Gilles Deleuze

französischer Philosoph des Poststrukturalismus
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Gilles Deleuze (* 18. Jänner 1925, † 4. November 1995) war ein französischer Philosoph.

Deleuze ist zu sehen auf einer langen Linie europäischer Philosophen, die sich auf je ihre Weise das Destabilisieren des Essentialismus zum Ziel gesetzt haben (Spinoza, Nietzsche, Bergson). Als Anti-Platoniker erscheinen Deleuze die Dinge der beobachtbaren Welt als virtueller Nexus, dessen Elemente notwendigerweise (nur) in nicht-idealer Weise, ohne einem übergeordneten Gesetz zu folgen, also chaosmotisch und rhizomatisch miteinander interagieren.

Zwei der Schlüsselwerke von Deleuze entstanden in Zusammenarbeit mit dem Psychiater Félix Guattari:

  • "Anti-Ödipus. Kapitalismus und Schizophrenie I" (1972, dt. 1974)
  • "Kapitalismus und Schizophrenie. Tausend Plateaus." (1980, dt. 1992)

Beide Werke, v.a. aber die Tausend Plateaus, können auf die verschiedensten Weisen, als Auseinandersetzung mit dem Strukturalismus, als Fortsetzung von Karl Marx' "Das Kapital", als Versuch, der abendländischen Subjektphilosophie den Garaus zu machen, als eine anti-idealistische Geschichtsphilosophie usw. gelesen werden.

"Anti-Ödipus" richtet sich gegen den Freudianismus. Die Psychoanalyse erscheint, v.a. über die Einbindung des Subjekts in die kleinfamiliären Papa-Mama-Strukturen, als Instrument der Aufrechterhaltung kapitalistischer Dominanz und Repression.

In "Tausend Plateaus" werden rationalistische Philosophien, vor allem der Hegelianismus, einer radikalen Kritik unterzogen. Deleuze und Guattari propagieren "Mannigfaltigkeiten", "Werden", "Nomadismus" und den "organlosen Körper". Im Begriff des "Rhizoms" erscheint eine Alternative zum Strukturbaum, dem Emblem der abendländischen Philosophie seit Platon, der das Modell für hierarchische Organisation abgibt.

Es liegt wohl vor allem an diesen beiden zusammen mit Guattari geschriebenen Werken, dass Deleuze über die Kreise der akademischen Philosophie hinaus Wirkungen entfalten konnte und in so diversen Gebieten wie Psychoanalyse, Anthropologie, Linguistik, politischer Ökonomie, Soziologie, Geschichte, Biologie, Musik, Kunst, Literatur, Architektur, Kino etc. diskutiert wird. Interessant ist auch, dass sich v.a. die Tausend Plateaus, obwohl einige Zeit vor der Epoche des Internet entstanden, wie der Versuch der Begrifflichmachung dezentraler nicht-hierarchischer Vernetzungen lesen lassen. Nicht zuletzt die Theorie einer freien Enzyklopädie kann in den Tausend Plateaus hochaktuelle Reflexionen finden.

Deleuze hat sich immer geweigert, so etwas wie eine Schule zu bilden. Zeitgenössische Philosophen, bei denen sein Werk eine bedeutende Rolle spielt, wie etwa Manuel De Landa, Toni Negri, Eric Alliez und andere, führen einen vielfältigen, irgendwie familienähnlichen und jedenfalls neuen Diskurs, der aber keinesfalls eine Richtung darstellt.

Werke

  • Nietzsche und die Philosophie, München 1976 (orig. 1962)
  • Kants kritische Philosophie, Berlin 1990 (orig. 1963)
  • Proust und die Zeichen, Frankfurt a.M. 1993 (orig. 1964)
  • Bergson zur Einführung, Hamburg 1989 (orig.1966)
  • Spinoza und das Problem des Ausdrucks, München 1993 (orig. 1968)
  • Die Logik des Sinns, Frankfurt a.M. 1989 (orig. 1969)
  • Differenz und Wiederholung, München 1992 (orig. 1969)
  • Anti-Ödipus. Zs. m. F. Guattari, Frankfurt a.M. 1974 (orig. 1972)
  • Kafka. Für eine kleine Literatur. Zs. m. F. Guattari, Frankfurt a.M. 1976 (orig.1975)
  • Tausend Plateaus. Zs. mit F. Guattari, Berlin 1992 (orig. 1980)
  • Logik der Sensation. Francis Bacon, München 1995 (orig. 1981)
  • Das Bewegungs-Bild. Kino I, Frankfurt a.M. 1989 (orig. 1983)
  • Das Zeit-Bild. Kino II, Frankfurt a.M. 1990 (orig. 1985)
  • Spinoza. Praktische Philosophie, Berlin 1988 (orig. 1981)
  • Foucault, Frankfurt a.M. 1987 (orig. 1986)
  • Die Falte. Leibnis und der Barock, Frankfurt a.M. 2000 (orig. 1988)
  • Unterhandlungen 1972-1990, Frankfurt a.M. 1993 (orig. 1990)
  • Was ist Philosophie, Frankfurt a.M. 1996 (orig. 1991)
  • Kritik und Klinik, Frankfurt a.M. 2000 (orig. 1993)