Fritz Hilgenstock

deutscher Architekt und Funktionär der Studentenpolitik
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Fritz (Friedrich Karl Ernst) Hilgenstock (* 8. September 1898 in Barmen; † 30. Oktober 1961 in Salzburg) war in der Zeit der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus ein reichsweit wichtiger Funktionär der Studentenpolitik und ein erfolgreicher Architekt.

Hilgenstock war der Sohn eines Bauunternehmers. Nach dem Abschluss der Oberrealschule studierte er an der Technischen Hochschule Hannover. Er schloss als Dipl. Ing. ab.

Hilgenstock war Mitglied der schlagenden Verbindung Arminia-Hannover. 1922-1923 war er Vorsitzender und 1924-1931 einer der beiden "Ältesten" der Deutschen Studentenschaft (DSt). Aus seiner Rolle in der DSt wurde er in der Aufstiegsphase des NSDStB verdrängt.[1] Als Hannoveraner Studentenführer war er 1925 "maßgeblicher Agitator" eines antisemitischen studentischen "Kampfausschusses", der den jüdischen Philosophen und Publizisten Professor Theodor Lessing aus der Universität vertrieb.[2]

Hilgenstock war Vorsitzender des Hochschulpolitischen Ausschusses der Deutschen Burschenschaft (DB). Nach Konflikten der Korporationen mit dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB), dessen Volksgemeinschaftsideologie in einem "schroffen Gegensatz" zum "elitären Selbstverständnis der Korporationen" stand und der den Konkurrenten den Rang ablief, war Hilgenstock 1932 ein Initiator der Hochschulpolitischen Arbeitsgemeinschaft (Hopoag) unter Führung der DB, die den Einfluss der korporierten Verbände sichern sollte. Dabei stellte Hilgenstock den grundsätzlichen Konsens mit dem Nationalsozialismus nicht in Frage: Er bedauerte den Konflikt, weil „es sich letzten Endes ... um einen Bruderkampf“ handle, und betonte die „Zustimmung zu den Grundgedanken des Nationalsozialismus“. Der NSDStB wirke sich „zum Schaden der nationalsozialistischen Bewegung“ aus.[3] Als nach dem Machtübergang auf die Regierung Hitler aus Nationalsozialisten und Deutschnationalen im April 1933 ein neues Studentenschaftsrecht in Kraft trat, das Studenten mit "nichtarischen" Eltern und/oder Großeltern aus der Studentenschaft ausschloss, begrüßte Hilgenstock diesen Schritt: „Jetzt wird der Volksbürgergrundsatz ... durchgeführt, eine Lösung, die wir wärmstens begrüßen und die bisher auf Grund der Weimarer Verfassung nicht möglich war“.[4]

Hilgenstock, lange Mitglied der Deutschvölkischen Freiheitsbewegung, trat nach dem Ablauf der 1933 von der NSDAP verhängten vierjährigen Eintrittssperre dort bei.[5] Seit 1940 war er als Architekt Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste.

Seit 1934 war Hilgenstock als selbständiger Architekt in Berlin, Wilhelmshaven und Posen tätig. Er konnte sich im Rahmen der Rüstungswirtschaft an umfangreichen staatlichen Bauvorhaben beteiligen, so dem 60-Millionen-Projekt für Marine-Intendantur und Wohngebäude für ausende Marineangehörige und Werftarbeiter in Wilhemshaven, an Baustellen in Estland, Hannover, Posen und Bremen der Focke-Wulf AG, dem Stollenbau (Stollenvortrieb) in Blankenburg (Harz), einer Außenstelle zunächst des KZ Buchenwald, dann des KZ Mittelbau, für den hunderte meist jüdischer Zwangsarbeiter eingesetzt wurden.[6]

Nach dem Ende des Nationalsozialismus setzte Hilgenstock seine Tätigkeit fort, unter anderem mit dem Bau von Wohngebäuden für die US-Armee. Er starb durch einen Autounfall.

Anmerkungen

  1. Peter Stitz, Der CV 1919-1938. Der hochschulpolitische Weg des Cartellverbandes der katholischen deutschen Studentverbindungen (CV) vom Ende des 1. Weltkrieges bis zur Vernichtung durch den Nationalsozialismus, München 1970, S. 125.
  2. Helge Dvorak, Biographisches Lexikon der deutschen Burschenschaft, Bd. I: Politiker, Teilbd. 2 (F-H), Heidelberg 1998, S. 334-335, hier: S. 334.
  3. Michael Grüttner: Studenten im Dritten Reich, München 1995, S. 37; Hans Peter Bleuel/ Ernst Klinnert, Deutsche Studenten auf dem Weg ins Dritte Reich. Ideologien – Programme – Aktionen. 1918-1935, Gütersloh 1967, S. 225f.
  4. Heike Ströle-Bühler, Studentische Antisemitismus in der Weimarer Republik. Eine Analyse der Burschenschaftlichen Blätter 18918 bis 1933, Frankfurt/M. et alt. 1991, S. 139.
  5. Helge Dvorak, Biographisches Lexikon der deutschen Burschenschaft, Bd. I: Politiker, Teilbd. 2 (F-H), Heidelberg 1998, S. 334-335, hier: S. 335.
  6. Helge Dvorak, Biographisches Lexikon der deutschen Burschenschaft, Bd. I: Politiker, Teilbd. 2 (F-H), Heidelberg 1998, S.335; Jens-Christian Wagner, Produktion des Todes. Das KZ Mittelbau-Dora, Göttingen 2001.

Schriften

  • Die sittlichen Grundlagen des Dritten Reiches: Die Arbeitstagung der Deutschvölkischen Freiheitsbewegung am 19. u. 20. Januar 1929 in Berlin, 1929
  • "Faschistische oder deutsche Staatsform?" Vortrag von Fritz Hilgenstock, gehalten auf der Arbeitstagung der Deutschvölkischen Freiheitsbewegung in Berlin vom 1. - 2. Februar 1930 (Reihe "Unsere Waffen. Rüstzeug der Deutschvölkischen Freiheitsbeweegung", Folge 21), 1930
  • Ehre, Freiheit, Vaterland: Zeugnisse der Tapferkeit in der Zeit des deutschen Unheils (Reihe "Das ABC des Nationalen Bücher-Dienstes"), 1936

Literatur

  • Helge Dvorak, Biographisches Lexikon der deutschen Burschenschaft, Bd. I: Politiker, Teilbd. 2 (F-H), Heidelberg 1998
  • Michael Grüttner: Studenten im Dritten Reich, München 1995