Martingal

über einen bedingten Erwartungswert definierte stochastische Prozesse
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In der Wahrscheinlichkeitstheorie ist ein Martingal ein stochastischer Prozess, in dem der Erwartungswert einer Beobachtung gleich dem Wert der vorigen Beobachtung ist.

In die Mathematik wurden Martingale von Paul Pierre Lévy eingeführt.

Definition

Sei   ein stochastischer Prozess mit einer beliebigen, geordneten Indexmenge  .

  heißt ein Martingal bezüglich  , wenn   für jedes   integrierbar ist, an die Filtrierung   adaptiert ist und

 

gilt.

Die letzte Bedingung kann so interpretiert werden, dass ein Martingal ein faires Spiel ist, denn die erwarteten Zuwächse   bei Kenntnis des bisherigen Spielverlaufs, also bei Kenntnis von   ist Null. Die Bedingung besagt nicht, dass für eine Prognose zukünftiger Werte nur der letzte beobachtete Wert relevant wäre, alle davorliegenden Beobachtungen jedoch irrelevant (dies wäre die Markov-Eigenschaft). In der Tat kann der bisherige Spielverlauf einen Hinweis darauf geben, ob die zu erwartende betragsmäßige Veränderung groß oder klein ist, ohne jedoch einen Hinweis auf das Vorzeichen zu geben.

Definition im Falle der natürlichen Filtrierung

Im zeitdiskreten Fall wird ein stochastischer Prozess   als Martingal bezüglich seiner natürlichen Filtrierung bezeichnet, wenn der bedingte Erwartungswert einer zukünftigen Beobachtung

 

gleich dem zuletzt beobachteten Wert ist.

Ist   ein zeitstetiger stochastischer Prozess, so lautet obige Bedingung

 .

Sub- und Supermartingal

Als Submartingal bezeichnet man einen stochastischen Prozess  , der im Gegensatz zum Martingal tendenziell steigt:

 

Dementsprechend ist ein Supermartingal ein stochastischer Prozess  , der tendenziell fällt:

 

Exponentialmartingal

Ist die quadratische Variation   eines stetigen beschränkten Martingals   (oder eines mit endlichen exponentiellen Momenten) endlich, so ist der stochastische Prozess

 

ebenfalls ein Martingal und heißt Exponentialmartingal von  

Beispiele für Martingale

 ,
ist ein Martingal.
  • Ein symmetrischer Random Walk, bei dem die Wahrscheinlichkeit für eine Aufwärtsbewegung ebenso wie für eine Abwärtbewegung   ist, ist ein Martingal.
  • Nach dem Lemma von Itō gilt: Jedes Itō-Integral ist ein Martingal. Umgekehrt läßt sich auch jedes Martingal als stochastisches Integral schreiben.

Herkunft des Wortes

Das Wort stammt aus dem Provenzalischen und ist über das Französische in die Weltsprache der Mathematik übergegangen. Martingale bezeichnet im Französischen und Englischen einen Teil des Pferdezaumzeugs (den Sprungzügel, der Hals und Bauch verbindet und das Pferd am Hochsteigen hindert). Der Name Martingal bezieht sich auf die französische Stadt Martigues im Departement Bouches du Rhone am Rande der Camargue, wo dieser Hilfszügel gebräuchlich ist. Seit dem 18. Jahrhundert steht Martingal auch für eine Strategie im Glücksspiel (vgl. Martingalespiel), bei der nach einem verlorenen Spiel der Einsatz erhöht, im einfachsten Fall verdoppelt wird, so dass im Falle unerschöpflichen Vermögens sicherer Gewinn eintritt.