Lichttonorgel

Musikinstrument
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Das letzte Produkt, das aus der nun rund 100 Jahre erfinderisch tätigen Familie Welte kam, war die Lichttonorgel von Edwin Welte (1876–1958), eine mit Photozellen gesteuerte elektronische Orgel. Edwin Welte trat 1932 aus dem in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen, 1832 gegründeten und seit 1872 in Freiburg im Breisgau ansässigen, Familienunternehmen M.Welte & Söhne aus. Wann er genau mit der Entwicklung dieses Instrumentes begann ist ungewiss. Er erwarb jedenfalls die Rechte auf ein 1925 von Richard Michel aus Monaco angemeldetes Patent (DRP 443535) für ein Tasteninstrument zur Erzeugung von Musik auf elektronischem Wege. Seit ungefähr 1933 hatte Welte bei der in Weikersheim in Württemberg ansässigen Orgelbaufirma Laukhuff zusammen mit einem Orgelbauer namens Wilhelm Faass an der Realisierung seines Instrumentes experimentiert. Ziel war es, einen funktionsfähigen Prototypen zu bauen. Mit an der Entwicklung beteiligt war die Harmoniumfabrik Mannborg in Leipzig, auch wurde ein Kooperationsvertrag mit dem Elektrokonzern Telefunken geschlossen. 1935 meldete er ein weiteres, eigenes Patent für die Lichttonorgel an (DRP 712570), ein Verfahren zur Herstellen von gemischte Stimmen darstellenden Phonogrammen auf Tonscheiben für Lichttonorgeln. Ende 1935 hatte Mannborg ein Exemplar der Orgel fertiggestellt.

Dieses wurde am 17. August 1936 im Oberlichtsaal der Berliner Philharmonie in einem Presse-Konzert vorgeführt. Die Presse gab sich durchaus begeistert. Am 6.November 1936 gab der Organist Kurt Grosse ein Konzert auf der Lichttonorgel, wobei er von dem Cellisten Armin Liebermann begleitet wurde. Die Kritiken in der Presse waren wiederum positiv. So schrieb das Parteiorgan der NSDAP, der Völkische Beobachter am 9. November 1936 vom einem einzigartigen Wunderwerk Edwin Weltes als ein in seiner Vollkommenheit das gesamte Reich der Töne umfassendes Konzertinstrument. Welte hoffte nun auf Aufträge. Seine Orgel, die bei geringem Platzbedarf die Töne über Verstärker und Lautsprecher wiedergab, bot schier unbegrenzte Verstärkbarkeit und schien damit wie geschaffen für die Massenveranstaltungen des Dritten Reiches. Ausserdem schien er den Vorteil zu bieten, dass im Gegensatz zu der seit 1935 angebotenen und sehr erfolgreich verkauften Hammond-Orgel sein Instrument ein deutsches Produkt war.

Aber offensichtlich hatte man in Berlin vor einer weiteren Zusammenarbeit die persönlichen Verhältnisse Edwin Weltes überprüft. Dabei stellte man fest, dass er mit einer jüdischen Frau verheiratet war. Daraufhin liessen ihn die Nationalsozialisten fallen wie eine heisse Kartoffel, Telefunken stieg aus dem Kooperationsvertrag aus.

Während des Krieges versuchte Edwin Welte auf der Basis der pneumatischen Technik für das Welte-Mignon-Reproduktionsklavier eine Blindenlesemaschine zu entwickeln, die allerdings nicht über das Planungsstadium hinauskam.

Die einzige vorhandene Lichttonorgel wurde 1945 durch Kriegseinwirkung bei Laukhuff in Weikersheim zerstört. Alle Versuche Edwin Weltes, nach dem Krieg seiner Lichttonorgel doch noch zum Erfolg zu verhelfen, waren erfolglos. Die verwendete Technik war inzwischen einfach völlig veraltet. Der Verdienst von Edwin Welte beruht jedoch in der erstmaligen Verwendung gesampelter analoger Klänge zur Wiedergabe der Töne.

Literatur

  • Fischer, Fritz; Grosse, Kurt: Die Welte-Lichtton-Orgel: eine Kirchen- und Konzertorgel, deren Tonerzeugung nicht durch Pfeifen und Zungenstimmen, sondern auf elektro-optischem Wege geschieht. Freiburg 1935.
  • W. Lottermoser: Die Lichttonorgel von Edwin Welte, in: Akustische Zeitschrift 1 (1936), S. 193-194
  • F. Stege: Tönendes Licht, in: Zeitschrift für Musik, Heft 10, Oktober 1936, S. 1235.
  • Eby, Robert L.: Electronic organs: a complete catalogue, textbook and manual. Wheaton, Ill.: van Kampen Press 1953.
  • Hugh Davies: A history of sampling, in: Organized Sound 1 (1996), S. 3-11, hier S. 6 f.)
  • Michael Gerhard Kaufmann: Orgel und Nationalsozialismus. Kleinbittersdorf 1997.