Vokalquantität ist ein linguistischer Begriff, der auf einer Klasseneinteilung der Vokalphoneme nach ihrer Länge (Quantität) beruht.
Im Deutschen kann man die kurzen und langen Vokale einander als sechs Paare gegenüberstellen:
- a: Wall vs. Wal oder Wahl,
- i: Mitte vs. Miete,
- o: vollen vs. Fohlen,
- u: muss vs. Mus,
- ö: Hölle vs. Höhle,
- ü: fülle vs. fühle.
Das kurze ä wird meistens als e geschrieben:
- Teller vs. Täler.
Das lange e ist vom langen ä unterschieden:
- Seele vs. Säle,
hat aber keinen kurzen Vokal als Pendant. Somit hat das deutsche sieben kurze und acht lange Vokale. Die Diphthonge werden zu den langen Vokalen gezählt.
Die Einteilung in kurze und lange Vokale ist nicht an eine bestimmte physikalische Dauer des Lauts geknüpft. Eines Sprechers lange Vokale können kürzer sein als eines anderen Sprechers kurze Vokale. Zur Verständigung erforderlich ist nur, dass ein Sprecher überhaupt eine hörbare Unterscheidung zwischen kurzen und langen Vokalen macht.
Die obigen Beispiele zeigen, dass es im Deutschen tatsächlich Wortpaare gibt, die sich nur durch die Vokalquantität unterscheiden. Die Existenz solcher Paare mit minimalem Kontrast ist begriffsnotwendig, um einer Unterscheidung wie der Vokalquantität phonemischen Wert zuzumessen.
Bei Worten, in denen sich die Vokalquantität nicht durch paarweise Gegenüberstellung ermitteln lässt, greift Analogiebildung.
- Beispiel: Ist das u in Kuss kurz oder lang? Man kennt die Kontrastpaare muss versus Mus, Fluss versus Fuß, Pustel versus pusten - und erkennt, dass Kuss in die Reihe muss, Fluss, Pustel gehört, also ein kurzes u hat. Diese Entscheidung erfolgt ohne Rückgriff auf die Rechtschreibung, da ja umgekehrt die Schreibung aus der Vokalquantität abgeleitet wird.
Die Ermittlung einer Vokalquantität hängt also nicht von einer - unvermeidlich unscharfen - subjektiven Empfindung ab, der Vokal werde mehr oder weniger lang ausgesprochen, sondern von der Einordnung in eine von zwei scharf definierten Klassen.
In der deutschen Orthographie wird die Kürze ein kurzer Vokal oft durch Verdoppelung des nachfolgenden Konsonanten angezeigt. Das Schriftbild verleitet viele erwachsene Sprachbenutzer zu falschen Rückschlüssen auf die Phonetik ihrer Sprache; in diesem Fall zu der Vermutung, es gebe kurze und lange Konsonanten. Tatsächlich hat gibt es im Deutschen keine phonemisch relevante Konsonantenquantität.
Eine zweiwertige Einteilung in kurze und lange Vokale gibt es auch in anderen Sprachen: zum Beispiel im Niederländischen.
In vielen anderen Sprachen hat die Vokalquantität jedoch keine phonemische Bedeutung.
Im Lateinischen beruht die gesamte Dichtung nicht wie im Deutschen auf der Wortbetonung, sondern auf der Vokalquantität.