthaber. Schon 1860 kam es jedoch zu einem blutigen Bürgerkrieg, in dessen Verlauf von Drusen 15.000 Christen, v.a. Maroniten, getötet und 100.000 Christen vertrieben wurden. Erst eine französische Militärintervention konnte den Schutz der Christen sicherstellen und dem Libanon die Stellung eines reichsunmittelbaren Bezirks zusichern.

Der Libanon als selbständige Provinz des Osmanischen Reiches (1860 - 1920)

Nach den Pogromen von 1860 wurde der Libanon selbständig unter einem osmanischen Gouverneur (der in der Regel Christ war) verwaltet. Die Autonomie des Libanon wurde von einer internationalen Kommission überwacht. Dennoch wurde der Sturz des despotischen Sultans Abdul-Hamid II. im Jahre 1908 auch im Libanon begeistert gefeiert. In das neugeschaffene Parlament in Konstantinopel wurden auch aus dem Libanon Abgeordnete entsandt. Der letzte osmanische Zivilgouverneur, Johannes Kouyoumdjian Pascha, ein aus Konstantinopel stammender Armenier und ehemaliger osmanischer Vize-Aussenminister, der allerdings katholisch war und eine maronitische Mutter hatte, trat 1913 sein Amt an. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde diese selbständige Verwaltung abgeschafft und der Libanon Ende 1915 unter türkische Militärverwaltung gestellt. Der osmanische Zivilgouverneur wurde nach Konstantinopel abberufen und wäre kurz darauf beinahe selber Opfer des türkischen Völkermorders an den Armeniern geworden. Nicht zuletzt durch den zunehmenden ethnischen Nationalismus der türkischen Machthaber in Konstantinopel kam es zu einem Erstarken der arabischen Nationalbewegung, die im wesentlichen von christlichen Arabern initiiert, aber danach immer mehr von muslimischen Arabern unterstützt wurde. Neben Kairo und Damaskus war Beirut einer der Zentren dieser Nationalbewegung, die während des Ersten Weltkrieges von den Türken blutig unterdrückt wurde. Unter anderem kam es 1916 zu einer Massenhinrichtung auf dem "Place des Canons" in Beirut, der seitdem "Place des Martyrs" heisst und heute noch an dieses Ereignis erinnert.

Durch die alliierte Seeblockade und Requirierungen von Lebensmitteln der im Libanon operierenden deutschen und türkischen Heeresverbände kam es zu Hungersnöten und Seuchen, in deren Folge ca. 100 000 der damals im Libanon lebenden 450 000 Menschen, vor allem Christen, umkamen. Während die deutschen Stellen dem Schicksal der Libanesen weitgehend tatenlos zusahen (die orientalisch aussehenden, aber überwiegend französisch sprechenden und katholischen "Levantiner" waren der protestantisch-preussisch dominierten deutschen Elite suspekt) kam es vor allem in den USA zu gewaltigen Protestaktionen, die u.a. von libanesischen Emigranten wie Khalil Gibran organisiert wurden und sicherlich mit zum Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg beigetragen haben. Viele Libanesen wanderten in dieser Zeit aus, vor allem in die USA, Kanada, Lateinamerika, Australien und nach Südafrika. Heute gibt es weltweit allein ca. 6 Millionen aus dem Libanon stammende Maroniten. Gleichzeitig kam es zur Einwanderung von mehreren hunderttausend Armeniern, die dem Völkermord in Anatolien entkommen waren, und heute vor allem im Beiruter Stadtteil Bourj Hammoud leben.

Französische Mandatszeit (1920 - 1943)

Nach dem 1. Weltkrieg errang Frankreich 1920 das Mandat des Völkerbundes über den Libanon und schloss diesem 1926 auch das Bekaa-Tal an. Die christlichen Nationalisten im Libanon unterstützten dieses französische Mandat zunächst, während die arabischen Nationalisten ähnlich wie diejenigen in Syrien, dem Irak und Palästina eine unabhängige arabische Nation anstrebten. In den zwanziger Jahren war General Charles de Gaulle mehrere Jahre in Beirut stationiert, wo er unter anderem libanesische Offiziere ausbildete. Dies sollte später im zweiten Weltkrieg zunächst dem Freien Frankreich nützen, dass in den Libanesen Verbündete fand, und später auch wiederum der libanesischen Republik, die in Frankreich bis heute einen wichtigen Unterstützer auf internationalem Parkett hat.

Während des 2. Weltkriegs wurde der Libanon zunächst ab 1940 vom Vichy-Regime kontrolliert. Die christlichen und muslimischen Notablen verhandelten daraufhin mit General de Gaulle, der ihnen die Unabhängigkeit im Falle einer Unterstützung des "Freien Frankreichs" zusicherte. Der Einmarsch alliierter Truppen von Palästina aus im Sommer 1941 (unter Beteiligung der jüdischen Palmach und australischer Einheiten) stiess im Libanon daher auf keinen nennenswerten Widerstand. De Gaulle, dessen Vaterland komplett unter deutscher Kontrolle war, und der dringend Truppen benötigte, stellte daraufhin Freiwilligenverbände ( Troupes Spéciales du Levant ) unter dem Kommando von General Fouad Chehab zusammen, die einen Kern der Armee des Freien Frankreichs bildete. Während zwei sehr kritischen Phasen entlasteten die von Chehab befehligten libanesischen Verbände die Allierten: in Bir Hakeim in Tunesien banden sie mit ihren freifranzösischen Kameraden erfolgreich deutsche und italienische Truppenverbände, so dass Montgomery Rommels Afrikakorps in El Alamein stoppen konnte. Während der allierten Invasion in der Normandie entlasteten sie allierte Truppenverbände an der italienischen Monte Cassino-Front. Diese Leistungen trugen mit dazu bei, dass er der Libanon bereits am 23. November 1943 seine nominelle Unabhängigkeit von Frankreich erhielt. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges zogen 1945 die französischen Besatzungstruppen auch de-facto ab.

Der Libanon unter den Präsidenten Bishara Al-Khoury (1943-1950) und Camille Chamoun (1950-1958)

1945 war der Libanon ein Gründungsmitglied der Vereinten Nationen, der libanesische Diplomat Charles Malik (1933 Doktorand der Philosophie bei Heidegger, vor den Nationalsozialisten aus Deutschland in die USA geflüchtet und mit Hannah Arendt befreundet) spielte eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung der UN-Charta. Im folgenden kam es zu einem starken wirtschaftlichen Aufschwung, durch welchen der Libanon zum kommerziellen Zentrum des Nahen Ostens aufstieg. Allerdings blieben die internen Spannungen weiterhin erhalten, zumal durch den Zustrom palästinensischer Flüchtlinge der Anteil der Muslime gegenüber den Drusen und Maroniten stieg. Dennoch gelang es dem Libanon, sich bis 1968 aus dem Konflikt mit Israel herauszuhalten.

Der Libanon unter den Präsidenten Fouad Chehab (1958-1964) und Charles Helou (1964-1970)

1958 kam es zu schweren Auseinandersetzung zwischen Befürwortern einer prowestlichen und einer proarabischen Politik, die erst durch eine US-Intervention beendet werden konnten. Danach wurde Fouad Chehab zum Staatspräsidenten gewählt, der als ehemaliger Kommandeur der allierten libanesischen Streitkräfte im zweiten Weltkrieg hervorragende Beziehungen zu seinen Kriegskameraden Eisenhower und de Gaulle hatte, sich aber im Gegensatz zu anderen arabischen Generälen in Staatsämtern als Diener der Republik sah. Er versuchte, das Gewaltmonopol des Staates wiederherzustellen, und speziell die immer mehr über libanesisches Territorium operierenden palästinensischen Freischärler unter Kontrolle zu bekommen. Allerdings verhinderten 1964 die Politiker Pierre Gemayel und Kamal Jumblatt gemeinsam eine Wiederwahl Chehabs, dem sie offiziell vorwarfen, ein Militärregime nach lateinamerikanischem Vorbild im Libanon aufbauen zu wollen, die aber in Wirklichkeit verhindern wollten, dass Chehab ihre eigenen damals schon existierenden bewaffneten Gruppen entwaffnen liess. Ende 1968 kam es dann nach einer palästinensischen Guerilla-Operation zum folgenschweren israelischen Luftangriff auf den Zivilflughafen von Beirut, bei dem ein Grossteil der Flotte der in den fünfziger Jahren von Pan American und Air France aufgebauten nationalen Fluggesellschaft Middle East Airlines zerstört wurde. Frankreichs Staatspräsident de Gaulle stoppte daraufhin die bis dahin sehr enge militärische Zusammenarbeit mit Israel, dass aber seit 1965 die Kooperation mit der Bundesrepublik Deutschland immer stärker ausbaute, die heute zweitwichtigster Rüstungspartner Israels ist.

Der Libanon unter den Präsidenten Suleiman Frangieh (1970-1976), Edouard Sarkis (1976-1982), Bashir und Amin Gemayel (1982 - 1988), René Moawad (1989); Bürgerkrieg

Nach dem Schwarzen September 1970 verlegte die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) ihre Kommandostrukturen nach Beirut, setzte sich im Südlibanon ("Fatah-Land") fest und entwickelte sich mit ihren militärischen Institutionen immer stärker zu einem Staat im Staate. 1975 kam es dann zum offenen Ausbruch des Bürgerkriegs, der zu mehreren Interventionen von Syrien (1976 auf Anforderung des libanesisches Staatspräsidenten Frangieh) und Israel (1978, 1982, keine Absprachen mit der libanesischen Führung, UN-Sicherheitsratsresolution 425, Stationierung der UNIFIL im Südlibanon, Aufbau einer pro-israelischen Miliz, der "South Lebanese Army" (SLA)) führte und erst 1990 durch das Abkommen von Taif beendet werden konnte (siehe auch: Libanesischer Bürgerkrieg).

Bereits vor dem Bürgerkrieg entwickelten sich die Schiiten zur grössten Religionsgruppe im Libanon. Da sie einen Grossteil der armen Landbevölkerung des Südens stellten, im "Nationalpakt" von 1943 nach ihrer Ansicht nicht angemessen repräsentiert waren (sie stellen bis heute lediglich mit dem Parlamentspräsidenten das zeremoniell wichtige stellvertetende Staatsoberhaupt), entwickelte sich zu Beginn der siebziger Jahre eine neue politische Bewegung, die vom Imam Musa Sadr (1978 auf bisher ungeklärte Weise in Lybien verschollen) gegründete Amal-Bewegung. Nach dem Verschwinden des Imams, der nach heutigen Masstäben ein eher moderater Muslim war, und sich vor 1975 auch für den interreligiösen Dialog mit dem Christentum engagiert hatte, wurde Nabih Berri, ein ehemaliger Manager in der Automobilindustrie, der einige Zeit in Detroit (Michigan) gelebt hatte, neuer Führer der Amal. Seit der islamischen Revolution 1979 im Iran entstand parallel die Hizbollah, die sich ideologisch eng an die Ideen Khomeneis anlehnt, und zunächst 1983 den westlichen Einfluss im Libanon mit Selbstmordattentaten und Geiselnahmen zu bekämpfen versuchte, dann aber sehr bald im bewaffneten Kampf gegen die israelische Besatzungsmacht im Südlibanon ein neues Betätigungsfeld fand. Die israelischen Truppen waren von den unter der palästinensischen Präsenz leidenden Schiiten im Süden 1978 zunächst durchaus wohlwollend begrüsst worden (in der von Israel bezahlten SLA dienten neben Christen auch vereinzelt Schiiten), sorgte aber durch rücksichtsloses Vorgehen gegen die überwiegend schiitisch-muslimische Landbevölkerung selber für immer mehr Zulauf zu der schiitischen Organisation, der auch die extrem schlechte Versorgung des Südens durch staatliche Einrichtungen der Beiruter Regierung zugute kommt.

Die Präsidentschaften Elias Hrawi (1990-1996) und Emile Lahoud (seit 1996)

Daraufhin beruhigt sich die Lage im Land zunehmend, und der wirtschaftliche Wiederaufbau des Landes begann. Dabei spielte die Firma Solidere des libanesisch-saudischen Milliardärs Rafik Hariri eine entscheidende Rolle. Der Sunnit Hariri war bis zu seiner Ermordung 2005 mehrfach sunnitischer Ministerpräsident und ein Symbol für die nun auch machtpolitisch nachvollzogene demographische Verschiebung zugunsten der Muslime im Libanon. Allerdings blieb der Süden des Libanon weiterhin besetzt, und die dort operierende Hizbollah-Miliz, die auf syrischen Druck hin nicht entwaffnet wurde, konnte auf durch zwei Militärinterventionen Israels nicht militärisch zerschlagen werden, wurde aber aufgrund des israelischen Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung (Zerstörung von Infrastruktur (z.B. Umspannwerken) auch in den christlichen Gebieten bei der von Ministerpräsident Rabin angeordneten Intervention 1993, während der von Rabins Nachfolger Shimon Peres im April 1996 befohlenen Operation "Grapes of Wrath" Artillerie-Angriff auf das UN-FIJIBATT Hauptquartier (UNIFIL) in Qana im Südlibanon mit zahlreichen toten Zivilisten) auch bei Libanesen, die nicht der schiitischen Bevölkerungsgruppe angehörten, immer populärer. 2000 erfüllte Israel schliesslich die seit 1978 bestehende UN-Sicherheitsratsresolution 425 und zog sich aus der sogenannten "Sicherheitszone" im Südlibanon zurück.

Nach einem Autobombenanschlag auf den ehemaligen langjährigen libanesischen Regierungschef Rafik Hariri im Februar 2005 wuchs der Druck auf Syrien, das unter anderem von den USA und der libanesischen Opposition indirekt für das Attentat verantwortlich gemacht wurde, durch den Abzug der im Land verbliebenen syrischen Truppen dem Staat Libanon die volle Souveränität zurückzugeben. Die prosyrische Regierung trat in der Folge der Proteste zurück. Syrien zog bis Ende April 2005 seine Truppen vollständig ab.

Literatur

  • Fromkin, David: A Peace to end all peace - creating the modern Middle East 1914-1922: Penguin, London 1989, ISBN 0-14-015445-0
  • Hanf, Theodor: Koexistenz im Krieg - Staatszerfall und Entstehung einer Nation im Libanon: Nomos Baden-Baden, 1990, ISBN 3-7890-1972-0
  • Kouyoumdjian, Ohannès Pacha: Le Liban - à la veille et au début de la guerre: Memoires d'un gouverneur, 1913-15: Revue d'histoire arménienne contemporaine, tome V, 2003, (ISSN 1259-4873).