Bundesamt für Verfassungsschutz

deutscher Inlandsnachrichtendienst
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 5. August 2005 um 18:28 Uhr durch Stimme aus dem Off (Diskussion | Beiträge) (Abschaffung/Kritik/Fragen nach der Daseinsberechtigung: Letzter Satz gehört nicth zum Lemma; ansonsten: sehr gute Arbeit von Herrn Andrax!). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ist ein deutscher Inlandsnachrichtendienst. Es untersteht dem Bundesministerium des Innern und wird von einem Präsidenten, zur Zeit Heinz Fromm, geleitet. Im Jahr 2003 waren im BfV 2.401 Personen beschäftigt.

Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln

Der Hauptsitz befindet sich in 50765 Köln-Chorweiler, Merianstraße 100.

Neben dem Bundesamt existieren in den Bundesländern jeweils Landesbehörden für Verfassungsschutz, die als Landesämter oder Abteilungen des Innenministeriums nicht dem BfV, sondern dem jeweiligen Innenminister des Landes unterstehen.

Präsidenten

Viele Präsidenten der Behörde erlangten einen unerwarteten Bekanntheitsgrad, wurden in den vorzeitigen Ruhestand geschickt oder traten zurück.

  • 1950 - 1954 Otto John - 1954 setzte sich John unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen in die DDR ab. Ende 1955 kehrte er zurück und wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die „Affäre Otto John“ war einer der ersten großen politischen Skandale der jungen Bundesrepublik.
  • 1955 - 1972 Hubert Schrübbers - Rücktritt, nachdem seine Tätigkeit in der NS-Justiz während der Zeit des Dritten Reiches bekannt wurde. Unter Schrübbers sollen auffällig viele hohe Positionen im Bundesamt mit ehemaligen SS- bzw. SD-Angehörigen besetzt worden sein.
  • 1972 - 1975 Günther Nollau - Rücktritt nach der Entdeckung des DDR-Spions Günter Guillaume im Bundeskanzleramt von Willy Brandt.
  • 1975 - 1982 Richard Meier (Bundesamt für Verfassungsschutz) - Rücktritt wegen einer Privataffäre (verurteilt wegen fahrlässiger Tötung in einem Verkehrsunfall).
  • 1983 - 1985 Heribert Hellenbroich - wird im Juli 1985 zunächst Präsident des BND am 29. August jedoch in den Ruhestand geschickt, nachdem sich sein ehemaliger Untergebener, der Regierungsdirektor im BfV Hansjoachim Tiedge in die DDR abgesetzt hatte. DDR-Agent Tiedge war Gruppenleiter in der Spionageabwehr und hatte in dieser Position vermutlich viele andere Agenten geschützt.
  • 1985 - 1987 Ludwig-Holger Pfahls - im Juli 1999 untergetaucht, wegen Bestechlichkeit international gesucht, im Juli 2004 in Paris verhaftet.
  • 1987 - 1991 Gerhard Boeden
  • 1991 - 1995 Eckart Werthebach - Rücktritt aufgrund Wiederaufnahme von Ermittlungen wegen Verdachts auf Geheimnisverrat.
  • 1995 - 1997 Hansjörg Geiger
  • 1997 - 2000 Peter Frisch
  • seit 2000 Heinz Fromm

Aufgaben

Informationsbeschaffung und -auswertung

Die Hauptaufgaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz sind das Sammeln und Auswerten von Informationen über verfassungsfeindliche und extremistische Bestrebungen. Dazu gehören unter anderem politische Aktivitäten, die aufgrund ihrer antidemokratischen Einstellungen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden, wie zum Beispiel extrem links beziehungsweise rechts gerichtete Parteien. Doch auch die Scientology-Organisation geriet aufgrund ihrer Aktivitäten unter Beobachtung des Bundesamts für Verfassungsschutz.
Der Verfassungsschutz beschäftigt im Bereich der Informationsbeschaffung sogenannte V-Personen, die z.B. auch bei der NPD aktiv sind, woran letztlich das NPD-Verbotsverfahren scheiterte, weil sie aus Gründen des Quellenschutzes nicht als Zeugen im Verbotsverfahren benannt werden konnten. Kritiker bemängeln weiter, das BfV habe im Rahmen des Einsatzes dieser Personen im Ergebnis auch NDP-Aktivitäten und NPD-Aktivisten finanziell gefördert. Sie äußern deshalb Zweifel daran, dass sich dies allein durch das Ziel der Informationsgewinnung rechtfertigen lasse.

Spionageabwehr

Ein anderer gesetzlicher Auftrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist die Spionageabwehr. Das Bundesamt für Verfassungsschutz unterscheidet zwischen drei Arten der Spionage:

  • Die politische Spionage.
  • Die Wirtschaftsspionage, bevorzugter Bereich sind Forschung und Wissenschaft, sie dient der Beschaffung von neuester Technologien anderer Länder. Durch die Wirtschaftsspionage fremder Staaten entstehen der deutschen Volkswirtschaft Schäden in unbekannter Höhe.
  • Die militärischen Spionage, hierbei wird u.a. die Truppenstärke, die Ausrüstung der gegnerischen Truppen und ähnliches untersucht. Die Abwehr dieser Art der Spionage gehört zu den Aufgaben des Militärischen Abschirmdienstes (MAD).

Geheimschutz

Ein weiteres Aufgabengebiet des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist der Geheimschutz. Unter diesem Begriff versteht man den Schutz von geheimem und vertraulichem Material des Staates und der von ihm beauftragten Industrie vor nicht-befreundeten Nachrichtendiensten, Interessenverbänden und Einzelpersonen, die versuchen, an solche vertrauliche Unterlagen zu gelangen.

Abteilungen und ihre Aufgaben

Abteilung 1

  • Zentrale Fachfragen
  • Berichtswesen
  • Datenschutz
  • Observation
  • Nachrichtendienst-Technik
  • G 10 (Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz, Artikel 10-Gesetz) (Brief- und Telefonüberwachung)

Abteilung 2

  • Rechtsextremismus
  • Rechtsterrorismus

Abteilung 3

  • Linksextremismus
  • Linksterrorismus

Abteilung 4

  • Spionagebekämpfung
  • Geheimschutz
  • Sabotageschutz

Abteilung 5

  • Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern und aus dem Ausland (ausgenommen Islamisten)

Abteilung 6

  • Islamischer Extremismus
  • Islamistischer Terrorismus

Abteilung Z - Zentral- und Verwaltungsaufgaben

  • Personal
  • Haushalt
  • Justitiariat
  • EDV

Möglichkeiten/Methoden

Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, bedient sich das Bundesamt für Verfassungsschutz verschiedener Möglichkeiten zur Informationssammlung :

Öffentliche Quellen

Den größten Teil seiner Informationen bezieht das Bundesamt für Verfassungsschutz aus öffentlichen Quellen, wie Zeitungen, Fernsehen, dem Internet, Flugblättern und ähnlichem. Zudem besuchen Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz öffentliche Informationsveranstaltungen.

Nachrichtendienstliche Mittel

Doch auch der Einsatz von umfassenden nachrichtendienstlichen Mitteln gilt als unverzichtbar. So werden zum Beispiel durch das BfV Informationen von Gewährspersonen (Quellen) gewonnen, die sich in extremistischen Kreisen bewegen. Auch die Brief- und Telefonüberwachung gehört zu den Maßnahmen des BfV. Bei der Durchführung dieser Aktionen ist es jedoch an das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G10 2001) gebunden.

Beobachtete Organisationen und Personen

Beispiele für Personengruppen, von denen einzelne Mitglieder vom BfV und angeschlossenen Organisationen befragt oder Überwacht worden sind:

Kontrolle/Rechenschaftslegung

Das Bundesamt für Verfassungsschutz wird wie BND und MAD von dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) des Bundestags überwacht. Zur Rechenschaftslegung und zur allgemeinen Information über politischen Extremismus, Spionageabwehr und Geheimschutz veröffentlicht das BfV jährlich einen kostenfrei erhältlichen Verfassungsschutzbericht.

Abschaffung/Kritik/Fragen nach der Daseinsberechtigung

In der Vergangenheit wurde immer wieder die Abschaffung des Verfassungsschutzes gefordert. So forderten Die Grünen noch 1998 in ihrem Wahlprogramm, dass die Geheimdienste schrittweise aufzulösen seien.
Kritiker bezweifeln die Effektivität der Behörde und kritisierte die angebliche „Datensammelwut“ und die Observationspraktiken der Behörde. Gelegentlich lieferte das BfV aufgrund seines Verhaltens Anlass zur Kritik: So startete man im Jahre 1976 einen mehrmonatigen „Lauschangriff“ auf den des RAF-Terrorismus verdächtigen ehemaligen Atommanager Klaus Traube, der in der Öffentlichkeit als Lauschaffäre Traube bekannt wurde. Der Terrorismusverdacht erwies sich als falsch, der damals verantwortliche Innenminister Werner Maihofer musste zurücktreten.
Aktuell machte das BfV im Rahmen des Verbotsverfahrens gegen die NPD von sich Reden. Ein wesentlicher Grund dafür, dass das Verbotsverfahren scheiterte, ist, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz sich in Übereinstimmung mit dem verantwortlichen Innenminister Otto Schily weigerte, mitzuteilen, welche Parteiaktivitäten von der Partei selbst und welche vom Verfassungsschutz beziehungsweise durch in den Parteiapparat als Funktionäre eingeschleuste Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes initiiert wurden. Da das Bundesverfassungsgericht somit nicht beurteilen konnte, welche Handlungsweisen der Partei originär zugerechnet werden können, und bei welchen Lockspitzel des Verfassungsschutzes als agent provocateur Pate gestanden hatten, lehnte es den Antrag auf Verbot der NPD ab.

Unwidersprochen blieb die Agentur-Meldung der „dpa“, dass etwa jeder 7. Funktionsträger in der NPD-Leitungsebene vom Kölner Bundesamt steuerfinanziert ist.

Oft fällt zudem auf, dass die Einschätzungen, was als Links- bzw Rechtsextremismus unter Beobachtung zu stellen ist, in den zuständigen Landesministerien nach parteipolitischer Ausrichtung der Landesregierung varieren. Derzeit beobachtet der Verfassungsschutz auf Anweisung verschiedener Landesregierungen deren zukünftigen politischen Gegner, die Linkspartei. Kritiker wenden ein, dass der Verfassungsschutz somit als politisches Kampfmittel zur Desavouierung des politischen Gegners missbraucht wird.

Problematisch ist auch der Extremismusbegriff. Zum einen besitzt hier das staatlichabhängige Amt die Definitionsmacht. Zum anderen, weil der Extremismusbegriff aus der umstrittenen Totalitarismustheorie abgeleitet wird, deren wichtigste Vertreter zu nicht-partizipierenden Demokratieverständnissen tendieren. So hat das antidemokratische schmittsche Konzept des "Verfassungsstaats" in diesen Theorien noch immer eine Bedeutung. Der Vertreter einer modernen Totalitarismustheorie Carl Joachim Friedrich lehnt in seiner Vorstellung von einer "Guten Demokratie" die Basisdemokratie als totalitär ab. Engagierte Parteinahmen gegen antidemokratische Tendenzen in dem politischen System der Bundesrepublik Deutschland, können als "extremistisch" verfolgt werden und wurden teilweise als solche verfolgt. Vor diesem Hintergrund ergibt sich auch die Frage, ob die Verfassung mit dem "Extremismusbegriff" tatsächlich auch vor allen antidemokratischen Gefahren geschützt werden können.

Literatur

  • Hendrik van Bergh: KÖLN 4713. Geschichte und Geschichten des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz. NAUMANN Vg, Würzburg 1981, ISBN 3-88567-010-0
  • Stefan Aust: Kennwort Hundert Blumen. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1980, ISBN 3-992-144-04-7

Siehe auch:

Politische Straftaten, Berner Club, Staatsschutz, Bundesnachrichtendienst, Spionage mit "Wer ist Wer in der Spionage?",