Finanzmarktaufsicht

staatliche Aufsicht über die Teilnehmer am Finanzmarkt
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Finanzmarktaufsicht oder Finanzdienstleistungsaufsicht bezeichnet die staatliche Aufsicht über die Teilnehmer am Finanzmarkt. Je nach Land gibt es entweder eine zentrale Behörde („Allfinanzaufsicht“) oder mehrere Behörden für die verschiedenen Bereiche des Finanzmarktes (Bankenaufsicht, Börsenaufsicht, Versicherungsaufsicht…).Die Allfinanzaufsicht (auch:“integrierte Aufsicht“) ist die Zusammenlegung der Aufsicht von Banken,Versicherungen und Wertpapierhandel- und -dienstleistung in einer Finanzaufsichtsbehörde.Als Beispiel für so eine integrierte Aufsichtsbehörde sind die skandinavischen Länder und Singapur, in denen schon seit vielen Jahren diese Behörde gegründet wurde.Die Einführung einer solchen Praxis wurde auch später in anderen Ländern nachgefolgt,wie in Großbritanien seit 1985,Deutschland seit 2002,in der Schweiz seit 2009 etc. Die Finanzmarktstabilität, -regulierung und -aufsicht sind eng miteinander verbunden.Die Finanzmarktaufsicht existiert, weil es Vorschriften gibt, deren Hauptziel die Gewährleistung der Finanzmarktstabilität und die Vermeidung der nationalen,regionalen und systemischen Krise der Finanzinstitutionen ist. Um Finanzmarktstabilität und -aufsicht in der Welt im Allgemeinen und in der Europäischen Union vor allem erreicht zu werden, ist es immer komplexer und schwieriger.Gründe dafür sind:

  • Finanzinstitutionen handeln immer internationaler, mit Tochtergesellschaften in verschiedenen Ländern, unter der Aufsicht unterschiedlicher aufsichtsrechtlicher Behörden
  • Finanzinstitutionen verwandeln sich immer mehr zu Finanzkonglomeraten,die alle Finanzdienstleistungen umfassen (Geschäfts- und Investmentbanken, Versicherungen und Renten, Wertpapierhandel, Vermögensverwaltung und Merchant Banking), deswegen müssen sie von verschiedenen Behörden in jedem Land überwacht werden
  • die Konsolidierung der Finanzinstitutionen erhöht sich sowohl innerhalb der Grenzen als auch außerhalb der Grenzen eines Landes
  • Finanzprodukte werden immer mehr komplexer und anspruchsvoller,weil sie auf mathematische Modelle basieren und deshalb müssen die Geschäftsleiter mehr Erfahrung haben um diese Modelle richtig zu verstehen und die Höhe des Risikos zu erraten.
  • Manager von Finanzinstitutionen sind bereit mehr Risiko zu nehmen, weil sie immer mehr nach kurzfristiger Eigenkapitalrentabilität und nach Shareholder Value streben.[1]

Institutionelle Struktur der Finanzmarktaufsicht in Bezug auf Europa

In Europa gibt es keine Europäische Finanzmarktagentur,die allein die Finanzmarktaufsicht übernimmt,sondern jeder |Mitgliedstaat hat die Verantwortung für die Überwachung seines eigenes Markts und seine eigene Regulierungsphilosophie.Davon ausgehend kann die Finanzmarktaufsicht in Europa als ein Netzwerk verschiedener Organisationen, formellen und informellen Zusammenkünfte auf nationaler und europäischer Ebene bezeichnet werden.Man kann bei einem solchen kompliziert strukturierten System zu Schwierigkeiten in Bezug auf Verantwortlichkeit, Entscheidungstransperenz, Haftungsfragen und rechtliche Kategorisierung der Rechtsakte kommen.Die Tatsache,dass nicht alle Staaten Mitglieder der Europäischen Union sind,trägt zur Variation in der Intensität und Kompetenz der Regulierung der Finanzmärkte bei.Die Finanzmarktaufsicht führen grundsätzlich die Mitgliedstaaten,die die Pflicht zur Koordinierung ihrer Politik hinsichtlich des Ziels der Schaffung eines gemeinsamen Marktes haben und die von den unabhängig von der Struktur der mitgliedstaatlichen Finanzaufsicht EG-Organisationen unterstützt werden.[2]

Koordinierung der Finanzmarktaufsicht in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union

Um sowohl ein gemeinsamer Finanzmarkt als auch eine einheitliche Geld- und Währungspolitik verwirklicht zu werden, basiert die Finanzmarktaufsicht auf den Prinzipien der Stabilität, Minimalharmonisierung,Wettbewerb der Rechtsordnungen, nationalstaatliche Kontrolle und gegenseitigen Anerkennung.Diese Prinzipien sind aber vielmehr eine Voraussetzung zum Fernziel der Marktintegration.Gerade in diesem Zusammenhang wurde im Jahr 2000 ein Komitee der Weisen Männer mit Vorsitzender Baron Dr. Alexander Lamfalussy gegründet,das als Aufgabe die Untersuchung verschiedener Ansätze zur Steuerung der Regulierungspraxis und -kooperation zwischen den Regulierungsbehörden hatte. Mit dem so genannten „Lamfalussy-Verfahren“,das ursprünglich im Wertpapierhandel aber dann auch in allen Bereichen der Finanzmarktaufsicht angewendet wurde,will die Komission das Verfahren zwischen den nationalen Überwachungsbehörden und dem europäischen Gesetzgeber koordinieren.Die anderen Organisationen,die Pflicht zu Finanzmarktüberwachung haben, wie die Europäische Zentralbank(EZB) und das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) bleiben aber unberührt. Die Komission spielte die Rolle eines Rahmengesetzgebers und eines ausführenden und überwachenden Organs,indem die vom Rat und seinen entsprechenden Komitees ünterstützt wird.[2]

Finanzmarktaufsicht durch andere Akteure

Die Hauptaufgabe des ESZB besteht darin, Gewährleistung von Preisstabilität zu schaffen oder anders gesagt,es übernimmt die Kontrolle der Inflation.Damit wird die Verpflichtung des ESZB zur Finanzmarktaufsicht nur auf die Staaten beschränkt, die Mitglieder der Eurozone sind. Die EZB als Mitglied des ESZB hat aber die Handlungen des ESZB auszuführen, demzufolge wird die Aufgabe des ESZB zur Unterstützung der Finanzmarktaufsicht von Kreditinstituten und der Stabilität des Finanzmarktsystems auch auf die EZB übertragen.Die Aufsichtsfunktionen der EZB bleiben aber auch wie beim ESZB unbeschränkt in den Mitgliedstaaten der Eurozone.Darüber hinaus darf die EZB an der Finanzmarktüberwachung der Mitgliedstaaten,die den Euro als Zahlungsmittel nutzen, nur beratend teilnehmen.[2]

Internationalisierung

In den letzten Jahren (Stand 2008) gab es im Hinblick auf die Globalisierung der Finanzmärkte Bestrebungen die Regeln für die Finanzmarktaufsicht international zu vereinheitlichen. Ein wesentliche Rolle spielte dabei die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich mit dem Basel Committee on Banking Supervision (Basler Komitee für Bankenaufsicht) und dem Financial Stability Institute (FSI). Ein wichtiges Resultat dieser Bestrebungen ist das Basel II genannte Regelwerk Rahmenvereinbarung "Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen".[3]

Koordinierung im Basler Ausschuss für Bankenaufsicht

Als das wichtigste internationale Gremium zur Koordinierung der Aufsichtsstandards im Bankensektor hat die Basler Komitee das Ziel, wirksame Aufsichtsstandards zu erarbeiten, die eine vollständige und angemessene Überwachung der international tätigen Banken ermöglichen.Im Mittelpunkt der Standards steht die Festlegung von Egenkapitalanforderungen der Banken.Durch die Kontakte aller Staaten strebt der Basler Ausschuss nach einer Durchsetzung von universellen Standrds. Die Einführung der neuen Basler Eigenkapitalakkord (Basel II) zielt die Aufstellung präzisere Anforderungen, die dem individuellen Risiko angepasst werden.Als Voraussetzungen dafür sind sowohl die Zulassung interner Risikomethoden als auch die weitreichende Anerkennung privatrechtlicher Sicherungsinstrumente wie bestimmte Kreditsicherheiten, Nettingvereinbarungen oder Kreditderivate und Risikotransfervereinbarungen wie Securisation. Nach Basel II wird die Aufsicht der Banken in drei Säulen geteilt (Drei-Säulen-Modell).Die erste Säule umfasst die verfeinerte Eigenkapitalanforderungen,die von zwingenden gesetzlichen Vorgaben und internem Risikomanagement durchgesetzt wird.Die zweite Säule beschäftigt sich mit der Beaufsichtigung durch die nationalen Aufsichtsbehörden,die die staatliche Einhaltung der Eigenkapitalanforderungen überwachen und geeignete Verfahren und Techniken des Risikomanagements entwickeln.Schließlich sorgen die weitreichende Publizitätspflichten der Banken in der dritten Säule für Transparenz auf den Kapitalmärkten.[4]

Finanzkrise seit 2007

Im Rahmen der Finanzkrise seit 2007 verschärfte sich ein Streit zwischen den Regierungen der USA und England auf der einen Seite, die ihre Finanzmärkte sehr liberalisiert hatten, und einer Reihe europäischer Staaten, insbesondere Deutschlands, die eine stärkere Regulierung und Überwachung der Finanzmärkte forderten. Entsprechende Vorstöße mit Forderungen nach stärkerer Regulierung dieser Staaten in den Verhandlungen über Wirtschaftsfragen z.B. der im Rahmen der G7, waren von den Vertretern der USA und Englands abgewiesen worden. In einer Regierungserklärung vom 25. September 2008 bezeichnete der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück mangelnde Regulierung des Finanzmarktes als Hauptursache der Finanzkrise: "Die eigentlichen Ursachen liegen jedoch tiefer – nämlich in einer aus meiner Sicht unverantwortlichen Überhöhung des „laissez-faire“-Prinzips, also dem von staatlicher Regulierung möglichst vollständig befreiten Spiel der Marktkräfte im anglo-amerikanischen Finanzmarktsystem. ... Kritische Hinterfragungen dieses Systems sowie Lösungsvorschläge wie sie die Bundesregierung angestellt hat, wurden während unserer G7- und EU-Ratspräsidentschaft belächelt oder als typische deutsche Regulierungsneigung vor der Finanzmarktkrise behandelt."[5] Konkret warf er der US-Regierung vor dass:

  • "die USA bei der Implementierung der stabilisierenden Basel II-Bankenregeln sehr zögerlich vorgegangen sind,
  • die USA wegen ihrer langen Weigerung erst 10 Jahre nach Einführung der Financial Stability Assessment Programs (FSAPs) beim IWF eine Untersuchung ihres Finanzsystems haben werden,
  • die USA - anders als z.B. Deutschland - bislang die Investmentbanken nicht ausreichend reguliert und beaufsichtigt haben und
  • - anders als in vielen europäischen Ländern - nicht über eine Allfinanzaufsicht, sondern über eine stark zersplitterte Finanzaufsicht verfügen."

Die Europäische Kommission berief im Oktober 2008 eine Expertengruppe[6] die am 25. Februar 2009 Empfehlungen vorgelegt hat, um die Überwachung der Finanzinstitute und -märkte in der EU zu verstärken.[7] In einer gemeinsamen Erklärung wurde die Zusammensetzung der Gruppe von lobbyismuskritischen Nichtregierungsorganisationen wegen ihrer Nähe zu der internationalen Finanzindustrie kritisiert.[8]

Der Beitrag der Ratingagenturen zur Finanzkrise

Eine weit verbreitende Kritik an der Effektivität der Ratingagenturen ist ihre prozyklische Bonitätseinschatzung,wodurch sich die Gefahr des „Herdenverhaltens“ und die Möglichkeit zur Verschärfung ökonomischer Krisen erhöt.Als ein anderer Kritikpunkt werden die Interessenkonflikte von Ratingagenturen gesehen.Da die Bewertung gegen Bezahlung erfolgt,unterschätzen die Ratingagenturen das Bonitätsrisiko des Auftragsgebers, um mehr Aufträge zu bekommen.Gerade in diesem Zusammenhang werden die nicht-beantragten Ratings bewusst schlechter bewertet,weil die nicht von den Emittenten bezahlt werden und so erhöht sich die Attraktivität der beantragten Ratings.Die Agenturen sind privat und gewinnorientiert und auf diese Weise sparen sie bei ihrer Analyse,was zur Qualitätsdefizite führt.Die oligopolische Struktur des Rating-Markets wird als nächstes kritisiert.Einerseits ist die hohe Bedeutung der Reputation der Ratingagenturen als Markteintrittsbarriere des Rating-Geschäfts gesehen.Anderseits spielt die keine Rolle,sondern ihre regulative Zertifizierungsfunktion wird nachgefragt.Weiterhin wird untersucht,dass die Herabstufung der staatlichen Bonität negativ auf die wirtschaftliche Lage eines Landes wirkt, sowohl auf die finanzielle Situation der dortigen Unternehmen als auch den jeweiligen Aktienmarkt des Landes. Genau mit der Analyse der volkswirtschaftlichen Aspekte von Ratingentscheidungen,Offenlegung der Interessenkonflikte der Agenturen,dem Verweisen auf die Ursachen und Folgen der oligopolistischen Struktur des Rating-Markets und mit der empirischen Belegung der Korrelationen zwischen Veränderungen des Ratings von Staats- und Unternehmensanleihen bzw. des jeweiligen Aktienmarktes nehmen Zweifel an der Transparenz, Objektivität und Zuverlässigkeit der Ratingagenturen auf den Finanzmärkten zu.Die Ratingagenturen haben Einfluss vor allem in Krisensituationen auf den wirtschaftlichen Wohlstand eines Landes.Da Ratings zu Regulierungszwecken eingesetzt werden, ist die Effektivität des Anlegerschutzes von der Qualität der Ratings abhängig und beeinflussen die Vermögenssituation von privaten und institutionellen Investoren.[9]

Literatur

Einzelnachweis

  1. Guillermo de la Dehesa:FINANCIAL STABILITY AND OPTIMAL SUPERVISION IN THE EU 15,June 2007.Briefing Paper to the Committee on Economic and Monetary Affairs of the European Parliament Monetary Dialogue,S.1.www.europarl.europa.eu, abgerufen am 5.12.2010 Referenzfehler: Ungültiger Parameter in <ref>.
  2. a b c Jürgen Keßler,Hans-W. Micklitz,Norbert Reich (Hrsg.):Institutionelle Finanzmarktaufsicht und Verbraucherschutz : eine vergleichende Untersuchung der Regelungssysteme in Deutschland, Italien, Schweden, dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Gemeinschaft,Verlag:Namos,2010,S.176-189
  3. deutscher Text: http://www.bis.org/publ/bcbs128ger.pdf
  4. Peter Derleder ... (Hrsg.):Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht,Springer, 2009,S.2245-2246
  5. http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_88/DE/Presse/Reden_20und_20Interviews/095__Regierungserkl__Finanzmaerkte.html
  6. José Manuel Durão Barroso: Results of the European Council European Parliament, plenary session Strasbourg, 21st October 2008.
  7. Finanzaufsicht in der EU soll europäischer werden. 25. Februar 2009.
  8. Would you bank on them? Abgerufen am 4. März 2009.
  9. Jens Rosenbaum:Der politische Einfluss von Rating-Agenturen,VS Verl. für Sozialwiss., 2009,S.31-73

Siehe auch

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