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Justus von Liebig

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Justus von Liebig

Justus von Liebig (* 12. Mai 1803; † 18. April 1873) war ein deutscher Chemiker.

Lebenslauf

Justus von Liebig wurde in Darmstadt als Sohn eines Drogisten und Farbenhändlers geboren. Schon früh experimentierte er mit den Materialien, die er in der Werkstatt seines Vaters vorfand und entwickelte dadurch eine starke Neigung zur Chemie. Auch die chemischen Experimente, die von Schaustellern auf Jahrmärkten vorgeführt wurden, weckten sein Interesse, insbesondere die Herstellung von Knallerbsen, bei der er das Knallsilber erstmals kennen lernte.

Den Besuch das Gymnasiums in Darmstadt beendete er schon in der Sekunda. Ebenso brach er eine Apothekerlehre in Heppenheim vorzeitig ab, da sie seinen Vorstellungen nicht entsprach. Er kehrte nach Darmstadt zurück und half seinem Vater in der Werkstatt. Nebenher besuchte er oft die großherzogliche Bibliothek, um sich in der Chemie als Autodidakt aus Büchern und durch private Untersuchungen fortzubilden.

Durch Vermittlung seines Vaters begann Justus im Herbst 1819 ein Chemiestudium in Bonn bei Prof. Karl Wilhelm Gottlob Kastner, der sein Talent schnell erkannte und ihn als Assistenten in seinem Labor beschäftigte. Als Kastner 1821 einen Ruf an die Universität Erlangen annahm, folgte ihm Liebig und begann dort seine Doktorarbeit "Über das Verhältnis der Mineralchemie zur Pflanzenchemie". Allerdings nahm Liebig im März 1822 an Demonstrationen der freiheitlich gesinnten Studenten gegen die Obrigkeit teil. Als Folge davon wurde er von der Polizei gesucht und musste nach Hause fliehen. Sein Lehrer Prof. Kastner erwirkte wenig später durch seine Fürsprache und Empfehlung beim Großherzog Ludwig I. von Hessen-Darmstadt, dass dieser Liebig ein Stipendium zum Studium in Paris bewilligte, damals ein führendes Zentrum der Chemie. Hier lernte er bei den Professoren Joseph Louis Gay-Lussac, Thénard und Vauquelin den damals fortschrittlichsten Chemie-Unterricht kennen.

Bald trat er mit eigenen Arbeiten über Knallsilber hervor, wodurch der berühmte Naturforscher Alexander von Humboldt auf ihn aufmerksam wurde. Auf Grund von dessen Empfehlung an den hessischen Großherzog wurde der erst 21-jährige Liebig im Mai1824 außerordentlicher Professor für Chemie und Pharmazie an der Universität Gießen; ein Jahr später wurde er ordentlicher Professor. Seine Arbeitsbedingungen waren anfangs erbärmlich: Sein Gehalt war gering und für Geräte, Chemikalien, Kohle usw. erhielt er nur minimale Zulagen. So musste er viele dringend benötigte Apparate und Materialien aus der eigenen Tasche bezahlen, um überhaupt lehren zu können. Trotzdem fand er bei den Giessener Studenten auf Grund seiner Lehrmethoden schnell großes Interesse und Zulauf.

Um seine finanziellen Probleme zu mildern, betrieb er nebenberuflich von 1827 bis 1833 ein privates Institit für Pharmazie und technisches Gewerbe, in dem er zusammen mit den Professoren Umpfenbach, Wernekink und Schmidt Apothekengehil-fen und zukünftige Leiter der technischen Gewerbe ausbildete.

Seien Lehrmethode, seine Entdeckungen und Schriften machten ihn bald in ganz Europa bekannt und berühmt mit der Folge, dass neben vielen Deutschen auch zahlreiche Ausländer, darunter 84 Engländer und 18 Amerikaner, nach Giessen kamen, um Liebigs Vorlesungen über Chemie und Pharmazie zu hören.1845 wurde er für seine Verdienste mit dem Titel Freiherr geadelt.

Berufungen an die Universitäten Reval 1827, Göttingen 1835, St. Petersburg 1839, Wien 1841 und Heidelberg 1851 lehnte er ab, konnte aber jedes Mal durch Bleibeverhandlungen mit dem zuständigen Ministerium seine finanzielle und berufliche Situation verbessern. Als dann allerdings die Universität München durch Prof. Pettenkofer wegen einer Berufung bei ihm sondierte, König Maximilian I. von Bayern ihn persönlich einlud und ihm in einer Priataudienz den Bau eines neuen Chemischen Instituts mit daneben liegendem Wohnhaus für Liebig anbot und ihm weitgehende Freiheit in Lehre und Forschung anbot, konnte er nicht widerstehen: Er nahm die Berufung an und lehrte ab 1852 in München. Hier wurde er von vielen wissenschaftlichen Vereinigungen im In- und Ausland zum korrespondierenden oder Ehrenmitglied ernannt und erhielt zahlreiche Ehrungen und Orden von regierenden Herrschern der ganzen Welt. Am 15. Dezember 1859 wurde er zum Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ernannt. Dieses Amt bekleidete er bis zu seinem Tod.

Liebig starb am 18. April 1873 in München an einer Lungenentzündung und wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung am 21. April auf dem Münchner Waldfriedhof an der Fürstenrieder Straße zu Grabe getragen. In den Folgejahren wurden ihm in vielen Städten Deutschlands Denkmäler errichtet, u. a. in München auf dem Maximiliansplatz, in Darmstadt auf dem Luisenplatz und in Giessen an der Ostanlage.


Werk

Liebig begann seine wissenschaftliche Tätigkeit in Giessen mit der Untersuchung hessischer und bayerischer Heilquellen und der Nutzbarmachung für die Salzgewinnung. Dabei stellte er schnell fest, dass die damaligen Analysenmethoden sehr langwierig waren und vergleichsweise ungenaue Ergebnisse lieferten.

Es gelang ihm in Jahre langen Versuchen, die Analysengeräte zu vervollkommnen, vor allem aber die Elementaranalyse, d. h. die Ermittlung der elementaren Zusammensetzung von tierischen und Pflanzenteilen durch den von ihm entwickelten 5-Kugelapparat und weitere Änderungen wesentlich zu vereinfachen und zu beschleunigen. Er, seine Mitarbeiter und Studenten untersuchten in der Folgezeit Hunderte von Pflanzen und Pflanzenteilen und viele Organe und Produkte von Tieren auf ihre Zusammensetzung und veröffentlichten ihre Ergebnisse. Damit begründeten sie praktisch die Organische Chemie, weil vor ihnen niemand derart viele exakte und jederzeit nachprüfbare Untersuchungen hatte durchführen können.

Zusammen mit seinem Freunde Prof. Friedrich Wöhler, der den Lehrstuhl für Chemie und Pharmazie in Göttingen innehatte, entwickelte er die Radikaltheorie, welche die Vielzahl von Stoffen erklärt, die nur ans Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlenstoff bestehen. Ebenfalls mit Wöhler entdeckte er am Beispiel des Knallsibers einerseits und des Silbercyanats andererseits die Isomerie, d. h. den Umstand, dass zwei verschiedene Stoffe die gleiche Zusammensetzung aber unterschiedliche Struktur und Eigenschaften haben können.

Sein Hauptintereese während seiner Giessener Zeit galt der Förderung der Landwirtschaft mit dem Ziele, die zum Teil verheerenden Hungersnöte der damaligen Zeit - er hatte 1813/14 selbst eine erlebt - zu verhindern. Seine Erkenntnisse auf diesem Gebiet fasste er in seinen Werken "Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie", kurz Agricultur-chemie genannt, und "Die Thierchemie oder die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie" zusammen. Diese beiden Bücher erregten ungeheures Aufsehen nicht nur bei Wissenschaftlern sondern bei allen Gebildeten seiner Zeit. Die "Agrikulturchemie", in der er die Mineraldüngung propagierte und ihre Bedeutung für Qualität und Ertrag der Pflanzen erkärte, erlebte 9 Auflagen und wurde überdies in 34 Sprachen übersetzt.

In seinem Privatlabor widmete er sich u. a. der Entwicklung eines wasserlöslichen Phosphatdüngers zusammen mit seinen englischen Schülern Edward Frankland und Sheridan Muspratt. Das Ergenis war das so genannte Superphosphat, das auch heute noch der weltweit meist verwendete Phosphatdünger ist.

Liebig erlangte durch seine Forschungen im Giessener Institut, durch seine bahn-brechenden Lehrmethoden, insbesondere seine Experimentalvorlesungen, und durch seine Veröffentlichungen auf dem Gebiete der Chemie, der Pharmazie, der Physiologie und der Landwirtschaft weltweite Anerkennung. Sein Giessener Laboratorium wurde zum Mekka für die Chemiker aus aller Herren Länder.

In München bezog er ein ganz nach seinen Wünschen gebautes Wohnhaus und das daneben liegende Chemische Institut. Er hielt in den Folgejahren auch hier Vorlesungen vor den Studenten, dies aber in stark reduziertem Ausmaß. Den Hauptteil der Vorlesungen und Praktika überlies er hier seinen Assistenten.

Die Erkrankung der Tochter seines Freunde Sheridan Muspratt an Cholera in seinem Hause brachte ihn auf die Idee, ein Fleischinfusum zu entwickeln, mit dessen Hilfe schwer Magen- und Darm-kranke Personen vor dem Tode gerettet werden konnten. Aus diesem Infusum hat er später den Fleischextrakt entwickelt.

Außerdem arbeitete er an der Entwicklung eines Silberspiegels anstelle der bis dahin üblichen, aber die Gesundheit gefährdenden Quecksilberspiegel. Die von ihm veranlasste Produktion der Spiegel musste jedoch nach wenigen Jahren eingestellt werden, weil die Bevölkerung die Quecksilberspiegel bevorzugte. Erst als diese 1886 wegen ihrer Giftigkeit verboten wurden, ging man allgemein zur Silberspiegelfabrikation über.

Die Ernährung der Babys basierte damals ausschließlich auf der Muttermilch. Wenn diese aus Gesundheits- oder anderen Gründen nicht zur Verfügung stand, musste das Baby verhungern. Liebig schuf nach längeren Untersuchungen eine "Suppe für Säuglinge", wie er das Produkt nannte und in Zeitungen empfahl. Es handelte sich um einen frühen Vorläufer der heutigen Babynahrung.

Viel Zeit und Arbeit investierte Justus von Liebig in die Schaffung eines chemischen Gemisches, mit dessen Hilfe man Brot backen könnte, um nicht auf die leicht verderbliche Hefe angewiesen zu sein. Zusammen mit seinem amerikanischen Schüler Eben Horsford führten diese Experimente zu einem Produkt, das wir heute Backpulver nennen. In Amerika hatte Horsford mit dem backing powder großen finanziellen Erfolg. In Deutschland fand das Backpulver erst ab 1892 durch die Firma Dr. Oetker weite Verbreitung, weil Dr. Oetker das Backpulver nicht den Bäckern zum Brotbacken sondern den Hausfrauen zum Kuchenbacken empfahl.

Die größte Publizität verschaffte Liebig die Entwicklung seines Fleischextraktes. Es war die Weiterentwicklung seines 1852 hergestellten Fleischinfusums und wurde anfangs nur in geringem Umfange in Münchner Apotheken verkauft. Erst als der deutsche Ingenieur Georg Christian Giebert von Liebig die Lizenz zur Großproduktion in Uruguay erhalten hatte, wurde "Liebigs Fleischextrakt" dort in riesigen Mengen erzeugt und weltweit verkauft. Nach Liebigs Vorstellungen sollte der Fleischextrakt ein Nährmittel vor allem für die ärmere Bevölkerung sein. Der relativ hohe Preis und seine Zusammensetzung ließen dies jedoch nicht zu. Letztendlich bewährte sich der Fleischextrakt als sehr beliebte Würze für Suppen und Speisen. Der Extrakt wurde damit zum Vorläufer der heute verbreiteten Speisewürzen wie z. B. Maggi und Knorr und kann auch heute noch in Kaufhäusern erworben werden.

In den letzten Jahren seines Lebens beschäftigte sich Liebig mit der Physiologie der Gärung und hatte in seiner chemischen Erklärung den französischen Mikrobiologen Louis Pasteur zum erbitterten Gegner. Liebig vertrat die Auffassung, dass eine zellfreie Gärung möglich sei, während Pastuer nur an eine Gärung im Beisein von Mikroorganismen glaubte. Die Forschung hat letzten Endes beiden Recht gegeben: Es gibt eine an Mikroorganismen gebundene Gärung, z. B. die Hefegärung von Alkohol, aber auch eine zellfreie Gärung, z. B. die Muskelgärung.

Liebigs wichtigste Entwicklungen:


Viele, der von Liebig entwickelten Analysemethoden und Geräte, werden auch heute noch genutzt. Das Liebigsche Minimumgesetz wurde von ihm aufgestellt. Damit ist Liebig der eigentliche Schöpfer der modernen Düngerlehre.

Einfluss

In die Geschichte eingegangen ist Justus von Liebig als der bekannteste, berühmteste und erfolgreichste Chemiker seines Jahrhunderts und als Begründer der Organischen Chemie, der Agrikulturchemie und der Ernährungsphysiologie. Durch seine intensive literarische Tätigkeit hatte er großen Einfluss auf die Entwicklung seines Fachgebietes. So war er Mitherausgeber derdmals maßgebenden wissenschaftlichen Zeitschrift "Annalen der Chemie und Pharmazie",später "Liebigs Annalen" genannt.--Judel 18:50, 13. Mär 2004 (CET)

Liebig wurde zum führenden Chemiker seiner Zeit. Sein wissenschaftliches Magazin (Annalen der Pharmazie, nach seinem Tod Liebigs Annalen der Chemie) war so angesehen, dass wissenschaftliche Arbeiten erst anerkannt wurden, wenn sie darin erschienen waren. Gleichzeitig wurde dadurch Französisch von Deutsch als internationaler Sprache der Chemie abgelöst.

Liebig hat in seinen Vorlesungen den experimentellen Unterricht eingeführt. Durch seine Forschungen wurde Chemie zur exakten Wissenschaft. Er begründete eine ganze Schule angesehener Chemiker. Unter den ersten 60 Nobelpreisträgern für Chemie waren 44, die aus dieser Schule stammten.